Beitrag: An der Schmerzgrenze Autolobby gegen besseren Lärmschutz

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1 Manuskript Beitrag: An der Schmerzgrenze Autolobby gegen besseren Lärmschutz Sendung vom 6. November 2012 von Andreas Halbach und Wolfgang Kramer Anmoderation: Liebhaber röhrender Motoren: Die sind in Deutschland ganz und gar richtig. Schließlich sitzen hier viele Hersteller PS- und lautstarker Autos. Stärke beweisen die traditionell auch beim Durchsetzen ihrer Interessen. Gerade plant die EU neue Grenzwerte für Verkehrslärm. Und die deutsche Regierung setzt sich dafür ein, dass Autos mit viel PS auch weiter richtig Krach machen dürfen. Andreas Halbach und Wolfgang Kramer über die Verteidiger des alltäglichen Lärmpegels. Text: Röhrende Motoren ein Genuss für die Besucher der Jubiläumsfeier von Rennsport Kremer in Köln. O-Ton Siegfried Thom, Porsche-Fahrer: Ich finde, das gehört einfach dazu, zum Sportwagen, dass er laut sein muss. Ob es ein Austin Healey ist oder Porsche, die haben früher die Rennen gefahren, die waren einfach laut. O-Ton Sylke Lambert: Wenn man in jungen Jahren in die Disko gegangen ist, dann war es am schönsten vor den Boxen. Ja, und wenn ich jetzt in dem Auto sitze und ich gebe Gas, bekomme ich ne Kommunikation mit dem Auto. Ja, ich höre, wie ich Gas gebe. O-Ton Edgar Althoff, Sportwagen-Fan: Wenn dann nur noch so ein Säuseln rauskommt, ist das natürlich nicht schön, bei einem Sportwagen. Wir machen Stichprobenmessungen mit einem Akustik-Ingenieur direkt am Auspuff: - der neue Porsche GT 3: 102 Dezibel laut wie eine Kreissäge

2 - ein gut 20 Jahre alter 911 Carrera: 112 Dezibel laut wie ein Presslufthammer - und Tagessieger, ein Oldtimer-Porsche aus Polen: 124 Dezibel laut wie ein startendes Düsenflugzeug Solche Krachmacher sind überall unterwegs, hinzu kommt der Schwerlastverkehr, so wie auf der A9 in Sachsen-Anhalt. Seit dem Ausbau der Strecke auf sechs Spuren wird der Lärm immer schlimmer - in den Ortschaften bis zu 75 Dezibel. Das macht krank: O-Ton Reiner Richter, Bürger von Osterfeld: Es war so weit, dass ich einen Kardio-Psychologen aufsuchen musste, weil ich richtig Probleme gekriegt habe, gesundheitlich. Tag und Nacht wird man hier beschallt. Ich habe mir schon Lärmschutzfenster einbauen lassen und selbst das nützt nichts. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Folgen des lange unterschätzten Verkehrslärms untersucht, mit erschreckendem Ergebnis: Allein in Deutschland leiden acht Millionen Menschen an Gesundheitsschäden durch Verkehrslärm. O-Ton Rokho Kim, Arbeitsmediziner, WHO-Regionalbüro Europa: Schon ab 40 Dezibel Dauerlärm sind Schlafstörungen, Tinnitius, Konzentrations- und Lernstörungen bei Kindern die Folge. Über 55 Dezibel müssen wir uns große Sorgen machen um Bluthochdruck und Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Bei über 70 Dezibel ist das Herzinfarktrisiko um 30 Prozent erhöht. Das Europaparlament arbeitet an neuen Grenzwerten für Autolärm. Denn der seit 1995 gültige Maximalwert von 75 Dezibel ist zu hoch. So schlägt die EU-Kommission vor, den Lärm bei Neuwagen bis 2020 um vier bis sechs Dezibel zu senken. Das reicht nicht, klagt der Dachverband europäischer Umweltinitiativen, transport and environment. O-Ton Nina Renshaw, Direktorin transport environment : Bedauerlicherweise sind die vorliegenden Grenzwerte nicht gerade ambitioniert. Sie bringen drei bis vier Dezibel über einem langen Zeitraum. Wir fordern eine Reduzierung um zehn Dezibel, das würde die öffentliche Gesundheit nachhaltig schützen. Bedauerlich ist aber die enorme Lobbyarbeit in Brüssel, so dass wir denken, dass sich leider nicht viel tun wird. Und die Lobby hat sich offenbar auch bei der Bundesregierung durchgesetzt ganz im Sinne der PS-starken deutschen Autoindustrie fordert sie gar einen Bonus für laute

3 Luxuskarossen. So sollen Autos für Normalverbraucher in zehn Jahren nur noch 68 Dezibel laut sein. Motoren mit mehr als 160 Kilowatt, also 218 PS, pro Gewichtstonne dürfen fast doppelt so laut sein: 73 Dezibel. Merkwürdig, der Berichterstatter des Europaparlamentes, der tschechische Abgeordnete Miroslav Ouzky, macht einen ganz ähnlichen Vorschlag: Ouzky hat als eigenen Kompromiss für neue Lärmpegel diese Exceltabelle eingereicht. Auffällig, schon das Schriftbild ist das des Porsche-Konzerns. Die Dateiinfo verrät: Verfasser der Tabelle ist der Akustik-Experte Hans-Martin Gerhard, Mitarbeiter der Porsche AG. Wir fragen nach bei Miroslav Ouzky, der übrigens privat einen Porsche Panamera fährt: Warum reichen Sie Unterlagen der Firma Porsche ein, sind Sie Lobbyist? O-Ton Miroslav Ouzky, Fraktion Europäische Konservative, Berichterstatter EU-Parlament: Nein, nein, ich habe nur die Tabelle benutzt, die ein Porsche- Fachmann angefertigt hat. Ich habe dann alle Zahlen aus dieser Porsche-Tabelle gelöscht und hab dann die leere Tabelle für meine Zahlen, für meine Arbeit genutzt. Ist das glaubhaft? Klingt wie eine Ausrede. O-Ton Miroslav Ouzky, Fraktion Europäische Konservative, Berichterstatter EU-Parlament: Ich denke, eine Ausrede ist gar nicht nötig, denn der Fall ist klar. Ich hab es so im Parlament erklärt und gegenüber der Öffentlichkeit. Da beschleicht den Vorsitzenden des EU-Umweltausschusses, Matthias Groote, ein ungutes Gefühl: O-Ton Matthias Groote, SPD, MdEP, Vorsitzender Umweltausschuss EU-Parlament: Es ist hoch fragwürdig, um es einmal diplomatisch auszudrücken. Weil ein Berichterstatter genießt Vertrauen hier im Parlament und dieses Vertrauen ist erschüttert worden, mit den Vorgängen, wie sie hier stattgefunden haben. Porsche dürften solche Vorgänge hingegen freuen. Denn satter Klang fördert das Geschäft. So werden auf der Porsche- Internetseite gar Sound-Proben aller Modelle angeboten. Und bei der alljährlichen Porsche Sound Nacht in Stuttgart, hier Bilder aus dem Internet, gibt es einen regelrechten Hype um den

4 Lärm. O-Ton YouTube: Mit das Aufregendste an einem Porsche ist der Sound, den er macht. Wir sind hier in Stuttgart, um die Nacht des Sounds zu feiern. Und es röhrt noch schöner: Bei Porsche gibt es einen sogenannten Sport-Modus. Auf Knopfdruck öffnen sich Klappen im Auspuff. Bei unserer Stichprobenmessung lag der Schalldruck bei 90 Dezibel, mehr als dreimal so hoch, wie der heute erlaubte Grenzwert. Alles ganz legal, denn bei der Typenzulassung wird schließlich nur im Normal-Modus getestet. Die Bundesregierung stört das alles nicht. Sie hält die von ihr vorgeschlagenen Grenzwerte für ausgewogen. Zitat: Der Vorschlag zielt auf eine Balance zwischen ökologischen und ökonomischen Anforderungen. Diese Balance kann die eigene Behörde, das Umweltbundesamt, nicht erkennen. Hier ist man enttäuscht vom deutschen wie auch vom Kommissions-Vorschlag. Das Ergebnis der Untersuchung war ernüchternd dahingehend, dass damit zu rechnen ist, wenn der Vorschlag der Kommission so umgesetzt wird, wie geplant, wird es in zwanzig Jahren etwa eine Geräuschminderung von einem Dezibel am Straßenrand geben. Verstehe ich Sie richtig, dass wenn es bei der Lärmreduzierung bleibt, es in zwanzig Jahren genau so viel Lärm geben wird, allein schon wegen des Zuwachses an Verkehr? Da muss ich Ihnen leider zustimmen. Es ist nur mit einer geringen Lärmminderung zu rechnen, durch die Fahrzeuggrenzwerte, wie sie jetzt vorgeschlagen werden. Ist das nicht deprimierend? Das ist äußerst ernüchternd, ja. Und sehr teuer obendrein. Nicht für die Autoindustrie, aber für die

5 Allgemeinheit: O-Ton Nina Renshaw, Direktorin transport environment : Die sozialen Kosten sind enorm, Folgekosten durch Verkehrslärm für Städte und Gemeinden. Da reden wir von 40 Milliarden Euro pro Jahr in der EU. Volle Dröhnung gegen Volksgesundheit! Abmoderation: Drei Bundesministerien haben wir dazu um Stellungnahme gebeten. Umwelt- und Wirtschaftsministerium verweisen beide auf das Verkehrsministerium. Von dort keine Antwort. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.