Umgang mit Kindern bei Einsätzen des Rettungsdienstes
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- Frida Günther
- vor 7 Jahren
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1 Umgang mit Kindern bei Einsätzen des Rettungsdienstes Prof. Dr. Harald Karutz Diplom-Pädagoge, Notfallsanitäter Notfallpädagogisches Institut, Essen
2 Programmübersicht 1. Die Situation der Helfer 2. Die Situation der Eltern 3. Die Situation der Kinder - Kinder als Patienten - Kinder als Zuschauer 4. Exkurs: Großschadenslagen
3 1. Die Situation der Helfer
4 Die Situation der Helfer (1) Einsätze mit Kindern sind besonders belastend!
5 Die Situation der Helfer (2) Einsätze mit Kindern sind eher selten Nur ca. 4 % der Notfälle sind Kindernotfälle Wahrscheinlichkeit für Kinderreanimation 0,04 % Nur alle 1,3 Monate ist im Rettungsdienst ein akut bedrohtes Kind zu versorgen Instinktives Schutzverhalten Kindheitsvorstellung und kognitive Dissonanz
6 Die Situation der Helfer (3) Kompetenz / Kompetenzgefühl: 70 % der Rettungsdienstmitarbeiter fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet! Gedanken an eigene Kinder Hilflosigkeit ohne eigene Kinder Glaube an eine gerechte Welt Theodizee-Problem Evtl. auch: Eigene Kindheitserfahrungen
7 Die Situation der Helfer (4) Bei mehreren betroffenen Kindern: Wie wird man gleichzeitig jedem einzelnen gerecht? (vgl. Alltagserfahrungen!) Frustration und Aggression: Möglicherweise gelingt es nicht, einen Zugang zum Kind zu finden, oder ein Kind lässt sich einfach nicht beruhigen Unangemessene, internale Kausalattribuierung: Ich kann mit Kindern nicht umgehen! Selbsterfüllende Prophezeiungen: Das kann ja wieder nur schief gehen! oder Das ist sicher schrecklich! Eskalationsmechanismen zwischen Eltern, Kind und Helfern (Misstrauen, Aufregung usw.)
8 Eskalationsmechanismen zwischen den Beteiligten Helfer Kinder Eltern
9 Hilfreiche Vorüberlegungen für den Einsatz Selbstklärung im Vorfeld: Begreifen, was ergreift! Akzeptieren: Das Geschehene lässt sich so gern man es würde nicht ungeschehen machen (schwer auszuhalten)! Sich nicht unter Druck setzen: Der Umgang mit Kindern in Notfällen ist nun einmal schwierig! Angemessene Erwartungshaltung keine zu hohen Ansprüche an sich selbst / an den Erfolg der Hilfe! Wenn es gelingt, einen kleinen Beitrag zur Bewältigung beizutragen, dann ist das schon enorm! Immer bedenken: Längst nicht alle Kinder sind traumatisiert!
10 Handlungsempfehlungen für den Einsatz Bei besonders starker Erregung: Distanzierungstechniken nutzen (Gedankenstopp, Atmen, Muskelrelaxation, step by step usw.) Geeignete Hilfsmittel anwenden (z. B. Notfalllineal für den Rettungsdienst, KASPERLE-Regeln Fachliche Unterstützung sicherstellen (z. B. Kinder-Notarzt im Rettungsdienst, spezialisierte Einsatzkräfte in der Psychosozialen Akuthilfe; Kinder-KIT ) Vorbereitende Trainings absolvieren (z. B. RettMeKi, Pädiafit, PaedSim usw.)
11 Die Situation der Eltern
12 Spezielle Belastungsfaktoren Starker emotionaler Bezug Häufig extreme Angst und Aufregung oftmals auch Überschätzung des Geschehens Sehr hohe Erwartungshaltung an die Helfer, ambivalentes Erleben der medizinischen Versorgung U. U. auch Misstrauen Helfer gegenüber ( Was machen Sie da? ) Häufig Schuldgefühle ( Nicht genug aufgepasst? )
13 Empfehlungen für den Umgang mit Eltern Eltern möglichst nicht ausgrenzen, sondern einbeziehen, auch und gerade bei einer Kinderreanimation ( Realitätsprüfung ) Einfache Aufgaben erteilen, Eltern beschäftigen Regelmäßig Informationen über Maßnahmen und den Zustand des Kindes geben Hilfreiches Verhalten loben ( Sie machen das sehr gut so! ) Möglichst keine Sedierung Frühe Alarmierung Psychosozialer Akuthilfe Guter Umgang mit Eltern ist Voraussetzung für guten Umgang mit dem Kind!
14 Die Situation der Kinder
15 Spezielle Belastungsfaktoren (1) Unfähigkeit zum Perspektivwechsel: Angst vor Helfern Fehlendes bzw. auch falsches Wissen: Unverständnis Wahrnehmung der Hilfeleistung, missverständliche Äußerungen ( Grillen, abschießen usw.) Wissen und Verständnis von Organen und deren Bedeutung Körperbewusstsein bzw. Körpergefühl ( Kopffüßler ), dadurch u. U. generalisiertes Schmerzempfinden Egozentiertes Denken, damit verbunden: Schuldgefühle
16 Interessantes Detail: Ist Abschirmen sinnvoll?
17 Frage: Kann Abschirmen evtl. auch ungünstig sein? verhindert den Anblick von Hilfe (etwas Entlastendes!) verhindert den Abschluss des Erlebnisses ( Zeigarnik-Effekt?) fördert die Entstehung belastender Phantasien begünstigt die Entstehung von Schuldgefühlen erfolgt offenbar häufig ohne weitere Informationsvermittlung: Informationsbedürfnis und Frustration nehmen zu! ist ohnehin unangenehm
18 Deshalb? Einerseits müssen Kinder natürlich vor belastenden Anblicken geschützt werden! Andererseits sollte Kindern der Anblick von Hilfe möglichst nicht genommen werden!
19 Schlussfolgerung: Wenn dies am Einsatzort möglich ist (Keine Eigengefährdung, keine Behinderung der Rettung) Begleitetes (!) Zuschauen aus einer Distanz (!) heraus Keine Details, aber Wahrnehmung (und Verständnis): ES WIRD GEHOLFEN! Wenn dies nicht möglich ist: Entfernen vom Einsatzort, dann aber unbedingt: INFORMATIONEN über das weitere Procedere dort! Achtung: Grundsätzlich muss sich die Vorgehensweise natürlich nach dem Verhalten des Kindes richten!
20 Kontaktaufnahme Blickkontakt aufnehmen Sich möglichst langsam nähern, nicht herbeistürzen Sich auf Augenhöhe des Kindes herunterbeugen Sich mit Namen und Funktion vorstellen Nach dem Namen des Kindes fragen Kleidung? (Einsatzjacke kann evtl. Angst machen)
21 Regelwerk KASPERLE K A S P E R L E Kontakt möglichst behutsam herstellen Ablenkung versuchen (nicht überbewerten!) Selbstkontrolle stärken Personen einbeziehen, die dem Kind nahe stehen Einfache Erklärungen geben Aversive Reaktionen hinnehmen und aushalten Lieblingsstofftier einbeziehen / Teddybär schenken Ermutigen, Fragen zu stellen
22 Alternative (weiter vereinfachte) Merkhilfe
23 Ich bin Anton, der Aufmerksame! Kinder ernst nehmen! Bedürfnisse von Kindern wahrnehmen! Sich auf Kindernotfälle vorbereiten!
24 Ich bin Igor, der Informant! Informationen vermitteln Verständnis fördern Fragen beantworten
25 Kinder selbst etwas tun lassen Kinder (sofern möglich) eigene Entscheidungen treffen lassen Ich bin Handwerker Hans!
26 Ich heiße Heidi und habe ein Handy! Bezugspersonen stets in die Versorgung einbeziehen Ggf. Bezugspersonen so rasch wie möglich hinzuziehen
27 und ich bin der Beschützmich-Affe! Für Schutz und Sicherheit sorgen Lieblingsstofftier / Teddybär Schutzdecke
28
29 Phasen und Ziele der Hilfeleistung Beginn der Hilfe Vorbereitung Informationsvermittlung Orientierung & Kontrolle ermöglichen Situationsgestaltung Situationserklärung Angstabbau Kontaktaufnahme Eigene Entlastung
30 4. Exkurs: Großschadenslagen z. B. Schulbusunfälle - bundesweit immerhin ca. einmal pro Monat!
31 Fallbeispiel
32 Besonderheiten Erhebliche (!) Belastung für die Rettungskräfte PSNV-Personalbedarf: Pauschal ca. doppelt so hoch wie bei anderen Großschadenslagen Erheblichen (!) Koordinationsbedarf beachten! Besondere Probleme: Wartezeiten, Handynutzung, an der Einsatzstelle eintreffende Eltern
33 Einrichtung einer Eltern-Anlaufstelle Eltern-Information
34 Wie viele psychosoziale Akuthelfer werden benötigt? Alter Säuglinge Kleinkinder Kindergarten Grundschule Jugendliche Verhältnis Kinder / psychosoziale Akuthelfer* 1:1 2:1 3:1 4:1 5:1 * Angenommen wird, dass keine anderen Bezugspersonen anwesend sind, die Betreuungsaufgaben übernehmen können. Ist dies der Fall, kann sich der Personalbedarf entsprechend reduzieren.
35 Hinweise für die Hilfeleistung Alarmierungsstichwort: MANV-Kind Einrichtung einer PSNV-SEG für Kinder (?) Funktion Elternkoordinator einrichten (?) Für Beschäftigung sorgen Gegenseitige Unterstützung ermöglichen (funktioniert!) Bei späteren Nachsorgemaßnahmen evtl. geschlechtsspezifisch differenzieren (?) Immer auch entlastende Aspekte bewusst machen! Junge (16): Aus Extremerfahrungen kann man doch immer auch extrem viel lernen!
36 Letzte Folie! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Notfallpädagogisches Institut Müller-Breslau-Str. 30a Essen (Deutschland) Telefon Telefax
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