G n a d e! Ein Shorty Von Marek Schaedel

Transkript

1 G n a d e! Ein Shorty Von Marek Schaedel

2 (SOUND: Kirchenmusik) Vater: Schatz, du weißt, wir können jederzeit gehen, wenn du möchtest. Mutter: (nervös) Ich weiß, Herrgott! Aber der Pater findet immer die richtigen, die richtigen. Vater: Alles okay? Mutter: Nein, die Wehen tun weh! Deswegen heißen sie ja so Pater: (pathetisch) Und so tat sich ihnen auf, was sie verdienten Amen. Heute früh, meine liebe Gemeinde, derweil ich erwachte in meinem Bette wie in einem Garten, denn es sprach zu mir der Garten Eden. Mit seinen Stimmen, seinem Räuspern, seinem Lachen. Vögel sangen, Winde wehten, das war der Herr mit all seinem Lachen, er zeigte mir das Leben, so dass es mir schien, als sei ich aus einem Traum in einen Traum hinein erwacht. Mutter: (stöhnt angestrengt) Pater: In einen Traum, der vielleicht das Leben selbst ist und der Garten Eden um uns alle. Vater: Schatz, bitte, lass uns gehen! Es geht dir nicht gut. Pater: Wieso nicht, liebe Gemeinde? Wieso sollte dieses, unser Leben nicht das Paradies auf Erden sein? Mutter: (bitterer Schmerzschrei) (SOUND: Raunen der Besucher) Pater: (darüber:) So, dass ich plötzlich wusste, heute, hier an diesem Tag, dass uns ein Wunder geschehen würde. Vater: Clara! Ganz langsam, ruhig! Was! (SOUND: Wasser klatscht auf den Boden) Mutter: (kurzatmig) Es ist soweit! Es ist soweit! Vater: (verhalten freudig) Das Baby, es kommt! Pater: Doch wer glaubt es? Wer von euch glaubt es!? Diese Unvorstellbarkeit! So ein fabelhaftes Wunder, das uns zuteilwird, direkt hier und unter uns. Mutter: (schreit laut)

3 (SOUND: zunehmendes Raunen und Tuscheln der Besucher) Vater: Sie wird es hier bekommen, Pater. Mutter: (schluchzt) Es tut mir so Leid! Pater: Hier in unserer Kirche? Im Schoße des Herrn? Mutter: (schreit lauter) Baby: (schreit) Vater: Um Gottes Willen! Da ist es! Pater: Ja! Um Gottes Willen, natürlich! (SOUND: Babyschreie, Grunzen, Leute staunen) Vater: Die Nabelschnur- (schreit) Au! Es hat mich gebissen! Verflucht! (SOUND: etwas klatscht auf den Boden, Babyschreie verstummen, Leute verstummen) Pater: Was geschieht da? Besucher: Er hat das Baby fallengelassen! Besucher 2: Er hat es fallengelassen! (SOUND: dunkle Grummelgeräusche, tapsende Schritte, die sich eilig entfernen) Besucher 2: Wo ist es? Wo ist das Baby? Vater: Es krabbelt unter die Sitzbänke. Ich. Ich sehe es nicht mehr. (SOUND: lauter werdendes Raunen) Besucher 3: (schreit) Es hat mich in den Hacken gebissen. Besucher 4: (schreit laut) Ah! Mich auch! Oh Gott! Besucher 3: (panisch) Ich blute. Ich blute!

4 (SOUND: weitere aggressive Bisse und Knurren entfernt, Schreie, Panik) Pater: Was ist denn los? Besucher 4: Es ist der Teufel! Pater: Was? (SOUND: weitere Leute schreien schmerzhaft auf) Besucher 3: Das ist ein Ungeheuer! Raus hier! Besucher 2: Alle raus hier! (SOUND: Leute erheben sich besorgt und hektisch von den Bänken, darüber:) Vater: (ängstlich) Clara! Clara! Sag doch was! Pater: (eilig) Mrs. Winterglove! Was ist mit ihr? Vater: Kein Puls! Ich fühle keinen Puls! (SOUND: ekelhafter kurzer Schrei entfernt, plötzlich Stille) Besucher: Da! Das Baby, es hat sich aufgerichtet. Es blockiert die Tür! Baby: (blökend, dumpf) Ihr Scharlatane! Was wollt ihr tun? Mich töten? An diesem Ort des Friedens? Pater: Ruhig, liebe Gemeinde! Vater: Clara! Ich habe dir nicht geglaubt! Verzeih mir! Verzeih mir doch! Geh nicht von mir, verlasse mich nicht! Pater: Nein! Nichts Schönes wird heute sterben. Ich weiß es. Besucher: Ist sie tot? Vater: (schluchzt) Die fremden Zungen. Sie verstummten gar nicht, oder?! Zu wem hast du gesprochen, Clara? Wem galten all die nächtlichen Gebete!? Baby: Was es wohl zu fressen gibt?! Ich rieche eure Kinder schon!

5 (SOUND: schwere Holztür öffnen, Vögel zwitschern entfernt) Besucher: Haltet es auf! Vater: Was haben wir nur getan, Clara!? Baby: (amüsiert, finster) Ihr alle habt es getan! Sonst wärt ihr doch heut nicht hier! Vater: (weint bitterlich) (SOUND: tapsende Schritte nach draußen, die schneller werden, Tür fällt zu) ENDE