Predigt am (Josua 6, 1-20)

Transkript

1 Predigt am (Josua 6, 1-20) Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns. Liebe Gemeinde, den Predigttext für den heutigen Sonntag habe ich dem Buch Josua entnommen, in dem es im 6. Kapitel in den Versen 1 20 heißt: (1) Jericho aber war verschlossen und verwahrt vor den Israeliten, so dass niemand heraus- oder hineinkommen konnte. (2) Aber der Herr sprach zu Josua: Siehe, ich habe Jericho samt seinem König und seinen Kriegsleuten in deine Hand gegeben. (3) Lasse alle Kriegsmänner rings um die Stadt herumgehen, einmal und tu so sechs Tage lang. (4) Und lasse sieben Priester sieben Posaunen tragen vor der Lade her, und am siebenten Tag zieht siebenmal um die Stadt und lasse die Priester die Posaunen blasen. (5) Und wenn man die Posaune bläst und es lange tönt, so soll das ganze Kriegsvolk ein großes Kriegsgeschrei erheben, wenn ihr den Schall der Posaune hört. Dann wird die Stadtmauer einfallen und das Kriegsvolk soll hinaufsteigen, ein jeder stracks vor sich hin. (6) Da rief Josua, der Sohn Nuns, die Priester und sprach zu ihnen: Bringt die Bundeslade und sieben Priester sollen sieben Posaunen tragen vor der Lade des Herrn. (7) Zum Volk aber sprach er: Geht hin und zieht um die Stadt; und die Kriegsleute sollen vor der Lade des Herrn hergehen. (8) Als Josua das dem Volk gesagt hatte, trugen die sieben Priester sieben Posaunen vor der Lade des Herrn her und gingen und bliesen die Posaunen, und die Lade des Herrn folgte ihnen nach. (9) Und die Kriegsleute gingen vor den Priestern her, die die Posaunen bliesen, und das übrige Volk folgte der Lade nach und man blies immerfort die Posaunen. (10) Josua aber gebot dem Kriegsvolk und sprach: Ihr sollt kein Kriegsgeschrei erheben noch eure Stimmen hören lassen, noch soll ein Wort aus eurem Munde gehen bis auf den Tag, an dem ich zu euch sage: Macht ein Kriegsgeschrei! Dann sollt ihr ein Kriegsgeschrei erheben. (11) So ließ er die Lade des Herrn rings um die Stadt ziehen einmal und sie kamen zurück in das Lager und blieben darin über

2 Nacht. (12) Und Josua machte sich früh am Morgen auf und die Priester trugen die Lade des Herrn. (13) So trugen die sieben Priester die sieben Posaunen vor der Lade des Herrn her und bliesen immerfort die Posaunen; und die Kriegsleute gingen vor ihnen her, und das übrige Volk folgte der Lade des Herrn und man blies immerfort die Posaunen. (14) Am zweiten Tag gingen sie auch einmal um die Stadt und kamen zurück in das Lager. So taten sie sechs Tage. (15) Am siebenten Tag aber, als die Morgenröte aufging, machten sie sich früh auf und zogen in derselben Weise siebenmal um die Stadt; nur an diesem Tag zogen sie siebenmal um die Stadt. (16) Und beim siebenten Mal, als die Priester die Posaunen bliesen, sprach Josua zum Volk: Macht ein Kriegsgeschrei! Denn der Herr hat euch diese Stadt gegeben. (17) Aber diese Stadt und alles, was darin ist, soll dem Bann des Herrn verfallen sein. Nur die Hure Rahab soll am Leben bleiben und alle, die mit ihr im Hause sind; denn sie hat die Boten verborgen, die wir aussandten. (18) Allein hütet euch vor dem Gebannten und lasst euch nicht gelüsten, etwas von dem Gebannten zu nehmen und das Lager Israels in Bann und Unglück zu bringen. (19) Aber alles Silber und Gold samt dem kupfernen und eisernen Gerät soll dem Herrn geheiligt sein, das es zum Schatz des Herrn komme. (20) Da erhob das Volk ein Kriegsgeschrei und man blies die Posaunen. Und als das Volk den Hall der Posaunen hörte, erhob es ein großes Kriegsgeschrei. Da fiel die Mauer um. Das Buch Josua enthält die Geschichte der Landnahme des Volkes Israel und ist in seiner Schilderung nichts für zarte Gemüter. Die Geschichtsforschung hat das, was im Buch Josua drastisch geschildert wird, dann aber später relativiert. Ich bin dem Buch Josua bereits durch meinen Konfirmationsspruch eng verbunden, den mir unser damaliger Pastor Karl-Heinz Buchholz auf meine Bitte hin zur Erinnerung an ihn ausgesucht hat. Am Anfang des Buches Josua (1, 9) spricht der Herr zu Josua, der Mose in der Führung der Israeliten nachgefolgt ist, mit Blick auf die verheißene und jetzt bevorstehende Landnahme: Siehe, ich habe Dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Und dieser Spruch hat mich bisher durch mein ganzes Leben getragen. Das Wort geboten hat in unserer Sprache zwei unterschiedliche Bedeutungen, nämlich gegeben und befohlen. Ich habe niemals herauszufinden versucht, welche Bedeutung hier gemeint ist. Denn ging es mir gut,

3 war ich dankbar, dass mir gegeben worden war. Und ging es mir, was Gott sei Dank nur selten der Fall war, schlecht, so folgte ich dem Befehl, getrost und unverzagt zu sein. Und diese Einstellung wünsche ich Ihnen ebenfalls von ganzem Herzen! Und auf noch etwas möchte ich hinweisen: Wie die Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten auf dem Trockenen mitten durch das Meer gegangen sind (2. Mose 14, 16), so gehen sie jetzt auch trockenen Fußes durch den Jordan in das ihnen verheißene Land. Denn das Wasser, das von oben hernieder kam, stand aufgerichtet wie ein Wall, und das Wasser, das zum Meer hinunterlief, nahm ab und floss ganz weg (Josua 3, 16). Doch zurück zum Text. Da haben wir zunächst zwei Textstellen, die sich aus der Vor- bzw. Nachgeschichte erklären, danach eine Zahlensymbolik und dann den wunderbaren Schluss. Warum sollte nur die Hure Rahab am Leben bleiben und alle, die mit ihr im Hause waren? Das erklärt sich daraus, dass die Israeliten zunächst zwei Männer heimlich als Kundschafter nach Jericho ausgesandt hatten, die, nachdem man dort von Kundschaftern erfahren hatte, von der Hure Rahab auf dem Dach ihres Hauses unter den Flachsstängeln, die sie dort ausgebreitet hatte, vor den Verfolgern versteckt worden waren. Diese hatte sie schwören lassen, dass sie nach der Eroberung Jerichos durch die Israeliten ihre ganze Familie - ihren Vater, ihre Mutter, ihre Brüder und ihre Schwestern - leben ließen und vom Tode erretteten. Und nachdem die Kundschafter dieses geschworen hatten, hatte sie sie, da ihr Haus an der Stadtmauer stand, an einem Seil durchs Fenster an der Stadtmauer hernieder gelassen, so dass die Kundschafter entkommen konnten (Josua, 2, 1 ff). Und warum wird so nachdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Stadt und alles, was darin ist, dem Bann des Herrn verfallen sei, und es sich keiner gelüsten lassen solle, etwas von dem Gebannten zu nehmen und das Lager Israels in Bann und Unglück zu bringen? Damit wird vorbereitet, dass Achan, der Sohn Karmis, des Sohnes Sabdis, des Sohnes Serach, vom Stamm Juda, trotzdem etwas von dem Gebannten nahm und deswegen der Zorn des Herrn über die Israeliten entbrannte, so dass Israel nicht weiter vor seinen Feinden hätte bestehen können. In einem interessanten Verfahren wird Achan als Dieb ermittelt, der eingesteht, unter der Beute einen kostbaren babylonischen Mantel und zweihundert Lot Silber, das Lot zu

4 11 bis 12 Gramm, und eine Stange von Gold, fünfzig Lot schwer, gesehen zu haben. Danach habe ihm gelüstet und er hätte es genommen. Daraufhin wird ihm die Beute abgenommen, er, seine Söhne und seine Töchter werden gesteinigt und verbrannt, und über der Hinrichtungsstätte wird ein großer Steinhaufen errichtet (Josua 7, 1 ff). Kommen wir jetzt zur Zahlensymbolik. Die Zahl Sieben ist nicht zu überhören: Und lasse sieben Priester sieben Posaunen tragen vor der Lade her, und am siebenten Tag zieht siebenmal um die Stadt und lasse die Priester die Posaunen blasen. Die Sieben ist in der Zahlensymbolik eine Zahl von großer Bedeutung. Sie setzt sich einmal aus der weltlichen Vier (vier Wände hat ein Haus, vier Himmelsrichtungen und vier Winde gibt es usw.) und der göttlichen Drei (Trinität) zusammen. Die Sieben kann dabei aber noch durch siebenmal sieben gesteigert werden: Am siebenten Tag zieht siebenmal um die Stadt. Es ist nur durch das Dezimalsystem erklärbar, dass wir den 50. Geburtstag für einen großen Geburtstag halten. Der wirklich große Geburtstag ist der 49. Geburtstag. Der 50. Geburtstag ist dabei nur so etwas wie der zweite Feiertag bei Weihnachten, Ostern und Pfingsten und soll die Bedeutung der 49 dadurch nur noch einmal deutlich unterstreichen. Während die liegende Acht, die Lemniskate, das Zeichen der Unendlichkeit ist, da sie keinen Anfang und kein Ende hat, ist die Sieben auch die Zahl der ständigen Erneuerung. An sieben Tagen erfolgte die Schöpfung und danach beginnt sie immer wieder neu, wie die Wochentage, die früher mit dem Sonntag begannen und dann mit dem nächsten Sonntag wieder einen neuen Anfang setzten. Heute fangen sie mit dem Montag an und beginnen mit dem nächsten Montag neu. Am Besten sehen wir die Sieben aber in den großen siebenarmigen Leuchtern, die uns die Sieben mit sieben brennenden Kerzen anschaulich vor Augen führen. Soviel zur Zahlensymbolik. Kommen wir nun zu dem wunderbaren Schluss, den ich Ihnen versprochen habe: Da fiel die Mauer um. Ich will niemanden enttäuschen, aber die Mauer ist nicht umgefallen. Archäologische Forschungen haben ergeben, dass Jericho zur Zeit der Landnahme durch die Israeliten bereits eine Ruinenstadt gewesen ist. Es gab daher gar keine Mauer mehr, die durch das Blasen der Posaunen hätte umfallen können.

5 Und doch ist die Geschichte wahr, allerdings im übertragenen Sinne. Ich habe diesen Text gewählt, obwohl wir heute keine Posaunenchöre, auch keine Chöre, im Gottesdienst haben. Wir haben aber wie immer unsere Orgelmusik, die unseren Gottesdienst umrahmt, ihn schmückt und begleitet. Und ist es nicht die Musik, der es immer wieder gelingt, unsere eigenen inneren Mauern zum Einstürzen zu bringen, die uns die Herzen und die Seelen weit macht, wie auch heute? Und was kann es Schöneres geben, als wenn es die Musik schafft, unsere eigenen inneren Mauern zum Einstürzen zu bringen und uns die Herzen und Seelen weit zu machen, wie auch heute? Und so kann ich heute mit Josua 6 Vers 20 freudig bejahen: Da fiel die Mauer um! Liebe Gemeinde, und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus! Amen! Klaus Behrens-Talla