Künftige Familienentwicklung und ihre Konsequenzen für die Familienbildung
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- Josef Beltz
- vor 7 Jahren
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1 Laszlo A.Vaskovics Künftige Familienentwicklung und ihre Konsequenzen für die Familienbildung Inhalt 1.Gesamtüberblick über die wichtigsten Aspekte bzw. Dimensionen der aktuellen Familienentwicklung 2.Pluralisierung und Segmentierung der Elternschaft 3. Pluralisierung der Kindschaft 4. Pluralisierung von Familienformen 5. Demographische Trends 6.Familienleitbilder
2 2 Optionen der Partnerschafts- und Familienplanung junger Erwachsener und Erwachsener in mittleren Lebensjahren Single oder Partnerschaft? Eheschließung oder nichteheliche Lebensgemeinschaft? Elternschaft mit oder ohne (eheliche) Lebensgemeinschaft Voll- oder Teilelternschaft, Multi-Elternschaft Gemeinsam haushalten oder living apart together Trennung/Scheidung oder weiter so Natürliche oder künstliche Befruchtung usw.
3 3. Dynamik der Partnerschafts- und Familienentwicklung als Effekt gesellschaftlicher Modernisierung sukzessive Verknüpfung verschiedener familialer / partnerschaftlicher Lebensformen Pluralisierung unterschiedlicher Pfade partnerschaftlicher / familialer Entwicklungsverläufe
4 4. Wandel der Familie - Trends Verkleinerung Vermehrung der Elternschaft-und Familienformen Zunehmende Partnerschafts-und Familiendynamik Veränderung der familialen und verwandtschaftlichen Generationszusammenhänge
5 5 Entstehungs- und Begründungszusammenhang der Elternschaft biologischer Entstehungs- und Begründungszusammenhang (biologische Elternschaft) genetischer Entstehungs- und Begründungszusammenhang (genetische Elternschaft) rechtlich begründete Elternschaft (rechtliche Elternschaft) sozial-normativ begründete Elternschaft (soziale Elternschaft)
6 A=Voll-Elternschaft; B und C = Teil-Elternschaft (Vaskovics 2009)
7 7. Elternschaftskonstelletionen im Lebensverlauf Dauerhafte Vollvaterschaft (alle vier Segmente der Vaterschaft werden bis zum Ende der Familienphase wahrgenommen) Temporäre Vollvaterschaft (z.b. wenn der biologische Vater stirbt) Dauerhafte Teilvaterschaft (z.b. wenn der biologische Vater bestimmte Vaterschaftssegmente ab der Geburt des Kindes nicht wahrnimmt und die Mutter keine neue Partnerschaft eingeht ) Temporäre Teilvaterschaft (z.b. die dauerhafte Teilvaterschaft wird durch eine neue Partnerschaft der Mutter beendet)
8
9 Konsequenzen für die Familienbildung: Soll die Familenbildung mit einer Fiktion arbeiten (wie das Familienrecht) oder soll sie die erfolgte Ausdifferenzierung thematisieren? Ich meine: ja. Denn die Eltern als Adressaten der Familienbildung unterscheiden sich je nachdem ob in der derzeit vorfindbaren Familienkonstellation eine Voll-Elternschaft bezogen auf ein oder alle Kinder oder nur bestimmte Segmente der Elternschaft (also eine Teil-Elternschaft) wahrnehmen. Die Inhalte der Familienbildung können nur die konkrete Alltagswelt der Familien treffen, wenn dabei die gegebene Familienkonstellation berücksichtigt wird.
10 8. Entwicklungstendenzen Ungeteilte Voll-Elternschaft ist auf dem Rückzug Zunehmende Ausdifferenzierung/Pluralisierung von Kindschaftstypen zunehmender Anteil von minderjährigen Kindern, die durch nicht-biologische und nicht-genetische Eltern erzogen werden. Auch mit einer stärkeren Verbreitung von Kindern, die Eltern haben, die ihnen gegenüber nur eine Teil-Elternschaft wahrnehmen, ist zu rechnen.
11 Unter Berücksichtigung der jüngsten Vergangenheit und der erwartbaren künftigen Entwicklung ist mit folgenden Trends zu rechnen : Ungeteilte Voll-Elternschaft ist auf dem Rückzug Zunehmende Ausdifferenzierung/Pluralisierung von Kindschaftstypen zunehmender Anteil von minderjährigen Kindern, die durch nichtbiologische und nicht-genetische Eltern erzogen werden. Auch mit einer stärkeren Verbreitung von Kindern, die Eltern haben, die ihnen gegenüber nur eine Teil-Elternschaft wahrnehmen, ist zu rechnen. Desgleichen auch mit einer zunehmenden Verbreitung von Kindern in Lebensgemeinschaften von gleichgeschlechtlichen Paaren (differenziert nach rechtlichem Status der Partnerin/des Partners der biologischen Mutter).
12 Wer ist mein Vater?, Wer ist meine genetische Mutter?, Wer ist der Samenspender meines Kindes, Bin ich der Vater? Solche Fragen werden künftig immer häufiger gestellt werden und immer schwieriger zu beantworten sein. Das BGB versucht Elternschaft nach dem Kriterium der Elternverantwortung zu definieren. Der im BGB verwendete Elternschafts- und Abstammungsbegriff umfasst neben der genetischen Beziehung auch das (gesamte) Zeugungshandeln. Das Zurechnungskriterium wird immer problematischer, insbesondere bei medizinisch assistierter Zeugung. Diese Frage wird künftig nicht nur die unmittelbar betroffenen Kinder, Väter, Mütter und ihre Angehörigen (z.b. bei Erbschaftsfragen), sondern immer mehr auch den Gesetzgeber und die Gerichte intensiv beschäftigen aber auch die Familienbildung
13 9. Pluralisierung von Familienformen Vermehrung der Ein-Elternfamilien Zunahme der sog. Multinuklearfamilien Vermehrung der sog. Fortsetzungsfamilien Vermehrung der Familien ohne Trauschein Pluralisierung von Kurzzeitehen und Langzeitehen Verbreitung von sog. Regenbogenfamilien Verbreitung der durch heterologe Insemination bewirkten Mutterschaft Veränderte Verwandtschaftskonstellationen Multilokale Familien Transnationale Familien
14 10. Veränderte Verwandtschaftskonstellationen als Konsequenz der Pluralisierung der Elternschaft und Familie Abnehmende normative Verbindlichkeit der Blutsverwandtschaft Vergrößerung verwandtschaftlicher Netzwerke bei Abnahme der Verbindlichkeit verwandtschaftlicher Normen
15 Konsequenzen für die Familienbildung Eine genau so immer schwieriger werdende Frage sowohl für die Elternpersonen, aber insbesondere für die Kinder ist die Frage Wer gehört zu meiner Verwandtschaft? Auch hier herrscht Unsicherheit und Ratlosigkeit. Dementsprechend fallen die Antworten auf diese Frage höchst unterschiedlich aus. Es fehlen Leitbilder und verbindliche Normen
16 . Multilokale Familien Erhöhte berufliche Mobilität bedeutet zunehmende und häufigere räumliche Distanz zwischen den Familienmitgliedern. Mobilität erschwert die Entstehung und Gestaltung von Familien. Dies gilt für die Familiengründung und die Gestaltung des Familienlebens. Die Notwendigkeit, Mobilitätserfordernisse in die ohnehin schon schwierige Verbindung von Beruf und Familie, führt zu neuen Formen der Gestaltung von Partnerschaft und Familie und damit zu einer weiteren Pluralisierung von familialen Lebensformen. Die zwischen den Generationen erbrachten haushalts- und personennahen Dienstleistungen werden in Zeiten erhöhter Mobilität zurückgehen (BiB)
17 Transnationale Familien Auch die zunehmende Globalisierung verändert die Familien. Sie werden zum einen demographisch bunter, immer häufiger zusammengesetzt aus Personen unterschiedlicher Nationalität und Ethnizität. Und sie werden zum anderen zunehmend zu Ferngemeinschaften, d.h. Mann und Frau, Eltern und Kinder leben nicht an einem Ort zusammen, sondern sind über längere Zeiträume und durch große geographische Distanzen voneinander getrennt. Die Betroffenen überwinden Schwierigkeiten bei der Betreuung ihrer Kinder oft im Rahmen sog. transnationaler Netzwerke. Die Kinder werden für gewisse Perioden anderen Frauen anderorts anvertraut. So entsteht eine von verschiedenen Frauen geteilte und mitgetragene Mutterschaft. Dies zeigt beispielhaft, wie durch Migration und Transnationalität zentrale familiäre Rollen wie etwa die Mutterschaft neu definiert werden können (Beck-Gernsheim).
18 Konsequenzen für die Familienbildung Die Familienbildung wird auch in Deutschland immer mehr mit solchen transnationalen Familien konfrontiert werden, wenn sie sich den entstandenen Realitäten stellen will. Hier sind neue Ziele, neue Programme und neue didaktische Wege erforderlich
19 Demographische Trends Die wichtigsten demographischen Entwicklungen und ihre Folgen sind allgemein bekannt (steigende Lebenserwartung, rückläufige Fruchtbarkeit, Zunahme der.älteren Menschen, Zunahme der Hochbetagten usw.). Auf diese gehe ich nicht ein. Ein Teilaspekt aber erscheint mir wichtig, nämlich die Spätmutterschaft. Spätmutterschaft Trend Folgen
20 Trend Dass Frauen ihre Kinder immer später bekommen, ist seit Jahrzehnten ein allgemeiner und zwischenzeitlich bei fast allen Bevölkerungsschichten beobachtbarer, fortschreitender Trend. Die Ursachen sind vielfältig und komplex: Emanzipation der Frauen, höhere Bildungsbeteiligung, längere Bildungswege, späterer Berufseintritt, erschwerte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, erfolgreiche Berufskarriere - nicht zuletzt ermöglicht durch eine wirksame Empfängnisverhütung und damit Planbarkeit von Schwangerschaften und Geburten Folgeprobleme Der Begriff Späte Mutterschaft versus Spätgebärende kann nur nach medizinischen Gesichtspunkten definiert werden: Für die Geburten gibt es einen biologisch optimalen Zeitraum, bei dessen Überschreitung bei den Betroffenen Folgeprobleme verschiedenster Art auftreten können (das optimale Fruchtbarkeitsalter liegt immer noch bei unter 30 Lebensjahren)
21 12 Optimaler biologischer Zeitraum für problemlose Schwangerschaften ist nach Einschätzung der Ärzte die dritte Lebensdekade. Danach steigen die Abort- und Komplikationsraten an (Dietrich), Abnahme der Eizellreserve in Abhängigkeit vom Alter der Frau abnehmende Wahrscheinlichkeit erfolgreicher medizinischer Behandlung nimmt die Wahrscheinlichkeit der Empfängnis im spontanen Zyklus ab (Dietrich). nehmen Risiken in der Schwangerschaft bei und nach der Geburt zu nimmt die erwartete altersspezifische Rate an Chromosomenstörungen und Schwangerschaftsrisiken zu (Diedrich) Die Chancen, durch künstliche Befruchtung schwanger zu werden, hängt von vielen Faktoren ab, liegt aber ab dem 30. Lebensjahr nur bei 25%
22 (Fortsetzung) Die reproduktionsmedizinische Behandlung stellt für viele Frauen zusätzlich eine starke psychische Belastung dar, was nicht selten zu einem Abbruch der Behandlung führt. Die emotionale Belastung steigt mit der Zahl erfolgloser Behandlungszyklen in den ersten Jahren an. Psychologen weisen darauf hin, dass Spätmutterschaft oft mit großen psychischen Leiden, Enttäuschungen/neuen Hoffnungen, neuerlichen Enttäuschungen, aber auch oft mit Belastung der Partnerschaft verbunden sein können. Die Ärzte verweisen einschränkend darauf, dass die Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung nicht zur Verlängerung der fertilen Zeit führt. Hoher zeitlicher und finanzieller Aufwand für die reproduktionsmedizinischen Maßnahmen
23 In Anbetracht dieser problematischen Entwicklung muss auch in der Familienbildung die Frage gestellt werden wenn Kinder wann Kinder? Die heranwachsende junge Generation soll über die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Folgeprobleme gesundheitlicher, psychischer und wirtschaftlicher Art bei Spätgeburten aufgeklärt werden (Diedrich):Und hier ist auch die Familienbildung gefragt. Die medizinischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgeprobleme der Spätmutterschaft werden bei den betroffenen künftigen Eltern (aber auch in der Öffentlichkeit) weitgehend tabuisiert. Bei den Angeboten zur Ehevorbereitung und Ehebildung könnte die Familienbildung helfen dieses Tabu aufzubrechen. Dazu gehören nicht nur Informationen über die medizinischen Folgen, sondern auch andere Risikothemen.
24 13 Familienleitbilder Alle Studien zeigen insgesamt, dass, Partnerschaften, familiäre Beziehungen und eigene Kinder bei den meisten jungen Menschen in Deutschland nach wie vor eine hohe Wertschätzung erfahren. Partnerschaft und Elternschaft stellen zentrale Lebensziele dar, an welche sehr hohe Ansprüche gestellt werden oft zu hohe Ansprüche.
25 Überhöhte Ansprüche an die Partnerschaft und ihre Folgen Gegenseitige partnerschaftliche Erwartungen nehmen oft (und immer häufiger ) den Charakter überzogener Idealbilder an, und erweisen sich dann als Hürden bei der Gestaltung der Partnerschaf, bei der Bewältigung von Belastungen, sowie bei partnerschaftlichfamiliären Alltagsproblemen Sie bilden oft einen wichtigen Grund für das Scheitern von Partnerschaften und Ehen.
26 Überhöhte Ansprüche an die Elternschaft und ihre Folgen Elternsein erscheint als eine große, schwer zu bewältigende (Lebens-)Aufgabe, sie gilt als verantwortungsvoll und voraussetzungsreich so die Ergenisse einer vor kurzem veröffentlichte Studie des BiB. Zugleich existiert ein starker sozialer Druck in dem Sinn, dass Eltern perfekt sein müssen (rund vier Fünftel der jungen Eltern sind dieser Ansicht). Kinder sind ein selbstverständliches Lebensziel, aber es werden hohe persönliche Ansprüche an die Bedingungen gestellt, die erfüllt sein müssen, um sich für ein Kind zu entscheiden 45% der Befragten sind der Meinung, dass Kinder absolut an erster Stelle stehen sollten, was zugleich eine allgemeine gesellschaftliche Erwartung an Eltern darstellt
27 Konsequenzen für die Familienbildung:. Nicht nur in Anbetracht der sehr hohen gegenseitigen Erwartungen, sondern dadurch, dass die Partnerschaft durch gesellschaftliche Bedingungszusammenhänge der Tendenz nach eher gefährdet als stabilisiert wird. Zur Gestaltung der Partnerschaft sind vermehrte Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich, die der jungen Generation gezielt durch dafür eigens vorgesehene gesellschaftliche Einrichtungen kaum vermittelt werden. Partnerschaften müssen heute, bedingt durch die höhere Lebenserwartung, einen viel längeren Bestand haben als früher und sie durchlaufen auch mehrere Phasen mit speziellen Anforderungen an die Partnerschaft. Krisen, und Gefährdungen können in den einzelnen Phasen in unterschiedlichster Form auftreten. Die Partner zu befähigen, die aus diesen Entwicklungen resultierenden Konflikte zu lösen ist eine immer wichtigere Aufgabe der familienbezogenen Bildungsarbeit.
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