DAS HAUS DER KLUGEN KÖPFE

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2 MANforum 03/ kompetenz DAS HAUS DER KLUGEN KÖPFE Ein Erfolgsfaktor von MAN ist Innovationskraft. Ob für Nutzfahrzeuge, Schiffsmotoren oder Turbomaschinen neue Entwicklungen sichern die Zukunft des Unternehmens. Hinter jeder Entwicklung steckt eine geniale Idee. MAN Forum hat drei Erfinder besucht. Foto: Vuk Latinovic Daniel Düsentrieb? Das dürfen und sollten wir nicht sein. Ein Erfinder muss das Richtige richtig tun. Eberhard Kneifel, 58, erfand für MAN Nutzfahrzeuge den Systemträger. In rund 30 Patenturkunden steht sein Name. >>> Bei dem Wort Erfinder lächelt Eberhard Kneifel, dessen Name in rund 30 Patenturkunden auftaucht. Dabei denkt man doch direkt an Daniel Düsentrieb, an Erfinden aus Spaß, ohne finanzielle Interessen. Doch genau das darf er nicht. Den Verstand einsetzen und das Richtige richtig tun, das muss ein Entwickler. Eberhard Kneifel hat Leichtbau studiert, Fachrichtung Fahrzeugbau, und während seiner beruflichen Laufbahn schon viele Entwicklungsabteilungen kennengelernt: Bei Porsche stand er am Zeichenbrett und entwarf Bauteile. Bei Iveco entwickelte er mit wenig Budget. Seit 1992 ist Kneifel bei MAN Nutzfahrzeuge. Derzeit leitet er die Hauptabteilung Engineering Truck Cabin. Ende der Neunzigerjahre ist dem Erfinder ein echter Coup gelungen: Alle wichtigen Funktionsbaugruppen wie Elektrik und Elektronik, Heizung und Klima sowie das gesamte Cockpit montierten Produktionsmitarbeiter seit der Einführung des Fließbands durch Henry Ford durch die Tür im Fahrerhaus eines Lkw unter erschwerten ergonomischen Bedingungen. Genau das führte zu einer hohen Fehlerquote, die nachträgliche Behebung der Fehler war kostspielig. Da kommt Kneifel auf die Idee, statt der üblichen Vorderwand ein gesondertes Montagemodul zu entwickeln: den Systemträger. Alle im vorderen Fahrerhausbereich angeordneten Baugruppen und Aggregate werden darauf separat vormontiert und auf Funktion geprüft. Erst danach wird der Systemträger mit dem Fahrerhaus verklebt. Die Erfindung reduziert die Montagezeit und die Fehlerquote dank der verbesserten Montagebedingungen. Das Montageband verkürzt sich beträchtlich, die Qualität wird verbessert, und die Kosten sinken. MAN führte den kneifelschen Systemträger im Jahr 2000 mit dem TGA ein. Seitdem wird jeder MAN-Truck so gebaut. VON DER AUFGABE ZUR IDEE Was treibt Erfinder an? Was macht einen Erfinder aus? Entwicklungsingenieure bekommen Aufgabenstellungen im Rahmen von Projekten, deren Inhalte sich etwa aus neuen gesetzlichen Vorschriften oder aus Markt- und Kundenanforderungen ableiten, erklärt Kneifel seine Arbeit. Basis der Entwicklungsprojekte sind Lasten- und Pflichtenhefte, in denen das zu entwickelnde Produkt und dessen Eigenschaften exakt beschrieben sind. Diese Spezifikationen werden in bereichsübergreifender Zusammenarbeit erstellt, wobei die Inhalte nicht nur von der Technik, sondern häufig von den

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4 MANforum 03/ kompetenz Erfinden ist für mich, wie ein Rätsel zu lösen. Die Gasturbine fasziniert Gerhard Früchtel, 45. Seine Arbeit bei MAN Turbo an Kaminen, die die Abgase der Gasturbine abführen, krönte ein erfolgreiches Patent, das teure Reparaturen überflüssig macht. Foto: Vuk Latinovic Bereichen Portfolio Development, Vertrieb oder Marketing definiert werden. Fast immer ist Entwickeln heute Teamarbeit, wobei der Spielraum für Erfindungen durch die genaue Aufgabenstellung begrenzt ist. Dabei schauen die Erfinder nicht nur auf die Technik, sondern auch darauf, ob ihre Innovationen schützenswert sind. Denn sie befinden sich im Wettlauf gegen die Zeit und den Wettbewerb. EHRGEIZ, LÖSUNGEN ZU FINDEN Erfinden heißt für mich Rätsel lösen, meint Gerhard Früchtel, 45. Es kann sehr viel Spaß machen, Neues zu erarbeiten und Lösungen zu finden. Nicht zuletzt deshalb entschied er sich gegen ein Physikstudium und beschäftigte sich lieber mit Maschinenbau auch wenn die Physik ihn nicht losließ. Beides kombinierte er im Rahmen seiner Promotion im Fach Verbrennungstechnik. Eine Faszination übt heute die Gasturbine auf ihn aus. Um an und mit ihr weiterzuarbeiten, kam er 2002 zu MAN Turbo: Das ist eine der komplexesten Turbomaschinen, bei der Kompressor, Turbine und das Verbrennungssystem in eine kompakte Maschine integriert werden müssen. Bei so viel Begeisterung für die Gasturbine ist es kein Wunder, dass sich Früchtel Anfang des neuen Jahrtausends eines besonderen Problems annimmt: In Gasturbinen entstehen bei der Verbrennung nicht nur Abgase, die über einen Kamin in die Luft abgeleitet werden, sondern auch viel Lärm. Gesetzliche Vorschriften verlangen geringere Geräuschemissionen. Um sie einzuhalten, setzen die Hersteller sogenannte Sandmäntel an der Kaminwand ein, die sich jedoch zeitverzögert aufheizen. So entstehen Wärmespannungen, die den Kamin beschädigen können. Kostspielige Reparaturen sind die Folge. Früchtels Idee und die Lösung des Problems: flexiblere Außenschalen und eine geringere Dicke der Sandmäntel meldet Früchtels Arbeitgeber, MAN Turbo, diesen Abgaskamin zum Patent an. Die Begeisterung für Technik teilen Kneifel und Früchtel mit Andre Voges. Schon als Junge war Voges von Flugzeugen fasziniert. Früh war klar, dass er Luft- und Raumfahrttechnik sowie Flugantriebe studieren wollte. Als Student arbeitete er bei MTU Aero Engines, nach seinem Studium begann er 2002 seine Karriere bei MAN Diesel in Augsburg. Es stand für mich außer Frage, dass ich in der Forschung und Entwicklung anfangen wollte, sagt der heute 36-Jährige selbstsicher. Und dort gelang Voges eine wichtige Innovation im Bereich Turbolader. VORTEILE IM WETTBEWERB Seit langer Zeit arbeiteten die Turbolader an Schwerölmotoren mit starren Düsenringen. Damit wurde die Luft für den Motor nur an einem Betriebspunkt optimal zur Verfügung gestellt. Turbolader und Kraftstoffverbrauch ließen sich so nicht im Betrieb einstellen. Andre Voges und seine Kollegen schafften es, sie über einen Düsenring mit verstellbaren Schaufeln zu regulieren. Dank Voges ist MAN Diesel bisher der einzige Hersteller weltweit, der die variable Turbinengeometrie Variable Turbine Area (VTA) an Schwerölmotoren zur Anwendung bringt. Die Motoren sprechen damit nicht nur

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6 MANforum 03/ kompetenz Ich habe den Ehrgeiz, neue Lösungen zu finden. Mit seiner Tätigkeit will er zur Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns beitragen. Andre Voges, 36, entwickelte bei MAN Diesel für Schwerölmotoren- Turbolader das Variable Turbine Area- System zur Serienreife. Foto: Vuk Latinovic dynamischer an, sondern verbrauchen auch weniger Kraftstoff und arbeiten emissionsärmer. Wir Ingenieure haben schon den Ehrgeiz, neue Lösungen zu finden, sagt Voges. Mit dem VTA-System ist ihm und seinem Team das gelungen: Wir haben da sehr viele kleine, aber elegante Patente, die wiederum zu einem sehr eleganten Gesamtprodukt geführt haben. SCHUTZZAUN FÜR PRODUKTE Die Eleganz der Produkte und Patente ergibt sich aus der engen Zusammenarbeit zwischen Entwicklungs- und Patentabteilung. Das Patentwesen ist wie ein Schutzzaun um unser Produktportfolio, erklärt Patentanwalt Stefan Schlosser, Leiter der Patentabteilung bei MAN Diesel und außerdem für das Patentwesen bei Renk und MAN Turbo beratend tätig. Rund 50 Patente meldet MAN Diesel jedes Jahr in Deutschland an und mehrere Hundert weltweit in den Ländern, wo das Produkt später auch verkauft werden soll. MAN Diesel nutzt seine Patente, um Märkte für sich zu reklamieren, und setzt zusätzlich auf patentierte Lizenzen. Innovationen nicht patentieren zu lassen würde sich sehr schnell rächen, ist sich Schlosser sicher. Der Wettbewerb würde sofort an uns vorbeiziehen. Als Thomas Philippeck vor gut zwei Jahren seinen Job als Patentingenieur bei MAN Turbo antrat, hielt er als Erstes mehrere Workshops rund um das Thema Patent. Ihm ist wichtig, dass ein Patent strategisch wertvoll ist und wirtschaftliches Potenzial hat. Seine Arbeit zeigt schon Erfolge: 2008 beantragte MAN Turbo beim Deutschen Patent- und Markenamt in München 24 Patente dreimal so viel wie in den Jahren zuvor. KNAPP 500 PATENTE PRO JAHR Der größte Teilkonzern MAN Nutzfahrzeuge meldet pro Jahr 100 bis 150 Patente in Deutschland an, rund 150 in den BRIC- Staaten also Brasilien, Russland, Indien und China sowie 300 in den europäischen Hauptwettbewerbsländern Frankreich, Italien, den Niederlanden, Schweden und Polen. Auf Österreich, die Türkei, die USA und Südafrika kommen zusammen weitere 70. Erwin Stiermann, Chef der Patentabteilung bei MAN Nutzfahrzeuge, kann mithilfe seiner Datenbank exakt angeben, wie viele Patente in welchen Ländern jährlich angemeldet wurden. Wenn ein Amt eine Patentanmeldung von MAN Nutzfahrzeuge ablehnt, wird gekämpft. Das längste Anmeldeverfahren hat 18 Jahre gedauert das Patentamt lenkte schließlich ein. Nur 10 bis 20 Prozent der von MAN- Entwicklern gemeldeten Erfindungen lehnen Stiermann und seine Kollegen ab nämlich dann, wenn sich die Erfindung nicht vom aktuellen Stand der Technik abhebt. Alle anderen werden zum Patent angemeldet. Rund 90 Prozent dieser Anmeldungen sind erfolgreich, knapp 500 Patente pro Jahr. Das ist mehr als bei unseren Wettbewerbern, die es auf 30 bis 40 Prozent bringen, berichtet er stolz. Auch wenn Erfindungen heute häufig Detaillösungen sind, Stiermann ist sich sicher: Diese kleinen Erfindungen können eine große Wirkung erzielen. <