Achtung: gefährliche Medikament im Alter (?)
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- Barbara Kraus
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1 Achtung: gefährliche Medikament im Alter (?) Erster Schweizer Seekongress Less is more Vierwaldstätter See PD Dr. med. Thomas Münzer Chefarzt Geriatrische Klinik AG Kompetenzzentrum Gesundheit und Alter St. Gallen
2 Inhalt Grundsätzliche Überlegungen zur Polypharmakotherapie Guidelines und Geriatrie? Positiv - / Negativlisten? Zusammenfassung Fazit
3 Funktion Die Idealvorstellung Alle wollen jung sterben aber so spät wie möglich Zeit / Alter
4 Funktion Die Realität Zeit / Alter
5 Koexistierende Faktoren Gene Geschlecht Alter Funktionsdefizit Organschaden Organversagen Lifestyle Umwelt Soziale Faktoren Immobilität Behinderung Abhängigkeit Tod Akute Krankheit Chronische Krankheit Medikamente
6 Polymorbidität versus Multidimensionalität Person 1 Person 2 Zucker Hypertonie Arthrose Hörproblem Dimension Gedächtnis Soziales Zucker Finanzielles Hypertonie Arthrose Hörproblem
7 Diagnosen und Therapien Zeit
8 Übergeordnete Phänomene Sozialer Kontext Funktion Kognition Abhängigkeit Persönlichkeit Zeit
9 Nachteile von Guidelines Meist Ergebnis von Expertenmeinungen Manche Richtlinien haben in bis zu 50% tiefe Evidenzklassen Zu sehr auf nur eine Krankheit fokussiert Werden gerne als Marketinginstrument eingesetzt Bei 44 Guidelines hatten 87% der Autoren Verbindungen zur Industrie One size fits all - Mentalität Für die Umsetzung im Alltag viel zu umfangreich JAMA, February 25, 2009 Vol 301, No. 8
10 Umsetzungsprobleme? Hypothetischer Fall: Frau, 79 Jahre Diabetes, Osteoporose, COPD, Hypertonie, Arthrose 7 nichtpharmakologische Empfehlungen an die Patientin Bewegung, Gelenkschutz, Gewichtsmanagement, Alkohol, Fusspflege, Expositionsprophylaxe COPD, BZ Kontrolle 6 Aufgaben an den Grundversorger Kontrolle Blutdruck, Impfungen, Überweisung: Ophtalmologie, DEXA, Ergotherapie Laborkontrollen Albumin, Creatinin, Leberfunktion, HbA 1 C, Blutzucker JAMA, August 10, 2005 Vol 294, No. 6
11 Umsetzungsprobleme? 7 Uhr Inhalieren/ 1x 70 mg Alendronat 8 Uhr 500 mg Ca U D 12.5 mg Hydrochlorothiazid 40 mg Lisinopril 10 mg Glyburid 80 mg Aspirin 850 mg Metformin 20 mg Omeprazol 250 mg Naproxen 13 Uhr Inhalieren 19 Uhr Inhalieren 500 mg Ca U D 850 mg Metformin 40 mg Lovastatin Medikamente zu 4 Zeiten in 12 Stunden JAMA, August 10, 2005 Vol 294, No. 6
12 Nicht vergessen Das Hauptproblem ist, dass jemand zu viele Medikamente erhält Dies ist nicht so selten begründet in der Anwendung aller Guidelines Es kommt aber auch vor, dass jemand eine wichtige Therapie nicht erhält!
13 Wer hat den Überblick? Alle Nicht-Spezialisten Alle, die sich Zeit nehmen Alle, die die Polymedikation ihrer alten Patienten kritisch hinterfragen Alle, die gute Medikamentenpläne abgeben
14 Probleme der Geriatrie Meist sehr alte Menschen mit kognitiven Problemen Unterschiedliche Formen der Polymorbidität Pseudostabilität Viele Jahre die gleiche Medikation Wenig longitudinales Wissen verfügbar 30 Jahre Aspirin wie weiter? Pharmakologie am Lebensende?
15 Pharmakologische Besonderheiten Nebenwirkungen Resorption J? Verteilung J? Wirkung J? Resorption meist gut Muskelmasse Wechselwirkungen Rezeptorendichte Ausscheidung J? Nierenfunktion
16 Warum so wenig Daten? Lange Zeit kaum gute Studienresultate zur Pharmakotherapie von Hochbetagten Dies gilt paradoxerweise auch für Probleme, die typische Altersprobleme sind Beispiele: Depression, Agitation bei Demenz, Polyarthrose, Polymyalgia rheumatica
17 Studien, die Medikamente absetzen? Meist Psychopharmka The dementia antipsychotic withdrawal trial (DART-AD): long-term follow-up of a randomised placebo-condtrolled trial Patienten mit Alzheimer Demenz haben ohne Neuroleptika nach 24 und 36 Monaten eine niedrigere Mortalität andere? The Lancet Neurology, Volume 8, Issue 2, P , February 2009
18 Antidepressiva bei Alzheimderdemenz S Banerjee et al, The Lancet, Vol 378 July 30, 2011
19 Medikamentös bedingte Notfälle (1) Nebenwirkungs-Überwachungssystem dazu verwendet, die zwischen 2007 und 2009 erfolgten Notfall-Eintritte von Leuten über 65 wegen Arzneimittel- Nebenwirkungen zu erfassen Fast ½ (von 5077) bei Personen 80 Jahre! Für 2/3 der Notfall-Hospitalisationen waren 4 Medikamententypen verantwortlich
20 Medikamentös bedingte Notfälle (2) Die vier Medikamententypen waren: Orale Antikoagulantien Plättchenhemmer Insulin Orale Antidiabetika Fast nie waren es high risk -Medikamente Budnitz DS et al. N Engl J Med 2011; 365:
21 Hauptrisiken 1. Je mehr Medikamente, desto grösser das Risiko einer unerwünschten Wirkung Ein zusätzliches Medikament erhöht das Risiko einer unerwünschten Wirkung um rund 10% 2. Je mehr verschreibende Ärzte oder Ärztinnen, desto grösser ist das Risiko einer unerwünschten Wirkung 3. Helfen Listen? Gandhi TK et al. N Engl J Med 2003; 348:
22 Trippelwaagen Richtige Indikation Richtige Substanz Gesamteffekt
23 Priscus Liste 83 (wichtige) Medikamente Verschiedene Substanzgruppen Bedenken versus Alternativen Wichtige Probleme: Delirien Stürze Mangelnde Evidenz bzw. ungünstiges Nutzen / Risikoverhältnis
24
25 Stürze mit relevanter Verletzung nach Zolpidem Zum Teil wirklich veraltete Substanzen Reserpin, a Methyldopa, Guanethidin In der Schweiz nicht zugelassene Medikamente Es gibt keine CH Version J Am Geriatr Soc 59: , 2011.
26 Zu wenig vs. zu viel Therapie Zunehmende Evidenz für Untertherapie bzw. inadäquate Therapie gegen Schmerzen, Depressionen START Screening tool altert (to the) right treatment Kardiovaskulär (OAK, ACE-Hemmer) Respiratorisches System (Inhalationen) ZNS (Parkinsontherapie, Antidepressiva) GI- Trakt (PPI, faserreiche Kost) Endokrines System (Diabetestherapie) Bewegungsapparat (Management der Osteoporose) Age and Ageing 2007; 36:
27 Unterversorgung Problem Was Fehlt Häufigkeit % Morphine Laxans 62 Myokardinfarkt Betablocker 60 Herzinsuffizienz ACE Hemmer 47 Vorhofflimmern Marcoumar 42 Osteoporose Bisphosphonat 29 Hypertonie Antihypertensiva 23 Arteriosklerose Aggregationshemmer 21 NSAR Gabe PPI 21
28 Zu wenig vs. zu viel Therapie STOPP Screening tool of older persons potentially inapproriate prescriptions Kardiovaskulär (Digoxin > 0.125mg, Thiazide) Respiratorisches System (Theophyllin, Steroide po) ZNS (trizyklische Antidepressiva, Benzos T1/2) GI- Trakt (PPI in >8 Wochen Therapie bei ulcus) Endokrines System (Betablocker bei Diabetikern) Bewegungsapparat (NSAR und Herz) Analgetika: Fentanyl, Opiate ohne Laxantien Age and Ageing 2008; 37:
29 Therapieziele Therapieziele müssen sich orientieren an Lebenserwartung Ausmass der funktionellen Invalidität Lebensqualität Prioritäten der betroffenen Person Prioritäten der Pflegenden / Angehörigen
30 MII 1. Indikation? 2. Dosis? 3. Wirksamkeit? 4. Korrekte Einnahme 5. Interaktionen mit Krankheit oder Medis? 6. Verordnung praktikabel? 7. Doppelverschreibungen? 8. Dauer adäquat? 9. Kostengünstige Alternativen?
31 Fazit in Kürze Alte Menschen behandeln bedeutet die Anpassung von Richtlinien an deren Bedürfnisse, nicht umgekehrt Individualisierung auch im hohen Alter von grösster Bedeutung Therapie immer wieder hinterfragen, an definierten Zielen ausrichten Gut dokumentierte Medikamente (und zurückhaltend!) verschreiben Weniger ist oft mehr
32 Der junge Arzt beginnt seine Karriere mit 20 verschiedenen Pillen für eine Krankheit, der Erfahrene braucht eine Pille für 20 Krankheiten. Sir William Osler
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