Wissenswert. 10 Jahre uro (3): Währungskrise. von. Mischa Ehrhardt. Sendung: , Uhr, hr2-kultur
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- Rudolph Benedikt Bäcker
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1 Hessischer Rundfunk hr2-kultur Redaktion: Heike Ließmann Wissenswert 10 Jahre uro (3): Währungskrise von Mischa Ehrhardt Sendung: , Uhr, hr2-kultur Regie: Mischa Ehrhardt, Heike Ließmann Sprecher: Mischa Ehrhardt Zitator: Karl-Heinz Wellmann Copyright Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der Empfänger darf es nur zu privaten Zwecken benutzen. Jede andere Verwendung (z.b. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verteilung oder Zurverfügungstellung in elektronischen Medien, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors/der Autoren zulässig. Die Verwendung zu Rundfunkzwecken bedarf der Genehmigung des Hessischen Rundfunks.
2 Es wird immer schwerer, den Überblick zu behalten: Bankenkrise, Wirtschaftskrise, Schuldenkrise, Eurokrise? Zehn Jahre nach seiner Einführung steht der Euro auf der Kippe. Aber: An der Krise lässt sich vieles lernen und studieren. Zum Beispiel der Preis für die Zugehörigkeit zur europäischen Gemeinschaft.. In Krisenzeiten steht es offenbar um demokratische Prozesse schlecht, sie stehen nicht allzu hoch im Kurs, an den viel beschworenen Märkten nicht, was nicht verwundert; aber augenscheinlich auch nicht beim Chefpersonal der Euro-Gemeinschaft. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Schäuble: "Griechenland muß jetzt eine verlässliche Entscheidung treffen, ob es bereit und in der Lage ist, Mitglied im Euro zu bleiben" / MUSIK Prosechos # 1 Salata kurz frei, dann unterlegen und blenden bei gesungen. Es war der Offenbarungseid: die Griechen sollten im Herbst 2011 über das Sparprogramm abstimmen, das die Regierung vorgesehen hatte. Die Idee stammte vom griechischen Krisen- und Ex-Premier Papandreou. In der Euro- Gemeinschaft veränderte sich daraufhin die Tonlage. Wurde vorher über Jahre und Monate das Lied der unverbrüchlichen Euro-Gemeinschaft gesungen, stellten die politisch Verantwortlichen der Eurozone Papandreou und seine Landsleute nun vor die Wahl: Sparprogramm in der Euro-Gemeinschaft oder Volksentscheid gegen die Gemeinschaft. Seither ist nichts wie vorher: der mögliche Rausschmiss eines Krisenlandes aus dem Euro ist nicht mehr ausgeschlossen und damit stand und steht die Gemeinschaft mit samt ihrer Währung auf dem Spiel. Merkel: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa doc Seite 2 von 8
3 Es ist nicht ohne Ironie, dass ein möglicher Untergang des Euro-Abendlandes ausgerechnet am Ort der Wiege der europäischen Kultur und Demokratie, also in Athen beginnt. MUSIK einblenden Es ist aber auch kein Zufall. Über Jahre geschönte Zahlen zum Wirtschaftswachstum, ein hohes Ausmaß an Korruption in Wirtschaft und Politik und kaum zukunftsfähige Industrien treiben das Land an den Rand des Ruins. Dann geschieht aus wirtschaftlicher Perspektive das Unerhörte der Sündenfall eines Schuldners schlechthin innerhalb einer Gemeinschaftswährung. OT 09, Praefke: Es kam die Meldung raus, dass Griechenland überschuldet sei und die Schulden nicht zurückzahlen könne. Das war ein bisschen die Heile Welt, die da angekratzt wurde. Das war eine Situation, die man vorher nur von Schwellenländern kannte wie Argentinien. Und das hat die Finanzwelt in einen Schock versetzt und dann haben die Investoren an der Währung gezweifelt, weil sie eben nicht mehr so sicher war, wie sie zu sein schien. Sagt die Devisenexpertin der Commerzbank, Antje Praefke. Und damit zeigt sich eines der Grundprobleme, das die Schuldenkrise so verschärft : Auch Staaten der Europäischen Währungsgemeinschaft kann verweigert werden, an frisches Geld zu kommen, um ihrer laufenden Ausgaben und Schulden zu bezahlen. Ein unguter Kreislauf kommt in Gang. Es wird teuer, die Zinsen ziehen an für diese Länder, die Neuverschuldung steigt und: schlimmstenfalls steht am Ende die Staatspleite. Aber was heißt das? Mit einer Staatspleite werden die bisher ausgegebenen Schuldscheine entweder wertlos oder verlieren drastisch an Wert. Die Angst ist berechtigt, das Wort von einem möglicherweise bevorstehenden Haircut macht die Runde: ein Schuldenschnitt, der ist von Investoren gefürchtet doc Seite 3 von 8
4 Im Falle Griechenlands geht es um einen Schuldenschnitt von 50 Prozent. Dem sollen die privaten Gläubiger, zumeist Banken und Versicherungen, zustimmen. Einen guten Grund dafür haben sie. Denn müssten sie die griechischen Anleihen derzeit am Markt verkaufen, dann würden sie noch weniger Geld dafür bekommen weil kaum einer das Risiko eingehen will, sich diese Giftpapiere in den Tresor zu legen. Die Lektion Nummer Eins für Chef-Investoren wie Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann aus der Krise ist daher: Ackermann 19/300: Die in ihren Auswirkungen unterschätzte Tatsache ist, dass Staatsanleihen aus Industrieländern ihren Status als risikofreie Anlage verloren haben. Daher hat die Schuldenkrise auch zu einer Krise an den Anleihemärkten geführt. Ein weiteres EU-Land ist im Fokus der Krisenmanager: Italien. Der Staat, der lange um die Affären seines Regierungschefs Berlusconi kreiste, ist für die Euro- Gemeinschaft ein noch größeres Problem als Griechenland. Italien muss derzeit um sich Geld von Investoren zu leihen bis zu 7 Prozent Zinsen zahlen. Auch hier kann sich eine Schuldenspirale in Gang setzen, die das Potential hat, die Euro-Zone zu sprengen. Denn während wirtschaftlich vergleichsweise kleine Länder wie Griechenland, Portugal und Irland unter den Europäischen Rettungsschirm flüchten konnten, ist Italien dafür um einiges zu groß. Um es einfach zu sagen: Scheitert Italien so scheitert sicher Europa in seiner jetzigen Form und vielleicht auch der Euro. Bundesbankpräsident Jens Weidmann aber ist zuversichtlich. Weidmann, Take 16: 1800 Italien kann die Krise meistern, die haben gesunde Wirtschaft und auch vor Beitritt zur Union starke Zinsen geschultert. Worauf es hier ankommt ist der politische Wille doc Seite 4 von 8
5 Ob es Italien schafft, ist aber keineswegs ausgemacht. Denn dazu müsste das Vertrauen wieder an die Märkte zurück kehren, das im Laufe der Euro-Krise gehörigen Schaden erlitten hat. Vertrauen mag ein Wort sein, eine Kategorie, die man in der Welt der Banken zunächst nicht vermutet. Vertrauen wird nun immer bedeutender, zumal auch die zweitwichtigste Wirtschaft im Euro-Raum, Frankreich, in das Visier der Ratingagenturen geraten ist. Diese Ratingagenturen spielen in der Krise eine besondere Rolle. Denn von ihrem Urteil hängt ab, zu welchen Konditionen Staaten am Markt Geld von Investoren einsammeln können. Die drei den Markt bestimmenden Agenturen sitzen in den USA: Standard and Poors, Moody s und Fitch. Kritiker meinen, dass sie andere Maßstäbe für Europa anlegen als etwa für die USA. Würde Frankreich seine Topnote bei der Kreditwürdigkeit verlieren, dann würde das die Euro-Krise wahrscheinlich verschlimmern. Mit Rettungsschirmen allein sind solche Probleme dann nicht mehr zu lösen. Mit Island fing es einst an - und so hat sich die Staatsschuldenkrise weniger kleiner Staaten ausgeweitet zu einer: Vertrauenskrise. Da wird nicht mehr unterschieden zwischen Ländern mit Problemen und solchen die keine haben und das betrifft systemische Fragen und sowas nennt man Vertrauenskrise. Sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP-Bank. Wie auch immer man sie nennen mag die Krise um sie zu verstehen muss man zu deren Ursachen zurück gehen. Eine ihrer Wurzeln liegt weit in der Vergangenheit es handelt sich um einen gravierenden Konstruktionsfehler der Euro-Gemeinschaft. Weidmann 16/1050 Risiko der Staatsverschuldung wurde bei Gründung EWU unterschätzt doc Seite 5 von 8
6 Sagt Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Die Staatsverschuldungen drohen Europa über den Kopf zu wachsen. Daher liegt der Schluss auf der Hand: Ackermann Take 19: 1700 Wir haben eine Staatsschuldenkrise Das klingt sachlich, so wie es Josef Ackermann sagt und ist sicher teilweise richtig; allerdings hat diese Sichtweise deutlichere Konsequenzen, als der scheinbar neutrale Begriff Staatsschuldenkrise vermuten ließe. Denn verantwortlich für die jeweilige Situation wäre dann allein der einzelne Staat, der jetzt handeln müsse. Draghi Take 29, 600 Nun gibt es zwei neue Punkte: Nationale Antworten in wirtschaftlicher Hinsicht, etwa Sparprogramme. Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi hat im Herbst 2011 kein leichtes Amt übernommen. Er wird die Euro-Krise begleiten müssen. Die Gemeinschaft, vor allem die Krisenstaaten, müssten also nun ihre Hausaufgaben erledigen. Die Bevölkerungen müssten Sparprogramme, Steuererhöhungen und Veränderungen des Arbeitsmarktes über sich ergehen lassen. Aufgeblähte Sozialsysteme und ein zu großer Beamtenapparat seien Mitschuld an der Krise. Das mag in der Konsequenz richtig sein, verschleiert aber eine andere wesentliche Ursache der Krise: Es führt nämlich ein direkter Weg von der Lehman Pleite zur Staatsschuldenkrise dieser Tage. In Deutschland, Großbritannien, den USA, Spanien und Irland ist das rapide Ansteigen der Staatsverschuldung auf die Sanierung des Bankensystems und die Stützung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme zurück zu führen. Ohne die Lehman Krise stünden wir nicht dort, wo wir heute sind und diese Krise, die in gewandelter Form als Staatsschuldenkrise bis heute anhält, hat ihren Ursprung in einem radikalen Marktversagen. Doch auch in einer anderen Beziehung gehört Marktversagen in die Gleichung, deren Ergebnis wir heute als Euro-Krise bezeichnen, Jörg Zeuner: doc Seite 6 von 8
7 Zeuner: Das ist auch Marktversagen, dass die Leute Staatsanleihen fleißig gekauft haben aus diesen Ländern. Mittlerweile haben Banken und andere Investoren einen Gutteil der Staatsanleihen aus Krisenländern abgeschrieben oder verkauft. Genaue Zahlen allerdings gibt es dazu nicht. Unter anderem das hat zum Misstrauen der Banken in Europa untereinander geführt. Keiner weiß, welche Risiken in den Bilanzen der Konkurrenz schlummern und wie stark andere Geldhäuser von einer möglichen Verschärfung der Krise betroffen sein könnten. Daher leihen sich die Banken untereinander kein Geld mehr und das wiederum führt zu Problemen beim Unterhalten und Fortführen der Bankgeschäfte. Die Krise am Interbankenmarkt, das Misstrauen zwischen den Banken, ist Ende 2011 größer als nach dem Kollaps von Lehman Brothers Daher ist einer der entscheidenden Angelpunkte der Euro-Krise eine Lösung der Bankenkrise. Bankenkrise: Draghi 29: 235 Wir wissen um die schwere Lage der Banken. 250 Wir wissen auch wie schwer es ist, Kapital zu beschaffen. 310 Interbankenaktivitäten sind eingefroren und nur sehr kurzfristig. 340 Daher hat die EZB außerplanmäßige Maßnahmen ergriffen. Eine dieser Maßnahmen: Die Europäische Zentralbank hat den Banken für drei Jahre ab Ende 2011 eine halbe Billion Euro vergeben. Zum Niedrigst-Zinssatz von einem Prozent. Das Geld soll die Banken stützen und sie auch dazu ermuntern, weiter Kredite an die Unternehmen zu vergeben. Denn stockt diese Vergabe von Krediten, droht eine Kreditklemme, die Unternehmen haben kein Geld mehr für Investitionen und damit würde sich die Krise schließlich wieder deutlich in der Realwirtschaft bemerkbar machen. Mit allen Folgen. Das richtige Rezept, um ein Ausweiten der Krise zu verhindern, darüber streiten die ökonomischen und politischen Geister noch. Viele fordern mittlerweile ein noch doc Seite 7 von 8
8 entschiedeneres Eingreifen der Zentralbank. Und zwar nicht nur zur Stützung der Banken, sondern auch der Staaten. Daher meint Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Behrenberg-Bank: Schmieding 39/1015: Wir haben keine Schulden sondern eine Zentralbankkrise. MUSIK als Akzent Würde die Europäische Zentralbank vermehrt und massiv Staatsanleihen von Krisenstaaten kaufen, sänken dadurch die Zinsen, die diese Länder bezahlen müssten und damit auch die zu schulternde finanzielle Last. Auch aus Sicht der Steuerzahler hätte das zunächst einen entscheidenden Vorteil: Das Geld flösse zwischen der EZB und den Staaten hin und her, die dafür Zinsen an die EZB zahlen. Weil die aber eine Veranstaltung der Euro-Zone ist, bleibt das Geld öffentlich. Bei Niedrigzins-Krediten an Banken, die dann Staatsanleihen zu hohen Zinsen kaufen, landen diese Zinsen bei den Banken. Die Gegner der EZB-Variante wie die Bundesregierung und auch die Bundesbank wenden ein, dass durch massive EZB- Hilfen die Motivation für die Staaten sinke, ihre Hausaufgaben zu erledigen, also ihre Finanzen in Ordnung bringen. So oder so bis zu einer Lösung der Krise ist es noch ein weiter Weg. Die Gemeinschaftswährung steht weiter unter Druck. Der Euro - bricht er vielleicht bald auseinander? Praefke: Das Problem besteht. Aber ich glaube daran nicht. evtl. MUSIK als Schluß doc Seite 8 von 8
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