mögen, dürfen oder müssen Sie mit rund 10 Minuten rechnen.
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- Alma Holtzer
- vor 7 Jahren
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1 Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bewohnerinnen und Bewohner der Quartiere Unterstrass und Oberstrass, liebe Gäste, ich begrüsse Sie herzlich zur heutigen 1.-August-Feier hier im Irchelpark. Mein Name ist Daniel Wirz, und als Leiter des Bereichs Kommunikation bin ich Mitglied der Geschäftsleitung von Caritas Zürich, die übrigens fast zuunterst in Unterstrass, an der Beckenhofstrasse, domiziliert ist. Frau Maria Gnädinger hat mich gebeten, heute einige Worte an Sie zu richten, je nachdem, wie sehr Sie 1.-August-Reden mögen, dürfen oder müssen Sie mit rund 10 Minuten rechnen. Frau Gnädinger kennen Sie möglicherweise deshalb, weil sie nicht nur grössere Brötchen bäckt als andere, sondern auch feinere. Oder Sie kennen sie als Co-Präsidentin des Quartiervereins Unterstrass eine von drei Co-Präsidierenden übrigens, eine Dreierlösung. Das erinnert doch irgendwie an das, was wir heute feiern die Eidgenossenschaft hat schliesslich auch als Dreierlösung angefangen. Aber dazu später. Ich kenne Frau Gnädinger als engagiertes Mitglied der Katholischen Kirche und von Caritas Zürich; in der Synode gestaltet sie die Geschicke der Katholischen Kirche im Kanton mit, und als Mitglied der Projektkommission der Synode begleitet sie auch die
2 Entwicklung von Caritas Zürich konstruktiv-kritisch und mit Herzblut. Ich danke Ihnen, Frau Gnädinger, deshalb für Ihr Engagement und für die Gelegenheit, hier im Namen von Caritas Zürich auftreten zu können. Es war aber nicht ganz einfach, heute Abend hierher kommen zu können nicht wegen der Hitze, und auch nicht wegen der vielen Baustellen in der Stadt, sondern weil ich Teil einer Patchworkfamilie bin. Viele von Ihnen wissen sicher, dass es recht anspruchsvoll sein kann, die Bedürfnisse, Ansprüche und Wünsche aller Familienmitglieder immer unter einen Hut zu bringen. Nun, es wird nicht einfacher, wenn die Kinder normalerweise an verschiedenen Orten leben und sich vor allem am Wochenende sehen, wenn sie verschiedene Eltern haben, die inzwischen auch noch eine neue Partnerin oder einen neuen Partner haben, mit dem es sich auch noch irgendwie zu arrangieren gilt. Da wir in diesen Tagen eigentlich in den Ferien wären, wir aber noch keine fixen Pläne hatten und ich die Gelegenheit heute Abend nutzen und die Bitte von Frau Gnädinger nicht abschlagen wollte, gab es einiges zu diskutieren. Ich freue mich deshalb umso mehr, dass meine Patchworkfamilie heute Abend hier ist, meine 16-jährigen Zwillinge, frisch zurück
3 von Teneriffa, und meine Partnerin mit ihrem 7-jährigen Sohn, vor wenigen Tagen aus den Walliser Alpen zurückgekommen. Das alles erzähle ich Ihnen deshalb, weil mir bei der Suche nach einem Thema für heute Abend etwas aufgefallen ist: Auch die Schweiz ist eine Patchworkfamilie, und das ist sie schon viel länger, als dieser Begriff existiert. Eine Patchworkfamilie in dem Sinn, dass sie einzelne Menschen vereint, die verschieden sozialisiert sind, verschiedene Bedürfnisse haben und auch verschiedene Möglichkeiten und die sowohl ihr eigenes Leben als auch das Zusammenleben in dieser Gemeinschaft gestalten und auch geniessen möchten, wie wir das heute Abend tun. Als Dreierbund von Uri, Schwyz und nicht Unterstrass, sondern Unterwalden begann es anno 1291 ja noch recht übersichtlich, in den letzten 721 Jahren hat die Komplexität des Patchworks dann aber deutlich zugenommen. Und es scheint, dass es bei allen Spannungen noch immer recht gut zusammenhält.
4 Wenn so ein Patchwork wirklich hält, dann trägt es, und manchmal gibt es sogar warm, wie eine Patchworkdecke. Tragen und Wärme geben, das sind zwei verschiedene Dinge, das sehen wir auch in unserer alltäglichen Arbeit bei Caritas Zürich. Da gibt es auf der einen Seite das soziale Netz, das wir in der Schweiz geknüpft haben. Es hat eine lange Tradition, und es fängt viele Menschen auf, die manchmal langsam, manchmal Hals über Kopf mit ihrer Familie oder auch allein in eine schwierige Situation kommen. Die einen stellen sich unter dem sozialen Netz eher eine Hängematte vor, für faule Zeitgenossen. Die mag es tatsächlich geben. Die meisten Menschen, die zu uns kommen, erleben wir aber als solche, die hart kämpfen müssen, um nicht durch das soziale Netz hindurchzufallen, und die am liebsten so bald wie möglich wieder aus diesem Netz herauskommen wollen. Häufig wissen sie aber nicht, wie sie das anstellen sollen, und stehen deshalb in unserer Leistungs- und Erfolgsgesellschaft unter zusätzlichem Druck. Bei Caritas Zürich sehen wir das Netz nicht als Hängematte, sondern eher als Hängebrücke; sie soll den Menschen helfen, anfangs noch auf schwankendem Grund, wieder zur eigenen Kraft zurückzufinden, um schliesslich wieder auf den eigenen
5 Füssen und auf festem Boden zu stehen. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Und eben: zur Wärme kommt man nicht mit einem Netz, dazu braucht es ein dichteres Gewebe. Das versuchen wir bei Caritas Zürich zu weben, indem wir armutsbetroffenen Familien im Kanton Zürich Möglichkeiten geben, dazu zu gehören, ein Teil unserer grossen Patchworkfamilie zu sein, auch wenn es finanziell oft für Vieles nicht reicht. Armut bei uns im Kanton Zürich, das heisst nicht Hungern, es heisst Ausgeschlossen sein, nicht Dazugehören. Der Zusammenhalt unserer bunt gemischten und immer noch bunter werdenden Gesellschaft ist uns deshalb ein wichtiges Anliegen. Und wenn es dabei manchem verständlicherweise auch schon mal zu bunt wird, sehe ich hier doch eine Stärke der Patchworkfamilie Schweiz, der Patchworkfamilie Zürich. Die Feier heute ist ein gutes Beispiel dafür: Zwei Quartiervereine, in denen sich jeweils verschiedenste Menschen mit verschiedensten Interessen zusammengeschlossen haben, organisieren gemeinsam ein Fest, und beides sind Quartiere, die im Lauf der Zeit von der Eigenständigkeit in das Patchwork der Stadt Zürich hineingewachsen sind wurden die bis dahin
6 autonomen Gemeinden Unterstrass und Oberstrass ein Teil der Stadt Zürich. Schon bald darauf wurde der Quartierverein Unterstrass gegründet, um die Interessen des Quartiers im grossen Patchwork zu vertreten. Und in Oberstrass betrug die Zustimmung zur Eingemeindung damals sagenhafte 90 Prozent man gab sich also gerne in eine grössere Gemeinschaft ein. Heute, rund 120 Jahre später, ist das Zusammenleben als Gesellschaft nicht einfacher geworden. Die zunehmende Individualisierung und die Illusion, in unserer Options- und Konsumgesellschaft alles haben zu können, was man will, machen es schwieriger, sich in Blickwinkel und Bedürfnisse von anderen einzufühlen. Und die von den Medien im Überfluss, aber häufig ohne Zusammenhang oder Gewichtung vermittelten Informationen tragen meist wenig dazu bei, sich orientieren oder gar einen Überblick verschaffen zu können. Viele reduzieren Demokratie heute darauf, dass das gemacht wird, was die Mehrheit will. Demokratie ist aber mehr als das sie muss das Wohl und die Bedürfnisse aller in unserer grossen Patchworkfamilie im Auge haben, damit diese zusammen-
7 hält. Der viel zitierte Volkswille bei einem Mehrheitsentscheid ist ja in aller Regel auch keine einheitliche Willensäusserung, sondern diese Mehrheit ist ebenfalls ein Patchwork Achtung, jetzt wird s kompliziert: Ein Patchwork nämlich, das aus verschiedenen Minderheiten besteht und das in diesem Falle einfach mehr Minderheiten in sich zur Mehrheit vereinen konnte als die anderen Minderheiten, die damit in der Minderheit bleiben. Wie gesagt, etwas kompliziert, aber ich hoffe, dass Sie mir trotzdem gedanklich noch folgen können. Mitdenken ist nämlich ebenfalls etwas, von dem ich überzeugt bin, dass es das in der Demokratie wie auch in der Patchworkfamilie braucht. Caritas Zürich denkt mit, indem sie das Gespräch sucht, mit Armutsbetroffenen, mit Behörden, mit Politikerinnen und Politikern, mit der Kirche und anderen. Und indem sie sich dann eine Meinung bildet und überlegt, was sie selber beitragen kann, wie sie Armut verhindert oder lindert. Caritas Zürich will dafür sorgen, dass niemand vom Chare gheit, dass Kinder in armutsbetroffenen Familien eine Chance
8 bekommen, aus der Armutsspirale auszubrechen, was auch der sehnlichste Wunsch vieler armutsbetroffener Eltern ist. Wir freuen uns natürlich, wenn auch Sie in Ihrer Umgebung patchworken, den Austausch und die Gemeinschaft pflegen wie beispielsweise heute Abend, aber auch in schwierigeren Situationen. Verstehen Sie mich nicht falsch mit der Schweiz als Patchworkfamilie. Es gibt sicher zahlreiche Politikerinnen und Politiker, Mitbürger und Mitbürgerinnen, mit denen Sie auf keinen Fall verwandt sein möchten. Aber als Gesellschaft sind wir gemeinsam gewachsen zu derjenigen, die wir heute sind, und wir alle gestalten das Weiterwachsen mit, die einen aktiver, die anderen passiver. Ich wünsche Ihnen deshalb heute Abend die Lust am aktiven Gestalten mit Ihren Mitmenschen, um in der Vielfalt von Ansichten, Ideen und Vorstellungen immer wieder einen gemeinsamen Weg zu finden der muss ja nicht immer perfekt gradlinig sein. Caritas Zürich will diesen gemeinsamen Weg mitgestalten. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie wir das tun oder wie Sie uns dabei unterstützen können, sei es als Freiwillige
9 oder mit einer Spende, besuchen Sie am einfachsten unsere Website Und mit Punkt CH sind wir auch beim weiteren Programm: Ich mache jetzt einen Punkt, und wir feiern gemeinsam das CH. Ich wünsche Ihnen ein schönes Fest und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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