Es riecht nach Diesel am Lac Leman

Transkript

1 Universität Duisburg-Essen Feb CAR-Center Automotive Research Es riecht nach Diesel am Lac Leman Ferdinand Dudenhöffer * Der Genfer Salon ist der Treffpunkt der Autoindustrie und gleichzeitig die wichtigste Automesse in Europa. Andere, wie etwa die Frankfurter IAA oder die Mondial d Automobile in Paris, haben zwar größere Messehallen und mehr Besucher, aber in Genf zeigen sich alle auch Autobauer wie Volvo, die Frankfurt wegen Gigantismus abgesagt hatten. Von daher gibt Genf die Trends an. Dieselkrise wirft europäische Autobauer zurück In diesem Jahr liegt eine dicke Dieselwolke über Genf. Die europäischen Autobauer kämpfen um ihren Wettbewerbsvorsprung, und er heißt Diesel. Audi, BMW, Daimler, Jaguar-Landrover, Renault, Peugeot-Citroen und selbst Porsche sind übermäßig stark vom Diesel-Motor abhängig. Bei Audi oder BMW werden mehr als dreiviertel aller weltweit verkauften Neuwagen mit Dieselmotor ausgerüstet. Subventionierter Diesel-Treibstoff in vielen europäischen Ländern und strengere Kohledioxid-Vorschriften haben einen regelrechten Diesel-Boom in Europa ausgelöst. Mehr als 50 Prozent aller in West-Europa verkauften Neuwagen dieseln. In Asien oder Nordamerika, wo mehr als zwei Drittel als weltweiten Autos verkauft werden, spielt der Diesel-Pkw so gut wie keine Rolle. Die europäische Branche ist gefährlich stark vom Diesel abhängig. Und jetzt das: Dunkle Wolken liegen über dem Diesel. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Premiumhersteller steht mit dem Diesel auf dem Spiel. Diesel ist so etwas wie ein Unwort geworden. Ausgelöst wurde die Debatte durch die Betrügereien von VW in USA. Mittlerweile versucht der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt mit populistisch formulierten Doping-Tests für Autobauer seine inkompetente Behörde das deutsche Kraftfahrtbundesamt (KBA) zu retten. Seit November hat das KBA Abgastests Abb.1: Fahrzeug-Verkäufe USA von 50 Modellen in Auftrag gegeben. Selbst nach drei Monaten hat die US-Verkäufe Jan 2016 Diesel Diesel-Anteil Behörde noch keine Information für die Öffentlichkeit. Bei der EU in Brüssel Mercedes BMW ,3% 1,1% werden die Abgasvorschriften verschärft. Real Driving Emission, also die tatsächlichen Emissionen im Fahrbetrieb, stehen auf der Agenda. Und in USA fangen jetzt Rechtsanwälte an andere Autobauer, wie etwa Daimler, zu verklagen. In wichtigen Märkten wie Nordamerika sieht es so aus, als würde man mit dem Diesel nicht mehr aus die Füße kommen. Die Verkäufe von Diesel-Fahrzeugen von BMW und Mercedes sind im Januar um mehr als 60 Prozent eingebrochen. Weniger als zwei Prozent der US-Verkäufe der beiden Autobauer sind noch Diesel-Fahrzeuge (vgl. Abb.1). BMW * Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. 1

2 hat im Januar mehr BMW i3 und i8 Fahrzeuge in USA verkauft als Diesel, Mercedes mehr Smart als Diesel. Die Lawine rollt, und das spürt man in Genf. Die große Durchbruch-Innovation fehlt in Genf Die Neuerscheinungen treten in Genf eher in den Hintergrund, zumal eine ausgesprochene Durchbruch- Innovation dieses Jahr nicht in den Messehallen am Lac Leman zu sehen ist. Ein neuer Bugatti mit dem Namen Chiron steht in den Messehallen, Renault übt die Wiederbelebung der Alpine, die im nächsten Jahr wohl zu kaufen sein wird. Hyundai stellt in Genf so etwas wie den Toyota Prius vor, der bei den Koreaner Ioniq getauft wurde. Die neue Mercedes E- Klasse steht in Genf, aber war schon in Detroit zu bestaunen. Studien mit Elektroautos, die dann bis zu 500 Kilometer elektrische Reichweite haben und noch vor dem Jahr 2020 im Markt sind können bewundert werden Und der Megatrend der SUV setzt seinen Siegeszug fort. Billiges Benzin und Diesel läßt die Käufer auf große und PSstarke Neuwagen umschwenken. Mitte Februar hatte GM angekündigt sein Motorenwerk in Tennessee Abb. 2: Wichtige Modell-Neuerung im Jahr 2016 Marke 1. Halbjahr 2. Halbjahr Alfa Gulia SUV Audi A5, Q1 und Q5 BMW 5er-Reihe Citroen DS SUV, C3 Fiat 124 Spider, Tipo Ford Edge Ka Honda Civic Jaguar F-Pace Landrover Evoque Cabrio Jeep Patriot Grand Cherokee Kia Optima, Sportage Crossover Mazda MX 5, CX-5 Mercedes GLS, E-Klasse, SLC GLC Coupe Nissan QX-30 Q-60 Opel Astra Insigna Peugeot Expert, 3008 Porsche 911 Panamera Renault Megane, Talisman Scenic Seat SUV Skoda SUV Tesla Model X Toyota Prius Hilux, C-HR VW Tiguan Volvo S90/V90 Hinweis: Rot sind SUV-Modelle und Rot-unterstrichen Modelle ohne Vorgänger um knapp 150 Millionen US-Dollar auszubauen. Dort werden die 6,2 Liter V8 Motoren hergestellt für die großen GM-SUV und Pick-ups, wie den Chevrolet Silverado, GMC Sierra, Yukon Denali und die Escalade-Modellen. Die Autowelt hat mit dem billigen Kraftstoff den Rückwärtsgang eingelegt. Roboterauto bleibt in Genf Gesprächsstoff US-Behörden schneller als EU Und dann bleibt natürlich das Roboterauto von Google sehr geschickt vor einigen Jahren mit dem Video A First Drive in Szene gesetzt. Im Februar hat die US-Straßensicherheitsbehörde NTHSA wissen lassen, dass man in USA den Computer als Fahrer anerkennt if it s save. Das ist eine Revolution, die unser Bild vom Auto von morgen verändern wird. Während man in Brüssel am Auto von gestern herumdoktert um Dieselgate und das Versagen aller europäischen Behörden zu verstehen, ist man in USA schon auf der nächsten Stufe. In Genf wird das zwar diskutiert, aber eben nur diskutiert. Das Risiko bleibt, dass Deutschland so 2

3 wie bei der Elektromobilität auch beim zweiten wichtigen Megatrend der Branche, dem Roboterauto hinterher fährt. Das gilt nicht für die Autobauer, sondern für die Politiker. Weltautomarkt wächst 2016 aber langsamer Dabei bleibt auch im Jahre 2016 die Welt PKW-Konjunktur im Wachstum, wenn auch mit kleinerem Tempo als im Vorjahr. Im Jahr 2016 werden nach unserer Prognose 2,4 Prozent oder 1,85 Millionen Pkw und Light Trucks mehr verkauft als im Vorjahr. Die Branche kann damit einen neuen Rekordwert von 80,1 Millionen Pkw-Verkäufen erwarten. (vgl. Abb. 3). Abb. 3: Weltweite Pkw-Verkäufe (in Mio. Fahrzeugen) 80,1 78,3 75,8 72,8 68,8 65,3 62,3 56,5 58,8 58,4 56,4 54,8 53,0 48,9 48,8 48,9 50, Seit dem Jahre 2009 ist damit der weltweite Pkw-Markt im Wachstum. Die Grenzen des Wachstums liegen noch weit weg. Trotz Anzeichen einer etwas schwächeren weltwirtschaftlichen Entwicklung wird es in wichtigen Kernmärkten weitere Zuwächse bei den Neuwagenverkäufen geben. China bleibt Wachstumsmotor und definiert die Regeln Eingearbeitet in unsere Prognose sind die neusten OECD-Schätzungen für das Wirtschaftswachstum (GDP) aus dem Monat Februar 2016, wie Abb. 4 zeigt. Nachdem im November die OECD noch mit einem weltweiten Wachstum des Welt-Sozialprodukts (GDP) von 3,3% gerechnet hat wurde die Vorausschau auf 3,0% reduziert (vgl. Abb. 4). Wichtig für die Automobilbranche bleibt der größte Markt der Welt, China. Dort wird weiterhin mit einem Wirtschaftswachstum von 6,5% im Jahre 2016 gerechnet. Zusammen mit den Steuererleichterungen für den Kauf von Neuwagen mit kleineren Motoren (unter 1,6 Liter Hubraum) sorgt das Wirtschaftswachstum in China für den Absatz von 20,9 Millionen Neuwagen. Das ist ein Plus von 4,5%. Damit werden 50% des weltweiten Absatzwachstums durch China gestellt. China definiert immer stärker die Regeln des Autogeschäfts. 40 Mega-Cities mit mehr als einer Million Fahrzeuge auf der Straße Mittlerweile fahren 172 Millionen Pkw und Nutzfahrzeuge auf Chinas Straßen. Knapp 107 Millionen der Fahrzeuge sind Pkw. Damit entfallen auf 1000 Chinesen 78 Pkw. Diese Kennzahl zeigt, dass der Markt China noch deutliches Aufnahme-Potential hat. In Deutschland etwa 3

4 Abb. 4: Die Entwicklung der Top-15 Pkw-Märkte (Verkäufe in Fahrzeugen) GDP 2016 GDP 2016 Pkw-Markt Pkw-Markt OECD Nov 15 OECD Feb Diff. in % 1 China 6,5% 6,5% ,5% 2 USA 2,5% 2,4% ,5% 3 Japan 1,0% 0,8% ,0% 4 BRD 1,8% 1,3% ,7% 5 Indien 7,3% 7,4% ,2% 6 England 2,4% 2,1% ,0% 7 Brasilien -1,2% -4,0% ,0% 8 Frankreich 1,3% 1,2% ,5% 9 Kanada 2,0% 1,4% ,0% 10 Italien 1,4% 1,0% ,0% 11 Süd Korea 3,1% 3,1% ,0% 12 Russland -0,4% -1,0% ,0% 13 Mexiko 3,1% 3,1% ,4% 14 Australien 2,6% 2,6% ,0% 15 Spanien 2,7% 2,7% ,0% Welt 3,3% 3,0% ,4% beträgt die Pkw-Dichte 560 Pkw/1000 Einwohner. Der Vergleich illustriert das Marktpotential Chinas. Mittlerweile sind in 40 chinesischen Großstädten jeweils mehr als eine Million Pkw und Lkw auf der Straße. Und dieser Vergleich zeigt, dass Wachstum in China zukünftig von den Rändern kommt und nicht aus den Metropolen. Damit steigen die Chancen der chinesischen Autobauer, die erschwingliche Motorisierung für die Bevölkerung bieten. So haben im letzten Jahr die chinesischen Autobauer mit 8,7 Millionen verkauften Neuwagen ihren Marktanteil auf 41 Prozent ausgebaut. Dieser Trend wird weitergehen. Und noch ein anderer Trend geht von China aus: Die Marktausbreitung von Elektroautos. Im letzten Jahr wurden in China NEV - New Energy Vehicles nennen das die Chinesen - verkauft. Das war ein Zuwachs von mehr als 300 Prozent. Und die Entwicklung zum Elektroauto geht in China weiter. Allein im Januar wurden 144 Prozent mehr Elektroautos in China produziert als im Vorjahresvergleichsmonat. Damit ist jetzt schon klar, dass die China Auto-Show ab 25. April in Beijing zur bedeutendsten Automesse der Welt wird. In Beijing werden die Trends zur spüren sein Abb. 5 Automarkt IRAN (in Fzgen)

5 Nordamerika, West Europa und neue Märkte wie Iran erzeugen Wachstum Neben China ist mit Zuwächsen bei der Auto-Nachfrage in USA (+2,5%), Kanada (+1%), Mexiko (+5,4%), Italien (+7%), Spanien (+9,0%) und Frankreich (+3,5%) zu rechnen. Zusätzliches Wachstum kommt ebenfalls aus Indien (+4,2%), Süd-Korea (+4,0%) und Australien (+2,0%). Schwierig bleiben im Jahr 2016 nach wie vor die Märkte in Südamerika, Russland und Japan. Dies ist ein Spiegel der wirtschaftlichen Entwicklungen in diesen Ländern. Dabei gehen wir davon aus, dass die derzeitigen starken Einbrüche sich in der zweiten Jahreshälfte deutlich reduzieren. Dann wird nach unserer Einschätzung eine Art Bodenbildung in diesen Märkten erreicht sein. Gerechnet werden kann im mittleren Osten im Iran mit einer Verbesserung des Automarktes. Die Öffnung von Iran erlaubt, die wirtschaftliche Entwicklung wieder zu verbessern und nach unserer Prognose 1,13 Millionen Neuwagen im Iran zu verkaufen. Fazit: Genf 2016 ist eher Krisenbewältigung statt der große Schritt in die Zukunft. Die europäischen Autobauer werden in den nächsten Jahren Milliarden in die Standfestigkeit des Diesels zu investieren haben und müssen gleichzeitig schneller den Ausbau der Elektromobilität forcieren. Die schönen Gewinne der letzten Jahre werden damit dünner werden. Dies werden die Aktienkursen der Autobauer spiegeln. Die Dieselwolke vernebelt das Geschäft. 5