Ansprache anlässlich der Jubiläumsfeier der Borer Chemie AG vom 27. August 2015, Josef Maushart, Präsident INVESO

Transkript

1 Bellach, den 27. August 2015 Ansprache anlässlich der Jubiläumsfeier der Borer Chemie AG vom 27. August 2015, Josef Maushart, Präsident INVESO (Es gilt das gesprochene Wort) Sehr geehrte Frau Regierungsrätin Gassler, sehr geehrter Herren Ständeräte Bischof und Zanetti sehr geehrte Gastgeber, sehr geehrte Partner der Borer Chemie AG, sehr geehrte Damen und Herren Im Namen des Industrieverbandes INVESO gratuliere ich der Borer Chemie AG von ganzem Herzen zu 50 Jahren Unternehmertum, zu 50 Jahren Beitrag zum Wirtschaftswachstum und ganz besonders zu einem erfolgreichen und gelungenen Generationenwechsel. Im Namen des Industrieverbandes danke ich der Borer Chemie AG aber auch für ihre wertvolle Mitwirkung in unserem Verband und in der Weiterentwicklung unseres Wirtschaftsstandortes Solothurn. So hat die Borer AG 2013 den jährlichen Industrietag als Dialogplattform von Unternehmen, Verwaltung und Politik ausgerichtet und sich in diesem Jahr massgeblich an der Rettung der internationalen Schule Solothurn beteiligt. Jubiläumsansprache Borer Chemie AG J. Maushart, Präsident INVESO Seite 1 von 7

2 Und das bringt mich auch zum Thema, über welches ich heute gerne zu Ihnen allen sprechen will. Zur Bedeutung der Mittelständischen Industrieunternehmen für unseren Kanton, für die Schweiz und für die globale Wirtschaft. Lassen Sie mich beim Kanton beginnen. Unser Kanton erwirtschaftet ein jährliches Bruttoinlandsprodukt von 15.4 Mia. Schweizer Franken. Wir exportieren sage und schreibe 5.4 Mia. Franken jährlich. Das entspricht Schweizer Franken pro Arbeitnehmer. Pro Arbeitnehmer in der Industrie, von denen es ca gibt, sind das etwa Schweizer Franken pro Kopf. Das ist sicherlich eine erste beeindruckende Zahl, welche die enorm hohe Leistungsfähigkeit unserer kantonalen Wirtschaft zeigt. Und dieses Ergebnis ist zu über 50% mittelständischen Unternehmen und zu über 80% Betriebstätten mit weniger als 250 Mitarbeitenden geschuldet. Schaut man auf die Vollzeitäquivalente, so sind in Solothurnischen übrigens 34% aller Vollzeitäquivalente im 2. Sektor der Wirtschaft beschäftigt, währen es im Schweizerischen Durchschnitt lediglich 26% sind. 34% ist einer der höchsten Werte in der Schweiz. Und weil dies eine der höchst industrialisierten Nationen überhaupt ist, dürften wir mit Fug und Recht behaupten, dass der Kanton Solothurn weltweit zu den höchst industrialisierten Gebieten gehört. Und nebenbei bemerkt: gäbe es ein Ranking, welches Naturschönheit und Industrialisierung gemeinsam bewertete, dann wären wir im Kanton Solothurn natürlich auf dem 1. Rang. Aber zurück zum ernst der Sache. Jubiläumsansprache Borer Chemie AG J. Maushart, Präsident INVESO Seite 2 von 7

3 Unser Kanton ist ein Industriestandort par excellence. Unsere Firmen sorgen mit ihrem Export dafür, dass jährlich 5.4 Mia. Franken von aussen zu fliessen. Sie investieren jährlich ca. 3 Mia. Franken und beschäftigen direkt Menschen in hochwertigsten Arbeitsplätzen. Wir investieren heute in der Schweiz durchschnittlich über 1/2 Mio. Fr. pro Industriearbeitsplatz! Und wir bilden hier im Kanton Solothurn jährlich über Lernende im dualen System beruflich aus. Indirekt ermöglichen wir damit aber noch viel mehr Arbeitsplätze und helfen massgeblich dabei mit, das Staatswesen mit seinen vielen öffentlichen Aufgaben zu finanzieren! Vor dem Hintergrund unserer sehr starken und überbewerteten Währung, wird heute viel von der drohenden Deindustrialisierung der Schweiz gesprochen und manche Vertreter aus dem Dienstleistungssektor, aber auch manche Staatsvertreter und Wissenschaftler, sehen darin eine Art natürlichen Gang der Dinge. Sie hängen immer noch der überholten Doktorin vom natürlichen Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft an, während die EU und die USA längst schmerzlich erkannt haben, dass es ohne starke Industrie keine funktionierenden Staatsfinanzen und auch keine Vollbeschäftigung geben wird. Welche Zukunft sehen wir also für die Schweizerischen Industrieunternehmen. Woher kommt eigentlich die enorme Stärke der Schweizerischen Industrie und ihrer Unternehmern? Um dies zu beantworten, muss man wohl zuerst in die Vergangenheit schauen. Sie fusst mehr als alles andere in der Mentalität der Menschen. Die Kombination aus fehlenden Rohstoffen und einer begrenzten landwirtschaftlichen Jubiläumsansprache Borer Chemie AG J. Maushart, Präsident INVESO Seite 3 von 7

4 Fläche führten zur Suche nach besseren Einkommensmöglichkeiten. Die Periode der Aufklärung, gefolgt von der liberalen Revolution des 19. Jahrhunderts mit ihren Rechten für das freie Unternehmertum, hat den Weg zu einer breiten Industrialisierung mit Mittelstandscharakter geebnet. Schon im 18. Jahrhundert hatten wir erste, sehr grosse Industrieunternehmen. Aber erst im 19. und vor allem im 20. Jahrhundert ist daraus die heute typische Kombination aus Gross-, Mittel- und Kleinunternehmen geworden, die das Land prägt und seine Wirtschaft stabil macht. Wir finden solche Strukturen weltweit nur in ganz wenigen Zonen, bemerkenswerterweise überwiegend in Regionen, die begrenzte Rohstoffe und begrenzte landwirtschaftliche Funktionsflächen haben. Das industrielle Unternehmertum wies den Weg zu signifikant höherem Wohlstand für viele und wurde zur Sache der Familien und auch zur Generationenfrage. Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit und Solidität sind in unserem Land traditionelle Werte. Sie stammen zweifellos aus den natürlichen Gegebenheiten eines Gebrigslandes. Solidarität steht geradezu symbolisch für die Geburtsstunde unserer Nation, als sich einzelne Orte gegen ihre Besatzer verbündet haben. Aber auch durch eine jahrhundertelange ständige Bedrohungslage unseres kleinen Landes, welches selbst jahrhundertelang im Entstehen war und dessen Grenzen meistens in dieser Geschichte alles andere als selbstverständlich waren, haben den Charakter geprägt, indem eben Verantwortungsbewusstsein, Verlässlichkeit und Solidarität überlebenswichtig waren. Und wer über 30 Generationen das höchste Gut, nämlich die Freiheit verteidigt, der hat ein Maximum an Willenskraft, in seinen Genen verankert. Heute äussert sich das in unablässiger Suche nach Verbesserung, nach Optimierung und letztlich nach Innovation. Jubiläumsansprache Borer Chemie AG J. Maushart, Präsident INVESO Seite 4 von 7

5 Innovation und Perfektion sind so sehr Teil unserer Mentalität, dass wir uns geradezu körperlich und seelisch unwohl fühlen, wenn wir in diesen Dimensionen nicht alles geben, um erfolgreich zu sein. Weil das so ist, konnte die sprichwörtliche Swissness zum Inbegriff von Perfektion und Verlässlichkeit bei Konsumenten und in der globalen Industrie werden. Und wer Perfektion und Verlässlichkeit sucht, der sucht sie vielleicht nicht nur, aber vor allem in der Schweiz. Und weil unsere Geschichte über 30 Generationen nicht kopierbar ist, ist eben auch die Swissness global einzigartig! Vor diesem Hintergrund dürfen wir sicher alle davon ausgehen, dass wir auch morgen und übermorgen, Wechselkurse hin oder her, Börsenturbulenzen hin oder her, eine starke Industrie und einen gesunden Mix aus Gross-, Mittel- und Kleinunternehmen hier in der Schweiz haben werden. Die Unternehmen werden dank der Mentalität und Kompetenz ihrer Besitzer und Belegschaften auch die jüngste Herausforderung einer allzu starken Währung bewältigen. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass dies noch mehr Qualifikation im Sinne von Aus- und Weiterbildung und noch mehr Einsatz vom Einzelnen fordern wird. Und wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass wir Schweizer Unternehmer vermehrt direkt Investitionen im Ausland tätigen werden und auch müssen. Wir müssen dies ohnehin, um näher an unseren Märkten zu sein und wir müssen es auch, um unter Nutzung lokaler Standortvorteile langfristig global Wettbewerbsfähigkeit zu bleiben. Schweizer Unternehmen können Swissness auch in grossem Umfang an ausländischen Standorten realisieren. Sie schaffen das dank ihrer vielfach herausragenden Unternehmenskultur, die wir ja auch hier und heute bei Jubiläumsansprache Borer Chemie AG J. Maushart, Präsident INVESO Seite 5 von 7

6 der Borer AG gerade spüren dürfen. Wichtig ist, dass wir bei aller Internationalisierung nicht vergessen, woher wir kommen und woraus sich unser Kraft und Bedeutung ergibt, nämlich aus unseren Schweizerischen Tugenden Verlässlichkeit, Verantwortungsbewusstsein und Solidarität. In diesem Sinne mache ich mir kaum Sorgen um unsere Industrieunternehmen. Wir Industrieunternehmen, gerade die inhabergeführten, stehen Ihnen auch morgen und übermorgen als innovative und verlässliche Partner zur Verfügung. Die wirklich grossen Herausforderungen sehe ich dagegen bei unserem Staatswesen. Dieses wird einen nochmals beschleunigten Strukturwandel und eine sich wandelnde Zuwanderung sozial abfedern müssen. Gleichzeitig muss der Staat eine Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen in den Bereichen der Bildungs- und Wirtschaftspolitik schaffen, wenn er im globalen Wettbewerb der Nationen nicht zu viel Wertschöpfungspotential an andere Länder verlieren will. Ebenso muss das Verhältnis zu unserem grossen Nachbarn, der EU auf eine neue Grundlage gestellt und damit wieder verlässlich und planbar werden. Und weil Veränderung in einer direkten Demokratie eben gerade nicht per Dekret passiert, werden unser politischen Exponenten in den nächsten 10 Jahren mindestens ebenso wie wir Unternehmer gefordert sein, Antworten auf Herausforderungen zu finden. Aber auch Ihnen wird es gelingen. Schliesslich teilen wir die gleichen Schweizer Tugenden! Dank der Nähe von Bürgern, Unternehmern und Politikern in unserem einzigartig politischen System der Schweiz, bin ich auch für unser Staatswesen zuversichtlich. Auch unsere direkte Demokratie ist das Ergebnis von 30 Generationen freiheitsliebendem und verantwortungsbewusstem Ringen. Jubiläumsansprache Borer Chemie AG J. Maushart, Präsident INVESO Seite 6 von 7

7 Und auch wenn wir uns über die Annahme der MEI ärgern, so sehen wir gerade jetzt, dass die Möglichkeit zur politisch wirksamen Meinungsäusserung ein extrem wichtiges Ventil ist, das gesellschaftliche Eskalationen immer wieder verhindert. Die rein repräsentative Demokratie kennt dieses Ventil nicht und bietet dadurch extremen politischen Positionen leider immer wieder einen Nährboden. Wie gefährlich dies ist, sehen wir derzeit in Deutschland. Und im Umkehrschluss erkennen wir wie bedeutend, wenn auch manchmal unbequem, unser System der direkten Demokratie ist. Aber auch das ist, wie die gesamte Swissness, eben nicht kopierbar. Nur wer zweifelt, meine Damen und Herrn, wird wahrlich innovativ sein. Und weil wir Schweizer immer zweifeln und uns ständig fragen, was wir noch besser machen könnten und nie so ganz mit dem zufrieden sind, was wir schon erreicht haben, dürfen sie alle darauf zählen, dass wir auch morgen innovativ sein werden. Und mit dieser Zuversicht wünsche ich Ihnen weiterhin gutes Gelingen, danke für das Vertrauen, dass Sie unseren Unternehmen im In- und Ausland entgegenbringen und wünsche der Borer Chemie AG noch viele Generationen sozial, gesellschaftlich und wirtschaftlich engagierter Unternehmer. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Jubiläumsansprache Borer Chemie AG J. Maushart, Präsident INVESO Seite 7 von 7