ALTERNSGERECHTE SCHICHTPLANGESTALTUNG BEI DER BASF COATINGS AG
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- Helga Kirchner
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1 ALTERNSGERECHTE SCHICHTPLANGESTALTUNG BEI DER BASF COATINGS AG Die BASF Coatings AG entwickelt, produziert und vermarktet ein hochwertiges Sortiment innovativer Fahrzeugserien-, Autoreparatur- und Industrielacke sowie Bautenanstrichmittel. Das Werk in Münster ist einer der größten Lackstandorte weltweit. Das Pilotprojekt "Alternsgerechte Arbeitszeitgestaltung" war im Segment Füller angesiedelt. Bei der Fahrzeuglackierung gleicht ein Füller als zweite von vier Lackschichten Unebenheiten aus und schützt das Fahrzeug u. a. vor Steinschlägen und UV-Einstrahlungen. Neben Füller sind Grundierung, Basislack und Klarlack die weiteren Lackschichten einer Fahrzeugkarosserie. AUSGANGSSITUATION Der Produktionsprozess im Segment Füller gliedert sich in die Abschnitte Einwaage, Dispergierung, Komplettierung und Abfüllung. Beschäftigt sind dort 36 Mitarbeiter. Altersstruktur Die Altersstruktur der Beschäftigten im Segment stellte sich zu Projektbeginn 2006 folgendermaßen dar: Der Altersdurchschnitt betrug 35,8 Jahre, wobei die Altersgruppe der unter 35-Jährigen mit 53 % überproportional vertreten ist. Im Alter zwischen 35 und 49 Jahre sind knapp zwei Fünftel und in der Klasse 50 Jahre und älter 8 % der Mitarbeiter. Welche Altersstruktur ist zukünftig zu erwarten? Wird die Altersstruktur zehn Jahre fortgeschrieben, steigt der Altersdurchschnitt der Mitarbeiter auf 45,8 Jahre. Altersbedingt scheidet kein Mitarbeiter aus. Der Anteil der Mitarbeiter in der mittleren Altersgruppe (35-49 Jahre) steigt auf 65 % an. Knapp ein Drittel wird das 50. Lebensjahr erreicht haben. Man kann also von einer zu erwartenden kollektiven Alterung sprechen. Im Segment werden i. d. R. abwechselnd 16 bzw. 17. Schichten pro Woche gefahren. Bei den 16 Schichten handelt es sich um Früh-, Spät- und Nachtschichten von montags bis freitags sowie die Sa-Frühschicht. Als 17. Schicht wird in jeder zweiten Woche die So-Nachtschicht gefahren. Das bisherige Schichtmodell Die Mitarbeiter waren in drei Gruppen eingeteilt, die jeweils in unterschiedlichen Schichtmodellen arbeiteten. Die erste Gruppe arbeitete nur in der Tagschicht. Die Mitarbeiter der zweiten Gruppe arbeiteten 2-schichtig. Der Wechsel zwischen Früh- und Spätschicht erfolgt wöchentlich. Die 19
2 Altersstrukturanalyse der Mitarbeiter im Segment Füller der BASF Coatings AG dritte Gruppe arbeitete 3-schichtig, ebenfalls im wöchentlichen Wechsel, der folgendermaßen aussah: Früh, Spät, Nacht, Spät, Früh, Nacht. Aus diesem Einsatz resultierte, dass insgesamt nur zwölf von 36 Mitarbeitern nachts eingesetzt wurden. Für sie stand jede dritte Woche eine komplette Nachtschichtwoche auf dem Plan, d. h. fünf bzw. bei Produktionsstart in der So-Nachtschicht sechs Nachtschichten in Folge. Im Prinzip erfreute sich das Modell bei den Mitarbeitern großer Beliebtheit. Dies war insbesondere auf die "freiwillige Zuordnung" der Mitarbeiter zur 2- und 3-Schichtgruppe zurückzuführen. Voraussetzung für diese Handlungsspielräume war der hohe Qualifikationsstand der Mitarbeiter, der einen flexiblen Einsatz ermöglichte. Gleichwohl gab es auch kritische Stimmen. So berichteten einzelne Mitarbeiter von Umstellungsproblemen nach langen Nachtschichtphasen. Gleichzeitig gab es Hinweise, dass ein Verbleib im 3-Schichtmodell aus finanziellen Gründen bevorzugt wurde. ZIELE Zunächst sollten die bisherigen Schichtmodelle im Hinblick auf ihre Zukunftstauglichkeit überprüft werden. Belastungen, die aus der bisherigen Schichtplangestaltung herrührten, sollten reduziert werden; die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zur Anwendung kommen. 20
3 Ziel der Weiterentwicklung war es, mit einer neuen Schichtplangestaltung einen Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit aller Mitarbeiter zu leisten, damit sie bis zu ihrem Renteneintritt in dem Segment eingesetzt werden können. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden Veränderungen in der Alterstruktur sollte insbesondere die bisherige Konzentration der Nachtschichtbelastungen auf eine kleine Gruppe von Mitarbeitern überprüft werden. Ein weiteres Ziel war, die potenziellen Wirkungen eines neuen Schichtmodells zu erheben und zu bewerten. ZUM VORGEHEN Es wurde eine Projektgruppe gebildet, die sich aus der Segmentleitung, dem Betriebsrat, dem Leiter des betriebsärztlichen Dienstes, der Personalabteilung sowie der Sozialen Innovation zusammensetzte. Nach einer Altersstrukturanalyse und einer Analyse der betrieblichen Rahmenbedingungen und Anforderungen wurde eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Im Mittelpunkt der Befragung standen die Wünsche und Interessen der Beschäftigten in Sachen Arbeitszeit und Schichtplangestaltung. Über die einzelnen Arbeitsschritte der Projektgruppe sowie über (Zwischen-)Ergebnisse wurden die Mitarbeiter kontinuierlich im Zuge der regelmäßigen Teamtage informiert. Meinungen und Sichtweisen der Mitarbeiter wurden so in den Prozess einbezogen. Zur Messung der potenziellen Veränderungen im Hinblick auf die Wahrnehmung von Belastungen und das gesundheitliche Wohlbefinden wählte die Projektgruppe zwei Instrumente aus: eine schriftliche Befragung der Beschäftigten sowie arbeitsmedizinische Untersuchungen. Die ersten Erhebungen fanden vor der Einführung des neuen Schichtmodells statt. Die zweite Erhebungswelle ist nach einer Testphase geplant. ECKPUNKTE FÜR EIN NEUES SCHICHTMODELL Zunächst verständigte sich die Projektgruppe auf Anforderungen, die ein neues Schichtmodell erfüllen sollte. Dabei wurde zwischen so genannten Pflicht- und Küranforderungen unterschieden. Erstere sollen auf jeden Fall umgesetzt werden; eine Umsetzung Letzterer wäre wünschenswert. Die Pflichtanforderungen: Zur Reduzierung der Belastungen durch die Nachtarbeit sollen die langen Nachtschichtfolgen durch kurze Folgen ersetzt werden. Maximal vier Nachtschichten sollen in Folge geleistet werden können. In den Nachtschichten sollen jeweils nur so viele Mitarbeiter eingesetzt werden, wie es produktionstechnisch unbedingt notwendig ist. D. h., je 21
4 nach Produktionsleistung kann die Anzahl der Mitarbeiter pro Nacht zwischen drei (aktuell) und fünf (perspektivisch) variieren. Die zu leistenden Nachtschichten sollen auf mehr Schultern verteilt werden. D. h., die Anzahl der Mitarbeiter in 3-schichtiger Fahrweise soll erhöht werden. Mitarbeiter, die auf freiwilliger Basis den Wechsel vollziehen möchten, sollen bevorzugt berücksichtigt werden. Allerdings sollen Mitarbeiter, die 50 Jahre und älter sind, nicht neu in ein Schichtmodell mit Nachtschichten einbezogen werden. Die Küranforderung: Im erweiterten Kreis der Mitarbeiter, die nachts eingesetzt werden, soll die Anzahl der Nachtschichten nach Alter differenzieren. Jüngere Mitarbeiter sollen mehr Nachtschichten als ältere Mitarbeiter übernehmen. DAS NEUE SCHICHTMODELL Generell wird die Einteilung von Mitarbeitern in "Tagschichtler", "2-Schicht-Mitarbeiter" und "3- Schicht-Mitarbeiter" beibehalten werden. Für die Mitarbeiter im Tag- und 2-Schichtbetrieb bleiben die Schichtzeiten zunächst unverändert. Allerdings wird die Gruppe der 3-Schichtler in einem ersten Schritt verdoppelt. Somit verteilen sich die Nachtschichten nicht mehr auf zwölf, sondern neu auf 24 Mitarbeiter. Muss aufgrund einer höheren Produktionsleistung in der Nacht der Mitarbeitereinsatz erhöht werden (mehr als drei Mitarbeiter / Nacht), sollen peu à peu weitere Mitarbeiter in den 3-Schichtbetrieb wechseln. Die Mitarbeiter im 3-Schichtbetrieb verteilen sich auf zwei Schichtgruppen. Der generelle Schichtwechsel zwischen Früh- und Spätschicht erfolgt wöchentlich, und garantiert die Zusammenarbeit in der Gruppe. Die Nachtschichten werden von Mitarbeitern der beiden Schichtgruppen besetzt. Dieser Ansatz ist möglich, da es sich auch weiterhin um Nachtschichtbesetzungen mit "ausgedünnter" Mannschaft handeln wird. Um die Schichten für den Betrieb und die Mitarbeiter vorausschauend planen zu können, gibt es verschiedene, festgelegte Schichtmuster (siehe Abb. S. 23). Diese sehen vor, dass der Nachtschichteinsatz in der Frühschichtwoche ausschließlich in Blöcken von zwei Nachtschichten in Folge erfolgt. In der Spätschichtwoche variieren die Nachtschichteinsätze zwischen zwei und vier Nächten. Die arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse sind somit umgesetzt. Die unterschiedlichen Nachtschichtmuster resultieren auch aus der betrieblichen Anforderung, die Mannschaften in der Früh- und Spätschicht 22
5 möglichst komplett im Einsatz zu haben. Auf diese Weise sind mindestens jeweils zehn Mitarbeiter planmäßig in der Früh- und Spätschicht anwesend. Gleichzeitig ist eine Erholungszeit von mindestens 48 Stunden nach einer Nachtschichtphase vorgesehen, die von der Projektgruppe als notwendige Zeitspanne zur Erholung angesehen wird. Die Gestaltung der Nachtschichtblöcke ermöglicht sowohl die Umsetzung der arbeitwissenschaftlichen Erkenntnisse als auch eine produktionstechnisch notwendige hohe Besetzung der Tagschichten. Darüber hinaus sind sie geeignet, den Mitarbeitern - je nach Alter (kalendarisch und biologisch) - unterschiedliche Nachtschichthäufigkeiten zuzuweisen. Damit wären nicht nur die Pflicht-, sondern auch die Küranforderungen an das neue Schichtmodell erfüllt. Damit hat die Projektgruppe ihre Aufgabe erfüllt. Nun sind die Betriebsparteien am Zug, die Umsetzung des entwickelten Modells zu prüfen. Ob es sich sowohl seitens des Betriebs als auch der Beschäftigten bewährt, soll ggf. nach einer Testphase u. a. im Rahmen einer erneuten schriftlichen Befragung der Mitarbeiter sowie arbeitsmedizinischer Untersuchungen analysiert werden. Schichtplan für die Mitarbeiter im 3-Schichtbetrieb im Segment Füller der BASF Coatings AG (Auszug) 23
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