wirkaufleute Schuften bis zum Umfallen, trotz Arbeitsgesetz Monatszeitschrift des Kaufmännischen Verbandes Zürich 10/08
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- Herta Junge
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1 wirkaufleute Monatszeitschrift des Kaufmännischen Verbandes Zürich 10/08 Schuften bis zum Umfallen, trotz Arbeitsgesetz
2 Schuften bis zum Umfallen, trotz Arbeitsgesetz Die sogenannte Vertrauensarbeitszeit hat in vielen Betrieben Einzug gehalten. Es gibt hier keine Regelungen mehr für die Arbeitszeit. Stempeluhren wurden abgeschafft. Wie viel oder wie wenig die Beschäftigten arbeiten, bleibt ihnen selbst überlassen. Hauptsa che, das Ergebnis stimmt. Das neue Motto heisst: «Macht, was ihr wollt, aber seid profi tabel.» Moderne Arbeitgebende setzen auf Selbstverantwortung, auf Vertrauen statt Kon trolle. Grössere Selbstständigkeit, eigene Entscheidungsbefugnis und Verantwort lichkeit sind die Vorteile, Überstunden aber nicht selten die Nachteile. Dr. Peter Meier, Arbeitsbedingungen, Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich 2
3 TITELSTORY «Vertrauensarbeitszeit läuft in al - ler Regel schlicht auf eine de -fac- to-verlängerung der Arbeitszeiten ohne jede zeitli che oder finanzielle Kompensation hinaus», stellten die Arbeitszeitforscherin Christa Herrmann und ihre Kolleginnen in einer Studie am Sozialwissen - schaftlichen Forschungs institut der Uni - versität Erlangen-Nürnberg fest. Schon in jedem dreissigsten Betrieb wird die Arbeitszeit nicht mehr aufgeschrieben. Scheinbar freiwillig arbeiten die Leu te bis zum Umfallen. Wie sehen aber eigentlich die gesetzlichen Vorschriften aus? Begriff der Arbeitszeit Als Arbeitszeit gilt die Zeit, während der sich der Arbeitnehmer zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten hat; der Weg zu und von der Arbeit gilt nicht als Arbeitszeit. Ist die Arbeit ausserhalb des Arbeitsortes zu leisten, an dem der Arbeitnehmer normalerweise seine Arbeit verrichtet, und fällt dadurch die Wegzeit länger als üblich aus, so stellt die zeit - liche Differenz zur normalen Wegzeit Arbeitszeit dar. Muss sich ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin auf Anordnung des Ar - beitgebers oder aufgrund seiner bzw. ihrer beruflichen Tätigkeit von Gesetzes wegen weiter- oder fortbilden, dann stellt die dafür aufgewendete Ausbildungszeit Arbeitszeit dar. Pausen und Ruhezeiten Den Arbeitnehmern sind mindestens fol - gende Pausen zu gewähren: a) Eine Viertelstunde bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als fünfeinhalb Stunden; b)eine halbe Stunde bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sieben Stunden; c) eine Stunde bei einer täglichen Arbeits - zeit von mehr als neun Stunden. Die Pausen sind um die Mitte der Arbeitszeit anzusetzen. Entsteht vor oder nach einer Pause eine Teilarbeitszeit von mehr als 5 1/2 Stunden, so ist für diese eine zusätzliche Pause zu ge währen. Die Pausen gelten als Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz nicht ver - lassen dür fen. Den Arbeitnehmern ist eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf aufeinander folgenden Stun den zu ge - währen. Die Ruhezeit kann für erwachsene Arbeitnehmer einmal in der Woche bis auf acht Stunden herabgesetzt werden, sofern die Dauer von elf Stunden im Durchschnitt von zwei Wochen eingehalten wird. Wöchentliche Höchstarbeitszeit Von entscheidender Bedeutung ist die arbeitsgesetzliche Höchstarbeitszeit: Diese beträgt für Arbeitnehmer in indus - triellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Ange stellte, mit Einschluss des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels 45 Stunden, für die übrigen Arbeitnehmer 50 Stunden. Überzeitarbeit Arbeitsgesetzliche Überzeitarbeit liegt vor, wenn die wöchentliche Höchstarbeits zeit ausnahms weise überschritten wird, namentlich wegen der Dringlichkeit von Arbeiten, für Inventaraufnah - men, bei Betriebsstörungen und Ähnlichem. Dabei darf die tägliche Normalarbeitszeit um maxi mal zwei Stunden im Tag überschritten werden ausser an arbeitsfreien Werktagen und in Notfällen, und im Kalender jahr insgesamt nicht mehr betragen als: MICHAEL MÖLLER@FOTOLIA.COM 3
4 170 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 45 Stunden, 140 Stunden für Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 50 Stunden. Der Arbeitnehmer ist zur Leistung von Überzeitstunden verpflichtet, soweit die - se notwendig ist und sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. Nicht zumutbar ist Überzeitarbeit beispielsweise dann, wenn der Arbeitgeber durch eine zweckmässigere Arbeitseinteilung deren Notwendigkeit vermeiden kann, wenn ihm bei dauernd erhöhtem Arbeitsanfall vernünftigerweise die Einstellung weiterer Arbeitskräfte zugemutet werden kann oder wenn der betroffene Arbeit nehmer ausserberuflich ausgelastet ist oder aus gesundheitlichen Gründen nicht zusätzlich be lastet werden darf. Die geleistete Überzeitarbeit kann im gegenseitigen Einverständnis durch Freizeit von mindes tens gleicher Dauer ausgeglichen werden. Die Freizeit - kompensation kann jedoch weder einsei tig vom Arbeitnehmer beansprucht, noch vom Arbeitgeber gegen den Willen des Arbeitnehmers diktiert werden. Der Ausgleich von Überzeitarbeit ist innert 14 Wochen vorzunehmen, sofern nicht ei - ne längere Frist vereinbart wird, die aber 12 Monate nicht übersteigen darf. Wird Überzeit nicht durch Freizeit ausgeglichen, so hat der Arbeitgeber für die Über - zeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von 25% bemisst. Für Büroper sonal sowie technische und anderen An ge stell te, einschliesslich des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels, sieht das Gesetz einen zeitlichen oder geldmässigen Aus gleich erst für jährliche Überzeit vor, die die 60 Stun dengrenze überschreitet. Der finanzielle oder zeitliche Ausgleich von Überzeit arbeit ist zwingend vorgeschrieben und kann nicht durch vertragliche Vereinbarung wegbe - dungen werden. Arbeitnehmer in einer höheren leitenden Tätigkeit sind diesbezüglich dem Arbeitsgesetz nicht unterstellt. Für sie gelten die Arbeitszeitbestimmungen des Arbeitsgeset zes nicht. Tages- und Abendarbeit Als Tagesarbeit gilt die Arbeit von 6 bis 20 Uhr. Die Arbeit von 20 bis 23 Uhr gilt als Abendarbeit. Abendarbeit kann vom Arbeitgeber nach Anhörung der Arbeitnehmervertretung im Betrieb oder, wo eine solche nicht besteht, der betroffenen Arbeitnehmer eingeführt wer den. Nachtarbeit Grundsätzlich verboten ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern ausserhalb der betrieblichen Tages- und Abendarbeit. Ausnahmen sind möglich, sofern Nacht - arbeit aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist oder ein dringendes Bedürfnis nach gewie sen wird. Voraussetzung für die Nachtarbeit ist stets das Einverständnis des Arbeitnehmers. Bei Nachtarbeit darf die tägliche Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer neun Stunden nicht überschreiten; sie muss, mit Einschluss der Pausen, innerhalb eines Zeitraumes von zehn Stun den liegen. Im Hinblick auf die sozialen und gesundheitlichen Nachteile der Nachtarbeit kommt der Re ge lung des Lohn- und Zeitzuschlages eine grosse Bedeutung zu. Es gelten folgende Regeln: Dem Arbeitnehmer, der nur vorübergehend Nachtarbeit (weniger als 25 Nächte pro Ka lenderjahr) verrichtet, hat der Arbeitgeber einen Lohnzuschlag von mindestens 25% zu bezahlen Arbeitnehmer, die dauernd oder regel - mässig wiederkehrend (25 und mehr 4
5 TITELSTORY Nächte pro Kalenderjahr) Nachtarbeit leisten, haben für geleistete Nachtarbeit ab dem 1. August 2003 grundsätzlich Anspruch auf eine zehnprozentige Zeitkompensation. Weitere Vorschriften regeln die Ansprüche des Arbeitnehmers in Bezug auf medizinische Untersuchungen und Beratung, auf die Sicherheit des Arbeitsweges, die Organisation des Trans por - tes, die Ruhegelegenheiten, die Ver - pflegungsmöglichkeiten sowie die Kinderbetreuung. Sonntagsarbeit und Feiertage Analog zur Regelung der Nachtarbeit ist auch die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonnta gen grundsätzlich verboten. Aus den gleichen Gründen wie bei der Nachtarbeit ist Sonntagsar beit zulässig (technische, wirtschaftliche Unentbehrlichkeit, dringendes Bedürfnis). Innert zweier Wochen muss wenigstens einmal ein ganzer Sonntag als wöchentlicher Ruhetag gewährt wer den. Vorbehalten bleiben diesbezüglich zahlreiche gesetzliche Ausnahmen. Sonntagsarbeit von einer Dauer bis zu fünf Stunden ist durch Freizeit auszugleichen. Dauert sie länger als fünf Stunden, so ist während der vorhergehenden oder der nachfolgenden Woche im Anschluss an die tägliche Ruhezeit ein auf einen Arbeitstag fallender Ersatzruhetag von mindes tens 24 auf einander folgenden Stunden zu ge währen. Vorübergehende, unregelmässige Sonntagsarbeit ist mit einem Lohnzuschlag von 50% abzugelten. Die Leistung von Sonntagsarbeit setzt stets das Einverständnis des Arbeitnehmers voraus. Der 1. August ist den Sonntagen gleichgestellt. Die Kantone können höchstens acht weitere Feiertage im Jahr den Sonntagen gleichstellen. Wöchentlicher freier Halbtag Wird die wöchentliche Arbeitszeit auf mehr als fünf Tage verteilt, so ist den Ar - beitnehmern jede Woche ein freier Halbtag zu gewähren, mit Ausnahme der Wo - chen, in die ein arbeitsfreier Feier tag fällt. Der wöchentliche freie Halbtag gilt aber nur dann als bezogen, wenn der arbeitsfreie Feiertag mit dem Werktag zusammenfällt, an dem der freie Halbtag normalerweise bezogen wird. Flexibilisierung der Arbeitszeit Mit durchschnittlich über 41 Arbeitsstunden kennt die Schweiz eine der längs - ten wöchentlichen Arbeitszeiten der Industrieländer. Politischen Vorstössen, die eine Arbeitszeitverkürzung zum Ziel hatten, war in der Vergangenheit wenig Erfolg beschieden. Die Entwicklung in den Gesamt arbeitsverträgen geht dahin, die 40-Stunden-Woche zu verwirklichen. Der Druck auf das geltende Arbeitsrecht ist am stärksten spürbar im Bestreben nach einer Fle xibilisierung der Arbeitszeit. Die Interessen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Flexibilisie rung entgegenbringen, weichen jedoch erheblich voneinander ab. Ausserdem tangieren zahlrei che damit verbundene Fragen, wie etwa die Lockerung des Nacht- und Sonntagsarbeitsverbo tes, gesellschaftliche und kulturelle Werte. Diesen Anliegen ist mit der Revision des Arbeitsge setzes Rechnung getragen worden. Die Aufzeichnungspflicht blieb im neuen Arbeitsgesetz aber bestehen, die Unternehmungen haben gemäss Art. 73 der Verordnung 1 zum Arbeitsge setz u.a. die geleistete (tägliche und wöchentliche) Arbeitszeit inkl. Ausgleichs- und Überzeitar beit sowie ihre Lage aufzuzeichnen. Diese Unterlagen sind nach Ablauf ihrer Gültigkeit für min destens fünf Jahre aufzubewahren. UDO WEBER@FOTOLIA.COM 5
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