Die 24. StVO-Novelle. ÖAMTC-Rechtsdienste Fachinformation. A. Allgemeines. B. Verhaltensvorschrift

Transkript

1 ÖAMTC-Rechtsdienste Fachinformation Autor(en) Hoffer Jahrgang 2011 Nummer 15 Datum Die 24. StVO-Novelle A. Allgemeines Mit BGBl. I Nr.59/ wurde die 24. StVO Novelle kundgemacht 2. Die Novelle bildet die Grundlage für die seit Jahren von Rettungsorganisationen geforderte und vom ÖAMTC unterstützte Bildung der Rettungsgasse auf Autobahnen und Autostraßen. Die Novelle tritt mit 1. Jänner 2012 in Kraft 3. Es ist keine Übergangsfrist vorgesehen. Bestrafungen sind somit schon mit Jahresbeginn 2012 möglich. B. Verhaltensvorschrift Die Verhaltensvorschrift wurde in 46 und nicht etwa in 26 ( Einsatzfahrzeuge ) verankert. Durch eine Adaptierung des 47 wurde ausdrücklich festgelegt, dass die Vorschriften auch auf Autostraßen gelten. Gesetzestext: 46 (6) Stockt der Verkehr auf einer Richtungsfahrbahn in einem Abschnitt mit mindestens zwei Fahrstreifen, so müssen Fahrzeuge für die Durchfahrt von Einsatzfahrzeugen in der Mitte zwischen den Fahrstreifen, in Abschnitten mit mehr als zwei Fahrstreifen zwischen dem äußerst linken und dem daneben liegenden Fahrstreifen, eine freie Gasse bilden (Rettungsgasse); diese Gasse darf, außer von Einsatzfahrzeugen, nur von Fahrzeugen des Straßendienstes und Fahrzeugen des Pannendienstes benützt werden. I. Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse 1. Stocken des Verkehrs 2. Richtungsfahrbahn einer Autobahn oder Autostraße 3. Abschnitt mit mindestens zwei Fahrstreifen Nicht erforderlich ist wie etwa in 26 verlangt die Wahrnehmung eines Einsatzfahrzeuges. II. Folgendes Verhalten ist vorgeschrieben: 1. Bildung einer freien Gasse zwischen dem äußerst linken und den rechts daneben befindlichen Fahrstreifen Zitate von Gesetzesstellen beziehen sich wenn nicht anders angegeben auf die StVO 1960 idf d 24. Nov Abs 10.

2 2. in einer solchen Breite, dass ein Einsatzfahrzeug unter Einhaltung eines entsprechenden Seitenabstandes hindurchfahren kann. Sowohl Einsatzfahrzeuge (isv 26) als auch Fahrzeuge des Straßendienstes (isv 27) und des Pannendienstes (eigentlich auch Fahrzeuge des Straßendienstes) dürfen diese Rettungsgasse befahren. Eine Verpflichtung besteht hiezu freilich nicht, auch ein allenfalls vorhandener Pannenstreifen darf befahren werden. Das BMI geht aber davon aus, dass idr die Benützung des Pannenstreifens durch Einsatzfahrzeuge 4 obsolet wird. C. Details I. Zu den Voraussetzungen 1. Stocken des Verkehrs Bewusst wurde nicht das Wort Staubildung gewählt, um schon in der Phase des Aufbaus eines erwarteten Staus einen seitlichen Versatz der Fahrzeuge zu ermöglichen. Es wird nicht sinnvoll sein, eine Geschwindigkeit anzugeben, die als Stocken gilt. Vielmehr hängt es von der individuellen Einschätzung ab, ob der Verkehr tatsächlich zum Stillstand kommen wird oder ob die Verlangsamung des Verkehrsflusses von absehbarer Dauer ist. Überdies wird bei der Bildung der Rettungsgasse während der Fahrt auch der erforderliche Seitenabstand zum Parallelverkehr und auch zu etwaigen baulichen Mitteltrennungen der Richtungsfahrbahn zu beachten sein. Mit anderen Worten: Bei 50 km/h kann zwar ein Stocken vorliegen. Dennoch darf man nicht auf Tuchfühlung zum benachbarten Fahrzeug oder zu Baulichkeiten gehen. 2. Richtungsfahrbahn Der Begriff der Richtungsfahrbahn ist in 2 Abs 1 Z 3a definiert und stellt sich als eine Fahrbahn dar, die für den Verkehr in einer Fahrtrichtung bestimmt und von der Fahrbahn für den Verkehr in der entgegengesetzten Fahrtrichtung durch bauliche Einrichtungen getrennt ist. Eine allenfalls auch doppelte Sperrlinie oder Sperrfläche ist somit jedenfalls keine bauliche Trennung, zumal sie überdies als Bodenmarkierung definitionsgemäß auf der Fahrbahn angebracht ist. 3. Abschnitt mit mindestens zwei Fahrstreifen Es gibt Autobahnen und Autostraßen, die bloß einen Fahrstreifen in eine Fahrtrichtung haben. Dies ist etwa bei Verbindungsstrecken zwischen Autobahnen oder auf dem einstreifigen Teil von Autostraßen mit so genanntem 2+1-Querschnitt 5 der Fall. Wenn bloß ein Fahrstreifen vorliegt, ist nicht die Rettungsgasse im Sinne des 46 Abs 6 zu bilden. Zu einer Empfehlung analog vorzugehen und als Benützer des (einzigen) und daher im Ergebnis ganz links gelegenen Fahrstreifens - an den linken Fahrbahnrand zu fahren, hat man sich bisher nicht durchgerungen. 4 zumindest jener der Bundespolizei. 5 isd RVS aus 2008, hrsg v FSV. Fachinformation der ÖAMTC-Rechtsdienste 2011/15 Seite 2/5

3 Es bleibt somit nur die allgemeine Regel des 26 Abs 5 zu beachten, wonach bei konkreter Wahrnehmung eines Einsatzfahrzeuges Platz zu machen ist. Fahrzeugen des Straßendienstes oder des Pannendienstes ist im Sinne des 27 Abs 2 Platz zu machen. II. Zum vorgeschriebenen Verhalten 1. Befahren des Pannenstreifens In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage wurde festgehalten, dass, sofern ein Pannenstreifen vorhanden ist, auch ein Ausweichen auf den Pannenstreifen zwecks Bildung der Rettungsgasse vergleichbar dem Einfahren in eine Kreuzung trotz roter Ampel, um einem Einsatzfahrzeug Platz zu machen - als gerechtfertigt anzusehen sein wird. Diese Rechtsansicht wurde auch durch einen entsprechenden einstimmigen Beschluss im Verkehrsausschuss manifestiert. Nach Rücksprache mit den Ämtern der Landesregierungen wird darauf hingewiesen, dass entsprechend den Intentionen des Gesetzgebers, wenn bei Verkehrsstockungen die Lenker ihre Fahrzeuge - um eine Rettungsgasse zu ermöglichen - auf den Pannenstreifen lenken und diesem im Stop-and-Go -Verkehr befahren, kein verbotenes Befahren von Pannenstreifen im Sinne des 46 Absatz 4 lit d StVO vorliegt 6. Damit diese Analogie auch tatsächlich in der Lage ist, einen Rechtfertigungsgrund für das nach 46 Abs 4 lit d weiterhin verbotene Befahren des Pannenstreifens zu bilden, müssen entsprechende Alternativen ausgereizt sein. Somit steht der Pannenstreifen nur insoweit zur Verfügung, als dies erforderlich ist, um die notwendige Breite für die Durchfahrt von Einsatz- und Straßendienstfahrzeugen durch die Rettungsgasse zu ermöglichen. Daher hängt es vom Querschnitt und von der Verkehrsbelastung der betroffenen Richtungsfahrbahn ab, ob bzw inwieweit ein Pannenstreifen mit benützt werden darf. Relevant wird diese Relativität dann, wenn etwa der Lenker eines Einsatzfahrzeuges eben nicht die Rettungsgasse sondern den Pannenstreifen befahren will. Diesfalls ist es weiterhin unzulässig, den Pannenstreifen zu blockieren. Die verschärfte Strafsanktion des 99 Abs 2c lit 7 und 8 sowie die drohende Vormerkung nach 30a Abs 2 Z 8 FSG bleiben aufrecht. Der Lenker eines sich aufgrund der o zit Ausschussbemerkung allenfalls rechtmäßig auf dem Pannenstreifen befindlichen Fahrzeuges hat isv 26 Abs 1 unverzüglich Platz zu machen. Die in den EB bzw im AB herangezogene Analogie zu 26 Abs 5 zweiter Satz wird diesfalls sogar in die Gegenrichtung schlagend, als bei Annäherung eines Einsatzfahrzeuges auf dem Pannenstreifen sogar die Rettungsgasse durch ein Fahrzeug, das nicht in den Kreis der privilegierten Fahrzeuge gehört, befahren werden darf (naturgemäß aber auch hier nur im erforderlichen Ausmaß). 2. Zulässigkeit eines Fahrstreifenwechsels Erkennt ein Fahrzeuglenker nach seinem Einordnen zur Bildung der Rettungsgasse, dass er einen Fahrstreifenwechsel (unter Querung der Rettungsgasse) vornehmen will, so müsste er die Rettungsgasse wenn auch bloß für kurze Zeit befahren. Der Wortlaut verbietet ein solches Verhalten. Es wird wohl aber gem 21 Abs 1 VStG vorzugehen sein, wenn die Rettungsgasse nur kurz gequert wird, dies in Hinblick auf die beabsichtigte Fahrtroute notwendig ist und der Lenker sein Fahrzeug nicht auf 6 Ergänzende Schulungsunterlage des BMI für die Exekutive, ohne eigene Aktenzahl. Fachinformation der ÖAMTC-Rechtsdienste 2011/15 Seite 3/5

4 der Rettungsgasse zum Stillstand bringen muss, also insbes eine Lücke zum Einordnen besteht. Keinesfalls darf ein zur Benützung der Rettungsgasse berechtigtes Fahrzeug behindert werden. Ein Fahrstreifenwechsel mit dem bloßen Zweck des schnelleren Vorwärtskommens auf einem anderen Fahrstreifen scheint in jedem Fall unzulässig. 3. Sonderfälle der Unzulässigkeit des Befahrens der Rettungsgasse Entgegen entsprechenden Wünschen und Meldungen darf auch der Lenker eines einspurigen Fahrzeuges die Rettungsgasse nicht befahren. Es handelt sich auch nicht um einen Fall des 12 Abs 5 (erlaubtes Vorschlängeln). Bei einem im eigenen Fahrzeug auftretenden Notstand könnte ein Rechtfertigungsgrund vorliegen. Dies ist im Verwaltungsstrafverfahren zu relevieren. So genannte First Responders dürfen ebenfalls die Rettungsgasse nicht befahren. Können sie aber nachweisen, dass sie tatsächlich eine erforderliche Nothilfe geleistet haben, könnten sie sich ebenfalls darauf im Verwaltungsstrafverfahren berufen. In beiden Fällen muss aber das Verfahren auf eigenes Risiko geführt werden. 4. Unmöglichkeit der Bildung einer Rettungsgasse: Ist aufgrund einer Fahrbahnenge (Baustelle, Tunnel, sonstige Engstelle oder auch angrenzender Abbiegespur, die freizuhalten ist) die Bildung der Rettungsgasse nicht möglich, ist das Unterlassen der Bildung schon nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nicht strafbar. Dennoch muss man nach Kräften im Bedarfsfall Einsatzfahrzeugen Platz machen ( 26 Abs 5 StVO). Dazu wird wohl analog zu 26 Abs 5 letzter Satz auch die Übertretung gewisse Vorschriften gerechtfertigt sein, soferne dadurch die Verkehrssicherheit nicht gefährdet wird. D. Sanktionen I. Unterlassen des Bildens der Rettungsgasse trotz Verkehrsstockung - ohne Behinderung eines Einsatzfahrzeuges, eines Fahrzeuges des Straßendienstes oder des Pannendienstes: Verwaltungsstrafe bis 726,-- gem 99 Abs 3; - mit Behinderung eines solchen Fahrzeuges: 72,-- bis 2.180,-- gem 99 Abs 2c Z 9, keine Vormerkung im Führerscheinregister. II. Befahren der Rettungsgasse ohne dazu berechtigt zu sein - ohne Behinderung eines Einsatzfahrzeuges, eines Fahrzeuges des Straßendienstes oder des Pannendienstes: Verwaltungsstrafe bis 726,-- gem 99 Abs 3; - mit Behinderung eines solchen Fahrzeuges: 72,-- bis 2.180,-- gem 99 Abs 2c Z 10, keine Vormerkung im Führerscheinregister. III. Befahren des Pannenstreifen entgegen 46 Abs 4 ohne Vorliegens der Kriterien für die Bildung der Rettungsgasse - ohne Behinderung eines Einsatzfahrzeuges, eines Fahrzeuges (Achtung, nur hier!) der Straßenaufsicht, des Straßendienstes oder des Pannendienstes: Verwaltungsstrafe bis 726,--; Fachinformation der ÖAMTC-Rechtsdienste 2011/15 Seite 4/5

5 - mit Behinderung eines solchen Fahrzeuges: 72,-- bis 2.180,-- gem 99 Abs 2c Z 8 bzw 9, zusätzlich: Vormerkung im Führerscheinregister gem 30a Abs 2 Z 8 FSG. E. Weitere Hinweise Tipps finden sich insbes auf der speziellen Internet-Site: Für Beratungszwecke wurde eine eigene allerdings vorerst nicht zur Veröffentlichung bestimmte - FAQ-Liste erstellt, die anhand aktueller Anfragen laufend aktualisiert und zwischen den beteiligten Institutionen abgestimmt wird. Fachinformation der ÖAMTC-Rechtsdienste 2011/15 Seite 5/5