Care Leaver Übergänge aus stationären Erziehungshilfen als biografisches Risiko Dr. Severine Thomas
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- Louisa Walter
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1 Universität Hildesheim in Kooperation mit der Internationale Gesellschaft für Erzieherische Hilfen (IGfH, Frankfurt) Care Leaver Übergänge aus stationären Erziehungshilfen als biografisches Risiko Dr. Severine Thomas Denn sie wissen, was sie tun Kooperationstagung Jugendberufshilfe. Berufliche Bildung 09./ Hofgeismar 1
2 Care Leaver Projekte in Kooperation von IGfH und Universität Hildesheim Projekt Was kommt nach der stationären Jugendhilfe? ( ), Stiftung Jugendmarke Bestandsaufnahme der Ausgangssituation für den Übergang aus stationären Hilfen Arbeitsbuch: Beispiele guter Praxis im In- und Ausland 2 Projekt Rechte im Übergang Die Begleitung und Beteiligung von Care Leavern ( ), Stiftung Jugendmarke Übergangserfahrungen von Care Leavern Infobroschüre und Internetseite für Care Leaver (und Fachpraxis) unter Beteiligung von betroffenen jungen Menschen Projekt Gut begleitet ins Erwachsenenleben. Übergangsmanagement in und nach stationären Hilfen. Entwicklung & Transfer ( ), BMFSJF Weiterentwicklung und Evaluation von besonders bewährten Handlungsansätzen in der Übergangsbegleitung aus stationären Erziehungshilfen ins Erwachsenenleben 3 Modellstandorte zu (1) Übergangsplanung, (2), vernetzte Infrastrukturen, (3) Beteiligung und Selbstorganisation von Care Leavern
3 Beteiligung und Selbstorganisation stärken Careleaver e. V. (seit 2014) Selbstorganisation und Vernetzung von Care Leavern Interessenvertretung Experten in Fachdiskursen 3 Care Leaver Hearing in Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12. Mai 2016)
4 4»Der 18. Geburtstag darf kein Angstdatum für Care Leaver sein«. Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin, BMFSFJ
5 Care Leaver?!
6 6 Care Leaver! Care Leaver wachsen bereits vor der Hilfe in Armut und sozial prekären Lebenslagen auf. Care Leaver sind in ihren Bildungschancen benachteiligt. Care Leaver haben häufiger besondere gesundheitliche Einschränkungen und psychische Belastungen Care Leaver sind mehr als ihre Peers von Wohnungslosigkeit bedroht und betroffen. Care Leaver bekommen früher und mehr eigene Kinder als ihre Peers. Verlassen der Schule mit einem geringeren oder keinem Abschluss häufiger arbeitslos, von Arbeitslosigkeit bedroht, sehr selten im tertiären Bildungssektor vertreten, eventuell slowtrack Care Leaver = überproportional häufig von sozialer Benachteiligung & Exklusion betroffen
7 7 Care Leaver und Bildung Quelle: Köngeter/Schröer/Zeller 2012
8 8 Junges Erwachsenenalter mehr als eine verlängerte Jugendphase Es entsteht eine neue Lebensphase zwischen Jugend und Erwachsenenalter (18-25 Jahre). Emerging Adulthood (Arnett 2000) YOYO-Übergänge (Walther/Stauber 2002) Anforderungen an Übergänge aus stationären HzE unter diesen Gesichtspunkten besonders hoch
9 9 Care Leaver im Vergleich zu ihren Peers Durchschnittliches Auszugsalter (Deutschland 2007) Männer Frauen HzE? Das durchschnittliche Auszugsalter aus dem elterlichen Haushalt liegt in Deutschland bei 23,9 Jahren (Frauen) bzw. 25,1 Jahren (Männer) (vgl. Eurostat 2009). Quelle: Nüsken 2013 in Anlehnung an Eurostat 2009
10 10 Hilfen zur Erziehung nach Lebensalter 11 Jahre 12 Jahre 13 Jahre 14 Jahre 15 Jahre 16 Jahre 17 Jahre 18 Jahre 19 Jahre 20 Jahre 21 Jahre Inanspruchnahmequoten pro der altersgleichen Bevölkerung, inkl. ambulante Hilfen Fendrich/Pothmann/Tabel (2016), S. 15 Datengrundlage: Bestandserhebung zum , eigene Darstellung
11 Übergang Freude oder Angst? 11
12 12
13 Aktuelle Zahlen 13 Wachsende Zahlen für Hilfen zur Erziehung insgesamt Wachsende Zahlen für Hilfen für junge Volljährige
14 Ländervergleich Hilfen zur Erziehung 14
15 15
16 Nachgehende Hilfen Unmittelbar nachfolgende Hilfen Jährige Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Erzieherische Hilfen, Eigene Darstellung. Beendete Hilfen gem. 34 SGB VIII in 2011 (N=10.150) 2% 2% 2% 2% 35% HzE gem , 41 SGB VIII keine nachfolgende Hilfe gem , 41 SGB VIII Allgemeine Beratung durch den ASD 57% Zuständigkeitswechsel: Hilfefortführung ( 33; 34) Weiterverweisung an andere Beratungseinrichtungen Eingliederungshilfe gem. 35a SGB VIII
17 Kritische Übergangskonstellationen Hilfegewährungspraxis: Abhängigkeit von regionaler Bewilligungspraxis Jugendtypisches Verhalten kaum berücksichtigt, Normalitätsvorstellung Auszug mit 18 mangelnde Mitwirkung indiziert keinen weiteren Hilfebedarf Fokus auf Bildung nicht zentral Übergang in andere Leistungssysteme gefährdet Bildungschancen Bildung wird kaum als biographische Chance wahrgenommen Wohnungslosigkeit / Soziale Isolation in der eigenen Wohnung Psychisch kranke junge Erwachsene / Care Leaver ohne klare Diagnose: Überleitung in Eingliederungshilfe oder andere Leistungsbereiche Situation nach Hilfeende wird nicht rückgekoppelt an die Kinder- und Jugendhilfe.
18 18 Junge Flüchtlinge als Adressat_innen der Kinder- und Jugendhilfe Ein kurzer Einblick
19 19 ein paar Zahlen 70% sind 16 oder 17 Jahre alt, 25% 14 Jahre 90% sind männlich
20 20 Aktuelle Entwicklungen für junge Flüchtlinge Verstetigung absinkender Standards durch die Notversorgung (z.b. in Hostels und Zelten); befürchtete Standardabsenkung im Rahmen der SGB VIII Novellierung würde die Situation weiter verschärfen. Abrupte Hilfebeendigungen und Übergänge direkt in die GU bzw. Umverteilung im Rahmen der EASY Verteilung bedeuten neue Gefährdungslagen. Vorrang der Kinder- und Jugendhilfe nach 18+!? Qualifizierungsbedarf/ Fachkräftemangel/ Haltungsfragen
21 Situation junger Flüchtlinge bei Verlassen der Jugendhilfe 21 Kurze Voraufenthaltszeit in Deutschland Spracherwerb nicht abgeschlossen aufenthaltsrechtliche Situation oft (noch) nicht abgesichert (Asylantrag; Asylverfahrenszeiten) Zuständigkeitswechsel zu anderen Behörden/ Leistungsträgern (weiterer) Zugang zu (Regel)Schule, Ausbildung und Arbeit abhängig von der regionalen Situation und dem Status Förderung durch BAB, Bafög etc. reglementiert nach Voraufenthaltszeit und anderen Voraussetzungen Perspektiven für junge Menschen aus stat. HzE?
22 22 Situation junger Flüchtlinge bei Verlassen der Jugendhilfe Beendigung der Vormundschaft mit dem 18. Geburtstag (Ausnahmen bei späteren Volljährigkeitsgrenzen im HKL); Kontakt zu BetreuerI_innen i. d. R. auch offiziell beendet Wiederleben von Beziehungsabbrüche Soziales Netz sehr unterschiedlich ausgeprägt Unterstützung, v.a. aufenthaltsrechtliche Beratung, selten geklärt Diskriminierungserfahrungen/ Rassismus (Wohnungsmarkt/ Arbeitswelt/Behörden) Wohnsituation in der Praxis oft das zentrale Problem
23 23 Erfahrungen von junge Menschen mit Fluchthintergrund Ergebnisse aus dem Projekt Zwischen Jugendhilfe in die Selbstständigkeit Keine Zukunftsplanung ohne gesicherten Aufenthalt! (Sprachliche) Schwierigkeiten im Behördenkontakt, mit ÄrztInnen, Ausbildungsstellen, Schule & Ausbildung Wohnen in GU, Pensionen, Obdachlosenunterkünften verursacht Stress Ausbildung-und Arbeitsalltag ist kaum zu bewältigen. Geld verdienen vs. keine Perspektive ohne Ausbildung Fremdbestimmung vs. gehört werden: an Entscheidungen (JH, AE) beteiligt werden, eigene Interessen & Bedürfnisse
24 24 Aufenthaltsrechtliche Veränderungen ab 18 Heraufsetzung der Handlungsfähigkeit auf 18: (Asylantrag vor 18 durch JA, Anhörung nur mit Vormund) Ausreisepflicht wird vollziehbar!? (vgl. Neuregelung AufenthG) Nicht mehr die Minderjährigkeit sondern andere dringende persönliche Gründe rechtfertigen Duldung, so z.b. eine begonnene Ausbildung (Ausnahme sichere HKL) Anspruch auf Familienzusammenführung (Eltern) bei AE/ Flüchtlingsanerkennung endet
25 Was brauchen Care Leaver? - Was ist gute Praxis? Nicht mehrere Übergangsprozesse parallel einleiten! Partizipation im Sinne von Selbstverantwortung und Selbstbestimmung fördern! Netzwerke stärken / Gruppenangebote erweitern! Reversible und flexible Übergängen aus Erziehungshilfen ermöglichen! Bildung als Aufgabe der Erziehungshilfe besser verwirklichen!
26 Was brauchen Care Leaver? - Was ist gute Praxis? Abschiede vorbereiten und Abschiednehmen lernen! Orte des Zurückkommens schaffen! Bindungen ermöglichen und erhalten: Ehemaligenarbeit und Patenschaften institutionalisieren! Infrastruktur für Hilfen aus einer Hand verbessern!
27 27 Die Perspektive der Adressat_innen Viele Care Leaver fühlen sich nicht gut vorbereitet. Auch Care Leaver mit positiven Hilfeverläufen fühlen sich im Übergang z. T. zurückgewiesen. Extremer Wechsel aus stark reglementierter Lebenssituation in Wohngruppen und Heimen wird als Bruch erlebt. Der Abschied von Vertrauenspersonen wie Pflegeeltern oder Betreuer_innen wird wenig thematisiert. Die emotionalen Auswirkungen des Hilfeendes finden in der Übergangsbegleitung wenig Raum. Beziehungskontinuität, Spielräume und wirtschaftliche Sicherheit beschreiben Care Leaver als Schlüsselfaktoren im Übergang.
28 Die Perspektive der Adressat_innen 28 Auch Care Leaver mit positiven Hilfeverläufen fühlen sich im Übergang z. T. zurückgewiesen. Der Übergang verläuft dann besonders positiv, wenn Care Leaver Stabilität und Kontinuität im Hilfesystem und in ihren sozialen Beziehungen vorfinden. Sie brauchen vertrauensvolle Wegbegleiter, Übungsfelder und müssen Fehler machen dürfen, um sukzessive wie andere junge Erwachsene Verantwortung für ihr Leben übernehmen zu können. (vgl. Stein/Wade 2000) Partizipation in der Hilfeplanung und in der Übergangssituation wird bisher nicht genügend gepflegt.
29 Was war schwierig im Übergang? Schlechte Bürokratie Mehr Mitentscheidung Kaution bezahlt wer? Vorurteile gegenüber Heim- und Pflegekindern bei Wohnungssuche überwinden Mehr haushaltspraktische Erfahrungen Zu wenig Infos für die erste Wohnung Rechtliche Beratung Keine Betreuung an Feiertagen Zu schneller Auszug Mehr finanzielle Sicherheit Langfristig denken Homebase Psychische Belastung höher Kenntlichmachung des Careleaver-Status Bessere Beratung 75%-Bla Abzweigungsantrag hängt von den Eltern ab Alternativen/Perspektiven aufzeigen Wissen über Mietvertrag, Bestandteile der Nebenkosten usw. unklar Elternunabhängiges BAFöG Extrem lange Bearbeitungszeit von Anträgen 29
30 30 Was war hilfreich im Übergang? Ambulante Erziehungshilfen Onkel Google Betreuung Freunde Pflegefamilien Bezugserzieherin Erstausstattung
31 Internationale Perspektiven auf den Übergang Anspruch auf Erziehungshilfen bis 23 Rückkehr möglich! Gesetzliche Verankerung der Übergangsbegleitung Übergangsprogramme für Care Leaver: Wohnen + Bildung Selbstorganisation und Selbsthilfe von Care Leaver Kampagnen zur Verbesserung der Situation von Care Leaver Sensibilisierung für Anforderungen an den Übergang: Hearings mit Politik, Fachpraxis und Care Leaver Stärkung der Rechte von Care Leaver: Advocacy 31
32 32 Beispiel guter internationaler Praxis Trägerübergreifende Gruppenarbeit mit Care Leavern in Polen: Robinson Crusoe Foundation Warschau Planspiele Gruppenpädagogisch ausgerichtete Stärkung der Persönlichkeit Alternative Erfahrungsräume z. B. in Jugendcamps Vorbereitung auf Praktika und den Übergang in Ausbildung und Arbeit Enge Begleitung außerhalb des Heimalltags
33 33 Rechte von Care Leavern Hilfe nach 18? 41 SGB VIII Jugendgerechtes Mitbestimmung Bildung Rechte Aufwachsen Gesicherte Existenz
34 34 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Was brauchen Care Leaver? Übergänge aus stationären Erziehungshilfen ins Erwachsenenleben gemeinsam gestalten
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