Aufsatz zum Thema: Niklas Luhmanns Theorie Sozialer Systeme: Beobachtung
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- Liese Schmitz
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1 Aufsatz zum Thema: Niklas Luhmanns Theorie Sozialer Systeme: Beobachtung Überarbeitete Fassung vom 20. Juli 2006 verfasst von: Susanne Kreuer 1
2 Inhaltsverzeichnis 0 Abstract 1 Die Operation des Beobachtens 2 Acht epistemologische Konsequenzen 2.1 Der generalisierte Beobachtungsbegriff 2.2 Beobachtung als Konstruktion eines operativ- geschlossenen Systems 2.3 Die Beobachtungsperspektive 2.4 Der blinde Fleck 2.5 Beobachtung zweiter Ordnung 2.6 Mono- und Polykontexturalität 2.7 Paradoxie und Entparadoxierung 2.8 Autologische Implikationen 3 Der Beobachter erster und zweiter Ordnung im Vergleich 4 Literaturverzeichnis 5 Abbildungsverzeichnis 6 Anhang 2
3 0 Abstract Zur Einführung in die Thematik soll in diesem ersten Teil, zur groben Begriffs- und Themenabgrenzung, die Vorgehensweise in Kurzform erörtert und verdeutlichend herausgearbeitet werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der beobachtenden und beschreibenden soziologischen Theorie nach Niklas Luhmann. Systeme handeln nach Regeln, bedingen sich gegenseitig und stellen sich als geschlossene Einheiten dar. Das System konstituiert sich an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein überdauerndes System hingegen besteht aus Elementen, die in einer Beziehung zueinander stehen. Es existieren verschiedene Arten von Systemen, die sich in technische (Maschinen), biologische (Organismen) und soziale Systeme (Interaktion, Organisation, Gesellschaft) einordnen lassen. Systeme produzieren sich ferner fortlaufend selbst und werden durch Beobachtung konstituiert. Niklas Luhmann unterscheidet weiter Gesprochenes von Gedachtem. Der Mensch operiert in den angeführten Systemen. Kommunikationssysteme sind beispielsweise soziale Systeme. Kommunikation ist aber keine Möglichkeit zu erschließen, was andere Mitmenschen denken, da sich alle Systeme als geschlossene Systeme darstellen. Das Kommunikationssystem ist ein autopoietische, also ein selbstmachendes System. Unter struktureller Kopplung wird verstanden, dass die Systeme geschlossene separate Systeme bleiben, aber trotzdem offene Systeme sind. Soziale Systeme haben insofern eine Komplexität immanent, dass sie eine Einheit, Ganzheit, oder auch Vielzahl bilden. Ferner können Elemente nicht eins zu eins in ein anders System übergehen, aber sie können andere Systeme irritieren. Im Sinne der sog. Kontingenz findet zu jeder Zeit eine Selektion statt, wobei die Möglichkeit einer Vielfalt an Reaktionen besteht, da Systeme komplex sind. Weiter bestehen Systeme nicht aus Menschen. Vielmehr steht der Mensch außerhalb des Systems und bezieht seine Identität aus allen Systemen. Der Mensch wird durch Systeme»fremdbestimmt«. Die vorliegende Arbeit gibt einen kurzen Überblick über die Operation des Beobachtens im Hinblick auf die von Luhmann formulierten acht epistemologischen Konsequenzen der Beobachtung, dem Beobachter erster und zweiter Ordnung und der Realität des Beobachtens sowie der beobachtbaren Realität. 3
4 1. Die Operation des Beobachtens Soziale Systeme stellen sich als beobachtbare Systeme dar, wobei der systemtheoretische Beobachtungsbegriff von dem alltäglichen Beobachtungsbegriff insofern abweicht, dass in der Alltagssprache Beobachten als Aktivität von Menschen verstanden wird. Der Mensch resp. das menschliche Bewusstsein kann beobachten. Hingegen berücksichtigt die Systemtheorie neben den psychischen Systemen andere Systemarten. Entsprechend kann sie einen auf das menschliche Bewusstsein zugeschnittenen Beobachtungsbegriff nicht akzeptieren 1. So benötigt die Systemtheorie also einen allgemeinen Beobachtungsbegriff, um andere Systemarten, wie beispielsweise organische, autopoietische 2 und soziale Systeme zu berücksichtigen. Dieser generalisierte Beobachtungsbegriff beinhaltet unter anderem auch neurophysiologische Systeme, welche ihr eigenes Bild ihrer Umwelt konstruieren, also die Umwelt beobachten. Ferner löst Luhmann den Beobachtungsbegriff aus seiner psychischen Systemreferenz und formuliert eine allgemeine Theorie der Beobachtung, als Bezeichnung anhand einer Unterscheidung. Die Operation des Beobachtens setzt sich aus zwei verschiedenen Komponenten zusammen, die zwei Momente einer einzigen Operation sind. Eine Unterscheidung wird gewählt (z. B. Frau/Mann oder Recht/Unrecht). Im Zuge dessen wird die gewählte Unterscheidung bezeichnet (z. B. Frau oder Recht). Luhmann betont weiter, dass die Unterscheidung für nachfolgende Operationen nur dann Sinn macht, wenn eine der beiden Seiten bezeichnet wird. Ergo treten beide Komponenten bei der Beobachtung stets gemeinsam auf. Beobachtung ist demnach also immer eine Bezeichnung im Rahmen einer Unterscheidung. Es stellt sich aber als unmöglich dar, beide Seiten der Unterscheidung gleichzeitig zu bezeichnen, wobei ein Hinüberwechseln, auch crossing genannt, möglich ist. Die jeweils andere Seite der Unterscheidung beansprucht hierbei Zeit. Bei diesem Wechsel in ein unbekanntes Gelände definiert sich die eine Seite zunächst als alles das, was die andere nicht ist. Eine Unterscheidung mit Bezeichnung des Unterschiedenen beinhaltet eine Entscheidung für etwas. Unterschieden und bezeichnet werden beispielsweise Sein/Nichtsein; System/Umwelt; Recht und Unrecht. Die andere nicht bezeichnete Seite bleibt in diesem Kontext unbestimmt. Ergo ist im Augenblick des Beobachtens nur eine Beobachtung möglich. Im Zuge dessen operiert die Beobachtung blind. Als diskursiv stellt sich in diesem Zusammenhang dar, dass Beobachtung streng genommen gar nicht möglich wäre, dennoch macht sie sichtbar, obwohl sie gar nicht sichtbar machen kann, welche Beobachtung dieser Beobachtung zugrunde liegt. Konsensuell wird beobachtet, obwohl oder weil gar nicht beobachtet werden kann. De facto kann jede Beobachtung von einer anderen Beobachtung beobachtet werden (vgl. ebd.). Trotz der Tatsache, dass Beobachtung bisher mit dem Begriff der Operation gleichgesetzt wurde existieren Unterschiede. Vielmehr bedingt die Operation die Beobachtung insofern, dass sie die Beobachtung erst ermöglicht. Abbildung 1 führt die differenzierten Aspekt beider Begrifflichkeiten auf. 1 2 Vgl. Kneer; Nassehi, Unter autopoietischen Systemen werden selbstmachende Systeme verstanden. System produzieren sich fortlaufend selbst und unterscheiden sich durch ihre spezifische Art. 4
5 Unterscheidung-Bezeichnung R e l a t i o n - E l e m e n t Autopoiesis als Modus der Operation Beobachtung als Operation OPERATION Referenz als Implikation von Operationen System als operierende Einheit S y s t e m - U m w e l t Selbstreferenz - Fremdreferenz Abbildung 1: Operation (vgl. Krause, 2001, S. 75) 2. Acht epistemologische Konsequenzen Der definierte Beobachtungsbegriff als Bezeichnung anhand einer Unterscheidung hat in diesem Kontext epistemologische Konsequenzen immanent (vgl. Kneer; Nassehi,1993). 2.1 Der generalisierte Beobachtungsbegriff Der Beobachtungsbegriff ist demnach so allgemein gewählt, dass nicht ausschließlich Bewusstseinssysteme, sinnverarbeitende Systeme und autopoietische Systeme die Möglichkeit besitzen Beobachtung auszuführen, sondern auch beispielsweise allopoietische Systeme. Die Autoren führen in diesem Diskurs das Beispiel eines Thermostats an, der die Zimmerheizung beobachtet und anhand der Unterscheidung Temperaturabweichung/eingestellte Temperatur die Temperaturabweichung bezeichnet. Es ist also evident, dass der Beobachtungsbegriff auf unterschiedliche Systemarten angewandt werden kann. Die Autoren weisen ferner in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich ab diesem Punkt alles auf soziale Systemreferenz bezieht (vgl. ebd.). 2.2 Beobachtung als Konstruktion eines operativ- geschlossenen Systems Soziale Systeme können ihre Umwelt beobachten sind aber in divergenter Weise nicht in der Lage einen unmittelbaren Kontakt zu ihrer Umwelt herzustellen. Beobachtung stellt sich als systeminterne Operation dar, die immer eine Konstruktion eines Systems ist, wobei Luhmann explizit darauf hinweist, dass diese These nicht der operativen Geschlossenheit sozialer 5
6 Systeme widerspricht. Vielmehr ist Beobachtung eine Konstruktion eines operativgeschlossenen Systems, das über keinen direkten Kontakt zur Außenwelt verfügt (Kneer; Nassehi, 1993). Bezüglich der sozialen Systeme handelt es sich bei den systeminternen Operationen um Kommunikation. Konsensuell können Kommunikationssysteme als operativgeschlossene Systeme nicht mit der Außenwelt kommunizieren, aber sie können die Umwelt beobachten, indem sie über ihre Umwelt kommunizieren. Im Zuge dessen stellt sich Kommunikation als eine Kombination von Selbst- und Fremdreferenz dar. Soziale Systeme erzeugen also Offenheit durch ihre selbstreferenzielle Geschlossenheit. Über das soziale System selbst zu kommunizieren ist also Beobachtung - und damit auch Selbstbeobachtung (vgl. ebd.). 2.3 Die Beobachtungsperspektive Jede Beobachtung ist an ihre gewählte Unterscheidung gebunden. Ergo kann Beobachtung nur sehen, was sie mit Hilfe der Unterscheidung sehen kann. Demnach sind alle Aussagen an die jeweilige Beobachtungsperspektive gebunden. Entweder liegt Recht oder Unrecht vor. Die andere Seite kann nur mittels einer neuen Unterscheidung bezeichnet werden. Die erwähnten Perspektiven werden am folgendem Beispiel deutlich. Während sich ein Banküberfall für den Bankräuber unter Umständen als lukrativ erweist, sprich gewinnbringend/nicht gewinnbringend, wird das Gericht den Überfall als Unrecht qualifizieren. Diskursiv ist demnach, dass es jeweils mehr als eine Unterscheidungsmöglichkeit gibt, mit der etwas beobachtet werden kann (vgl. a.a.o.). 2.4 Der blinde Fleck Da keine Beobachtung zugleich beide Seiten der Unterscheidung bezeichnet, kann keine Beobachtung im Moment der Beobachtung sich selbst beobachten. Beobachtung gebraucht also bestimmte Unterscheidungen, ist bezüglich dieser aber nicht in der Lage sie zu beobachten. Entsprechend kann sie verwendete Unterscheidungen nicht von etwas anderem unterscheiden und damit auch nicht bezeichnen. Jede Beobachtung benutzt die eigene Unterscheidung als ihren blinden Fleck. Obwohl Beobachtung ihre eigene Unterscheidung nicht beobachten kann, ist es nicht ausgeschlossen, dass eine zweite Beobachtung die Unterscheidung der ersten Beobachtung beobachtet, sie also mit Hilfe einer anderen Unterscheidung bezeichnet. De jure ist die Beobachtung zweiter Ordnung die Beobachtung der Beobachtung. Es handelt sich um ein zweites System, das den erste Beobachter beobachtet, wobei dies der gleiche, aber auch ein anderen Beobachter sein kann. 2.5 Beobachtung zweiter Ordnung Die Beobachtung zweiter Ordnung ist wie die Beobachtung erster Ordnung an ihre eigene Unterscheidung gebunden. Ferner kann sie sich nicht selbst beobachten und ist bezüglich auf ihre eigene Unterscheidung eine Beobachtung erster Ordnung. Eine Beobachtung zweiter Ordnung ist sie nur in Bezug auf andere Beobachtungen. Insofern besitzt die Beobachtung zweiter Ordnung als die Beobachtung einer Beobachtung keine privilegierte Position (ebd., 101). Ergo besteht zwischen Beobachtung erster und zweiter Ordnung kein hierarchisches Verhältnis. 6
7 Die Beobachtung zweiter Ordnung bleibt ferner an ihren eigenen blinden Fleck gebunden und kann demnach nur sehen, was sie sehen kann und kann nicht sehen, was sie eben nicht sehen kann (vgl. Kneer; Nassehi, 1993). Weiter soll nicht unbeachtet bleibe, dass die Beobachtung der Beobachtung reflexive Einsichten für die eigene Beobachtung ermöglicht. Ein Beobachter kann nicht sehen, was er nicht sehen kann. Er kann auch nicht sehen, dass er nicht sehen kann, was er nicht sehen kann (a.a.o., S.101). Innerhalb diesen Kontextes ergibt sich die Korrekturmöglichkeit der Beobachtung des Beobachters, selbst wenn auch die Beobachtung zweiter Ordnung an den eigenen blinden Fleck gebunden ist- sonst könnte dieser nicht beobachten. Wenn er aber einen anderen Beobachter beobachtet, kann er dessen blinden Fleck, dessen Apriori, also dessen latente Strukturen beobachten. Der Beobachter zweiter Ordnung kann also durch die Beobachtung der Beobachtung Rückschlüsse auf seine eigenen Beobachtungsoperationen ziehen und in diesem Zuge seinen eigenen Standpunkt relativieren oder auch dislokalisieren. Der Beobachter zweiter Ordnung kann zumindest sehen, dass er nicht sehen kann, was er nicht sehen kann (ebd.). 2.6 Mono- und Polykontexturalität Es stellt es sich als evident dar, dass wenn der Beobachter erster Ordnung sich zur Beobachtung zweiter Ordnung begibt, er beobachtet, wie andere Beobachter beobachten. (...) dies führt zu einem radikal gewandelten Welt-, Seins- und Realitätsverständnis (Kneer; Nassehi, 1993). Auf der Ebene der Beobachtung erster Ordnung erscheint die Welt monokontextural 3, also stets zweiwertig, während sich die Beobachtung zweiter Ordnung als polykontexturale 4 Welt darstellt. Diesbezüglich lässt sich sagen, dass ein Beobachter, der einen anderen Beobachter beobachtet die beobachtungsleitende Unterscheidung des beobachteten Beobachters anhand seiner Unterscheidung bezeichnen und somit beobachten kann. Diesbezüglich kann der Beobachter zweiter Ordnung somit beobachten, dass das beobachtete System nicht sehen kann, was es sehen nicht sehen kann. Ferner kann jede Beobachtung von einer anderen Beobachtung beobachtet und in diesem Kontext auch kritisiert werden, womit es als immanent erscheint, dass die absolut»richtige«sicht der Dinge und der Welt entfällt. Explizite stellt sich jede Beobachtung als kontingente Konstruktion 5 dar. 2.7 Paradoxie und Entparadoxierung Unter»paradox«werden Aussagen verstanden, die in eine Situation der Unentscheidbarkeit führen. Demnach enthalten paradoxe Situationen zwei Werte, von denen sich aber keiner Entweder liegt der positive oder der negative Wert vor, während eine dritte Möglichkeit gänzlich ausgeschlossen ist. Kontextur bezeichnet den Bereich, welcher mit einer Unterscheidung aufgespannt ist (vgl. Kneer; Nassehi, 1993). Polykontexturalität bedeutet, dass es eine Vielzahl von Unterscheidungen und eine Vielzahl von Kontexturen gibt, die von keinem archimedischen Beobachtungspunkt ineinander überführt und verglichen werden können (ebd.). Konstruktion, die bei einer anders gewählten Unterscheidung auch anders hätte ausfallen können. 7
8 wirklich ausschließen lässt. Was wahr ist, ist falsch und was falsch ist, ist wahr (a.a.o., S.105). Paradoxe Aussagen sind weiter selbstreferenziell strukturiert und enthalten ferner ein Gegensatzpaar, wie beispielsweise Lügner/kein Lügner. Sie operieren folglich mittels einer Unterscheidung und beruhen auf folgenden zwei Bedingungen. Zum einen die Selbstreferenz 6 und zum anderen die Benutzung einer Unterscheidung. Kombiniert man beide Bedingungen miteinander, so gelangt man zu einer Situation der Unentscheidbarkeit (vgl. ebda.). Bei der Beobachtung sozialer Systeme sind beide Paradoxiebedingungen immanent. Somit stellt sich ein Paradox immer als ein Problem eines beobachtbaren Systems dar. Jede Beobachtung braucht ihre Unterscheidung und also ihr Paradox der Identität des Differenten als ihren blinden Fleck, mit dessen Hilfe sie beobachten kann (Luhmann, 1990:123) (Kneer; Nassehi, 1993, S.106, Luhmann zitierend). Eine Paradoxie ist also durch eine Situation der Unentscheidbarkeit charakterisiert. Die Anschlussfähigkeit für weitere Operationen kann nur durch die diskursive Entparadoxierung gesichert werden. Hierbei werden die zugrundeliegenden Paradoxien aufgelöst, um auswegloses Oszillieren 7 (vgl. ebd.) zwischen den beiden Beobachtungswerten zu verhindern. Die Paradoxien werden im Zuge dessen ausgeblendet, wobei Luhmann keine Antwort dafür gibt, wie dies genau geschieht, da jede Entparadoxierung auf kontingenten Entscheidungen beruht, die auch hätten anders ausfallen können. Bezüglich des Beobachters zweiter Ordnung lässt sich festhalten, dass dieser die zugrundeliegende Paradoxie und die diskursive Entparadoxierung beobachten kann. 2.8 Autologische Implikationen Autologische Implikationen sind Teil der Theorie des Beobachtens und besagen, dass das, was die Theorie über das Beobachten aussagt auch für die Theorie selbst gilt. Explizite ist grundlegend für Luhmanns Theorie sozialer Systeme die Unterscheidung von System und Umwelt. Diese Differenztheorie beinhaltet, dass System und Umwelt niemals zugleich sind. 3. Der Beobachter erster und zweiter Ordnung im Vergleich Die Operation des Beobachtens erfordert zwangsläufig einen Beobachter, wobei dieser kein vernünftiges Subjekt im Sinne unseres Alltagsverständnisses ist. In der Systemtheorie tritt der Beobachter an die Stelle des Subjekts. Die Umstellung von Subjekt auf Beobachter impliziert für den Beobachter als System einen, wie man sagen könnte, entsubjektivierten objektiven Status (Krause; 2001, 110). Ferner stellt sich der Beobachter immer schon und durchgehend als vorhanden dar. Er bedingt sich selbst als paradoxe und selbstrefernzielle Einzeldarstellung. Ergo kann der Beobachter nichts beobachten, was außerhalb seiner Beobachtung besteht. Bezogen auf autopoietische Systeme bedeutet dies, dass beispielsweise eine Zelle relevante Umweltereignisse registriert. Diesbezüglich unterscheidet das System basierend auf seiner codierten elementaren Operation (ebd., S.77). Psychische Systeme hingegen unterscheiden Gedanken, während soziale Systeme z. B. Gespräche, Diskussionen oder Debatten über bestimmte Themen beobachten. 6 7 Das, was sie aussagen, gilt auch für sie selbst. Hin- und Herpendeln zwischen den beiden Beobachtungswerten, welche in bestimmbare Komplexität überführt werden sollen, um die Anschlussfähigkeit weiterer Operationen zu sichern. 8
9 Eine Beobachtung kann nicht von alleine stattfinden, sondern braucht einen Beobachter. Für diesen Beobachter gelten die gleichen Voraussetzungen und Kennzeichen wie für die Beobachtung selbst. beobachtet das, unterscheidet und kann sich oder was er beobachtet. bezeichnet das Un- andere Beobachter Das ist tautologisch. terschiedene. Das beobachten. Das ist ist formbildend. selbst-/fremdbeobachtend. kann nicht beobachten, wie er was beobachtet. Das ist sein blinder Fleck. Der Beobachter setzt sich selbst als Beobachter voraus. Das ist selbstimplikativ beobachtet, obwohl oder weil er gar nicht beobachten kann. Das ist paradox. beobachtet tatsächlich. Das ist real. Abbildung 2: Beobachter (vgl. Krause; 2001,76) Zur Beobachtung erster Ordnung lässt sich weiter feststellen, dass es sich immer um Was- Fragen handelt. Die Beobachtung zweiter Ordnung bezieht sich ausschließlich auf Wie- Fragen, wobei immer sichtbar wird, wie was unterschieden wird (System/Umwelt). Ferner sind Beobachtung erster und zweiter Ordnung nicht gleichzeitig möglich, da eine Zeitdifferenz besteht. 3.1 Realität des Beobachtens und beobachtbare Realität Die bisherigen Ausführungen könnten die Fragestellung implizieren, was als letztes beobachtet wird. Ein Letztbeobachten allen Beobachtens ist allerdings ausgeschlossen, da keine einzig richtige Beobachtung existiert, und demnach auch keine dementsprechende 9
10 Erkenntnis. Die Beobachtung selbst ist dennoch real, ein zweifellos empirischer Vorgang (a.a.o., 111). Bezüglich der Realität des Beobachtens und der beobachtbaren Realität ist festzustellen, dass selbst die Idee von der Realität vor der Beobachtung eine nachvollziehbare Beobachtung wäre. Beobachtung wäre aber sinnlos, wenn es nichts zu beobachten gäbe. Allerdings zeichnet sich Beobachtung selbst nicht als real aus, denn Realität ist lediglich eine Kategorie eines sinnoperierenden Systems. Realität an sich ist beobachtbar. Realität an sich ist nicht beobachtbar. Realität ist beobachterunabhängig beobachtbar. Realität ist Instrukt. Realität ist beobachterabhängig beobachtbar. Realität ist Konstrukt. Realität ist beobachtbar. Realität wird real beobachtet. Beobachtungen von Realität sind beobachtbare Systeme Abbildung 3: Beobachtung von Realität (vgl. Krause; 2001, 80) 10
11 4 Literatur I. Kneer, Georg; Nassehi, Armin. 1993: Niklas Luhmanns Theorie Sozialer Systeme. Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag. München II. Krause, Detlef. 2001: Luhmann- Lexikon. Lucius & Lucius. Stuttgart. 5 Abbildungsverzeichnis Abb.1 Operation 5 Abb.2 Beobachter 9 Abb.3 Beobachtung von Realität 10 6 Anhang I. Thesenpapier II. III. Operation des Beobachtens Selbst- Fremdreferenz IV. Zitat Luhmann (1990:123) V. Der Beobachter 11
12 I. Thesenpapier Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme: Beobachtung Zusammenfassung wichtiger Grundbegriffe: Beobachtung ist eine Operation, die aus den beiden Momenten der Unterscheidung und der Bezeichnung besteht. Etwas beobachten heißt somit, etwas im Rahmen einer Unterscheidung bezeichnen. Jede Beobachtung ist an einen blinden Fleck gebunden. Der Beobachter benutzt eine Unterscheidung, die er mit Hilfe dieser Unterscheidung aber nicht bezeichnet und somit nicht beobachten kann. Die Beobachtung des Beobachtens, d.h. die Beobachtung zweiter Ordnung, ist ebenfalls Beobachtung und ist darum ebenfalls an einen blinden Fleck gebunden. Aber anders als der Beobachter erster Ordnung kann der Beobachter zweiter Ordnung die Relativität seiner eigenen Beobachtungsoperation beobachten. Er kann sehen, dass er nicht sehen kann, was er nicht sehen kann. Literatur Luhmann, N. (1990). Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt/M. Kneer, G. & Nassehi, A. (1993). Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme- Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag: München. 12
13 II. Operation des Beobachtens setzt sich aus zwei verschiedenen Komponenten zusammen 1) UNTERSCHEIDEN 2) BEZEICHNEN = zwei Momente einer einzigen Operation eine Unterscheidung wird gewählt : Z.B. Frau / Mann ; Recht / Unrecht eine der beiden Seiten der Unterscheidung wird bezeichnet : Z.B. Frau, Recht Unterscheidung hat für weitere Operationen nur Sinn, wenn eine der beiden Seiten bezeichnet wird Beide Komponenten treten bei der Beobachtung immer gemeinsam auf BEOBACHTUNG = immer eine Bezeichnung einer Seite im Rahmen einer Unterscheidung! Literatur: Kneer / Nassehi (1993). Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme- Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag: München. 13
14 III. Acht epistemologische Konsequenzen Der definierte Beobachtungsbegriff (nämlich als Bezeichnung anhand einer Unterscheidung) ist mit einer Reihe von epistemologischen Konsequenzen verbunden. 1) Der allgemein gewählte Beobachtungsbegriff 2) Selbst- und Fremdreferenz 3) Beobachtungsperspektive 4) Blinder Fleck 5) Beobachtung 2. Ordnung 6) Mono- und Polykontexturaltität 7) Paradoxie & Entparadoxierung 8) Autologische Implikationen Literatur: Kneer / Nassehi (1993). Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme- Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag: München. 14
15 Soziale Systeme erzeugen Offenheit durch ihre selbstreferentielle Geschlossenheit Selbstreferenz Z.B. Kommunikationssysteme = operativ geschlossene Systeme zugleich Fremdreferenz Z.B. Kommunikationssysteme = verweisen mittels ihrer Operationen auf anderes Über das soziale System selbst zu kommunizieren = Beobachtung = Selbstbeobachtung Literatur: Kneer / Nassehi (1993). Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme- Eine Einführung. Wilhelm Fink Verlag: München. 15
16 Jede Beobachtung braucht ihre Unterscheidung und also ihr Paradox der Identität des Differenten als ihren blinden Fleck, mit dessen Hilfe sie beobachten kann. (Luhmann 1990: 123 ) 16
17 kann sich oder andere Beobachter beobachten = selbst/ fremdbeobachtend beobachtet das, was er beobachtet unterscheidet und bezeichnet = tautologisch das Unterschiedene = formbildend Der Beobachter kann nicht beobachten, wie er was beobachtet beobachtet, obwohl oder weil er nicht beobachten kann = blinder Fleck = paradox setzt sich selbst als Beobachter voraus = selbstimplikativ beobachtet tatsächlich = real Literatur: Krause, D. (2001). Luhmann-Lexikon. Lucius & Lucius: Stuttgart. 17
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