Praxisfragen zur Jubiläumsgeldrückstellung

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1 Seite 1 von 5 SWK 16/2000 (S 437) Titel: Praxisfragen zur Jubiläumsgeldrückstellung Autor: Neischl, Mag. Michael ; Wolf, Mag. Erich Schlagworte: Jubiläumsgeldrückstellung; Rückstellungen; Nachholverbot Gesetze und Judikate: 14 Abs. 12 EStG 1988; 124 b Z 33 lit. a EStG 1988 Praxisfragen zur Jubiläumsgeldrückstellung Anleitung zur handels- und steuerrechtlichen Berechnung VON MAG. MICHAEL NEISCHL UND MAG. ERICH WOLF*) Die steuerliche Bildung von Jubiläumsgeldrückstellungen gibt immer wieder Anlass zu Diskussionen. Durch die sich ständig ändernde Gesetzeslage 1 ) ergeben sich derzeit in der Praxis vor allem Übergangsprobleme. Der Beitrag beleuchtet den dazu ergangenen BMF-Erlass vom ) kritisch und gibt eine kurze Anleitung hinsichtlich der handels- sowie steuerrechtlichen Berechnung. Aus handelsrechtlicher Sicht bestand eine Bilanzierungsverpflichtung für Rückstellungen i. Z. m. Zuwendungen anlässlich eines Dienstjubiläums zumindest seit dem InKraft-Treten des Rechnungslegungsgesetzes 3 ), höchstwahrscheinlich aber auch für Zeiträume davor unter Zugrundelegung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. 4 ) Im Rahmen der Übergangsvorschriften zum Rechnungslegungsgesetz 5 ) ist in Art. X auch eine (klarstellende) Pflicht zu einer aufwandswirksamen Nachholung von in der Vergangenheit u. E. mit den GoB nicht im Einklang stehenden unterlassenen Rückstellungsdotierungen normiert. Im Bereich des Steuerrechts geht der VwGH 6 ) hingegen von einem strengen Nachholverbot für Rückstellungsdotieren, deren wirtschaftliche Verursachung in abgelaufenen Gewinnermittlungsperioden lag, aus. Obwohl handelsrechtlich nach Art. X RLG sogar eine Verpflichtung zur Nachholung normiert ist, darf steuerlich nur so viel steuerwirksam in einer Periode rückgestellt werden, als Aufwand auf die konkrete Gewinnermittlungsperiode nach Maßgabe der wirtschaftlichen Entstehung entfällt. 7 ) Dieses Nachholverbot hat in 124 b Z 33 lit. a EStG i. d. F. BGBl. I Nr. 28/1999 eine rechtliche Grundlage erhalten. Das Nachholverbot hat eine zweifache Wirkung: Erstens kann eine Erhöhung der Jubiläumsgeldrückstellung in Bezug auf jene Wertkomponenten, die sich der Arbeitnehmer in der Vergangenheit durch seine Tätigkeit für den Arbeitgeber erarbeitet hat und deren wirtschaftliche Kausalität deshalb abgelaufenen Jahren zuzurechnen ist, nur noch steuerneutral nachgeholt werden. 8 ) Dies bedeutet, dass der handelsrechtliche Aufwand für Nachholungen im Rahmen der steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung zu kürzen ist. Zweitens muss eine allenfalls erforderliche Auflösung der Rückstellung jedoch ebenfalls eine steuerneutrale Wirkung in Bezug auf jene Rückstellungskomponenten, die auch nicht steuerwirksam gebildet werden konnten, entfalten. 9 ) Der handelsrechtliche Ertrag ist diesfalls ebenso im Rahmen der Mehr-Weniger-Rechnung zu kürzen. Da sich der gesamte Rückstellungsbetrag aus den Ansprüchen jedes einzelnen Mitarbeiters zusammensetzt, der steuerwirksame und der nicht steuerwirksame Teil aber bei jedem Mitarbeiter unterschiedlich zusammengesetzt sind, müsste streng nach 14 Abs. 12 i. V. m. 124 b Z 33 lit. a EStG mitarbeiterindividuell jeweils der steuerwirksam bzw. der steuerunwirksam gebildete Anteil in Evidenz gehalten bzw. fortgeführt werden. 10 ) Offenkundig um einen Vereinfachungseffekt für die praktische Berechnung zu erzielen, erlaubt der BMF- Erlass vom eine steuerwirksame Nachholung des steuerunwirksam gebildeten Anteiles (so genannter Sockelbetrag") auf 15 Jahre verteilt. Korrespondierend zur steuerverminderten Verteilung des Sockelbetrages während eines Abschreibungszeitraumes von 15 Jahren müssen jedoch Rückstellungen ebenfalls gewinnerhöhend aufgelöst werden. Dieser Vereinfachungseffekt steht zwar prima vista im Widerspruch zum Wortlaut der Übergangsvorschrift

2 Seite 2 von 5 des 124 b Z 33 lit. a EStG, im Laufe der Zeit kommt es jedoch zu einer automatischen Aufholung der zunächst steuerunwirksam gebildeten Rückstellungsteile, da die Zahl der Alt-Mitarbeiter" immer geringer wird und deren Teile auf Grundlage von 124 b Z 33 lit. a EStG auch mitarbeiterindividuell steuerunwirksam aufgelöst werden müssten, sodass der Vereinfachungseffekt nur eine logische Entwicklung vorwegnimmt. 11 ) Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist die diesbezügliche erlassmäßige Feststellung daher zu begrüßen. Anstatt einer steuerunwirksamen Aufholung und Auflösung sieht die vom BMF zugelassene Vereinfachung somit eine steuerwirksame Nachholung auf 15 Jahre verteilt sowie eine sofortige steuerwirksame Auflösung vor. In der Praxis führt die erlassmäßig vorgeschlagene Vereinfachungsmethode aber bei Unternehmen mit hoher Personalfluktuation wegen der damit verbundenen steuererhöhend wirkenden Auflösungsverpflichtung zu unangenehmen steuerlichen Auswirkungen. Die Auflösungsverpflichtung wirkt sich nämlich sofort steuerlich aus, während hingegen die steuerliche Dotierung unverändert und vom Schicksal des Sockelbetrages losgelöst nur während eines Zeitraumes von 15 Jahren nachgeholt werden darf. 12 ) Infolge der zeitlichen Verzögerungen ergeben sich für jene steuerpflichtigen Arbeitgeber Nachteile, die mit Auflösungen von Rückstellungen (in Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Arbeitnehmers oder oder bei Absinken des Jubiläumsgeldes durch Verringerung der Arbeitszeit) für Jubiläumsgelder konfrontiert sind. Ähnlich ungünstig ist die Situation auch bei Arbeitgebern, deren firmentreue Mitarbeiter tatsächlich ein Jubiläumsgeld erhalten. Die Auszahlung des Jubiläumsgeldes wirkt sich nämlich per saldo nur insoweit als steuerlicher Aufwand aus, als er die Höhe des steuerneutralen Verbrauches der Rückstellung übersteigt. Anders als bei den übrigen Rückstellungen war die Dotierung unter Umständen infolge des 15-jährigen Abschreibungszeitraumes noch gar nicht zur Gänze steuerwirksam, es kommt aber dennoch zu einer Kürzung des Aufwandes im Zeitpunkt der Auszahlung infolge des Verbrauches der Rückstellung. Fraglich ist, warum der BMF-Erlass nicht folgende Vereinfachungsregel zulässt: Im Zeitpunkt der Auflösung ist der bis zu diesem Zeitpunkt steuerunwirksam gebliebene Sockelbetrag um den Auflösungsbetrag ertragsteuerneutral zu kürzen. Eine ertragsteuererhöhende Auflösungswirkung kann sich daher im Zeitpunkt der Auflösung nur insofern ergeben, als der Auflösungsbetrag höher ist als der insgesamt noch zur Verfügung stehende Sockelbetrag. Wenn der Auflösungsbetrag hingegen den noch insgesamt zur Verfügung stehenden Sockelbetrag unterschreitet, läuft die 15-jährige Abschreibung in Bezug auf den Restbuchwert" weiter. Bei der hier vorgeschlagenen Vereinfachung kommt es zu keinen für die Steuerpflichtigen ungünstigen zeitlichen Verschiebungseffekten. Unter der Prämisse, dass die Vereinfachungsregel des BMF- Erlasses mit 124 Z 33 lit. a EStG in Einklang steht, ist das hier vorgeschlagene Vereinfachungskonzept ebenfalls unbedenklich. Es kann daher u. E. in der Praxis ohne Bedenken angewendet werden. Das Handelsrecht schreibt zwar kein ausdrückliches Verfahren für die Berechnung von Rückstellungen für Jubiläumsgelder vor, nach h. A. 13 ) ist eine finanzmathematische Berechnung in Analogie zur Abfertigungsrückstellung 14 ) ausreichend. Dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip entsprechend werden sämtliche Bezugsänderungen auf die gesamte aktive Dienstzeit verteilt. Damit kommt es ebenfalls bei der Rückstellungsberechnung zu einer automatischen Nachholung von Bezugserhöhungen, deren wirtschaftliche Verursachung in der Vergangenheit liegt. Diese Vorgehensweise ist mit dem so genannten Teilwertverfahren bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen vergleichbar. 15 ) Aufgrund des Umstandes, dass nach steuerlichen Grundprinzipien Bezugsänderungen durch die Anwendung des steuerlichen Gegenwartswertoder Ansammlungsverfahrens nur auf die restliche Ansammlungszeit verteilt werden dürfen, kommt es auch hier zu einer in der Praxis schwierig zu handhabenden Abweichung zwischen Handels- und Steuerrecht. Da eine mitarbeiterindividuelle Aufteilung von Bezugsänderungen auf die restliche aktive Dienstzeit in der Praxis mit großem administrativem Aufwand verbunden ist und darüber hinaus die Abweichung zwischen beiden Verfahren in der einzelnen Gewinnermittlungsperiode auch nur äußerst marginal ist, sieht der BMF-Erlass auch für dieses Praxisproblem eine Vereinfachung vor: Als Ausgleich für die höhere Rückstellungsdotierung bei Anwendung des Teilwertverfahrens ist ein 10%iger Teilwertabschlag" 16 ) vorzunehmen. Dieser Abschlag verfolgt offensichtlich den Zweck, mit Hilfe der Zugrundelegung eines pauschalen Abschlages zu der richtigen Höhe nach dem Gegenwartswertverfahren zu gelangen. Der Teilwertabschlag stellt nicht die einzige pauschale Reduktion dar. Da die Wahrscheinlichkeit, dass sämtliche Mitarbeiter in den Genuss eines Jubiläumsgeldes gelangen, sehr gering ist, muss ein (pauschaler) Fluktuationsabschlag in Höhe von 25% 17 ) vorgenommen werden. Der Erlass hält auch fest, in welcher Reihenfolge die Abschläge zu erfolgen haben: Zuerst ist der Fluktuationsabschlag von der Rückstellungshöhe abzuziehen und vom gekürzen Rückstellungsbetrag erfolgt der Abzug des Teilwertabschlages. Dies hat zur Folge, dass per saldo der Teilwertabschlag nur mehr 7,5% vom ungekürzten Rückstellungsbetrag beträgt. Ein kombinierter Teilwert-Fluktuationsabschlag ergibt daher 32,5% der ungekürzten Rückstellung.

3 Seite 3 von 5 Sowohl das handelsrechtliche Teilwertverfahren als auch das steuerlich zwingende Gegenwartswertverfahren müssen letztlich zum Zeitpunkt des Dienstjubiläums zur selben Rückstellungshöhe führen. 18 ) Trotzdem kommt es während der Laufzeit niemals zu einem Ausgleich des während der Laufzeit kontinuierlich vorgenommenen Teilwertabschlages. Zu einem Ausgleich bzw. einer Wertaufholung auf den tatsächlichen Auszahlungsbetrag nach finanzmathematischen Teilwertverfahren kann es daher erst im Jahre der Auszahlung des Jubiläumsgeldes kommen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem strengen steuerrechtlichen Nachholverbot. Nicht rückgestellte Beträge dürfen erst bei tatsächlicher Geltendmachung des Aufwandes seitens des Leistungsverpflichteten steuerlich geltend gemacht werden. 19 ) Praktisches Beispiel zur Jubiläumsgeldrückstellung Erläuterungen zum Beispiel: AZ: Anzahl der Brutto-Monatsgehälter pro erreichtes Dienstjubiläum. Dem Rechenbeispiel liegt der Kollektivvertrag für Handelsangestellten zugrunde. Faktor n: Tabelle Rentenendwertfaktor; siehe beispielsweise Röhrenbacher/Fleischer, Leasing versus Kredit, 257: Die finanzmathematische Höhe ergibt sich aus der Division: Rentenendwertfaktor für den Wert einer vorschüssigen Rente für die bisherige Dienstzeit des Jubiläumsgeldanspruches/Rentenendwertfaktor für den Wert einer vorschüssigen Rente der Gesamtdienstzeit bis zum Pensionsanspruch. Der Zinssatz von 6% wird auch im Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KFS RL 2) als angemessen für die handelsrechtliche Bewertung erachtet.

4 Seite 4 von 5 *) Mag. Michael Neischl und Mag. Erich Wolf sind Steuerberater in Wien. 1 ) Vor 1994 war die steuerliche Dotierung von Rückstellungen für Verpflichtungen zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums (genannt Jubiläumsgeldrückstellungen" nach Meinung der Finanzverwaltung mit Hinweis auf eine so genannte Streuwirkung" des 14 EStG vgl. Quantschnigg/ Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, 5 Tz. 51) nicht zulässig. Dieser Rechtsauffassung hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 90/14/0073 eine klare Absage erteilt. Als Reaktion darauf hat der Gesetzgeber die steuerliche Wirksamkeit mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1994 durch 9 Abs. 4 EStG ausgeschlossen. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom , G 403/97 hob diese gesetzliche Einschränkung mit Wirkung nach dem wieder auf, sodass ab dem Veranlagungsjahr 1999 eine steuerlich wirksame Bildung wieder zulässig ist. 2 ) BMF-Erlass vom , SWK-Heft 32/33/1999, Seite S 750 ff. 3 ) Vgl. Bertl/Fraberger, RWZ 1999, ) Vgl. Straube, HGB-Kommentar 40 Tz. 9 m. w. N. 5 ) Rechnungslegungsgesetz vom , BGBl. Nr. 475/ ) Vgl. VwGH , 86/14/ ) Beispielsweise VwGH , 97/14/0015; Hirschler/Tumpel, RWZ 1996, 38; Beiser, ÖStZ 1995, 13; Rief, ecolex 1994, 255; BMF-Erlass vom , AÖFV 198/ ) Vgl. Quantschnigg, RdW 1994, ) Vgl. BMF-Erlass vom , SWK-Heft 32/33/1999, Seite S 750 ff. 10 ) Vgl. Bruckner, ÖStZ 1999, ) So Bruckner, ÖStZ 1999, ) So interpretieren auch Bertl/Fraberger, RWZ 1999, 344 ff. die gegenständliche Erlass-Aussage. 13 ) Vgl. Bruckner, ÖStZ 1999, ) Vgl. Fachgutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder des Fachsenates für Handelsrecht und Revision KFS RL 2 vom ) Zu Abweichungen zwischen Pensions- und Jubiläumsgeldrückstellungen siehe Bruckner, ÖStZ 1999, 116 m. w. N. 16 ) Der 10%ige Abschlag stellt im Durchschnitt eine gute Annäherung dar, wenngleich in der Ära des Aufbaues der Rückstellung der tatsächliche Unterschiedsbetrag zum steuerlichen Gegenwartswertverfahren geringer ausfallen wird. Bruckner schlägt einen 9%igen Abschlag vor; vgl. Bruckner, ÖStZ 1999, ) Bemerkenswerterweise ist im BMF-Erlass vom , AÖFV Nr. 198/1994 noch von einem 20%- igen Fluktuationsabschlag die Rede. Im jüngeren BMF-Erlass wird zu der Frage, warum dieser Abschlag um 5% erhöht wurde, nicht Stellung genommen.

5 Seite 5 von 5 18 ) Vgl. Heidinger/Königsmaier in Bertl/Mandl (Hrsg.), Rechnungswesen und Controlling, FS Egger Wien 1997, ) Zweifelnd Bertl/Fraberger, RWZ 1999, 344. Quelle: SWK 16/2000 (S 437) Linde Verlag Wien