Die niederländische Malerei

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1 Die niederländische Malerei

2 Autor : Henry Havard Übersetzung : Karine Alker Seite 4: Porträt eines jungen Mädchens Cornelis Ketel, undatiert Öl auf Holz, 36 x 26 cm Museum westlicher Kunst, Kiew Layout: Baseline Co. Ltd A Nguyen Hue Fiditourist, 3 e Etage District 1, Hô Chi Minh Vietnam Sirrocco, London (Deutsche Ausgabe) Confidential Concepts, weltweit, USA Alle Rechte vorbehalten. Falls nicht anders angegeben, liegen die Urheberrechte der abgebildeten Werke bei den Fotografen. Trotz intensiver Recherchen war es uns in einigen Fällen nicht möglich, die Urheberrechte festzustellen. Bei Reklamationen wenden Sie sich bitte an den Verlag. ISBN :

3 Vorwort Der Barockmaler Peter Paul Rubens war wohl der bekannteste Maler seiner Zeit. Sowohl sein dynamischer, spannungsgeladener Bildaufbau als auch seine ausdrucksvolle, kontrastreiche Farbpalette waren richtungsweisend für seine Zeitgenossen. 3

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5 Inhaltsverzeichnis Die niederländische Malerei, ihre Ursprünge und Charakteristika 8 Die Frühphase 34 Die Übergangsphase 60 Die Blütezeit 88 Die Historien- und Portraitmaler 102 Genre- und Interieurmaler, Maler von Gesellschaftsstücken, volkstümlichen und ländlichen Szenen 134 Die Landschaftsmaler 182 Die Marinemaler 210 Die Stilllebenmaler 224 Niedergang der niederländischen Malerei 236 5

6 Contents Aartsen, Pieter Asselijn, Jan Avercamp, Hendrick Backhuysen, Ludolf Barthold Jongkind, Joahn Berchem, Nicolaes Berckheyde, Gerrit Bosch, Hieronymus , 49 Both, Jan Boursse, Esaias Bouts, Dirck Broederlam, Melchior Bruegel, Jan , 239 Bruegel der Jüngere, Pieter Bruegel der Ältere, Pieter Claesz Heda, Willem , Cuyp, Aelbert , 211, 215 David, Gérard Davidz de Heem, Jan , 231 De Hooch, Pieter , 161 De Keyser, Thomas De Leyden, Lucas , 59 De Witte, Emanuel , 139 Dou, Gérard , 145 Dujardin, Karel Engelbrechtsen, Cornelis Hackaert, Jan Hals, Frans , 91 Hobbema, Meindert , 205 Holländische Schule, Janssens Elinga, Pieter Jordaens, Jacob , 125 Kalf, Willem , 235 Ketel, Cornelis Lastman, Pieter Leyster, Judith Lievens, Jan Meister der Retabel des Bartholomäus, Metsu, Gabriel , 153 Metsys, Quentin Mostaert, Jan

7 Pot, Hendrick Potter, Paulus , 185 Pourbus der Ältere, Frans , 75, 85 Paul Rubens, Peter , 175 Ruysch, Rachel Saenredam, Pieter Seghers, Hercules Steen, Jan , 155 Steewyck, Harmen Teniers der Jüngere, David Ter Borch, Gerard Terborch der Jüngere, Gerard Ter Brugghen, Hendrick , 127 Van de Cappelle, Jan , 27, Van de Velde, Adriaen Van der Heyden, Jan , 193 Van der Neer, Aert , 179 Van der Ulft, Jacob Van de Velde, Adriaen Van de Velde Le Jeune, Willem , 217, 221 Van der Weyden, Rogier , 39 Van Delen, Dirck Van Dyck, Anthonis , 97 Van Everdingen, Allaert Van Eyck, Jan , 35 Van Goyen, Jan , 181 Van Heemskerck, Maerten , 63 Van Laer, Pieter Van Mieris, Frans Van Mieris le Jeune, Frans Van Oost der Jüngere, Jacob Van Ostade, Adrian , 167 Van Ravesteyn, Jan Van Reymerswade, Marinus Van Rijn Rembrandt, Harmensz , 101 Van Ruisdael, Jacob , 189 Van Ruysdael, Salomon Van Utrecht, Glaez Van Wittel, Gaspar , 245 Vermeer Van Delf, Johannes Von Ostade, Adriaen Vrel, Jacobus Weenix, Jan Wouwerman, Philips , 137 7

8 Die niederländische Malerei, ihre Ursprünge und Charakteristika Das künstlerische Schaffen einer großen Nation ist keineswegs ein Zufall, bei dem weder die Ursachen zu erkennen noch die Auswirkungen vorherzusehen sind. Vielmehr spielen Können und Charakter eines Volkes hier gleichermaßen eine Rolle, und so ist die Kunst immer auch ein Spiegel des Milieus, in dem sie entstand und ein Indiz für den Grad an Perfektion, den die Zivilisation erreicht hat, die diese Kunst hervorgebracht hat. Wenn Georges Buffon (1707 bis 1788) Recht hatte mit seiner Bemerkung, der Stil sei der Mensch, wie viel mehr Anlass hat man dann zu sagen Die Kunst ist die Nation, das Volk! Verkündigung und Heimsuchung, Darstellung im Tempel, Flucht aus Ägypten Melchior Broederlam, Tempera auf Paneel, 167 x 125 cm Musée des Beaux-Arts, Dijon 8

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10 Tatsächlich kann man jede ihrer künstlerischen Äußerungen als eine Synthese der Einstellungen und Fähigkeiten einer ganzen Nation betrachten, mit der sie zu den Menschen späterer Zeiten zu sprechen vermag, so, als wollte sie ihnen sagen: Beurteilen Sie mich nach den Zeugnissen aus meiner Hand, nach meinen Werken. Mehr als jedes andere Land beweisen die Niederlande mit ihrer herausragenden Malerei die Gültigkeit dieser Regel, besser: dieses Gesetzes. So spricht aus den Werken aller Künstler ein intensives Farbempfinden, eine außerordentliche Hingabe, mit der sie sich der Farbe widmen - sie ist die unbestrittene Herrscherin. Keiner der Künstler unternimmt auch nur den geringsten Versuch, sie in Frage zu stellen; Chor der Kirche St. Bavon, Haarlem, Blick von der Kerstkapel Pieter Saenredam, 1636 Öl auf Holz, 49 x 36,6 cm Sammlung Frits Lugt, Fondation Custodia,Paris Fondation Custodia, Paris 10

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12 im Gegenteil, sie wird geschätzt und ihr wird gehuldigt. Die Niederlande sind keineswegs ein ständig vom Nebel verhangenes, atmosphärisch trübes und düsteres Land, dem es an Farbigkeit fehlt; es ist im Gegenteil so leuchtend, wie man es sich nur vorstellen kann. Der von Feuchtigkeit gesättigte Himmel spiegelt das Licht mit einer überraschenden Intensität wieder. Die Wolken, seine ständigen Begleiter, werfen sich deutlich abzeichnende, doch transparente Schatten auf die Landschaft und unterteilen so die unendliche Ebene in helle und dunkle Flächen. Doch allein kann die Farbe nicht bestehen, wie jeder Maler weiß. Was ihr Glanz verleiht, ist der Kontrast zu ihren unmittelbaren Nachbarn, Zugefrorener Fluss Hendrick Avercamp, ca Öl auf Holz, 16 x 36 cm Museum Boymans-Van Beuningen, Rotterdam 12

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14 das Verhältnis von Licht und Schatten, von Schwarz und Weiß in der Komposition. So sind es letztlich die Kontraste und Wertigkeiten, die farbliche Schwingungen zur Geltung bringen, abschwächen oder ganz entkräften. Und schließlich sind da die breiten braunen Bänder, die die Landschaft durchziehen und die Farbigkeit der leuchtenden Teile doppelt so intensiv erscheinen lassen und die endlos scheinende Ebene durch ihre besondere Abfolge von Hell und Dunkel zu der vielleicht farbenprächtigsten Landschaft Mitteleuropas machen. Zudem neigen gerade die die niederländische Landschaft sprenkelnden Farben besonders dazu, sich Geltung zu verschaffen. Kleines holländisches Schiff unter einer leichten Brise Jan van de Cappelle, ca Öl auf Leinwand, 44 x 56 cm National Gallery, London 14

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16 Die beständige Feuchtigkeit der Polder verleiht den endlosen Wiesen ein ewiges Grün, das, stets frisch und lebendig, in gewisser Weise die Basis der Landschaft bildet. Darüber der Himmel, darunter das Wasser, in dem sich der Himmel spiegelt, beide von silbrigem Weiß oder extrem blassem Blau. Schließlich, zwischen Himmel und Erde, die Häuser mit ihren roten Dächern und braunen Mauern und die großen, schwarzen Mühlen mit ihren ockeroder safranfarbenen Flügeln, die die Farbpalette auf das Lebhafteste ergänzen. All denjenigen, die die unendlich scheinenden Weiten der niederländischen Ebenen durchstreift, die seine Flüsse und Kanäle befahren haben, muss dieser Kontrast so frappierend erscheinen, dass man sich fragt, Frau mit Staffelei Holländische Schule, ca Öl auf Leinwand, 41 x 21,7 cm Petit Palais- Musée des Beaux-Arts de la Ville de Paris, Paris 16

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18 wie so viele Experten, Gelehrte und Kritiker sich dieses Schauspiel haben entgehen lassen können, ohne seinen Charakter zu erfassen. Eines hätte ihnen jedoch zu denken geben müssen: Auch ohne die Natur selbst erlebt zu haben, hätte ein Blick auf die Werke der Landschaftsmaler genügt, um sie eines Besseren zu belehren. Entweder muss man die Gemälde eines Jacob van Ruisdael (S.187, 189) (1628 oder 1629 bis 1682), Meindert Hobbema (S.195, 205) (1638 bis 1709) oder Paulus Potter (S.183, 185) (1625 bis 1654) Lügen strafen, oder die niederländische Natur ist eine andere als die in ihren Werken dargestellte. Bei näherer Betrachtung ihrer Arbeiten finden sich weitere, kaum weniger stichhaltige Beweise für den enormen Einfluss, Das neue Rathaus von Amsterdam Jan van der Heyden, nach 1652 Öl auf Leinwand, 73 x 86 cm Musée du Louvre, Paris 18

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20 den die Natur auf ihre Kunst nahm, während zugleich deutlich wird, wie stark die Umgebung, in der sie lebten, die Wahl ihrer Motive und ganz allgemein die Entwicklung der niederländischen Schule (S.17) geprägt hat. Dort, wo stets ein leichter Nebel die Atmosphäre beherrscht, wo sich ein silbriger Schleier zwischen den Betrachter und die von ihm ins Auge gefassten Objekte legt, sind die Konturen zwangsläufig verschwommen, die Linien unpräzise. Mit Rationalität ist hier dem Eindruck des mit bloßem Auge wahrgenommenen Schauspiels nicht beizukommen. Dadurch, dass er den Blick seiner Zeitgenossen annimmt, macht der Maler sich ihre Sprache zu Eigen, und diese Sprache ist es letztlich, die seinen Bildern ihren Ausdruck verleiht. Chor der Kirche Saint-Jean in Utrecht Blick vom Längsschiff Emanuel de Witte, 1654 Öl auf Kupfer, 22,6 x 26,1 cm Sammlung Frits Lugt, Fondation Custodia, Paris 20

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22 So erklärt sich, dass nicht nur Flandern, Venedig und die Niederlande, sondern auch England feuchte Orte und Landschaften par excellence und damit ein durchaus fruchtbarer Boden für Koloristen waren und diese Länder deswegen nur wenige Zeichner hervorgebracht haben. Das soziale Milieu, in dem die Entwicklung der niederländischen Malerei stattfand - in einer Phase seiner Geschichte, die man als unabhängig bezeichnen könnte -, blieb ebenfalls nicht ohne Einfluss, weder auf die Wahl der Sujets noch auf die Art, wie sie behandelt wurden. Die Niederlande, so der französische Dramatiker Ludovic Vitet (1802 bis 1873), waren kein katholisches Land mehr, sondern zu einer Republik geworden. Weg in den Dünen Philips Wouwerman, XVII. Jahrhundert Öl auf Holz, 35 x 43 cm Staatliche Museen, Berlin 22

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24 Seitdem gab es keine Kirchen mehr zu schmücken, keine Paläste mehr zu dekorieren und folglich auch keine Heiligen und Madonnen mehr und nur noch sehr wenige jener groß angelegten Kompositionen, die man Historienbilder nannte. Rathäuser ersetzten nun die Paläste, und den Platz von Tempeln und Kirchen nahmen Doelen und Asyle ein. Da es nicht mehr zeitgemäß war, sich wie die mächtigen Familien Flanderns, Deutschlands oder Italiens portraitieren zu lassen auf Knien zu Füßen der Jungfrau oder im Schatten eines demonstrativ glücklichen Schirmherrn nahm man mutig Abstand von den Heiligen, die nicht mehr als ein Vorwand für das Portrait waren. An ihre Stelle traten bürgerliche Wachen, Segelschiffe auf dem Wijkermeer Salomon van Ruysdael, ca Öl auf Holz, 40 x 60 cm Staatliche Museen, Berlin 24

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26 Herrscher und hohe Beamte, deren Standbilder nicht die Tempel des Glaubens, sondern die städtischen Paläste, Krankenhäuser und Schießstände zierten. Damit wird deutlich, dass die niederländische Schule (S.17) in ihrer Blüte- und Reifezeit keine Anleihen macht, sondern alles aus ihrem eigenen Hinter-grund schöpft. Dabei stellt sich nun an dieser Stelle die Frage: Gibt es tatsächlich so etwas wie eine niederländische Schule? Die Tatsache, dass es eine niederländische, besondere Charakteristika aufweisende Kunst gibt, die sich selbstständig und mit außergewöhnlicher Lebendigkeit behauptet und eine Reihe unverwechselbarer Meisterwerke hervorgebracht hat, Schiffszene Jan van de Cappelle, 1650 Öl auf Eichenpaneel, 85 x 115 cm National Gallery, London 26