>Internet-Online-PC-Medien< Der Part der Suchthilfe

Transkript

1 >Internet-Online-PC-Medien< Der Part der Suchthilfe Diskussionsbeitrag Treffen der Zentren für Psychiatrie und Liga-Ausschuss Sucht Jeanette Piram AWO Freiburg

2 Aufbau Begrifflichkeiten Zugang über Symptome zeigen strukturelle Probleme Stand in den Beratungsstellen Aufgaben für die Zukunft

3 Bereiche mit hohem Suchtpotential Internetpornographie Chat Online-Spiele Internet-Glücksspiel

4 Synonyme für Online-Sucht International: (Inter-)Net Addiction Online Addiction Internet Addiction Disorder (IAD) Pathological Internet Use (PIU) Cyberdisorder National: PC-Sucht Online-Sucht Chat-Sucht Medien-Sucht

5 wir unterscheiden Nichtspieler: 0 h/tag Normalspieler: < 3 h/tag (75% aller Nutzer) (MW h/t: Jungs: 1,6h ; Mädchen: 1,0) *Vielspieler: 3 4,8 h/tag (75%-Perzentil) *Exzessivspieler: > 4,8 h/tag (90%-Perzentil) *überwiegend Jungs

6 Viel- und Exzessivspieler berichten vermehrt folgende Symptome: 4 Kontrollverlust (das Gefühl, trotz mehrmaliger Versuche die Spielmenge nicht reduzieren zu können) 4 Entzugserscheinungen (ständiges Denken an das Spielen, z.b. auch in der Schule, Arbeit) 4 Eine Aufrechterhaltung des Spielens trotz negativer Konsequenzen soziale Umfeld (z.b. Freunde beschweren sich) Leistungskontexte (z.b. schlechtere Schulnoten).

7 Millionen Spieler weltweit Jeder zweite 10-jährige besitzt Spiele, die erst ab 16 oder gar 18 freigegeben sind. Professionelle Spieler verdienen in stunden- und tagelangen Marathons ihren Lebensunterhalt durch Preisgeldern ( Cyber- Eremiten ) Cyberspiele sind für viele Jugendliche normaler Alltag besonders beliebt: ONLINE-SPIELE live Egoshooter simulieren Kampfszenen. Tote sind nur weg-gebeamte Pixel Beispiele Doom 3 Counterstrike World of Warcraft (8 Millionen Spieler) u.v.a.m.

8 Was macht den hohen Reiz von Computerspielen aus? Herausforderung und Wettbewerb Ausübung von Macht und Kontrolle (Selbstwirksamkeit) Erprobung von Identitätsentwürfen, Entdeckung unzugänglicher Handlungsformen und Lebensbereiche Geselligkeit (z.b. Online- oder LAN-Spiele) Flucht aus dem Alltag (Eskapismus) (Vermeintlicher) Stressabbau Verschmelzungserleben mit dem Spiel (Flow)

9 Wohlgefühl im virtuellen Raum Der Umschlagpunkt ist erreicht, wenn die Betreffenden sich in ihren virtuellen Welten wohler fühlen, als im wahren Leben Das Gehirn passt sich an die in Computerspielen gestellten Aufgaben und Belohnungen an, es verändert sich nachweislich. Prof. Gerald Hüther, Neurobiologe (Bergmann / Hüther: Computersüchtig. Kinder im Sog der modernen Medien, Walther Verlag)

10 - Schulprobleme Kognitive Beeinträchtigung Anmeldung über Eltern, wg. drohendem Sitzenbleiben wg. Schwänzen, Unaufmerksamkeit, fehlende Unterrichtsbeteiligung könnte mehr, ist doch intelligent Oft ist die Idee: Kiffen als Ursache!

11 Geistige Leistung eingeschränkt

12 PC-Spiel behindert lernen Spielen am Computer behindert das Lernen Neuaufgenommenes Wissen wird durch starke emotionale Reize - wie sie durch Computerspiele im Gehirn entstehen - überschrieben: Der neue Lernstoff wird nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert die drastischen Computerbilder überlagern und löschen ihn. Kriminologische Institut Niedersachsen, Hannover (zitiert im spiegel 20/2007, S. 48)

13 - Aggressives Verhalten zu Hause, in der Schule, in der Öffentlichkeit Anmeldung über Eltern: Aggressiv gg. Geschwister Keine Regeleinhaltung Zerstörung, Einbruch in geschlossene Zimmer, Geld klauen Anmeldung über Schule: Ruppiges, aggressives Verhalten gg. Mitschülern Mobbing Oft in körperliche Auseinandersetzung verwickielt Anmeldung über Jugendsachbearbeiter/Gericht Auffällig durch Zerstörung (Bushäuschen, Autos ) Schlägerei, Bedrohung von Personen

14 Risiken von Gewaltspielen

15 Desensibilisierung = Abschwächung emotionaler, kognitiver, verhaltensbezogener Reaktion auf Gewaltdarstellung Phase 1: Eine typische Szene aus einem Gewaltspiel (Kopfschuss) löst noch Abneigung bzw. Ekel hervor. Phase 2: Szenen werden als weniger unangenehm erlebt. Zuwendung erfolgt zunehmend problemlos, Spiel wird dadurch besser beherrschbar. Phase 3: Mit Ausbleiben der Abneigungsreaktionen verändert sich zunehmend auch die Wahrnehmung und Bewertung der Gewalt. Der Kopfschuss wird zur normalen und legitimen Zielerreichung innerhalb des Spiels. Transferphase: Die Gewöhnung an die Computerspielgewalt führt auch zu schwächeren Reaktionen auf reale Gewalt (Bartholow et al., 2004; Carnagey et al., 2006). Langfristig führt dies zu einer verminderten Empathie, einem geringeren Mitleid

16 WoW-Selbstbild Teamfähigkeit: Man muß die eigene Rolle im Team perfekt erfüllen, sonst wird das nix mit dem Bosskill. Führungsqualitäten: Einen Raid betreuen ist wohl mindestens so anspruchsvoll wie eine mittelgroße Projektleitung. Langeweile aushalten: Den Job machen, obwohl es nervt (siehe oben die Zuchtmeister ). Durchsetzungsfähigkeit (böse Zungen nennen es Skrupellosigkeit): Einen Looser oder Idioten braucht keiner im Team, also raus mit ihm. Das ist absolute Überlebensstrategie bei 90% Idioten in diesem Spiel. Menschenkenntnis: Laden wir den jetzt in unsere Gruppe ein, obwohl er seinen Eisbären Knut genannt hat? Nein, natürlich nicht! Koordinationsfähigkeit: Den Überblick zu behalten im Schlachtgetümmel ist wirklich nicht einfach. So gesehen, kann ich das dann auch als Weiterbildung verbuchen, dass ich mit dem Rechner meines Auftraggebers spiele.

17

18 Warnzeichen Stundenlanges spielen ohne zu merken wie die Zeit vergeht? Vernachlässigung wichtiger Pflichten (Schule, Aufgaben, Arbeit) und Freundschaften wegen des Spiels? Spielen, um Aggressionen abzubauen? Erregt ein Computerspiel meine Gefühle? Verursacht es körperliche Reaktionen? (Angstschweiss, Zittern, Faustschläge Richtung Bildschirm) Hinweis auf starkes Mitschwingen. Werde ich aggressiv wenn ich aufgefordert werde, das Spiel zu beenden? Unvorstellbar ohne PC auszukommen.

19

20 Erste Hilfe für Webaholics 1. einen Wochenplan für die Online-Sitzungen zu erstellen, 2. langsam die Web-Zeiten zu reduzieren 3. den Computer aus dem Wohnbereich zu entfernen, 4. und offen mit anderen über das Problem zu sprechen. 5. Neue Freizeitaktivitäten erschließen

21 Wie effektiv ist der Jugendschutz bei Computerspielen? Jedes Computerspiel in Deutschland bekommt von der USK Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle) eine Altersfreigabe (keine Altersbeschränkung, ab 6, ab 12, ab 16, keine Jugendfreigabe). Bestimmte Titel, denen die USK ein Siegel verweigert, werden der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM) vorgelegt und können nur dann indiziert werden. - Indiziert heißt NICHT verboten. Es gilt lediglich ein öffentliches Werbe- und Ausstellungsverbot. Volljährige dürfen einen indizierten Titel vollkommen legal erwerben. Spiele, deren Inhalt eindeutig gegen strafrechtliche Normen verstößt, können zudem staatsanwaltschaftlich beschlagnahmt werden.

22 Stand in den Beratungsstellen Welche Stelle ist angefragt? Jugend-Beratung: i.d.r. Problem bekannt, keine gesonderten Angebote, Unterstützung bei Problem-Behebung, z.t. Gruppen Erziehungs-Beratung: i.d.r. Häufung der Problem-Anfragen, wenige mit speziellen Angeboten, Eltern-Kompetenz-Stärkung Polizeiliche Beratungsstelle: i.d.r. gute Präventions-Tips Bildungsberatung: i.d.r. großes Problem, gezielte individuelle Beratung von Betroffenen, Verweis auf Psychiatrie, z.t. Angebote, wenn Angebote wie Medienwerkstatt für Jugendliche existieren Suchtberatung: i.d.r. nur Einzelfälle angekommen, wenige Spezialisierungen, meist nur, wenn Jugend- und Sucht als Arbeitsschwerpunkt vorhanden ist. Selbsthilfe-/Therapie-Seiten: im Internet kostenfreie und gebührenpflichtige Angebote, viele Blogs

23 was ist zu tun? Nonmediale Basiskompetenzförderung im Kindesalter Entwicklung alternativer Freizeitangebote, nachmittäglicher und (spät-) abendlicher Freizeitkultur Stärkung des Jugendmedienschutzes bei Computerspielen Standardisierte und transparente Freigabeentscheidungen mit Berücksichtigung impliziter Merkmale, Kriegsverherrlichung als Problem anpacken, Förderung kreativer Spiele Medienpädagogischer Unterricht schon bei Grundschülern (Prävention) unter Berücksichtigung von Computerspielsucht Verstärkte Aufklärung von Eltern und Lehrern Entwicklung von Behandlungsangeboten (Intervention) auch bei Computerspielsucht

24 Angebote der Suchthilfe heute und v.a. in der Zukunft 1. Fortbildung der Suchtberater durch Medienexperten 2. Angebote öffentlich und auf online-wegen zugänglich machen (QTS, chat-beratung ) 3. Entzug auch stationär/tagesklinisch ermöglichen, mit viel päd. Angeboten zu Freizeitgestaltung 4. Freizeit-/Therapie-Gruppen nicht nur für Jugendliche!

25 Politik ist gefragt Jugendschutzgesetz Unterstützung von Vereinen etc. für Jugend-Bildung, Freizeit-Angebote Fortbildung für alle pädagogisch Arbeitenden Erziehungskompetenz auch für den Medienbereich vermitteln ergänzende Entwicklung von Angeboten zu Kess oder Trippel P Finanzierungen die rein symptomorientiert sind, werden die jung Erwachsenen, sozial- und bildungsauffälligen nicht erreichen

26 Danke für Ihre Aufmerksamkeit