2. Petition Umweltauswirkungen der Intensivlandwirtschaft auf den Zustand der Gewässer in Thüringen
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- Moritz Baumgartner
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1 Klaus Götze Freiberuflicher Hydrogeologe R.-Breitscheid-Straße Jena Thüringer Landtag Vorsitzender des Umweltausschusses Herrn Tilo Kummer Jürgen-Fuchs-Straße Erfurt 2. Petition Umweltauswirkungen der Intensivlandwirtschaft auf den Zustand der Gewässer in Thüringen 1. Vorbemerkungen Die seit Jahrzehnten sehr hohen Einträge von Stickstoffverbindungen durch die intensive Landwirtschaft stellt eines der großen und nach wie vor ungelösten Probleme unserer Zeit dar (SRU 2015). Die umweltrelevanten Folgen des Stickstoffeintrages sind: 1. Eutrophierung und Versauerung der Gewässer mit Verlust der biologischen Vielfalt 2. Belastung der menschlichen Gesundheit durch Nitrat im Grundwasser 3. Stickoxide in der Luft schädigen die menschliche Gesundheit 4. Lachgas schädigt die Ozonschicht und forciert den Klimawandel 5. Humusverluste im Oberboden und Rückgang der natürlichen Produktivität Vor allem die diffusen Einträge von Pflanzennährstoffen (Phosphor und Stickstoff) haben bereits zur Kontamination und Eutrophierung terrestrischer und aquatischer Ökosysteme in der Natur geführt, das mit einem weiteren Rückgang der Artenvielfalt auch in Thüringen verbunden ist (vgl. Thüringer Rote Liste 2011). Der Schadstoffpfad und die dadurch verursachten Eutrophierungserscheinungen lassen sich bereits auf 71 % der Fläche Europas feststellen (SRU 2004). In Deutschland wurden 2004 auf über 98 % der untersuchten Flächen Überschreitungen der Critical Loads für die Eutrophierung registriert (SRU2008).
2 Vor allem die Fließgewässer sowie Sicker- und Grundwasser in Thüringen sind hoch mit Stickstoffverbindungen belastet. 2. Mängel in der Umsetzung der WRRL in Thüringen 2015 Der Freistaat Thüringen hat sich mit der Übernahme der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL 2000/60 EG) in das Thüringer Wassergesetz in 2004 (Art. 134, Abs. 1) verpflichtet, bis 2015 die WRRL umzusetzen. Ziel: Guter ökologischer und chemischer Zustand des Grundwassers (GW) und des Oberflächenwasser (OW). Dieses Ziel wurde 2015 nicht erreicht! Nach dem Umweltbericht der TLUG 2011 ergibt sich folgender Sachstand: 1. Von 46 bewerteten Grundwasserkörpern im Elbe-Einzugsgebiet in Thüringen sind 26 gut und 20 als nicht gut einzustufen. Bei 17 GW-Körpern wurden diffuse, flächenhafte Einträge und Quellen angegeben. 2. Von 39 Beprobungsstellen auf Phosphat aus Fließgewässern im Elbe-Einzugsgebiet in Thüringen sind 25 gut und 14 als nicht gut zu bewerten. 3. Nach dem Umweltbericht 2011 stellen Phosphor und Stickstoff ein erhebliches Qualitätsproblem bei 63 % der Fließgewässer dar. Deshalb wurden im Rahmen des KULAP den Thüringer Landwirten erweiterte Gewässerschutzmaßnahmen angeboten, die seit 2008 laufen. 4. Die Förderkulissen für Phosphor und Stickstoffüberschussgebiete bei Ackerland wurden ständig erhöht und belaufen sich aktuell auf die angegebenen Größen: Förderkulisse Phosphat: ha Förderkulisse Stickstoff: ha Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche Thüringens: ha In Thüringen werden etwa 70 % des Trinkwassers weitflächig aus dem Grundwasser gewonnen! 3. Beispiele der Nitratbelastung des Grundwassers in Ostthüringen Aus der Umwelt-Datenbank der TLUG 2015 wurden für den Zeitraum aus verschiedenen GW-Körpern in Jena und Umgebung die Nitratwerte offiziell ausgewertet. Es handelt sich dabei um folgende GW-Messstellen: Hy Apolda 1b/2002 Hy Steudnitz (Grümpelborn) Hy Buchheim Hy Hummelshain 2E/1982
3 Hy Jena-Winzerla (Trießnitzquelle) Hy Jena (Mühltal, Papiermühle) Hy Leutra (Obere Geißlerquelle) Im folgenden Diagramm sind die Nitratgehalte in mg/l dargestellt. Abbildung 1: Nitratbelastung des Grundwassers von GW-Messstellen des TLUG-Messnetzes im Zeitraum von 2004 bis 2014 Die GW-Qualitätsmessstellen Apolda, Steudnitz und Buchheim liegen in Regionen mit intensiver ackerbaulicher Nutzung. Daraus ergeben sich extreme bis sehr hohe Stickstoffeinträge, die trotz Subventionierung von Seiten des Landes keine Abnahme der Nitratkonzentration erkennen lassen. Die in einem Waldgebiet liegende Entnahmestelle Hummelshain 2E/1982 ist dagegen fast nicht mit Nitrat belastet. Für die Mühltalquelle lässt sich im Vergleich eine Abnahme der Nitratwerte erkennen. Das unterirdische Einzugsgebiet der Quelle besteht aus Wald und Grünland mit wenig ackerbaulicher Nutzung. 4. Derzeitige Maßnahmen zur Reduzierung der Nährstoffeinträge Die Umsetzung der WRRL in Thüringen sieht grundlegende und ergänzende Maßnahmen zur Erreichung des guten Gewässerzustandes in allen Gewässern (Oberflächen- und Grundwasser) vor. Grundlegende Maßnahmen resultieren aus bundes- und landesrechtlichen Regelungen, welche die im Anhang der WRRL genannten EU-Richtlinien umsetzen. Für die Landwirtschaft sind hier vor allem die Umsetzung der Nitratrichtlinie (91/676 EWG) und deren nationale Umsetzung mit der Düngerverordnung einschlägig. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Maßnahmen: W1 Reduzierung des N-Eintrages durch Einhaltung vorgeschriebener Stickstoff- Zielsalden kombiniert mit erhöhten Anforderungen an das Stickstoffmanagement des Betriebes oder Hofes W21 Anbau von Zwischenfrüchten und Untersaaten
4 W22 Anwendung von Mulch- oder Direktsaat oder Mulchpflanzverfahren im Ackerbau L33 Anlage von Uferrandstreifen, insbesondere von Blühstreifen auf ausgewiesenen erosionsgefährdeten Ackerflächen an Gewässern und deren Bewirtschaftung im Sinne des Gewässerschutzes Vor allem die Maßnahme W1 hat zum Ziel, mittelfristig die Düngung mit Stickstoff zu reduzieren bzw. deren Effizienz zu steigern. Dadurch sollen die Stickstoff-Einträge vom Acker in das GW oder OW vermindert werden. Nach Angaben des TMLNU 2012 wurden für die Maßnahmen W1 und W21/22 Fördermittel in folgender Höhe ausgegeben: 2009 W21/22: 1,0 Mio. auf ha 2010 W1: 4,3 Mio. auf ha W21/22: 1,2 Mio. auf ha 2011 W1: 4,9 Mio. auf ha W21/22: 1,2 Mio. auf ha Am Beispiel der Karstquelle Grümpelborn bei Wichmar/Steudnitz wurde trotz Beginn der W1- Förderung im Jahre 2008 (schriftliche Information des TMLNU vom ) bis Ende 2014 kein Rückgang der sehr hohen Nitratkonzentration des Quellwassers festgestellt. Aus dieser Sicht reichen die Maßnahmen nicht aus, um die Nährstoffeinträge zu reduzieren. 5. Defizite des Gesetzgebers Die Nitratrichtlinie der EU wird ungeachtet ausstehender Strafzahlungen des Landes Thüringen nicht eingehalten bzw. berücksichtigt. Die sogenannte gute fachliche Praxis lässt weite Spielräume der landwirtschaftlichen Nutzung offen und bestimmt das von Landwirten bei ihrer Landnutzung ohne Entschädigung einzuhaltende ökologische und sicherheitstechnische Schutzniveau. Leider ist die Landwirtschaft von umweltrechtlichen Regelungen teilweise freigestellt (vgl. BNatSchG 13, Abs. 2, Seite 2 und 38, Abs. 4 Nr. 3 WHG sowie 7 BBodSchG). Diese lockeren Regelungen sind änderungsbedürftig. Die Dünge-VO regelt nach 1 Nr. 1 die sog. gute fachliche Praxis bei der Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen und Pflanzenhilfsmitteln auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen. Derzeit wird an der Reform der Dünge-VO gearbeitet. Dabei sind neue
5 Prämissen zur verbindlichen Düngeplanung, der Einbeziehung von organischen Düngern und Gärresten, bei den Ausbringungsobergrenzen, der Technik der Ausbringung, der Erstellung von Hofbilanzen sowie der besseren Kontrollen und höheren Sanktionen zu setzen. 6. Fragen zur Stickstoffproblematik in Thüringen 1. Mit welchen Strategien will das Land Thüringen seine Verpflichtungen gegenüber der Einhaltung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) erfüllen, obwohl der Trend des Nährstoffeintrages in die Fließgewässer und ins Grundwasser in den Messstellen ansteigt? 2. Wie viele Landwirte nehmen die im KULAP vorgegebenen Maßnahmen zur Verminderung des Nährstoffeintrages in die Gewässer in Anspruch? 3. In welcher Höhe wurden Fördermittel für W1, W21/22 und L33 an Landwirte in den Jahren 2012 bis 2014 bezahlt? 4. Wie viele Fördermittel mussten die Landwirte wegen Nichteinhaltung des Nährstoffinputs zurück erstatten? 5. Wie viele Trinkwasserschutzgebiete wurden seit der Wende 1989 gesetzlich aufgehoben? 6. Wie viele Trinkwasserschutzgebiete gab es vor der Wende 1989 und wie viele Trinkwasserschutzgebiete gibt es aktuell im Jahre 2015? 7. Wie hoch sind die Kosten der Thüringer Stadtwerke durch die Stickstoffeinträge in das Grundwasser? 8. Wie viele Jahre beträgt die Bearbeitungszeit für den Rechtsstatus eines neuen Trinkwasserschutzgebietes im Landesverwaltungsamt? 9. Gibt es bereits Vorschläge für eine Stickstoffstrategie des Landwirtschafts- bzw. Umweltministeriums? 7. Verwendete Unterlagen (1) Umweltbericht der TLUG 2011 (2) Umwelt- und Sondergutachten für Umweltfragen (SRU) 2008/2009 (3) Umweltdaten der TLUG 2015 (4) Sondergutachten: Lösungsstrategien für ein dringendes Umweltproblem (SRU ) 2015 (5) GÖTZE, K.: Der Grümpelborn bei Wichmar. Schriftenreihe Angewandter Umweltund Naturschutz in Thüringen, Heft 7/2011. (6) GÖTZE, K.: Zur Landschaftsentwicklung und Verkarstung zwischen Saale und Ilm. Schriftenreihe Angewandter Umwelt- und Naturschutz, Heft 6/2009.
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