Lexikalische Semantik

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1 Einführung: Sprachwissenschaft II WS 2012/13 Melani Wratil Lexikalische Semantik Lexikalische Dekomposition Semantische Merkmale Merkmalshypothese Die intensionalen Bedeutungen von sprachlichen Ausdrücken sind keine ganzheitlichen Einheiten, sondern setzen sich aus elementaren semantischen Merkmalen, den sogenannten Semen, zusammen. Seme haben distinktive Funktionen. Sie grenzen Wortbedeutungen voneinander ab und sind dementsprechend binär (+ vs. -) konzipiert. Sie sind nicht Teil des Vokabulars einer Sprache sondern abstrakte Einheiten. Sie stellen die invarianten semantischen Eigenschaften von Lexemen dar. Bei der lexikalischen Dekomposition werden lexikalische Einheiten auf binäre Weise in Seme zerlegt. Mädchen [-Abs, -Kon, +Bel, +Hum, +Weibl, -Erw] Wasser [-Abs, +Kon, +Flüssig, -Bel, -Hum] Friseuse [-Abs, +Bel, +Hum, +Beruf, +Weibl] Furcht [+Abs, +Kon, -Bel, -Hum] 1. Versuchen Sie mit Hilfe der lexikalischen Dekomposition die Bedeutung von Frau und von Mann von der von Mädchen abzugrenzen! Ergibt die aber(nicht)-probe mit einem semantischen Merkmal eine widersprüchliche Aussage, so gehört dieses Merkmal zur Wortbedeutung.??? Tanja ist ein nettes Mädchen, sie lebt aber nicht. ( +Bel)??? Jaqueline ist Friseuse, sie hat aber keinen Beruf. ( +Beruf) 2. Versuchen Sie mit Hilfe der lexikalischen Dekomposition die Bedeutung von Stein, Quarz, Fels und von Anfang anzugeben!

2 Die Merkmalstheorie hat den Anspruch, mittels eines begrenzten Inventars von Merkmalen, den gesamten Wortschatz einer Sprache beschreiben zu können. Offensichtlich reicht unsere semantische Kompetenz nicht immer aus, um vollständige Bedeutungsbeschreibungen vornehmen zu können. Oft sind die Bedeutungsrepräsentationen, die an sprachliche Ausdrücke geknüpft sind recht vage. Relevant sind bei der Produktion und Perzeption von sprachlichen Äußerungen nur die notwendigen semantischen Merkmale also diejenigen Merkmale, die in allen Situationen und Kontexten, in denen das Wort benutzt wird, gültig und präsent sind. Probleme der semantischen Dekomposition Die lexikalische Dekomposition ist in vielerlei Hinsicht unbefriedigend: Es ist nicht zu entscheiden, welche Merkmale wirklich relevant sind und daher als Seme angegeben werden müssen. Binarität ist nur bei den obersten Merkmalen sinnvoll anzusetzen. Skalenwerte sind nicht darstellbar. Ein harter Kern von festen Bedeutungen lässt sich aus dem menschlichen Allgemeinwissen nicht herauslösen. Die wesentliche Bedeutung ist vom enzyklopädischen Wissen nicht abzugrenzen. Wortbedeutungen haben unscharfe Ränder und weisen in zahlreichen Fällen Familienähnlichkeiten auf. Ob semantische Merkmale in psychologischer und neurophysiologischer Hinsicht tatsächlich existieren, ist durchaus fraglich. Wortfelder Die Bedeutungen von Wörtern sind in unserem mentalen Lexikon nicht isoliert abgespeichert, sondern stehen in vielfältigen Relationen zu den Bedeutungen anderer Wörter. Wortfeld Wortfelder sind semantische Organisationseinheiten, denen verschiedene semantisch verbundene Wörter zugeordnet sind. Diese Wörter besitzen zu einem großen Teil gemeinsame Seme und haben einen gemeinsamen Referenzbereich. Wortfeld Obst: {Zitrone, Apfel, Waldbeere, Mandarine, Nektarine, Birne } Innerhalb von spezifischen Wortfeldern kann die lexikalische Dekomposition als formales Verfahren der Merkmalsanalyse sinnvoll sein.

3 regional Zitrusfrucht Beere Zitrone Apfel Waldbeere Mandarine Nektarine Birne Glauben Sie, dass die Einteilung in Wortfelder auch gleichzeitig eine Einteilung in Wortklassen ist? Prototypen Konzeptuelle Unschärfe Gemäß der Merkmalshypothese geht man davon aus, dass Kategorienkonzepte durch Seme fest definiert sind und insofern nur miteinander identische Mitglieder umfassen. Die meisten Kategorienkonzepte besitzen keinen umrissenen Kern der wesentlichen Bedeutung, sondern weisen diesbezüglich eher eine diffuse Verschwommenheit auf. 4. Welche Probleme ergeben sich bei der lexikalischen Dekomposition solcher Wörter wie Schale, Schüssel und Spiel?

4 Prototypen Bei der Kategorisierung der außersprachlichen Welt akzeptieren wir, dass es jeweils bessere und schlechtere Vertreter einer bestimmten Kategorie gibt und dass bestimmte Kategorienkonzepte nur aufgrund von vagen Ähnlichkeiten zwischen ihren Mitgliedern bestehen. Ein Prototyp ist das Type-Konzept des typischsten Vertreters einer Kategorie. Es lässt sich nicht universell angeben, wie das typischste Kategorienmitglied mental repräsentiert ist. Prototypenbildung ist ein in hohem Maße von der individuellen Erfahrung abhängiger Prozess. Prototyp VOGEL Im westeurop. Sprachraum Klassenzugehörigkeit vs. Prototypikalität Innerhalb der Kategorisierungstheorie muss man stets zwischen Kategorie bestimmenden Klassenzugehörigkeitskriterien und Prototypikalität unterscheiden Kategoriale Eigenschaften von Junge [-Abs, -Kon, +Bel, +Hum, -Weibl, -Erw] Prototypische Eigenschaften von Junge gemäß Sandras individueller Lebenserfahrung [+Garstig, +Laut, +Hat Pickel, +Besitzt Gameboy] Kategorisierung mit Prototypen Mit den Merkmalen unserer konzeptuell verankerten Prototypen vergleichen wir sowohl konkrete als auch abstrakte Entitäten und nehmen demzufolge deren Kategorisierung vor.

5 Dabei müssen die betrachteten Entitäten dem Prototypen natürlich nicht genau entsprechen, sie müssen ihm nur auf irgendeine Art ähnlich sein. Prototypen repräsentieren innere Theorien über die Welt und ihre Funktionsweisen. Die Häufigkeit und Relevanz der jeweiligen Referenten nimmt Einfluss auf die Herausbildung individueller Prototypen. 5. Sind Tisch, Lavalampe, Sessel, Zeitungsständer, Bett und Computer alle gleich gute Vertreter für die Kategorie Möbel? 6. Ist die Prototypentheorie eine Alternative oder eine Ergänzung zur Merkmalstheorie? Semantische Relationen Synonymie Zwei Ausdrücke A und B sind synonym, falls sie in jedem Kontext gegenseitig ersetzt werden können, ohne dass sich daraus ein Bedeutungsunterschied ergibt. Übereinstimmung aller Seme Totale Synonymie: absolute Bedeutungsgleichheit (selten!) (Apfelsine Orange) Partielle Synonymie: Unterscheidung hinsichtlich bestimmter denotativer (erhalten bekommen) oder konnotativer Merkmale (Ehefrau Angetraute) Referenzidentität Verschiedene Ausdrücke sind referenzidentisch, wenn sie auf ein und denselben außersprachlichen Referenten Bezug nehmen. Die Intension und die entsprechenden Seme können unterschiedlich sein. (Alina Justins Schwester meine Freundin sie; Abendstern Morgenstern) Ambiguität Ein Wort ist ambig, wenn ihm mehr als ein Merkmalskomplex zukommt. Polysemie: Verschiedene Bedeutungsvarianten eines Wortes gehen auf eine gemeinsame Kernbedeutung zurück. (Blatt Blatt; Birne Birne) Homonymie: Die verschiedenen Bedeutungsvarianten eines Wortes gehen nicht auf eine gemeinsame Kernbedeutung zurück. (Ball Ball; Schloss Schloss)

6 Hyponomie / Hyperonomie Hyponyme (Unterbegriff) enthalten alle Seme ihres Hyperonyms (Oberbegriff) und darüberhinaus noch einige weitere Merkmale. Hyponyme: Mücke, Mistkäfer, Hummel -- Hyperonym: Insekt Hyponyme: Insekt, Vogel, Fisch -- Hyperonym: Tier Inkompatibilität Verschiedene Ausdrücke sind dann inkompatibel, wenn sie eine größere Menge von Semen gemeinsam haben, sich aber bezüglich einer oder einiger inhaltlicher Dimensionen unterscheiden. Kohyponomie: betrifft Hyponyme, die nicht gegenseitig austauschbar sind (Hummel Mücke) Kontradiktion / Komplementarität: Bedeutung, die sich aus der Negation eines Ausdrucks ergibt (ledig verheiratet) Antonymie: Gegensatzpaar zweier graduierbarer Ausdrücke (groß klein) HAUSAUFGABEN: 1. Liegt bei den folgenden Begriffspaaren Synonymie vor? Erläutern Sie Ihre Entscheidung! Dichter Schriftsteller; Pilz Schwammerl; Bullenwanne Polizeiauto; Rose Nelke 2. In welcher semantischen Relation stehen die folgenden Adjektive zueinander? fruchtbar unfruchtbar; hart weich; schön unschön; in out LITERATUR: Schwarz, M. & Chur, J. (2007): Semantik. Kap. 2.1; 2.2 (Teil1).

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