1. Die Politische Weltanschauung der Bourgeoisie
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- Ulrich Baum
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1 SE: Hannah Arendts totale Herrschaft. Univ.- Prof.in Dr. Kreisky WS 07 Babara Schneider, Elke Schlitz, Jakob Walser, Andreas Forster Imperialismus I Texte: Die politische Emanzipation der Bourgeoisie [Kapitel 5 aus: Hannah Arendt Elemente und Ursprünge der totalen Herrschaft. S. 275 S.558] Die Hölle auf Erden [Reader: Weinert, Viola / Mattern, Jochen (2000). Die Hölle auf Erden, Eine Annäherung an Hannah Arendts Analyse totaler Herrschaft in: UTOPIE kreativ,, März 2000,Heft 113, S Die Politische Weltanschauung der Bourgeoisie 1. Desinteresse am Politischen: Arendt beschreibt die Bourgeoisie als eine traditionell unpolitische Klasse. Die Bourgeoisie setzt Verfolgung des Eigeninteresses mit dem Gemeinwohl gleich, beschränkt sich daher auf die Privatsphäre, die Sphäre des Handels. Sie ist der Herrschaftsform gegenüber gleichgültig, weil sie im Staat lediglich die Funktion des Eigentumsschutzes und der Polizei erkennt. 2. Mentalität durch die Erfahrung gesellschaftlicher Konkurrenz geprägt Denn die Privatgesellschaft, in der diese Klasse lebe, war eine Gesellschaft von Konkurrenten, in der in der Tat galt, das Macht Recht ist, dass Erfolg der einzige Maßstab allen Tuns und Leiden ist und dass der Größere notwendigerweise immer den Kleineren 1
2 verschlingen muss, so dass jeder sehen muss, so groß wie möglich zu werden. (Arendt, S. 316) 3. Glaube ans Akkumulationsprinzip Besitz wird begriffen als sich unendlich steigernder Prozess. Besitz heißt nicht Haben sondern Vermehren. Da die Bourgeoisie ihren Machtbegriff aus der Konkurrenzgesellschaft schöpft, wird auch Macht als Akkumulationsprozess verstanden. Die Unbegrenzte Besitzakkumulation benötigt zu ihrer Sicherung eine unbegrenzt sich steigernde Macht. Als die Kapitalakkumulation an die Grenzen des Nationalstaats stößt, zeigt sich das der Prozess der Kapitalakkumulation der Unterstützung durch einen Prozess der Machtakkumulation bedarf. Die Bourgeoisie erlangt ihre politische Mündigkeit, als sie dies begreift, und auf die imperialistische Politik drängt. Die Verabsolutierung unbegrenzter Akkumulation steht wiederum im Gegensatz zum Politischen, wie es Hanna Arendt versteht: Der Begriff einer unbegrenzten Ausdehnung, die allein eine unbegrenzte Akkumulation von Kapital erzeugen kann und eine ziellose Akkumulation von Macht zustande bringt, steht selbst schon im Widerspruch zu der möglichen Neugründung politischer Körper, die vor dem Imperialismus immer auf die militärische Eroberung gefolgt war. Ist der imperialistische Prozess der Ausdehnung erst einmal losgelassen, so können politische Gemeinschaften sich ihm nur als hinderlich erweisen und von ihm zerstört werden, und dies gilt für die Institutionen des Muterlandes genauso wie für die der Kolonialvölker. Denn jede politische Struktur und Organisation,, entwickelt von sich her eine Kraft des Beständigen, die sich der ständigen Transformation alles Bestehenden in den Weg stellen muss. (Arendt, S. 314). Ursprung der bourgeoisen Weltanschauung in der Philosophie Hobbes` - Machtstreben als Grundleidenschaft des Individuums - totale Unterwerfung des Individuums unter die Gesellschaft 2
3 SE: Hannah Arendts totale Herrschaft. Univ.- Prof.in Dr. Kreisky WS 07 Babara Schneider, Elke Schlitz, Jakob Walser, Andreas Forster politische Entrechtung des Individuums gegenüber der Macht, es wird auf die Sphäre des Privaten verwiesen - Identifikation von Macht und Recht - Entwurf eines politischen Apparates zur unbegrenzten Akkumulation von Macht selbst zerstörerisches Element grenzenloser Machtakkumulation 2. Weinert/Mattern: Die Hölle auf Erden. Eine Annäherung an Hannah Arendts Analyse totaler Herrschaft Die Autoren Weinert und Mattern wollen den ursprünglichen Gehalt des Begriffes und die Intention Arendts herausarbeiten, um zu zeigen, dass er nicht willkürlich verwendet werden kann. I.) II.) Inflationäre Verwendung des Begriffs totale Herrschaft führt zu seiner Entwertung. Eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs verdeutlicht Leichtsinnigkeit, mit der Regime als totalitär bezeichnet werden. Ursprüngliche Intention Arendts: Bemühen um Begriff, der die noch nie da gewesene, unvergleichliche Grausamkeit des Nationalsozialismus (NS) und seiner Herrschaft erfasst, die sich ultimativ in den Vernichtungslagern verwirklicht. A: Heutige Verwendung des Begriffs häufig als Gegenbegriff zu Demokratie (gekennzeichnet durch öffentlichen Dialog und Meinungsvielfalt), dem als Merkmale zueigen sind: 1.) Zerstörung öffentlicher Sphäre & Abschaffung der Meinungsvielfalt 3
4 2.) Aufhebung der Trennung private/öffentliche Sphäre, Politisierung des Privaten, Verschwinden öffentlicher Politik 3.) Rechtfertigung von Gewaltherrschaft durch Ideologie B: institutionentheoretischer Totalitarismusansatz (nach Friedrich & Brzesinski): Monolithische Herrschaftsstruktur als prinzipielles Merkmal Diesem Ansatz folgt Juan Linz, der 2 Formen totaler Herrschaft identifiziert: Faschismus Realsozialismus Merkmale: 1.) monistisches Herrschaftssystem und extreme Machtkonzentration 2.) totalitäre Ideologie und Partei 3.) Zerstörung der Gesellschaftsstruktur Atomisierung in der Masse 4.) Verstaatlichung der Gesellschaft Arendt verneint dagegen den monolithischen Charakter totaler Herrschaft. Sie sei vielmehr strukturlos und in ihrem Machtanspruch unbegrenzbar. Eine totalitäre Bewegung sei permanent dynamisch und suche nach Verhinderung von Stabilität. Eine Struktur- und Ordnungslosigkeit sei die Voraussetzung, dass das Führerprinzip funktioniere, denn a) sie bewahrt aufgrund fehlender Hierarchie die Unabhängigkeit des Diktators b) sie stützt den Führer-Mythos, weil der Diktator der einzige ist, der in dem Chaos Entscheidungen treffen kann. 4
5 SE: Hannah Arendts totale Herrschaft. Univ.- Prof.in Dr. Kreisky WS 07 Babara Schneider, Elke Schlitz, Jakob Walser, Andreas Forster III.) An diesem Strukturaspekt hängen Weinert & Mattern ihre IV.) Argumentation auf, wonach NS und Stalinismus nicht gleichermaßen als totale Herrschaft bezeichnet werden können- Arendt betont die Strukturlosigkeit. Mommsen und Kershaw bescheinigen der Sowjetunion ein stabiles Herrschaftsgefüge und eine bestehende Hierarchie, wodurch sich das System selbst reproduzieren kann. Aufgrund der unterschiedlichen Strukturbefunde gilt die Unvergleichbarkeit der zwei Systeme als bewiesen. Arendt misst allerdings dem Terror und der Ideologie als spezifische Merkmale totaler Herrschaft mehr Bedeutung bei. Terror hat seine Rechtfertigung in einer die Realität ausblendenden Ideologie. Diese schafft das eigenständige, echte Denken ab und verhindert die eigene Urteilsfähigkeit. Im Gegensatz zum echten, dialogischen Denken (Arendt zitiert bei Weinert/Mattern, S. 260), welches immer in Bezug zur Welt und zu Perspektive anderer Menschen steht, handelt es sich beim ideologischen Denken um lediglich logisches Schlussfolgern, um weltloses Denken. totale Herrschaft verwirklicht sich am deutlichsten in den Vernichtungslagern, weil dort der Anspruch auf Beherrschung aller Lebensäußerung eines Menschen brutal durchgesetzt wird. Es findet eine Entmenschlichung statt. Menschen existieren nur noch physisch. Sie werden behandelt als seien sie bereits gestorben. (Arendt, ebd., 262) Drei Abstufungen von Lagern unterscheidet Arendt: Hades Fegefeuer Hölle. Die NS- 5
6 V.) Konzentrationslager sind die Hölle auf Erden, weil in ihnen gleichgültig und mechanisch getötet wird. Aus der entmenschlichenden Grausamkeit der Konzentrationslager folgt für Weinert & Mattern, dass totale Herrschaft ein schwerwiegender Begriff ist, der nicht überall geeignet ist, wo er Anwendung findet, so z.b. zur Bezeichnung der DDR. 3. Literatur Arendt, Hannah (2005/1955). Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, Antisemitismus, Imperialismus, Totale Herrschaft. München: Piper Weinert, Viola/ Mattern, Jochen: Die Hölle auf erden. Eine Annäherung an Hannah Arendts Analyse totaler Herrschaft, in: Utopie kreativ, März 2000,Heft 113, S
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