Die. Burn-out-Mode. Mediziner. Manager. Mythen. Der Hype und die Realität. Jörg Steinfeldt. BusinessVillage

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1 Die Burn-out-Mode Mediziner. Manager. Mythen. Der Hype und die Realität Jörg Steinfeldt BusinessVillage

2 Im Verhalten wären Änderungen zu nennen wie: keine Lust mehr an Freunden, Sport, Hobbys, keine Erholung mehr am Wochenende oder im Urlaub, keine Entscheidungen mehr treffen, allgemeiner Rückzug. Im Verlauf eines Burn-out kämen Versuche hinzu, durch immer mehr Anstrengungen die immer mehr nachlassende Leistungsfähigkeit auszugleichen, gepaart mit der Selbsttäuschung über die Situation und den eigenen Zustand und das Verbergen dieser vor anderen. Schließlich wäre die Situation so: ausgeprägte Fehleinschätzung des Betroffenen, er schafft es nicht mehr, totaler Rückzug, totale Erschöpfung, Apathie. Burn-out soll sich in folgenden Krankheiten ausdrücken: Schlafstörungen, Panikzustände, Kontrollverluste, Phobien, Depressionen, Sucht, Infekte, Entzündungen, Magen-, Rücken-, Kopfschmerzen, Potenz-, Fruchtbarkeitsprobleme, Bluthochdruck, Tinnitus, Zucker, Herzinfarkt. Am Ende lauert, das war zu befürchten, der Krebs oder Suizid. 12 Es gibt wahrscheinlich kaum einen Menschen, der nicht wenigstens einmal unter einem der genannten Symptome gelitten hat. Dieser große Strauß an Erscheinungsformen ist ideal geeignet, die Furcht vor Burn-out bei uns allen zu schüren und das Thema wenig konkret zu halten. Beides hilft nur denen, die daran ein Interesse haben, das regelmäßig finanzieller Natur sein dürfte. 20

3 2.4 Gefährdete: Wir alle? Der Personenkreis der Gefährdeten wird so allgemein und damit so groß gehalten wie nur erdenklich: Jeder ist gefährdet. Damit auch Sie! Sollten Sie noch nicht bemerkt haben, dass Sie an Burn-out erkrankt sind, so ist das nicht verwunderlich, denn es ist charakteristisch für die Krankheit, dass dem Betroffenen der Prozess des Burn-out nicht bewusst ist. Ein Kandidat für Burn-out ist nicht an seinem Gesicht und nicht an seinem Charakter zu erkennen. Er könnte zwischen zwanzig und sechzig Jahre alt sein, obwohl er meistens zwischen dreißig und vierzig Jahre alt ist, weil in dieser Altersspanne regelmäßig Familiengründung und Aufbau einer Karriere zusammenfallen 13, sich also Herausforderungen und Leistungsansprüche auftun könnten. Denn Stress und Probleme im Beruf und gleichzeitig keinen Ausgleich im Privatleben zu haben, wird durchgängig als Kriterium gesehen, gefährdet zu sein. Nach Dr. Hans-Peter Unger, Leiter des Zentrums für seelische Gesundheit an der Asklepios Klinik Harburg, treten Erschöpfungszustände besonders oft in Dienstleistungsberufen auf, in denen es viel um mitmenschliche Beziehungen geht. 14 Aus diesem Bereich kommt auch der Ursprung des Begriffs Burnout, der in den Siebzigerjahren in den USA vom amerikanischen Psychologen Herbert Freudenberger eingeführt worden ist. Er beschrieb Burn-out als Reaktion auf Stressfaktoren. Ursprünglich ging es um Erschöpfungszustände von Men- 21

4 schen in helfenden Berufen wie Krankenpfleger oder Feuerwehrmänner. 15 In Deutschland wurde ebenfalls in den Siebzigerjahren der vom Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer eingeführte Begriff Helfersyndrom bekannt, nach dem Menschen mit einem schwachen Selbstwertgefühl sich vor allem in sozialen Berufen auf ihre Helferrolle fixieren, dabei die Grenzen des Möglichen ignorieren und bis zur Selbstschädigung gehen. Auch hier wird als eine mögliche Folge Burn-out gesehen. Heute werden ganz andere Menschen als gefährdet benannt: Die etwas erreichen wollen in ihrem Leben, die sich am meisten engagieren, die perfektionistisch und pflichtbewusst sind, die dazu neigen, Grenzen zu überschreiten, Einzelkämpfer, die schwer delegieren können, aber auch Harmoniesüchtige, die nicht kritik- und konfliktfähig sind, die nicht Nein sagen können. Unter diesem Sammelsurium sind die vermeintlichen Leistungsträger in unseren Büros zu Burn-out gekommen. Der Münchener Psychiater Werner Kissling sagt über von ihm befragte Manager und Führungskräfte: Aber Burn-out haben sie gern. Das tragen viele von ihnen wie ein stolzes Abzeichen vor sich her. 16 Wir haben es also einerseits mit Berufen zu tun, in denen es um mitmenschliche Beziehungen geht, und andererseits mit Menschen, die strebsam und harmoniesüchtig sind. Als besonders gefährdet werden immer wieder Menschen in den 22

5 Berufen Lehrer, Ärzte und Mitarbeiter, vorzugsweise Manager, in Unternehmen der freien Wirtschaft genannt. Das mag Sie überraschen, sollten doch Pädagogen, Ärzte und Vorgesetzte einerseits den Umgang mit Menschen gelernt haben, andererseits werden Menschen dieser Berufsgruppen in der Bevölkerung nicht als überdurchschnittlich strebsam (Lehrer) und harmoniesüchtig (Lehrer, Ärzte, Manager) gehandelt. Gefährdet sind auch Promis, deren Karriere gerade etwas durchhängt. Mit dem Outing Burn-out ist zwischenzeitliche mediale Aufmerksamkeit garantiert. Back up, Home- und Was macht eigentlich -Storys Medienpräsenz ist garantiert. Auch Menschen, die es in die Öffentlichkeit drängt, es aber bisher nicht geschafft haben, können Burn-out nutzen. Mediale Aufmerksamkeit ist gewiss, wenn sich der Partner eines Promis mit dem Paukenschlag Burn-out outet. Das Buch sollte geschrieben und die Auftritte in den Laberrunden der Nation sollten gebucht sein. Burn-out, Spot an, Cash in. 2.5 Definitionen: Zu abstrakt Fassen wir die bisherigen Erkenntnisse zusammen, können wir feststellen: Die Ursachen von Burn-out sind nicht bekannt, die Symptome sind uneinheitlich und gefährdet sind wir alle. So diffus Burn-out ist, so klar sind die Konsequenzen: Burn-out ist ein Zustand ausgeprägter Erschöpfung. Medizinisch gesehen gibt es diese Diagnose eigentlich gar nicht. Meist verbirgt sich dahinter eine Depression, eine Angststörung oder 23

6 eine Reaktion auf außergewöhnliche äußere Belastungen. Die Folge ist immer eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund einer Überlastung, entweder im privaten oder beruflichen Bereich, sagt Dr. Nadja Behling, Ärztin im Psychosomatischen Fachzentrum Falkenried Hamburg. 17 Folglich ist Burn-out keine konkrete Behandlungsdiagnose, die zum Beispiel die Einweisung in ein Krankenhaus ermöglichen könnte, sondern lediglich eine übergeordnete Rahmen- oder Zusatzdiagnose. Als solche wird sie den Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung zugeordnet und in der internationalen Klassifizierung der Erkrankungen als Zustand der totalen Erschöpfung 18 erfasst. Das Gesundheitswesen hat damit auf die vermehrte Ansage Burn-out von Patienten reagiert. Die Patienten haben sich ihre Krankheit geschaffen. Die Ratgeber halten sich entsprechend allgemein: Dr. Manfred Nelting definiert Burn-out: Wenn die Kompetenz zur Bewältigung von massiven Herausforderungen des Lebens aufgrund eigener schwieriger Lebens- und Erlebensgeschichte nicht ausreicht Immer ist das Verhältnis von Anforderungsdruck und Bewältigungskompetenz entscheidend. 19 Und medizinisch bezeichne das Burn-out-Syndrom eine Systemerregung aus einer anhaltenden, sich allmählich aufschaukelnden Hyperstressreaktion. Diese leitet einen Auflösungsprozess der psychophysischen Selbstregulation ein und mündet meistens in eine manifeste schwere Depression