Ostermontag 25.April 2011 FEST-GOTTESDIENST. Ausblick Durch ihn die Welt sehen (Skulptur) Mk 16,1-8. Musikalisches Vorspiel: Posaunen Begrüßung

Transkript

1 Ostermontag 25.April 2011 FEST-GOTTESDIENST Ausblick Durch ihn die Welt sehen (Skulptur) Mk 16,1-8 Musikalisches Vorspiel: Posaunen Begrüßung 1. Lied: 100, 1-5 Wir wollen alle fröhlich sein Portal/Lesung (Was danach kommt/volker + 1 Kor 15: Sonja) Kyrie mit Einleitung: Ehre sei Gott in der Höhe mit Einleitung: Allein Gott in der Höh Psalm 118 (EG 747) 2. Lied: 111, Frühmorgens da die Sonn aufgeht (Mel: Erschienen ist der herrlich Tag EG 106) Lesung (Siegfried Simon): 1 Kor 15,1-11 Einleitung: Paulus schreibt im 1. Korintherbrief im 15. Kapitel sein Bekenntnis zur Auferstehung Jesu. Ich lese die Verse Halleluja (Kantor und Gemeinde) Gem: Halleluja Kant: Dies ist der Tag, den der Herr macht* lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein. Gem: Halleluja Kant: Der Herr ist auferstanden* er ist wahrhaftig auferstanden. Gem: Halleluja Glaubensbekenntnis (Volker) EG 805 Nicaeno-Konstantinopolitanum 3. Lied: 112,1-6 Auf, auf mein Herz mit Freuden Predigt Musik-Solo: (Frank Rutz) J.S.Bach: Sarabande Abkündigungen 4. Lied: 116, 1-5 Er ist erstanden, Halleluja Dankgebet - Fürbitten - Vaterunser Musik-Solo: (Steffi Mülder und Frank Rutz) J.S.Bach: Jesu bleibet meine Freude Entlassung und Segen Orgel-Nachspiel

2 Predigt Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden belebenden Blick. Der Winter in seiner Schwäche zog sich in rauhe Berge zurück. Nee! Denkt sie. Das ist es nicht. Vom Eise befreit. Nee, das stimmt nicht. Ihr ist ganz anders zumute als in Goethes Osterspaziergang. Aber wie ein Mantra wiederholt sie bei ihrem Spaziergang immer wieder diesen Satz. Ach, wenn es doch so wäre: Vom Eise befreit sind Strom und Bäche. Das gibt ihr ein wenig Halt. Früher war das schon öfter so gewesen: wenn etwas sie umgehauen hatte, dann sagte sie sich immer so einen Satz auf, und das brachte ihre Gedanken dann ein wenig zur Ruhe. Als ihr erster langjähriger Freund sie wegen einer Anderen sitzen gelassen hatte, und sie wie angeschossen eine ganze Nacht lang durch Deutschland getrampt war, um ihn zur Rede zu stellen. Und später, als ihre beste Freundin einen Skiunfall hatte bei einer gemeinsamen Abfahrt und sie dann mit dem Krankenwagen mitfuhr in das Krankenhaus nach Innsbruck mit einer Scheiß-Angst um ihr Leben. Immer wieder half ihr so ein Satz, den sie sich wieder und wieder in Gedanken sagte, um sich zu beruhigen. Vom Eise befreit sind Strom und Bäche aber das ist noch nicht der richtige Satz. Zuviel Packeis auf ihrer Seele! Ein Musikstück aus den 80ern fällt ihr ein, als sie den Weg Richtung Wald hinauf steigt, vorbei an Wiesen und Feldern. Der triffts besser: Eisbären müssen nie weinen. Ein Pop-Song der Neuen Deutschen Welle. Richtig: Grauzone hieß die Gruppe damals. Grad neulich hatte ihr jemand auf Facebook einen Link zu einer Neuaufnahme dieses Stückes bei Youtube geschickt. Ja, schön wenn man ein Eisbär ist. Dann muss man nicht weinen auch dann nicht, wenn man gerade vom Friedhof kommt. Kais Beerdigung war im vergangenen Herbst gewesen. 22 war er geworden. Sie und ihr Mann wussten seit Kais Kindheit, dass er ALS hatte Jahre hatten die Ärzte ihm wegen seiner Lungenkrankheit prognostiziert. Nun waren es 22 geworden. Und das Loch in ihrem Herzen war nun nicht nur 15, sondern 22 Jahre groß. Nur gut, dass es ganz plötzlich gegangen war und er nicht ersticken musste. Es war keine Quälerei gewesen.

3 Susanne hat jetzt den Waldrand oben auf der Anhöhe erreicht. Ihr Herz klopft bis zum Hals. Das findet sie gut, denn dann toben die Gedanken nicht so in ihrem Kopf. Nach einer Biegung springt der Wald etwas zurück und sie bleibt überrascht stehen. Was n das? Eine weiße Bretterwand? Sie geht näher ran und erkennt, dass da Edelstahlplatten zu einem Kreuz zusammen geschweißt wurden. Löcher heraus gelöst, die wie die Umrisse eines Körpers aussehen. Die Enden von Händen und Füßen reichen über die Edelstahlplatten hinaus, so dass das Kreuz selbst nicht geschlossen ist und es dadurch möglich ist, durch das Kreuz hindurch zu gehen. Das Metallkreuz strahlt in hellem Weiß und der fehlende Körper setzt sich dunkel davon ab. Sieht irgendwie bedrohlich düster aus wie tot. Wie ein Mensch, dessen Umrisse von der Polizei auf die Straße gemalt worden sind, wo er zu Tode kam. Eine Lücke denkt sie Er ist nicht hier. Kai ist nicht mehr da. Ihr Lebensinhalt, ihr Sohn, um den sie sich sein ganzes Leben lang gesorgt hatte, ist einfach so weg. Ein großer und stattlicher junger Mann war er gewesen, wie der Umriss dieser Skulptur. Er ist nicht hier, Susanne erinnert sich an die Osterpredigt gestern Vormittag in der Georgskirche in Bad Kissingen über die Auferstehung. Er ist nicht hier! dieser Satz des Engels aus dem Grab klingt ihr noch im Ohr. [Markus 16,1-8] Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging. Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt

4 war; denn er war sehr groß. Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich. Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich. Sehr früh am Morgen hatten sich die drei auf den Weg zum Grab gemacht, um ihrem lieben Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Sie trugen Salbgefäße mit sich gut riechende Öle sind darin. Pfarrer Pfleiderer hatte das sehr anschaulich beschrieben. So wie die drei Frauen war ja auch sie selber, Susanne, heute am Ostermontag zum Grab ihres Sohnes gegangen. Es ist gut, - denkt sie -, dass es solche Orte der Trauer gibt, dass wir uns auf den Weg machen können auf den Friedhof, ans Grab oder an einen anderen Ort der Erinnerung. Um dort unserem Schmerz, unsere Trauer Raum zu geben. Um uns dort unserer Verstorbenen oder unserer zerbrochenen Träume zu erinnern. Und doch wissen wir gleichzeitig: Unsere Verstorbenen hier an diesem Ort, wo wir uns an sie erinnern, - hier sind sie nicht! Susanne geht jetzt ganz nahe an die Skulptur heran. Sie fühlt die scharfen Kanten, die der Künstler in dem Metall bei den Umrissen des Menschen geschaffen hat. Es tut richtig weh, mit dem Finger die Konturen abzutasten, so wie ihre Erinnerungen an Kai noch jedes Mal weh tun. Da ist eine kleine Tafel an der Skulptur. Der Künstler hat dieser Installation den Titel Ausblick gegeben. Ausblick? Wieso Ausblick? Sie geht wieder ein paar Schritte zurück und guckt auf das Loch.

5 Der dunkle Wald dahinter lässt die Figur richtig plastisch aber dunkel erscheinen. Wie Jesus am Kreuz, denkt Susanne. Erst jetzt erkennt sie die Christus- Gestalt in der Skulptur. Nicht mehr Kai, sondern Jesus? Oder: Kai und Jesus. Oder Jesus für Kai? Witzig. Dass sie Jesus erst gar nicht erkannt hatte. Sie muss an den Satz aus dem Osterevangelium denken, wie Maria den Auferstandenen trifft und es heißt: Und sie erkannte ihn nicht! Manchmal ist man so mit sich und seinen Gedanken beschäftigt, - richtig mit Blindheit geschlagen. Auch die drei Frauen am Grab Jesus konnten noch nicht froh werden. Die Botschaft von der Auferstehung erreichte noch nicht ihre Herzen. Auch ihr, Susanne, half es nichts, die Botschaft aus dem Ostergottesdienst mit auf den Friedhof an Kais Grab zu nehmen. Er ist auferstanden und uns voran gegangen In ihr blieb alles düster. Sie schaut auf das mächtige Kreuz. Die Umfassung des leeren Umrisses das Kreuz ist hell und strahlt richtig, so als ob es nichts Bedrohliches und Tödliches wäre, sondern ein Strahlenkranz um Jesus herum. Eine Gloriole für Kai, - meinen Sohn? Eine Gloriole um alle Gestorbenen herum? Jetzt bemerkt sie den Wind, der den Wald hinter der Figur bewegt. Und die Blätter erwecken die dunkle Christusgestalt zum Leben. Sie funkelt und blitzt, sie bewegt sich und scheint zu atmen. Jesus lebt Pfarrer Pfleiderer hatte das im Gottesdienst gestern die ganze Gemeinde singen lassen. Jesus lebt, mit ihm auch ich. Susanne geht wieder heran - und dann auf die Rückseite der Skulptur. [Das Lesezeichen deutlich sichbar wenden!]

6 Irre! Auf einmal ist alles ganz anders. Jetzt ist die fehlende Figur ganz hell. Der Himmel füllt die Lücke ganz aus. Der Himmel und die ganze Welt sind sein Körper. Jesus strahlt in hellem Licht. Für Kai, mit Kai zusammen, für alle Menschen. Jetzt ist das Kreuz dunkel. Der Umriss um die Christusgestalt. Das Dunkle ist also nicht weg. Aber der Tod, der Schmerz, die Schuld kann die helle Gestalt nicht bedrohen! Kann sie nicht zerstören. So wie die Krankheit und der Tod ihr nicht die schönen Erinnerungen an Kai nicht die gemeinsame Zeit nehmen können. Das ist der Ausblick! Denkt sie, als sie von der Rückseite aus durch die Jesusfigur hindurch auf ihre Stadt sieht. Der Himmel, die sanften Wiesenhügel und Bad Kissingen da unten. was ich jetzt tun will. Ja, denkt sie. Das möchte ich: durch Christus auf meine Welt schauen. Wie durch eine Brille, die mich wieder klar sehen lässt. Diese bescheuerte Trübung meines Blickes wird wieder weg gehen, - und ich kann klar sehen, Lichtdurchflutet werden die dunklen Grenzen des Kreuzes durchbrochen. Das ist doch die Osterbotschaft. Das dunkle Kreuz ist noch zu erkennen aber es ist durchbrochen und lässt den Blick in die Weite gehen. In die Zukunft schauen, selbst wenn man an der Wirklichkeit schier verzweifeln könnte. Das ist Ostern. Jetzt kommt es ihr vor, als wenn jemand ganz Starkes bei ihr wäre. Sie schaut auf die Arme der Christus-Figur. Sie sind groß, mächtig und weit ausladend ausgebreitet und geben ihr das Gefühl von Halt und Stärke.

7 Glaube entsteht nicht am Grab, denkt sie. Das weiß sie, weil sie sich in ihrer Bibel auskennt. Die drei Frauen am Grab Jesu hörten zwar die Osterbotschaft Er ist auferstanden aber sie erreichte nicht ihre Herzen. Sie konnten damit noch nichts anfangen. Sie brauchen erst die Hilfe eines anderen, der sie zurück in ihre Welt, der ihnen den Weg zurück ins Leben weist. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Mitten im Leben da begegneten sie ihm, hatte Pfarrer Pfleiderer gesagt. Dort ist er! Ostern wurde es für die drei Frauen, als sie dem Auferstandenen persönlich begegneten. Ist das für mich grad auch so? fragt sich Susanne. Wird es für mich jetzt auch Ostern hier oben am Wald, bei Jesus Christus. Jetzt will sie zurück. Hat Lust, zu ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter zu gehen. Sie verspürt Hunger. Aber sie geht nicht um die Figur herum, sondern durch sie hindurch. Ja, das ist es, denkt sie: Geht hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. Ok. Dann geh ich mal in mein Galliläa zurück! Der Ausschnitt ist groß genug und das Loch des Körpers geht bis zum Boden. Sie denkt: Ostern heißt: Durch ihn die Welt sehen und - durch ihn in die Welt gehen. So wie sie gerade durch die Skulptur tatsächlich hindurch gegangen ist. Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden belebenden Blick. Der Winter in seiner Schwäche zog sich in graue Berge zurück. Von dorther sendet er bebend nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises in Streifen über die grünende Flur. Aber die Sonne duldet kein Weißes. Jetzt passt es. Amen! Musik-Solo: Gitarre (Frank) J.S.Bach: Sarabande