Kuba. Exkursion. koloniales Erbe Technische Universität Wien,

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1 Exkursion Kuba koloniales Erbe ,, Abt. Digitale Architektur und Raumplanung

2 Impressum Herausgeber Wolfgang E. Lorenz, Andreas Jonas Treitlstraße 3/1, 1040 Wien T +43 (1) F +43 (1) beiträge Anke Bacher, Arnold Faller, Michaela Gritsch, Simon Hosemann, Andreas Jonas, Jacqueline Knoll, Viktor Krisch, Vera Lenger, Wolfgang E. Lorenz, Clemens Raffler, Lisa Reinhart, Gabriel Schuh, Nora Unterköfler, Witold Urbanski, Anton Vilanek, Rafaela Waxmann, Gabriel Wurzer, Josef Zitzler redaktion Wolfgang E. Lorenz, Andreas Jonas Layout und satz Wolfgang E. Lorenz, welo.at Umschlagentwurf: Andreas Jonas und Wolfgang E. Lorenz Fotos und grafiken Sämtliche Abbildungen (Fotos und Grafiken) wurden von den Autorinnen und Autoren zur Verfügung gestellt. erschienen im eigenverlag Printed in Austria 2015 Alle Rechte vorbehalten ISBN Lektorat Sigrun Swoboda, Wolfgang E. Lorenz, Andrea Wölfer

3 Kuba Im KolonIalen erbe Wolfgang E. Lorenz und Andreas Jonas Digitale Architektur und Raumplanung Kuba ist einem politischen und wirtschaftlichen Wandel unterworfen. Die Lockerung des US amerikanischen Embargos wird zwangsweise die derzeitig anzutreffende Improvisationskunst beeinflussen. Sowohl der Zugang zu einer größeren Palette an Ressourcen aber auch ausländische Interventionen werden Neuanschaffungen an die Stelle des allgegenwärtigen Bewahrens von Vorhandenem treten lassen. Noch steht die Mangelwirtschaft im Kontrast zur verglichen mit anderen lateinamerikanischen Ländern guten Bildungs- und Gesundheitsversorgung der kubanischen Bevölkerung. Inwiefern es auch hier zu Veränderungen kommen wird, ist noch nicht absehbar. kuba im WandeL Definiertes Ziel unserer Exkursion nach Kuba war es den Status Quo einzufangen und den Zusammenhängen, welche zu diesem Zustand führten, auf den Grund zu gehen. Dementsprechend hatten wir uns zur Aufgabe gestellt gleichfalls die verschiedenen, auf das gegenwärtige System einwirkenden, Einflüsse zu behandeln und Kuba abseits der gebauten Umwelt als Gesamtheit zu erörtern. Aufgrund der Tatsache, dass dieses Unterfangen den Rahmen einer einmaligen Exkursion sprengt, war letztendlich das zentrale Thema der Exkursion gleichsam die Sichtbarkeit, primär der Kolonialzeit und die Umstände, die zu deren Bewahrung geführt haben. koloniales erbe Die Zeit von der Entdeckung Kubas bis zu dessen Unabhängigkeit von Spanien im Jahr 1898 war geprägt von europäischem Einfluss (siehe Kolonialzeit, Seite 25). Ähnlich dem gesamten amerikanischen Kontinent wurde die indigene Bevölkerung Kubas (siehe Ureinwohner Kubas, Seite 101) durch eingeschleppte Krankheiten, der Gier nach Gold und durch Zwangsarbeit fast vollständig ausgerottet. Die Ausbeutung von Land und Leuten, der Import von Sklaven aus Afrika (siehe Sklaverei, Seite 155) und die Monokulturen (Anbau von Tabak und Zuckerrohr; siehe Tabak, Seite 68; siehe Der Zuckeranbau, Seite 169) prägten lange Zeit das Bild einer Gesellschaft konträrer ökonomischer Möglichkeiten, Rechte und persönlicher Freiheiten. Das spanisch koloniale Erbe vermischt sich mit dem direkten und indirekten Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika, die zwischen der Unabhängigkeit Kubas von Spanien (1898; siehe Unabhängigkeitskriege, Seite 26) und der kubanischen Revolution (1959; siehe Die kubanische Revolution, Seite 29) ein reges wirtschaftliches sowie strategisches Interesse an der Karibikinsel zeigten. Dieses Interesse manifestiert sich in zahlreichen Bauwerken, vor allem in der Hauptstadt Havanna (siehe US-amerikanischer Einfluss, Seite 183). Die Auswirkungen der beiden Aspekte Kolonialzeit und amerikanische Interventionen scheinen wie eingefroren. Eingefroren nicht zuletzt aufgrund des, durch das US amerikanische Embargo verursachten, Mangels an Gütern. Dies hat beispielsweise unmittelbaren Einfluss auf den Einsatz und den täglichen Betrieb von Verkehrsmitteln, nachdem sich etwa Dampflokomotiven (siehe Caibarien, Seite 165) einfacher wieder in Stand setzen lassen als Diesel- oder Elektrolokomotiven. Aber auch, die das Straßenbild prägenden, US amerikanischen Oldtimer (zumeist Baujahr 1950er Jahre) sind Ausdruck des US amerikanischen Imports, des darauf folgenden Embargos, der staatlichen Einflussnahme und des Zwangs zur Erhaltung (aber auch des Erkennens als Potenzial für den Tourismus). gesamtheitlicher blick Die fachlichen Kernthemen der Exkursion, die Architekturhistorie und die Raumplanung, wurden durch verschiedene beeinflussende Faktoren, wie etwa die des jeweils vorherrschenden politischen Systems (siehe Ein geschichtlicher Exkurs, Seite 23), der Ökologie (siehe Ökologie und Naturschutzpolitik Kuba im kolonialen Erbe Kuba im Wandel

4 in Kuba, Seite 34) oder der Ökonomie im Wandel der Zeit (siehe Kubas Wirtschaft, Seite 39), ergänzt. Diese mannigfaltigen Einfl üsse waren auch während der Reise ein immer wiederkehrendes Thema um Zusammenhänge und Wechselwirkungen zu verstehen. So stand beispielsweise der Stadtbesuch von Santa Clara unter dem Zeichen der Revolution (siehe Herausforderungen und Problemstellungen, Seite 16; siehe Ernesto Che Guevara, Seite 162) und der Besuch der Schweinebucht (siehe Schweinebucht, Seite 99) unter dem Gesichtspunkt der amerikanischen Einfl ussnahme beziehungsweise jener der Exilkubaner. Die kubanische Wirtschaft wiederum, vornehmlich die des Zuckerrohrs, Rums und Tabaks, wurde nicht nur im Licht einer fi nanziellen Basis sondern auch in jenem der politischen Wechselwirkung (Handel mit der bis 1991 bestehenden Sowjetunion) und möglichen baulichen Auswirkungen betrachtet (siehe Biosphären Reservate Sierra del Rosario, Seite 90; siehe Sklaverei, Seite 155; siehe Der Zuckeranbau, Seite 169; siehe Tourismus und Ökologie, Seite 173). das exkursionsprogramm Während der gesamten Exkursion wurde auf die Kontaktaufnahme mit Professoren und Studierenden beziehungsweise mit Architekturorganisationen in Kuba Bedacht genommen. Es waren vor allem diese Treffen mit kubanischen Architekten und Bauhistorikern, die auf Stadtrundgängen und bei Diskussionsrunden, etwa an den Universitäten von Havanna und Santa Clara, einen Einblick in die Baukunst und Stadtplanung Kubas gaben. Darüber hinaus wurden neben den als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannten Städten Havanna, Cienfuguegos, Trinidad und Santa Clara auch die dörflichen Strukturen, wie etwa in Viñales, untersucht. Abgesehen von allgemeinen Betrachtungen waren fi xe Bestandteile der Exkursion folgende: die Sanierung der Altstadt von Havanna, der Vortrag mit dem Thema Erläuterung und Präsentation des Konzepts und der Pläne zur Sanierung der Altstadt anhand des Stadtmodells von Havanna, Abb.1 Universität Havanna. Lorenz, 2015 die vom Architekten Alexis geleitete Führung durch die Altstadt von Havanna mit dem Thema Städtebau des kolonialen Erbes, die Führung o.g. Architekten durch das moderne Havanna (Art Deco und Eklektizismus) und den westlichen Stadtteilen Miramar, Playa, Siboney, Havana Centro, Vedado, die beiden Treffen mit kubanischen Professoren und Studierenden der Architektur Fakultät in Havanna (Universidad de La Habana; Abb.1) und in Santa Clara, der Besuch des Museum of Playa Girón (Invasion in der Schweinebucht), die vom Guide Daniel geleitete Führung durch die Modellbauterrassen Las Terrazas des Biosphärenreservats Sierra del Rosario, die Besichtigung von Cienfuegos (UNESCO Weltkulturerbe) und der von der Biologin Hilda geleiteten Führung durch den botanischen Garten, die Besichtigung von Trinidad (UNESCO Weltkulturerbe), mit der an die Studierenden gestellten Tagesaufgabe zur Auseinandersetzung mit der Stadt an sich, das Treffen mit der nationalen Architektur- und Ingenieurkammer von Kuba (UNAIC) in Trinidad, der Besuch des nationalen Architektur Museums in Trinidad, E259.1 Digitale Architektur und Raumplanung Kuba 2015

5 die Besichtigungen der Theater von Pinar del Río und Cienfuegos, gemäß des Zitats Kubas Architektur ist wie Stein gewordene kubanische Musik (Alejo Carpentier, kubanisch-französischer Schriftsteller) und die Besichtigungen und Führungen durch Fabriken der wichtigsten Exportgüter Kubas (Tabak, Zucker und Rum). Die im Vorfeld der Exkursion von den Studierenden zu den einzelnen Themen getätigten Recherchen wurden durch die zahlreichen Informationen Vorort ergänzt, nach fachlichen Kriterien bearbeitet und in den tageszeitlichen Ablauf der Exkursion gestellt. Dadurch konnten die Zusammenhänge zwischen Stadt, Land, Wirtschaft und Politik stärker herausgearbeitet werden. Die vorliegende Publikation versteht sich nun als Grundlage für eine weitere Auseinandersetzung mit der kubanischen Architekturhistorie und Stadtplanung. ausblick und Fazit Bei den Treffen vor Ort wurde auf die Möglichkeit der Kooperation in Hinblick auf den Schwerpunkt der Abteilung digitale Architektur und Raumplanung Bedacht genommen. Digital bedeutet nicht per se eine digitale Welt, sondern auch eine Auseinandersetzung mit analogen Gestaltungsmittel um daraus neue (ungeahnte) Möglichkeiten schöpferischer Kraft zu schaffen. Sowenig eine digitale Abbildung der Realität, ohne der aus der analogen Welt gewonnenen, grundlegenden Kenntnisse von Licht, Schatten und Materialität möglich ist, schöpft auch eine digitale Entwurfsgenerierung aus den uns umgebenden Realitäten. Dabei bietet Kuba in mannigfaltiger Hinsicht eine Quelle der Inspiration. So führten beispielsweise politische und wirtschaftliche Faktoren durch die mangelnde Verfügbarkeit von Materialien und Maschinen (zum Versetzen von Bauteilen) zu speziellen Bauweisen (Fertigteilsystem Novoa; siehe Biosphären Reservate Sierra del Rosario, Seite 90). Diesen Aspekt greifen wir in einem erster Schritt für ein im Wintersemester 2015/16 geplantes Entwerfen auf, bei dem die in Kuba entwickelten und verwendeten Betonfertigteile in einer algorithmischen Planungsaufgabe unter Berücksichtigung österreichspezifischer Bedürfnisse und Vorschriften zum Einsatz kommen. Das führt zwangsläufig zur Überprüfung der Praxistauglichkeit außerhalb des Umfeldes, in dem das System entwickelt wurde. Aber auch die Kolonialzeit, die Zeit der US amerikanischen Interventionen und später die Nähe zur Sowjetunion beeinflussen nicht nur die Bauaufgaben, sondern auch die Gestaltung selbst. So wird etwa in der Kolonialzeit zum einen der Kontrast zwischen den Wohngebäuden der Plantagenbesitzer und den Sklavenunterkünften deutlich und zum anderen die Adaptierung des spanischen Stils an die klimatischen Verhältnisse und die Lebensweise Kubas (siehe Das moderne Havanna, Seite 183). Die Prohibition auf Alkohol in den USA ( ) lässt dagegen speziell in Havanna Vergnügungstempel nach amerikanischem Vorbild entstehen (siehe Das moderne Havanna, Seite 183). Die Plattenbauten in den Vororten lassen sich wiederum auf die enge Verbindung mit der Sowjetunion und somit deren Vorlagen des sozialistischen Wohnungsbaus zurückführen (siehe Wasser, Strom und Abfall in Trinidad, Seite 132). Schließlich stellt sich die Frage inwiefern der Bestand als koloniales Erbe und der allgegenwärtige Mangel Einfluss auf die Planung nimmt, und zwar sowohl im städtischen Maßstab als auch in jenem des einzelnen Gebäudes. Aus den Erkenntnissen können Ansätze zur Planung künftiger Szenarien (Stadtentwicklung) generiert werden, die auch Einfluss auf eine mögliche algorithmische Beschreibung einer solchen Entwicklung haben. Die Organisatoren sind davon überzeugt, dass eine Auseinandersetzung mit der gebauten Umwelt nicht ohne die Betrachtung unterschiedlicher Einflussfaktoren möglich ist. Das trifft in besonderem Maße auf den Inselstaat Kuba und seiner wechselhaften Geschichte zu. Aus diesem Grund geben die folgenden Seiten nicht nur einen Einblick in die Architektur und die Stadtplanung Kubas sondern erklären durch die begleitenden Informationen aus Wirtschaft, Geschichte und Politik auch deren Einflüsse und Wechselwirkungen. Kuba im kolonialen Erbe Ausblick und Fazit