Elke König: Wir sind bereit für den Ernstfall
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- Anton Fiedler
- vor 7 Jahren
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1 Elke König: Wir sind bereit für den Ernstfall 1. Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler sollen auf der Grundlage des vorliegenden Interviews die zentralen Aufgaben der Bankenabwicklungsbehörde der Europäischen Union (Single Resolution Board (SRB)) ermitteln. 2. die mit der Einrichtung des SRB verfolgten staatlichen Zielsetzungen herausarbeiten. 3. sich mit den im Hinblick auf die Sicherung und Reglementierung des Bankensektors auftretenden Interessenkonflikten auseinandersetzen. 2. Aufgaben 1. Ermitteln Sie auf der Grundlage des vorliegenden Interviews die zentralen Aufgaben der Bankenabwicklungsbehörde der Europäischen Union (Single Resolution Board (SRB)). 2. Benennen Sie die wesentlichen mit ihrer Einrichtung verfolgten politischen Zielsetzungen. Überprüfen Sie hierbei, inwieweit es u. a. zu einer Veränderung der Haftungsregelungen im Krisenfall gekommen ist. 3. Erläutern Sie, inwiefern die Einrichtung des SRB eine Reaktion auf die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise darstellt. 4. Erschließen Sie sich die wesentlichen Herausforderungen, denen sich die EU- Behörde derzeit gegenüber sieht. Geben Sie in diesem Zusammenhang die Einschätzungen und Bewertungen ihrer Vorsitzenden Elke König wieder. 5. Erörtern Sie die im Hinblick auf die Sicherung und Reglementierung des Bankensektors auftretenden Interessenkonflikte. Benennen Sie dabei die wesentlichen Interessengruppen. 1
2 Elke König: Wir sind bereit für den Ernstfall Sollte es hart auf hart kommen, muss die Chefin der neuen EU-Behörde angeschlagene Banken abwickeln. Noch macht sie sich keine Sorgen um große Geldhäuser, sieht aber Reformbedarf Die junge EU-Abwicklungsbehörde steht kurz vor dem Umzug in ein neues Heim in der Brüsseler Rue Treurenberg. Dort ziert ein riesiges Graffiti des Comic-Helden Le Scorpion eine der Häuserwände. In dem alten, ziemlich spartanischen Büro von Elke König liegt nun eines der Scorpion -Hefte auf der Fensterbank. Sie hat sich den Comic besorgt, um nachzulesen, ob der kühne Mantel-und-Degen-Held vielleicht als Vorbild für ihre Bankenabwickler taugt. Doch leider stellte sich heraus, dass es sich um einen eher zwielichtigen Abenteurer mit undurchsichtigem Charakter handelt. Viel zu unseriös für eine Behörde mit derart kritischen Aufgaben, lacht König zum Auftakt ihres Gesprächs mit dem Handelsblatt. Frau König, als Chefin der EU-Abwicklungsbehörde haben Sie eine der wichtigsten Aufgaben im europäischen Finanzsektor übernommen. Im Notfall sollen Sie auch große Banken abwickeln, ohne dass der Steuerzahler zahlen muss. Ist Ihnen nicht angst und bange geworden, als im Januar ein Absturz der Bankaktien einsetzte? So schnell bin ich nicht aus der Fassung zu bringen. Natürlich erfreut einen das nicht, aber ich sehe Börsenentwicklungen auch immer mit ein bisschen Abstand. Die Stimmung kann sehr schnell kippen, auf einmal ist die Welt, die vorher rosarot aussah, tief betrübt. Sie haben also keine ernsthaften Sorgen um Europas Banken? Nein, wir sind in der Europäischen Union mit unseren Reformprojekten große Schritte vorangekommen, auch wenn natürlich noch Hausaufgaben zu erledigen sind. Aber das war im vergangenen Herbst schon genauso bekannt wie heute. Die Kursverluste zu Jahresbeginn waren dennoch dramatisch. Kann sich das nicht zu einer Vertrauenskrise ausweiten? Muss man nicht Angst um große Geldhäuser wie die Deutsche Bank oder die Commerzbank haben? Zu einzelnen Instituten äußere ich mich grundsätzlich nicht. Dennoch bin ich im Moment weit davon entfernt, mir grundsätzliche Sorgen um die europäische Bankenlandschaft zu machen. Was nicht heißt, dass es nicht einmal Situationen gibt, die man sich näher anschauen sollte. Solche Situationen gab es aber schon immer. Ich glaube, dass wir im Moment eher ein sich selbst verstärkendes Phänomen an den Börsen erleben, als dass tatsächlich grundlegend neue Schwierigkeiten aufgetaucht wären. Aber reichen die aktuellen Probleme nicht schon aus? Die Investoren fürchten, dass die Gemengelage aus härterer Regulierung, chronischen Niedrigzinsen und einer sich abkühlenden Konjunktur den Banken schwer zu schaffen machen wird. Haben wir Probleme im Markt? Natürlich. Es existieren noch immer strukturelle Defizite. Der europäische Bankenmarkt ist nach wie vor überbesetzt, und wir haben das Thema der notleidenden Kredite, das sich ja die Europäische Zentralbank als 2
3 Aufseher sehr genau ansieht. Wir wissen jedoch auch, ein Aufseher kann solche Probleme zwar adressieren, alleine lösen kann er sie nicht. Wie kann man diese Probleme lösen? Allein die italienischen Banken haben notleidende Kredite von rund 200 Milliarden Euro angehäuft. Italien hat eine Konstruktion für eine Bad Bank gefunden, die auf eine Marktlösung ohne Staatshilfen setzt. Aber Italien ist mit diesem Problem nicht allein, auch in anderen Ländern hat sich ein hoher Sockel an notleidenden Krediten aufgebaut. Sollten nicht auch andere Staaten in der Europäischen Union über solche Bad Banks nachdenken? Die Abarbeitung notleidender Darlehen braucht spezielles Know-how, deshalb befassen sich damit in den Banken in der Regel besondere Organisationseinheiten. Das Konzept der Bad Bank bietet den Vorteil, dass man damit eine klare Grenze zwischen der Bewältigung der Vergangenheit und der Gestaltung der Zukunft ziehen kann. Welche Länder haben Sie dabei speziell im Blick? Solch eine Lösung taugt für viele Länder. Auch Deutschland hat damit gute Erfahrungen gemacht. Es ist aber nur ein Schritt von vielen. Haben die seit Januar geltenden neuen Haftungsregeln, die im Ernstfall dafür sorgen sollen, dass erst einmal Eigentümer und Gläubiger bei einer Bankenschieflage geradestehen müssen, die aktuellen Turbulenzen an den Märkten vielleicht sogar noch geschürt? Es ist wichtig, dass die Finanzmärkte die Regelungen kennen und verstehen. Die einschlägige Richtlinie ist seit 2014 bekannt. Ich kann nicht sehen, dass sie Ursache der aktuellen Kursturbulenzen sein kann. Transparenz ist wichtig. Jeder Investor muss wissen, wo er in der Gläubigerhierarchie steht und welches Kreditrisiko er damit eingeht. Vielleicht haben die Börsenturbulenzen ja zumindest einen positiven Effekt, indem sie Anlegern in Erinnerung rufen, sich mit diesen Fundamentaldaten zu beschäftigen. Sie sagen zwar, dass Sie sich keine grundsätzlichen Sorgen um Europas Banken machen. Aber was, wenn es trotzdem zu einer größeren Schieflage in der Finanzbranche käme? Wäre Ihre noch junge Behörde denn einsatzbereit? Wir sind bereit. Natürlich wäre es uns lieber, wenn wir ein oder zwei Jahre mehr zur Vorbereitung auf den Ernstfall hätten. Aber die grundsätzlichen Prozesse funktionieren. Außerdem gibt es ja nicht nur uns, sondern ein ganzes Netzwerk an nationalen Abwicklungsbehörden, auf das wir im Ernstfall zurückgreifen können. Ich bin sicher, dass wir mögliche Herausforderungen gemeinsam meistern können. Sind die finanziellen Töpfe für eine größere Abwicklung ausreichend gefüllt? Oh, wir sind reich. Ende Januar haben wir die erste Tranche der Beiträge zum gemeinsamen Bankenabwicklungsfonds in Höhe von 4,3 Milliarden Euro von den Mitgliedstaaten erhalten. 3
4 Das ist viel Geld, im Notfall kann es aber auch schnell verbraucht sein. In acht Jahren soll der Fonds mit mindestens 55 Milliarden Euro oder einem Prozent der gedeckten Bankeinlagen gefüllt sein. Die Überweisung der ersten Tranche ist ja nicht der einzige Schritt. Ende des vergangenen Jahres haben sich die EU-Finanzminister entschieden, dass wir Kreditnehmer der Mitgliedstaaten werden können, falls das nötig werden sollte. Wenn wir diese Brückenfinanzierung in Anspruch nehmen, müssten wir das Geld in den Folgejahren aus den Beiträgen, die die Banken in den einzelnen EU-Staaten leisten, wieder zurückzahlen, so dass die Branche und nicht der Steuerzahler die Kosten trägt. Ein großes Ziel der europäischen Bankenunion war es, die enge Verbindung zwischen Staaten und Banken aufzulösen. Aber als die Kurse an der Börse abstürzten, stiegen auch sofort wieder die Risikoaufschläge der Euro-Peripherie. Es gehört zum normalen Verhalten von Investoren, in solchen Situationen vermeintlich sichere Häfen zu suchen. Grundsätzlich glaube ich, dass wir vom Reformmarathon bereits weit mehr als die Hälfte hinter uns gebracht haben, aber manchmal sind die letzten Kilometer vielleicht die anstrengendsten. [ ] Streit gibt es im Moment über die dritte Säule der Bankenunion, eine gemeinsame europäische Einlagensicherung. Die EU-Kommission will das Projekt mit einem eigenen Gesetzentwurf zügig vorantreiben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lehnt das allerdings im Moment strikt ab. Um ehrlich zu sein, kann ich die Aufgeregtheit dieser Diskussion nicht immer nachvollziehen. Dass man in einer Bankenunion über eine einheitliche Einlagensicherung und vielleicht auch über ein europäisches System nachdenkt, ist ein logischer Schritt. Die Frage ist: Welches Tempo schlägt man ein, und wie gestaltet man das System im Detail aus? Müssten nicht erst einmal die einzelnen europäischen Staaten ihre Hausaufgaben erledigen? Ja, bislang haben nicht alle Mitgliedsländer die entsprechenden Richtlinien umgesetzt. Und dann müssen auch die nationalen Töpfe der Einlagensicherung gefüllt werden. Auch der deutsche Topf ist noch nicht voll. Wenn man sich den Vorschlag der Kommission unter diesem Aspekt anschaut, dann kann man zumindest die erste Stufe kaum ablehnen. Denn darin wird festgeschrieben, dass nur Länder in den Genuss der europäischen Rückversicherung kommen, die ihre nationalen Hausaufgaben erledigt haben. Den Rest sollte man ganz emotionsfrei sachlich diskutieren. 4
5 Vita Elke König Die Aufseherin Die promovierte Betriebswirtschaftlerin startete ihre Karriere bei KPMG, bevor sie in die Versicherungswirtschaft wechselte. Zwölf Jahre arbeitete die Rheinländerin für die Münchener-Rück-Gruppe im Rechnungswesen, im Controlling und als Finanzvorstand rückte sie schließlich an die Spitze der deutschen Finanzaufsicht Bafin. Im Dezember 2014 nahm die heute 62-Jährige das Angebot an, nach Brüssel zu wechseln - als erste Chefin der Bankenabwicklungsbehörde der EU, dem Single Resolution Board (SRB). Die Behörde Geräuschlos hat der SRB zum Jahresbeginn seine Arbeit auf Vollbetrieb umgestellt. Von nun an ist die neue Behörde dafür verantwortlich, die 120 größten sowie alle grenzüberschreitend tätigen Banken im Euro-Raum abzuwickeln, falls die Institute in eine Schieflage rutschen sollten. Neben der Einführung einer einheitlichen Bankenaufsicht in der Währungsunion durch die Europäische Zentralbank ist die Abwicklungsbehörde der zweite zentrale Pfeiler der EU-Bankenunion. Quelle: Berschens, R./Maisch, M., Handelsblatt, Nr. 033, , 30 5
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