Das fiebernde Kind. Milen Minkov Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde mit Department für Neonatologie Krankenanstalt Rudolfstiftung
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1 Das fiebernde Kind Milen Minkov Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde mit Department für Neonatologie Krankenanstalt Rudolfstiftung
2 Harnwegsinfekte im Kindesalter: Adäquate Versorgung und seine Tücken Kinder sind eben keine kleinen Erwachsenen Milen Minkov Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde mit Department für Neonatologie Krankenanstalt Rudolfstiftung
3 Inhalt: HWI bei Säuglingen und Kleinkindern Definitionen und Prämisse Diagnose Wann? (un)spezifische Beschwerden, FOU Was? Beutel-, Mittelstrahl-, Katheterharn, Blasenpunktion Wie? Streifchentest, Mikroskopie, Harnkultur Therapie AB-Wahl Applikationsart Therapiedauer Weiterführende Untersuchungen
4 HWI im Kindesalter: Bedeutung in der täglichen Praxis Häufigkeit der HWI Häufigste bakterielle Infektionskrankheiten 7% aller Mädchen, 2% aller Knaben bis zu 6. Lj Mädchen : Knaben = 9 : 1 (im Säuglingsalter Knaben häufiger) Risiko für HWI bei Fieber ohne Fokus Alter <28 Tage Alter 1-3 Monate Alter >3 Monate 10% Risiko für Sepsis 20% Risiko für HWI 4% Risiko für Meningitis 2% Risiko für Sepsis 5-15% Risiko für HWI 1% Risiko für Meningitis <1% Risiko für Sepsis 1-5% Risiko für HWI <1% Risiko für Meningitis
5 Prämisse 1. Ein negativer Harnbefund (Ø Nitrit, Ø Leuko), schließt mit großer Wahrscheinlichkeit einen Harnwegsinfekt aus. 2. Ein positiver Harnbefund deutet beim fiebernden Kind mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf einen Harnwegsinfekt hin, um den Beginn einer antibiotischen Therapie zu rechtfertigen. 3. Der durch einen auffälligen Harnbefund begründete Verdacht eines Harnwegsinfektes ist wegen der dadurch indizierten weiterführenden Untersuchungen durch den kulturellen Erregernachweis zu bestätigen.
6 Diagnostik: Wann Indikationen zur Harnuntersuchung 1. Jedes Fieber im Säuglingsalter (auch mit Fokus). Fokus wird in dem Alter oft fehlgedeutet (siehe unten). 2. Jedes Fieber ohne Fokus unabhängig vom Alter (spätestens vor Antibiotikagabe oder nach 48 Std. bei fehlender Besserung). Gehört zum Septic Workup. 3. Bei Beschwerden und Symptomen, die an einen HWI denken lassen (Cave! Altersabhängig): Neugeborene: Fieberschübe selten!, Trinkschwäche, Gewichtsverlust, Ikterus, grau-blasses Hautkolorit, ZNS-Symptome, Berührungsempfindlichkeit => Pyelonephritis, Urosepsis Säuglinge: häufig nur Fieber (FOU= 4-7% HWI); Durchfall, Erbrechen, Meningismus!, unklare Gedeihstörung Kleinkinder: Fieber, Bauchschmerzen (Flankenschmerzen erst ab 4. Lj); Bei Zystitis Pollakisurie, Drangsymptomatik, Schmerzen bzw. Brennen beim Urinieren, sekund. Enuresis Übelriechender Harn, Hämaturie
7 Diagnostik: Was 1. Anamnese, Klinik, Labor 2. Harndiagnostik und kultur: Beutelharn: Richtige Handhabung wichtig (Inspizieren, Waschen, rechtzeitig wahrnehmen und verarbeiten); 10% falsch-positive Kulturen => Bestätigung notwendig. Fazit: brauchbar als Screeninguntersuchung nur bei negativem Befund Mittelstrahlharn (MSH): Gold Standard in der HWI Diagnostik, möglich erst ab vorhandener Blasenkontrolle; What about abgefangener MSH clean catch urine sample? Katheterharn/Blasenpunktion: wenn eine verlässliche MSH Gewinnung aus welchem Grund auch immer nicht möglich (Säuglingsalter, Phimose, Labiensynechie, Vulvovaginits, anogenitale Dermatitis; Dringlichkeit bei septischem Zustandsbild, etc.) 3. Bildgebung
8 Harndiagnostik: Wie Methode Parameter Nutzen Handhabung Bemerkungen Streifchentest Nitrit Leukozyten (Esterase) u.a. Minimalkriterium zum HWI-Ausschluss bei FOU bei Positivität durch Mikroskopie und ggf. Harnkultur zu bestätigen Nitrit von Erreger und Verweilzeit in der Blase abhängig (Sensitivität: Kleinkinder <50%; Mädchen >6a 98%) Mikroskopie Leukozyten Leuko-Zylinder Erythrozyten Erreger HWI-Ausschluss Verifikation vom positiven Streifchentest bei Positivität durch Harnkultur zu bestätigen Leuko nicht spezifisch Bei Obstruktion können fehlen Harnkultur Erregertyp Bakterienzahl Erforderlich bei jedem positiven Harnbefund Nur aus frischer Harnprobe; möglichst vor AB Befundinterpretation von der Art der Harngewinnung abhängig
9 Harndiagnostik Normal Verdächtig Pathologisch Harn <20/µl 20-50/µl >50/µl Ausnahme: Knaben >3a Leukozyturie <5/µl 5-10/µl >10/µl Bakteriurie Quelle Kontamination Verdächtig Pathologisch MSH <10 4 /ml /ml >10 5 /ml Katheterharn <10 3 /ml /ml >10 4 /ml Blasenpunktat jeder Keimnachweis?
10 Diagnose Symptome Leukozyturie Bakteriurie Kolonisation HWI asymptomatisch HWI symptomatisch
11 Diagnostik: Algorithmus Fieber ohne Fokus Reduzierter AZ (Stationäre Aufnahme) AB-Therapie Guter AZ (Ambulante Betreuung) AB-Therapie Guter AZ (Ambulante Betreuung) Keine Antibiose Harntest + Harnkultur vor Antibiose Harntest vor Antibiose Beobachtung Empirische i.v. Antibiose Harntest: positiv Harntest: negativ Bei HWI: Sonographie Evtl. AB Anpassung HWI: Harnkultur HWI Therapie Kein HWI: AB je nach sonstiger Indikation Fehlende Besserung nach 48 Stunden: Harntest Kontrolle
12 Klassifikation der HWI Klassifikation Nach der Lokalisation Nach der Symptomatik Nach Komplikationsmöglichkeiten Nach der Abfolge Art der Infektion Urethritis (z.b. Chlamydien, Mykoplasmen) Zystitis Pyelonephritis Asymptomatische Bakteriurie (isolierte Bakteriurie ohne Symptome) Asymptomatische HWI (Bakteriurie und Leukozyturie, keine Symptome) Symptomatische HWI (Bakteriurie und Leukozyturie und Symptome) Unkomplizierte HWI: bei normalem Harntrakt, normaler Blasenfunktion, normaler Nierenfunktion, Immunkompetenz Komplizierte HWI: bei Nieren- bzw. Harntraktfehlbildung, vesikorenalem Reflux, Harnabflussbehinderung, Harnwegskonkrementen, Blasenfunktionsstörung, Immundefizienz, Diabetes mellitus, Fremdkörper (z.b. Katheter), Niereninsuffizienz, Z.n. Nierentransplantation Erste HWI: die erste diagnostizierte HWI Rezidiv bzw. Reinfektion
13 Zystitis oder Pyelonephritis Parameter PN wahrscheinlich PN unwahrscheinlich BSG (1. Stunde) > 25 mm < 25 mm CRP >20 mg/l < 20 mg/l Fieber > 38,5 C < 38,5 C Leukozytose, Neutrophilie ja nein Leukozytenzylinder beweisend für PN - Nierenvolumen vergrößert (> 2 SD) nicht vergrößert
14 Therapie 1. Welche Antibiotika?: müssen häufigste Erreger abdecken Oral oder i.v.? Bei gutem AZ, unkomplizierter HWI und Alter >1a beides Zulässig, bei oralen AB erste Dosis unter Aufsicht, sichere Einnahme gewährleisten, Nachkontrolle notwendig => wenn innerhalb 48 Stunden keine Verbesserung: Aufnahme, Harntest + Harnkultur, Sonographie, i.v. Antibiose 3. Therapiedauer? 7-14 Tage in therapeutischer Dosis (Neugeb Tage) 4. Prophylaxe? Wenn weiterführende Untersuchungen indiziert bis dahin Prophylaxe mit Trimethoprim, Amoxicillin, oder anderen Antibiotika
15 Keimspektrum Keime bei 1. symptomatischer HWI E. coli (60-90%) Klebsiella ( 2-5%) Enterokokken ( 2-20%) Pesudomonas ( 2-7%) Proteus ( 2-6%; jenseits des 1. Lj bis zu >20%) Andere ( <5%) Keimspektrum abhängig von: Wo erworben (ambulant vs. Spital) Wo diagnostiziert (Praxis vs. Klinik; allgemeine vs. Fachambulanz) Fehlbildungen Vorausgegangene HWI AB-Dauerprophylaxe Katheterismus (Staph., Strept. Gruppe B, Hämophylus)
16 Resistenzen bei 1. ambulant erworbener HWI Antibiotikum Ampicillin/Amoxicillin 70% <10% Amoxicillin+Clavulansäure 10% 9% Cephalosporin 1. Generation 24% R Cephalosporine 2. und 3. Generation 0-3% E.coli Klebsiella Enterokokken Pseudomonas Proteus R <5% auf Ceftazidim TMP/SMZ 42% 9% 27% Aminoglykoside(sehr niedrige Resistenz) <5% <5% R <5% Glycopeptide(Vanco, Teico) n.b. Carbapeneme(sehr niedrige Resistenz) <5% <5% <5%
17 Therapie 1. Welche Antibiotika?: müssen häufigste Erreger abdecken... Antibiotikawahl bei 1. ambulant erworbener febriler HWI Indikation Mögliche Erreger Kalkulierte Antibiotikatherapie Behandlungsdauer gesamt (i.v. + oral) 1. Wahl 2. Wahl Febrile HWI im Säuglingsalter Unkomplizierte HWI/Pyelonephritis jenseits des Säuglingsalters Urosepsis/komplizierte Pyelonephritis (jedes Alter) E. coli, Enterokokken, Proteus, u.a. E. coli, Enterokokken, Proteus, Pseudom. aeruginosa E. coli, Enterokokken, Proteus, u.a. Cephalosporin Gruppe 3 (z.b. Cefotaxim; Cefriaxon ab 3. Lmonat) Amoxi./Clav. Amoxi./Clav. + Aminoglykosid Amoxi./Clav. ± Aminoglykosid Cephalosporin Gruppe 3 (z.b. Cefotaxim) Cephalosporin Gruppe 3 ± Aminoglykosid 10 (-14) Tage Neugeborene 14 (-21) i.v. mindestens bis 2d nach Entfiebern; Aminoglykosid wenn möglich max. 3d Neugeb: mind. 7d parenteral 7 (-10) Tage Oral (initial ggf. Parenteral) Mindestens Tage Mind. 7d parenteral Orale Fortsetzung Amoxicillin Amoxi./Clav. Amoxicillin Amoxi./Clav. Cefixim TMP Amoxicillin Amoxi./Clav. Cefixim TMP
18 Weiterführende Untersuchungen Kriterien zu weiterführenden Untersuchungen (Risikokriterien) 1. Eigen- und Familienanamnese (inklusive Miktions- und Sexualanamnese) Ante/perinatal abnorme Nierensonographie; frühere HWI; Fieberepisoden ohne Harnuntersuchung im Säuglingsalter; abnorme Miktion Schrumpfnieren, Nierenversagen oder VUR in der Familie 2. Alter: MCU bei allen Kindern unter Jahren bei Kinder > 6 Jahren MCU nur bei Risikofaktoren; Alternative bei Risikofaktoren: AB- Prophylaxe für 3-6 Monaten, dann statische DMSA-Szinti, bei fehlenden Parenchymnarben und normaler Funktion kann auf MCU verzichtet werden. Weitere Kontrollen notwendig 3. Das Ergebnis der klinischen Untersuchung Minderwuchs/ Hypertension/ neurologische Probleme/ nephro-urologische Auffälligkeiten 4. Der Krankheitsverlauf, inklusive Laborbefunde und Sonographie) Kein promptes Ansprechen auf die HWI Behandlung Auffällige Nierensonographie (Nierenbeckendilatation; asymmetrische Nierengröße, sichtbarer Urether etc.)
19 Weiterführende Untersuchungen Indikationen zur Miktionszystouretherographie 1. Nach der ersten febrilen HWI im Säuglings- und Frühkindesalter 2. Pyelonephritis und sonographische Hinweise für VUR oder andere Risikofaktoren 3. Rezidivierende Pyelonephritis im Kindesalter 4. Pyelonephritis und Nachweis einer Parenchymnarbe im DMSA-Scan 5. Symptomatische, afebrile Harnwegsinfektion und sonographische Hinweise für VUR
20 VUR Gr. 3 bds. Posteriore Urethralklappe
21 Literatur 1. HWI bei Säuglingen und Kleinkindern, ÖGKJ Konsensus Papier der AG für Pädiatrische Nephrologie NICE clinical guideline 54. UTI in children Girardin E. Behandlung der HWI beim Kind. Paediatrica, 2008, 19(4): AAP Guidelines Kinderurologie in Klinik und Praxis, Ed. R. Stein, R. Beetz, JW Thüroff, 3. Auflage, 2012
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