Evaluation Bewegungsbasierte Altersarbeit in Altersheimen

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1 Evaluation Bewegungsbasierte Altersarbeit in Altersheimen Schlussbericht Bernhard Müller & Regine Fankhauser 15. März 2016 Berner Fachhochschule Institut Alter

2 Projektteam Bernhard Müller Dr. Regine Fankhauser Verena Rytz Esther Zürcher Annegreth Birle Daniela Nell Barbara Prinz Patric Röthlisberger Jeanne Berset Céline Diep Projektleiter, Kursleiter wissenschaftliche Mitarbeiterin, Kursleiterin Kursleiterin Diplomandin, Kursleiterin Kursleiterin Kursleiterin Diplomandin Bachelor-Absolvent Business Administration Transkripte Interviews Transkripte Interviews Fachliche Beratung im Bereich der Aktivitätsassessments Dr. Frank Hatch, Begründer der Bewegungslehre Kinaesthetics Berner Fachhochschule Institut Alter 2

3 Inhaltsverzeichnis Abstract 7 Kontext 8 1 Einleitung 8 2 Untersuchungsgegenstand: Bewegungsmodell Lebensgestaltung als ganzheitlicher Ansatz Menschenbild Curriculum des Bewegungsmodells Bewegung ist Bildung Lebenswelt als Bildungssystem Ästhetik eigener Bewegung als Tanzerfahrung Ressourcen im alltäglichen Sozialraum Eigensprache als Zugang zu sich selbst 15 3 Zielsetzung Begriff Produktivität Hauptzielsetzung Teilzielsetzungen 17 Intervention: Bewegungsschulung 19 1 Organisation und Durchführung 19 2 Gesellschaftsnahe Teilnehmergruppe 19 3 Kursgestaltung 19 Evaluationsdesign 21 1 Konzeption 21 2 Studienteilnehmer Heime Bewohner Mitarbeitende Angehörige & Freiwillige Kinder & Kinderbegleitung 26 3 Datenerfassung Assessments vor und nach Abschluss der Intervention 27 Berner Fachhochschule Institut Alter 3

4 3.1.1 Bewohner Mitarbeitende und Angehörige & Freiwillige Bezugsperson Kinder Kinder Datenerfassung während den Kurseinheiten Datenerfassung zwischen den Kurseinheiten 27 Produktivität Selbstgestaltung Heimbewohner 28 1 Überblick 28 2 Relevante Alltags-Aktivitäten Einleitung Relevante Alltags-Aktivitäten Beurteilung der Bewegungskompetenz bei Alltags-Aktivitäten (Assessments) Methode Rahmenbedingungen Aufsitzen im Bett Gehen Gehen im Zimmer Gehen ausserhalb des Zimmers Treppe hinauf Gehen Treppe hinunter Gehen Abliegen auf Boden Aufstehen von Boden Timed up and go Test Bewertung der Unterschiede über alle Aktivitäten Resultate Aufsitzen im Bett Gehen im Zimmer Gehen ausserhalb des Zimmers Treppe hinauf Gehen Treppe hinunter Gehen Abliegen auf Boden Aufstehen von Boden Timed up and go Test Zusammenfassung der Resultate Diskussion Bewegungskompetenz messen Bewegungsbasierte Schulung kann Bewegungskompetenz steigern 51 3 Sturzbedenken Einleitung Methode Resultate Bedenken gesamter Fragebogen Bedenken bei den einzelnen Aktivitäten Diskussion 54 Berner Fachhochschule Institut Alter 4

5 4 Lebenswelt der Heimbewohner und Heimbewohner Einleitung Selbstreflexion der Heimbewohner Methode Resultate Frage nach der Identität Frage nach dem Begriff Bewegung Frage nach dem Wichtigsten im Leben Frage nach dem Sinn des Lebens Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Mitarbeitenden Frage nach der Wirkung der Bewegungsschulung Selbständigkeitseinschätzung der Heimbewohner durch Mitarbeitende und Angehörige Methode Resultate Frage nach dem Potential der Heimbewohner für mehr Selbständigkeit Frage nach der Bedeutung erhöhter Selbständigkeit für die Alltagsgestaltung Diskussion Anwendung im Heimalltag Methode Resultate Frage nach den Veränderungen des Heimbewohners in seiner Selbständigkeit Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Lebensqualität Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Sicherheit Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Kommunikation Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Gesundheit 89 5 Zusammenfassung und Diskussion 89 Produktivität Supportgestaltung Mitarbeiter Überblick Potentialeinschätzung der Mitarbeitenden Einleitung Methode Resultate Frage nach der Bedeutung selbständiger Heimbewohner für die Mitarbeitenden Frage nach dem Supportpotential der Mitarbeitenden Frage nach der Bedeutung des eigenen Supportpotentials Anwendung im Berufsalltag Einleitung Resultate Frage nach Veränderungen in der Arbeit mit Heimbewohnern Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Arbeitsqualität Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Arbeitszufriedenheit Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Austausch mit Heimbewohnern Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Zeitaufwand Pflege/Betreuung Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. eigener Gesundheit 106 Berner Fachhochschule Institut Alter 5

6 4 Zusammenfassung und Diskussion 106 Gesundheitsökonomie Gesundheitsökonomische Aspekte des Bewegungsmodells Qualitative Effekte von Bewegungsschulungen Bedeutung der wirtschaftlichen Auswirkungen Das Abrechnungssystem Heimbewohner Pflegepersonal Institutionen der Langzeitpflege Krankenkassen Kantone Modellberechnungen Szenario 1: Stufenverschlechterung erst nach 3 Monaten Szenario 2: Stufenverschlechterung erst nach 6 Monaten Szenario 3: Stufenverschlechterung erst nach 12 Monaten Schlussfolgerungen und Empfehlungen 112 Intergenerativität Intergenerativitätsmodell Methoden Resultate Kinderzeichnungen Interviews mit den Kindern Intervallfotos während den Kursmodulen Interviews mit den Heimbewohnern Experteninterviews 120 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Zusammenfassung der Studie Alterspolitische Schlussfolgerungen 126 Literaturverzeichnis 128 Berner Fachhochschule Institut Alter 6

7 Abstract Im Rahmen einer dreijährigen Studie wurde an 7 Alters- und Pflegeheime des Kt. Bern das am Institut Alter der Berner Fachhochschule entwickelte Bewegungsmodell Bewegungsbasierte Alltagsgestaltung auf seine Wirkung hinsichtlich Produktivitätssteigerung der Heimbewohner in selbständiger Alltagsgestaltung sowie der Mitarbeiter in ihren Unterstützungstätigkeiten mit Heimbewohnern evaluiert. Zudem sollten in einer Modellrechnung die gesundheitsökonomischen Implikationen dieser Produktivitätssteigerungen aufgezeigt werden. Ein weiterer Untersuchungsaspekt war der intergenerative Kontext des evaluierten Bewegungsmodells. Dem Modell liegt der ganzheitliche Ansatz der Lebensgestaltung zu Grunde. Im Zentrum steht die Befähigung alter, unterstützungsbedürftiger Menschen in ihrer Selbständigkeit und Selbstbestimmung in einer sinnstiftenden Alltagsgestaltung. Sie wird aus den Perspektiven der fünf eigenständigen Lehrinhalte bearbeitet: (1) Bewegung ist Bildung, (2) Lebenswelt als Bildungssystem, (3) Ästhetik eigener Bewegung als Tanzerfahrung, (4) Ressourcenorientierung im alltäglichen Sozialraum sowie (5) Eigensprache als Zugang zu sich selbst. Dieses Bewegungsmodell ist Inhalt des Weiterbildungsstudienganges Diploma of Advanced Studies DAS Bewegungsbasierte Alltagsgestaltung am Institut Alter der Berner Fachhochschule. Das Bewegungsmodell wurde in jedem Heim im Rahmen eines 12teiligen Bewegungskurses über die Dauer von 3-4 Monaten implementiert. Die gemischten Teilnehmergruppen bestanden jeweils aus 5-8 Heimbewohnern, ca. 5 Mitarbeitenden, ca. 4 Angehörigen & Freiwilligen, ca. 5 Kindern und ihre Bezugsperson. Insgesamt haben 40 Heimbewohner, 30 Mitarbeiter, 21 Angehörige & Freiwillige sowie 29 Kinder und 6 Bezugspersonen teilgenommen. Mit einem multiperspektivischen Methodenmix (Videoassessments von Alltagsaktivitäten, Sturzbedenkenfragebogen, qualitative Interviews mit den Teilnehmern, teilnehmende Beobachtung während den Bewegungskursen, Anwendungsaufgaben im Berufsalltag der Mitarbeiter mit Beobachtungs- und Interpretationsprotokollen, Kinderzeichnungen, Intervallfotos während den einzelnen Kursmodulen und Expertengespräche) wurde ein umfangreicher Datensatz erhoben und ausgewertet. Dabei zeigte es sich, dass bei fast allen Heimbewohnern nach den Schulungen in mindestens 2 Alltagsaktivitäten eine verbesserte Bewegungskompetenz festgestellt werden konnte. Die Sturzbedenken der Bewohner waren generell viel kleiner als die Bedenken der Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen, dass die Heimbewohner hinfallen könnten. Tendenziell waren die Bedenken der Angehörigen & Freiwilligen höher als diejenigen der Mitarbeiter. Die Bewegungsschulungen konnten die Sturzbedenken aller Teilnehmergruppen senken. Die Mitarbeiter hatten nach der Schulung offenbar mehr Zutrauen zu den Bewegungsfähigkeiten der Bewohner, die Angehörigen & Freiwilligen dagegen mehr Zutrauen zu ihren eigenen Begleitfähigkeiten. Generell zeigte es sich, dass in der Lebenswelt der Heimbewohner die geistig-psychischen und soziokulturellen Aspekte eine höhere Bedeutung haben als die körperlichen und ökologischen. Im Zusammenhang mit Bewegung haben die Heimbewohner grundsätzlich eine hohe Ressourcen- und Potentialorientierung, welche nach den Schulungen noch zunimmt. Ausserdem zeigten sie eine hohe Gestaltungsorientierung, was ihren Heimalltag, insbesondere das Zusammenleben mit anderen Heimbewohnern betrifft. Mit Blick in die Zukunft tauchten Befürchtungen wegen zunehmender Pflegebedürftigkeit und Bettlägerigkeit auf. Mitarbeiter, Angehörige & Freiwillige beobachteten bei den Heimbewohnern ein hohes Potential für mehr Selbständigkeit im Alltag. Insgesamt konnte durch die Schulung bei den Heimbewohnern ein grosses Potential für die Steigerung ihrer Produktivität in der Alltagsgestaltung aufgezeigt werden. Anhand einer Modellrechnung wurde der Frage nachgegangen, welche ökonomischen Auswirkungen eine Reduktion des Pflegeaufwands in Institutionen der Langzeitpflege haben könnte. Die Modellberechnungen zeigen, dass eine verbesserte Gesundheit der Bewohner (tiefere Einstufung in den Pflegstufen) Institutionen der Langzeitpflege finanziell belastet. Die für jede weitere Pflegestufe zusätzlichen Einnahmen in Form von Pflegetaxen schaffen ein falsches Anreizsystem. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dies sehr ungünstig. Da das Bewegungsmodell erstmals im intergenerativen Kontext durchgeführt wurde, hat die Interventionsstudie diesbezüglich vor allem explorativen Gehalt. Gesellschaftsnähe sollte durch das Miteinander verschiedener Gesellschaftsgruppen und Generationen installiert werden. Die Resultate weisen darauf hin, dass im heutigen Gesellschaftsleben Kinder offenbar nur selten in konkrete Begegnungen mit alten Menschen kommen. Ein bewegungsbasiertes Intergenerativitätsmodell hätte also zuallererst den Zweck, die Kommunikation wieder in Gang zu bringen. Das könnte bei den Kindern zu einem differenzierteren, konkreteren und realistischeren Altersbild führen, und umgekehrt bei den alten Menschen zu einem realistischeren Kinderbild. Berner Fachhochschule Institut Alter 7

8 Kontext 1 Einleitung Förderung der Gesundheit und Selbstständigkeit im Alter ist ein prioritäres Handlungsfeld der Alterspolitik des Kantons Bern (GEF, 2011). Um diesem Handlungsfeld im Bildungsbereich gerecht zu werden, wurde am Institut Alter der Berner Fachhochschule ein auf Alltagsbefähigung ausgerichtetes Bewegungsmodell entwickelt. Es ist auf ältere, insbesondere wenig aktive oder körperlich / geistig-psychisch eingeschränkte Menschen ausgerichtet. Im Kern geht es um die Stärkung ihres Zutrauens zu den eigenen Fähigkeiten und Erwartungen (Luhmann, 1989) hinsichtlich Selbständigkeit und Selbstbestimmung in ihrer Alltagsgestaltung. In diesem Modell liegt der Fokus auf dem Alltag statt auf möglichen Krankheiten des älter werdenden Menschen. Erkenntnis- und handlungsleitend ist ein Menschenbild, das den Menschen bedingungslos als ganz beschreibt. So werden körperliche und/oder geistig-psychische Einschränkungen nicht als Defizite sondern als spezifische Eigenschaften gesehen, mit denen ein Mensch sein Leben gestaltet. Dieses Bewegungsmodell wird im Rahmen des zweijährigen Weiterbildungsstudiengangs Diploma of Advanced Studies DAS Bewegungsbasierte Altersarbeit 1 an Fachpersonen unterschiedlichster Herkunft und gerontologischer Praxis vermittelt. Sie kommen aus verschiedenen Bereichen der Altersarbeit wie Pflege, Psychiatrie, Kirche, Architektur, Ernährungsberatung, Bildung, Aktivierung, Tanz, Musik, Coaching, Therapie, Verwaltung, Forschung und arbeiten als Angestellte, freiberuflich oder in der Freiwilligenarbeit sowohl in Gruppen- als auch Einzelsettings. Der Pilotstudiengang fand statt. Im März 2016 startet die 5. Durchführung. Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern zeigte von Anfang an grosses Interesse an dieser Weiterbildung. So unterstützte sie bei den beiden ersten Studiengängen Studierende des Kt. Bern mit einem individuellen Beitrag an die Studiengebühren, wenn sie gewisse Kriterien erfüllten. Da es sich bei der Bewegungsbasierten Altersarbeit um ein neues Bewegungsmodell handelt, ist es wichtig, seine Wirksamkeit zu evaluieren. Die Evaluation fand im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts im Zeitraum Januar 2013 bis Dezember 2015 statt. Das Forschungsprojekt wurde durch Beiträge der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern, der Gesundheitsförderung Schweiz, der beteiligten 7 Alters- und Pflegeheime sowie dem Institut Alter der Berner Fachhochschule finanziert. 2 Untersuchungsgegenstand: Bewegungsmodell 2.1 Lebensgestaltung als ganzheitlicher Ansatz Der Begriff Leben wird als Kontext der spezifisch menschlichen Daseinsform verstanden, welche sich in der Wahl des Lebensstils und der Gestaltung des Alltags manifestiert und sich förderlich oder schädigend auf die Gesundheit auswirkt. Leben ist auf übergeordneter Ebene verortet, d.h. Leben ist mehr als Gesundheit oder Krankheit. Es interessiert die Bedeutung von Leben im Sinne eines kreativitätsbasierten Ansatzes für die Arbeit mit Menschen mit der Absicht, dass sie ihr ungenutztes Potential an Fähigkeiten und Persönlichkeitstendenzen entwickeln und ausgestalten können (s. Abbildung 1). Im untergeordneten Kontext Gesundheit-Krankheit steht per se ein Defizit an Gesundheit im Fokus, welches durch therapeutische Massnahmen kompensiert werden soll. In diesem Kontext besteht die Gefahr, dass der Mensch auf den Teilaspekt seiner Krankheit resp. seines Defizits reduziert wird. Die Folge ist, dass der ältere Mensch in einem solchen Abhängigkeitssystem mehr und mehr Eigenverantwortung abgibt und stattdessen Fremdverantwortung in Anspruch nimmt. Bei der Integration krankheitsbedingter Eigenschaften des Menschen in den Kontext seines spezifischen Alltags geht es um die Frage, wie er mit diesen Eigenschaften seiner körperlichen und/oder geistig-psychischen 1 Seit 2014 heisst der Studiengang DAS Bewegungsbasierte Alltagsgestaltung. Der Fokus liegt nach wie vor auf den älter werdenden Menschen. Im Zentrum des Bewegungsmodells steht jedoch die Gestaltung des Lebensalltags und dieser ist für Menschen aller Altersklassen von Bedeutung. Berner Fachhochschule Institut Alter 8

9 Einschränkung (Krankheit) seinen Alltag gestalten kann. Es wird postuliert, dass ein Ressourcenpotential in körperlichen, geistig-psychischen, sozialen und ökologischen Bereichen vorhanden ist, das es zu entdecken, zu nutzen und dadurch zu fördern gilt. Gerade durch die Nutzung und Gestaltung des alltäglichen Handlungsspielraumes können neue Kompetenzen entwickelt werden, seien es Bewegungskompetenzen, Gestaltung des soziale Beziehungsnetzes, neue Interessen und erweiterte Gefühlswelten, bewusstere Gestaltung der Lebens- und Wohnumgebung oder der Umgang mit finanziellen oder rechtlichen Fragen. Essentiell geht es darum, das individuelle Potential an Fähigkeiten zur Selbstgestaltung zu entfalten (übergeordnete Ebene Lebensgestaltung) Lebensgestaltung Kreativitätsbasierter Ansatz: Potentialentfaltung Menschenbild Ganzheit Gesundheit-Krankheit Defizitfokussierter Ansatz: Therapie Alltag Ressourcenorientierter Ansatz: Integration Abbildung 1: Lebensgestaltung als ganzheitlicher Ansatz des Bewegungsmodells. Mit den Kernbegriffen Gestalt und Gestaltung der Gestalt- und Ganzheitspsychologie als integrativer Ansatz wird ein Kontrapunkt zum wissenschaftlichen Welt- und Menschenbild genutzt, das sich immer mehr mit den Einzelaspekten des Menschen beschäftigt (Fitzek, 2010; Diriwächter & Valsiner, 2008; Fuhr et al., 1999). Das Gestaltkonzept ist als dynamischer Prozess zu verstehen mit dem gestaltenden Menschen als Ganzheit in seinem Erleben und Handeln. Bei der Lebensgestaltung geht es um die Kategorisierung übergreifender Sinnzusammenhänge, um das Primat des Ganzheitlichen gegenüber einzelnen Erfahrungsmomenten. Durch aktives, zielbewusstes Handeln hat der Mensch die Möglichkeit aus dem Fundus seiner Persönlichkeit Gestalten entstehen zu lassen. Durch Selbstreflexion und Kommunikation kann er Handlungsoptionen erkennen und Handlungsentscheidungen treffen. Gestaltendes Handeln ist als Qualität der Interaktion zwischen Menschen zu verstehen, die insbesondere in Lebensübergängen (z.b. Tod eines Angehörigen, Heimeintritt, Eintritt von körperlichen oder geistigpsychischen Einschränkungen u. a.) einen entscheidenden Faktor für die Wahl oder Entwicklung des künftigen Lebensstils darstellt. Lebensgestaltung als kreativitätsbasierter Ansatz des Bewegungsmodells heisst, dass sich älter werdende Menschen nach Massgabe ihrer Möglichkeiten ihre eigene Gestalt des Alters formen, dass sie im weiteren oder engeren gesellschaftlichen Kontext mitmachen und für ihre Tätigkeiten, für ihre Alltagsgestaltung Mitverantwortung übernehmen. So lässt sich erkennen, worin der Einzelne im Alter Sinn findet und erfährt, welche Werte er mit seinem Handeln verwirklicht. Gerade in institutionellen Kontexten ist es für Integrationsund Partizipationsprozesse entscheidend, dass neben der dienstleistungsorientierten Pflege, Betreuung, Therapie vermehrt dem selbst- und mitverantwortlichen Alltagshandeln der Heimbewohner ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Die Ressourcenorientierung im Alltag bedeutet, sich selbst und anderen Menschen Handlungsspielräume in der individuellen, sozialen und ökologischen Lebenswelt zu eröffnen, diese zu nutzen und so eine Ausdifferenzierung der eigenen Person zu ermöglichen (Kruse, 2011). In diesem Zusammenhang steht hier der Begriff der Berner Fachhochschule Institut Alter 9

10 Selbstgestaltungskraft, welche in jeder Person unabhängig von physischem und geistig-psychischem Zustand vorhanden ist. Mit dem Modell Bewegungsbasierte Altersarbeit/Alltagsgestaltung soll ein Beitrag geleistet werden, institutionelle, gesellschaftliche, alterspolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Stärkung der Selbstgestaltungskräfte unterstützungsbedürftiger Menschen zum zentralen Anliegen machen. 2.2 Menschenbild Arbeit mit Menschen setzt voraus, dass man sich seines eigenen handlungsleitenden Menschenbildes bewusst ist und dessen Kriterien als Prämissen für die Arbeit offenlegt. Dem Bewegungsmodell liegt folgendes Menschenbild zugrunde: Einmaligkeit: Der Mensch zeichnet sich in seiner Einmaligkeit als soziales, bildungsfähiges Wesen mit Sinnbezug und Verantwortungsfähigkeit aus. Generalisierende Aussagen sind daher nur beschränkt möglich. Da im Alltag, in Bildungsprozessen und in Untersuchungsanlagen sowohl Beobachter als auch die beobachteten Personen als geschlossene psychische Systeme dieser Subjektivität unterworfen sind, kann bei der Arbeit oder bei Untersuchungsprozessen mit Menschen nur mit Vorsicht von Objektivität gesprochen werden. Beispielsweise ist das geschlossene psychische System eines Heimbewohners für einen Mitarbeiter nicht einsichtig. Es bleibt in jeglicher Form von Kommunikation intransparent (Luhmann, 1997, S. 22). Bewusstsein: Es erlaubt Selbstreflexion und die Einnahme von Zeitperspektiven mit Vergangenheitsrekonstruktionen, Gegenwartsdeutung, Zukunftsentwürfen (Planung) und Metaphysik. Der Mensch kann sich seiner relevanten Lebensthemen bewusst werden und sie mit subjektiv gültigen Bewertungen verbinden. Diese sind jedoch nicht festgelegte Grössen sondern Bewusstseins Konstrukte, welche im Lebenslauf einem Wandel unterworfen sind. Tätig sein: Der Mensch wird als Tätigkeitswesen verstanden. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt ist er in einer oder mehreren Formen tägig. Arendt (2003) unterscheidet drei Formen menschlicher Tätigkeit: a) Körperliche Arbeit, in welcher der Mensch in den zyklischen Wiederholungscharakter der Natur eingebunden ist und daher mit dieser Arbeit nicht zu einem Ende kommt (z.b. Atmen, Essen, Trinken, Körperpflege). b) Handwerk, mit welchem er sich die Gegenständlichkeit der Natur aneignet und damit ein Werk erstellt und in der Rolle eines Experten bestimmt, wann das Werk beginnt resp. vollendet ist (z.b. Häuser, Möbel, Werkzeuge, Bilder, Texte). c) Handeln und Sprechen im wechselseitigen Austausch mit anderen, um sich an Inhalt, Struktur und Prozess eines wegweisenden Sozialsystems im Sinne einer Kulturmitgestaltung zu beteiligen und zu verständigen (z.b. Regeln, Gesetze, Sprache, Symbole). Selbststeuerung: Menschliche Systeme können sich aktiv und über längere Zeit in die Zukunft projizieren. Aufgrund dieser teleologischen Annahme können und müssen Menschen sich selber Handlungsoptionen eröffnen, Zielgrössen setzen, aus denen sich ihre Entscheidungen, ihr Handeln und Verhalten ableiten. Dieser Aspekt ist gerade in hierarchischen Systemen und in Abhängigkeitsverhältnissen von besonderer Bedeutung. Soziokultur: Bedingt durch die erhöhten, komplexen kulturellen Errungenschaften und Anforderungen benötigt ein Mensch länger soziale Unterstützung als andere Lebewesen. Herausragendes kulturelles Gut des Menschen bildet die Unterstützung der Mitmenschen, die mit Einschränkungen (körperlich, geistig-psychisch, sozial, ökologisch) ihr Leben gestalten müssen. Werteorientierung: Werte spielen im Menschsein eine übergeordnete Rolle. In Arbeitsfeldern mit Menschen, sei es im privaten, öffentlichen, beruflichen oder wissenschaftlichen Kontext ist es wichtig, Transparenz herzustellen und seine Werteprämissen offenzulegen. 2.3 Curriculum des Bewegungsmodells Bewegungsbasierte Alltagsgestaltung ermöglicht ganzheitliche Bewegungsarbeit mit Menschen in jedem Alter. Der Fokus dieser Studie liegt darauf, Heimbewohner zu befähigen, ihren Alltag möglichst leicht, reichhaltig und sinnstiftend gestalten zu können auch unter einschränkenden Rahmenbedingungen. Diese Arbeit gewinnt an Bedeutung in einer Gesellschaft, die sich in sozialen Unterstützungssystemen zunehmend durch Leistungsorientierung und Wirtschaftlichkeit des Faktors Mensch definiert. Berner Fachhochschule Institut Alter 10

11 Sinnstiftender Alltag zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass der Mensch seinem Leben Sinnhaftigkeit zuschreiben kann, dass er sich im Leben engagiert, teilnimmt und etwas zum Gemeinschaftsleben beiträgt. Sinn entsteht nicht aus dem Alltag selbst, sondern aus dem, was man im Alltag tut, erlebt, erfährt, welche übergeordnete Leitidee handlungsbestimmend ist oder auch in welches ganzheitliche Verständnis man sein Leben einordnet. Der Mensch ist per se Handelnder. Er füllt seinen Alltag mit unterschiedlichsten Tätigkeiten. Sie sind gemäss Arendt (2003) das einzig wirksame Mittel gegen Apathie. Wer sich im Alltag nicht mehr braucht, wer von den Notwendigkeiten des Alltags befreit ist, wer zur Ruhe gezwungen wird, läuft die Gefahr die Kraft der Initiative zu verlieren und Langeweile zu entwickeln. Sich als Handelnder zu erfahren, fördert die Entfaltung und Integration der eigenen Fähigkeiten in Alltagsaktivitäten, stärkt die innere Werthaltung und wirkt sich förderlich auf Gesundheit, Dauer und Qualität des Lebens aus. Der mehrperspektivische Ansatz des Bewegungsmodells beleuchtet in einem integrativen Bildungsprozess die Kompetenzentwicklung und die Bedeutungserweiterung in der Alltagsgestaltung aus den Perspektiven fünf eigenständiger Lehrinhalte (s. Abbildung 2): (1) Bewegung ist Bildung (2) Lebenswelt als Bildungssystem (3) Ästhetik eigener Bewegung als Tanzerfahrung (4) Ressourcenorientierung im alltäglichen Sozialraum (5) Eigensprache als Zugang zu sich selbst (3) Ästhetik eigener Bewegung als Tanzerfahrung (2) Lebenswelt als Bildungssystem Sinnstiftende Alltagsgestaltung (4) Ressourcen im alltäglichen Sozialraum (1)Bewegung ist Bildung (5) Eigensprache als Zugang zu sich selbst Abbildung 2: Die verschiedenen Perspektiven des ganzheitlichen, integrativen Bewegungsmodells Bewegungsbasierte Altersarbeit/Alltagsgestaltung Bewegung ist Bildung Kerninhalt dieses Themenbereichs ist die verhaltenskybernetisch fundierte Bewegungslehre Maietta-Hatch Kinaesthetics (Hatch & Maietta, 2003, 2009, Hatch et al., 2005, Maietta & Hatch, 2004, Hatch & Müller, 2014b). Der Name Kinaesthetics stammt vom Begriff kinästhetischer Sinn. Er wurde zu Beginn des letzten Jahrhunderts allgemein für den Sinn gebraucht, der jetzt sachgemäss als Propriozeption (auch Propriorezeption oder Tiefensensibilität) bezeichnet wird. Der Begriff Kinaesthetics bedeutet im wörtlichen Sinn sich selber erfahren. Er bezieht sich jedoch auf das sensorische System, das Sinnesreize in Muskelspannungen und winkelförmigen Verschiebungen der Knochen, die in den Gelenken in Bezug zueinander stehen, unterscheidet. Berner Fachhochschule Institut Alter 11

12 Von besonderem Interesse in Kinaesthetics Programmen ist die Erforschung von Body-, Social- und Culture- Tracking- Prozessen 2, welche eine tiefgreifende Expertise menschlicher Bewegung ermöglicht. Dabei geht es grundlegend um die Schulung der Sensibilität für eigene Bewegungsreize, d.h. des kinästhetischen Sinns im Rahmen von aktivitätsbezogenem Bewegungslernen. Das zentrale Element des MH Kinaesthetics Bildungssystems ist das Kinaesthetics Konzeptsystem (s. Abbildung 3). Es ist als Werkzeug gedacht, mit dem jede alltägliche Aktivität aus verschiedenen Bewegungsperspektiven systematisch durch eigene Bewegung analysiert, erfahren, verstanden und verändert werden kann. Im Mittelpunkt des Kinaesthetics Konzeptsystems stehen daher Aktivitäten. Aktivitäten sind Phänomene der Bewegung. Alle Aktivitäten führt der Mensch mit Bewegung durch, der Bewegung seines Gewichts in der Schwerkraft. Da Aktivitäten absichtsgeleitete Bewegungssequenzen in Richtung eines Ziels umfassen, haben sie einen klaren Anfang und ein klares Ende mit bestimmten zeitlichen Eigenschaften und räumlichen Dimensionen. Zudem erfordern sie bei der Durchführung Energie in der Form von Anstrengung. Der Name der Aktivität definiert diese Kriterien. Aufstehen vom Stuhl beginnt dann, wenn die Bewegung einen Positionswechsel weg vom Stuhl in Gang setzt und dauert mit einer bestimmten Geschwindigkeit solange, bis der Mensch den letzten Positionswechsel mit dem Zweibeistand beendet hat. Kinaesthetics ist somit eine systematische Beschreibung und Erklärung der Eigenschaften und Aufgaben aller Teile, die Aktivitäten zu dem herausragenden Aspekt machen, wie wir unser Leben miteinander leben und gestalten. Abbildung 3: Maietta-Hatch Kinaesthetics Konzeptsystem (Hatch & Maietta, 2009, Hatch et al., 2014). Das Bewegungsmodell nimmt mit der Methodik des Kinaesthetics Lernmodells 3 (Hatch & Müller, 2014a) Aktivitäten in seinen Fokus, die einerseits hinsichtlich Selbständigkeit und Bewegungsradius von besonderer 2 Body Tracking: Die Körperteile eines Menschen folgen einander in jeder Bewegung, die er gestaltet. Diese Fähigkeit ist fundamental für jede Entwicklung von Bewegungskompetenz. Social Tracking: Ein Mensch folgt der Bewegung eines anderen Menschen im gemeinsamen Tun. Diese Fähigkeit ist fundamental für die Entwicklung von Handling-Kompetenz. Sie ist die Basis für eine wechselseitig befähigende Interaktion zwischen Menschen. Culture Tracking: Menschen folgen der Bewegung der Mitglieder einer Gruppe von Menschen, indem sie die Bedeutung in Form von Symbolen und Regeln der Gruppe im wechselseitigen Austausch beachten. (Hatch & Müller, 2014b, S. 14). 3 Das MH Kinaesthetics Lernmodell beschreibt die auf Kompetenzzuwachs ausgerichtete Gestaltung von Bewegungslernen mit Fokus auf relevante Aktivitäten jeglicher Art. Berner Fachhochschule Institut Alter 12

13 Umwelt Mensch Bedeutung, anderseits jedoch bei körperlichen und/oder geistig-psychischen Einschränkungen bewegungsproblematisch sind. Wenn überhaupt, dann werden sie mit eingeschliffenen Bewegungsmustern durchgeführt, mit rigiden Selbstbewertungen behaftet und sind oft in Emotionen eingebettet, die Fähigkeiten unterdrücken anstatt sie zu fördern. Solche Aktivitäten werden in der Bewegungsschulung als relevante Aktivitäten bezeichnet. Anhand der MH Kinaesthetics Curriculumstruktur (Hatch & Müller, 2014b) wird das systematische Bewegungslernen im konkreten Anwendungskontext eines gewählten Lebensbereichs beleuchtet. Durch die Aktivitäten seines täglichen Lebens bearbeitet der Mensch die Themen seines Lebens, seien dies praktische, philosophische, gesundheitliche oder andere Themen. Insgesamt beschreibt MH Kinaesthetics ein bewegungsbasiertes Bildungssystem, das in einem umfassenden Sinn Bewegung in Verbindung mit Kognition bearbeitet Lebenswelt als Bildungssystem Der Lehrinhalt Lebenswelt als Bildungssystem entspricht zentralen Anliegen der allgemeinen Systemtheorie (Ackoff & Emery, 1975, von Bertalanffy, 1968, Kalbermatten 1979): (1) eine spezifische Lebenswelt ganzheitlich (holistisch) zu betrachten (2) Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Systemunterteilen zu berücksichtigen (3) das System aus verschiedenen, wissenschaftlichen und Aktoren-Perspektiven zu betrachten (4) das System im Wandel der Zeitperspektive zu analysieren, da menschliche Systeme Prozesscharakter haben und nicht statisch sind (5) Handlungsbezug (6) Sinnbezug Als Instrument zur Analyse von Lebenswelten dient das von Kalbermatten (1998) entwickelte Modell der vier Lebensbereiche (s. Abbildung 4). Die Gründe, warum ein Mensch etwas tut oder nicht tut, sich so oder anders entscheidet, sich in einer gewissen Lebenslage befindet, liegen einerseits bei ihm (personale Faktoren wie z.b. Einstellungen, Fähigkeiten, Ziele, Motive, körperliche Eigenschaften), andererseits üben Faktoren aus seiner Umwelt (z.b. andere Menschen, die Gesellschaft, ein Ereignis, finanzielle Lebensbedingungen) einen fördernden oder hindernden Einfluss aus. Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass menschliches Handeln immer eine Funktion von Person und Umwelt ist. Will man eine Person verstehen, muss man sie in ihrer Wechselbeziehung mit der Umwelt betrachten. Es gehört zur menschlichen Lebensbedingung, nur im Austausch mit der ökologischen (z. B. Nahrung, Sonne, Luft, Wasser, Erde) und sozialen Umwelt existenzfähig zu sein. Folglich ist die Analyseeinheit nicht die Person an sich, sondern der Mensch in seiner Interaktion mit seiner Umwelt bildet das System der Betrachtung. materiell immateriell 1 Körper Bildungsevaluation K 2 Ö S/K Geist/Psyche K V S M E H 3 Ökologie Sinn 4 Soziokultur Abbildung 4: Das Modell der vier Lebensbereiche (Müller, 2014a). Berner Fachhochschule Institut Alter 13

14 Mit der Bezeichnung Lebensbereiche der vier Felder des Kreismodells wird eine grobe Einteilung für zentrale Begriffe des Lebens verwendet. - Lebensbereich 1: körperlich-biologische, physisch manifeste Phänomene - Lebensbereich 2: geistig-psychische, immaterielle Phänomene - Lebensbereich 3: ökologische, physisch manifeste Phänomene - Lebensbereich 4: sozial-kulturelle, immaterielle Phänomene Die Wechselbeziehung zwischen den vier Lebensbereichen bedeutet, dass jeder Aspekt, jede Veränderung oder Intervention in einem der Lebensbereiche sich auch auf die anderen drei auswirkt. Mit dem Element Sinn im Zentrum dieses Wechselwirkungssystems wird angedeutet, dass es für die Orientierung in der menschlichen Lebenswelt letztlich um Sinnbezüge und die Beantwortung der Sinnfrage geht Ästhetik eigener Bewegung als Tanzerfahrung Das Tanzverständnis, welches in diesem Thema erfahren und als Element einer ganzheitlichen Bewegungskultur bearbeitet werden soll, gründet auf der Arbeit von Anna Halprin (Halprin, 2000, Wittmann et al., 2009). Sie hat als Pionierin seit den späten 1930er Jahren immer wieder neue Wege des Tanzes in unbekanntes Territorium beschritten, immer mit der Absicht, die innewohnende Kreativität des Tanzes in das Hier und Jetzt zu integrieren. Ihre aktuelle revolutionäre Arbeit, die sie im Alter von über 90 Jahren gestaltet, umfasst die Entdeckung der Schönheit des älter werdenden Körpers und dessen Beziehung zur Natur. Die Heilkraft des Tanzes hin zu einem liebevollen Annehmen des eigenen Körpers, so wie er ist, hat sie durch ihre eigene Krebserkrankung erforscht. Eine so verstandene und praktizierte Tanzarbeit bewegt sich auf einer Ebene, die über den Themen Gesundheit und Krankheit, Begrenzungen, Verlust, Behinderung oder Schmerz liegt: Gemeint ist die Lebensgestaltung mit dem innewohnenden kreativen, ästhetischen Potential eigener Bewegung. Mit dem Element Tanz kommt eine subjektive innere Bewertung eigener Bewegung ins Spiel. Zentrale Begriffe, die Halprin (2000) in ihrem Verständnis und ihrer Praxis von Tanz nutzt, sind Bewegung, Empfindung, Gefühl, Emotion, Heilung, Lebenskunstprozess. Leben und damit Bewegung betrachtet sie als den Ursprung des Tanzes: die Bewegung der Zellen, das Pulsieren des Blutes, der Rhythmus des Atems. Jeder Körper hat die Fähigkeit, sich zu bewegen, selbst wenn sich nur der kleine Finger bewegt oder man sich vorstellt, eine Bewegung auszuführen. Tanz wird als direkte und natürliche Art sich zu bewegen verstanden, ohne dass irgendeine Autorität diesem Tun bestimmte Vorstellungen über Ästhetik aufzwingt. Halprin (ebd.) betont, dass die meisten Menschen aufgrund kulturell erzwungener, stereotyp eingeengter Bewegungsmuster den kinästhetischen Sinn im Verlaufe ihres Lebens mehr und mehr vergessen, obwohl er den grössten Teil unseres Gehirns beschäftigt (Halprin, ebd.). Ein wesentliche Absicht der Tanzarbeit als Element bewegungsbasierter Altersarbeit/Alltagsgestaltung ist es daher, die Alltagsbewegung älter werdender Menschen aus der Beschränkung stereotyper Muster zu befreien, was den Befreiungsprozess unterdrückter Gefühle unterstützt, ermöglicht oder auch provoziert. Alltagsbewegung als Tanzerfahrung erlaubt einen kreativen, selbstschöpferischen Gestaltungsprozess auf der ästhetischen, gefühlsbetonten Ebene. Halprin entwickelte ein Programm mit dem Titel Moving Toward Life (Bewegung zum Leben hin) (Halprin und Kaplan, 1995). Darin geht es um die intime Ganzheit von Bewegung, Gefühl und Emotion, welche eine individuell ausgestattete Heilkraft des Körpers enthält, der dazu geschaffen ist, zu leben Ressourcen im alltäglichen Sozialraum Das am Institut für Stadtentwicklung, sozialraumorientierte Arbeit und Beratung der Universität Duisburg- Essen entwickelte Beratungskonzept Ressourcen- und Sozialraumorientierung (RSO) versucht Antworten bereitzustellen zu den Fragen modernen Gesellschaft, die sich insbesondere durch Individualisierung und Pluralisierung kennzeichnet. Dem einzelnen Menschen werden vielfältige Optionen eröffnet und zugemutet hinsichtlich der Gestaltung ihres Alltages und ihres Lebensentwurfs. Diesen sich wiederholenden oder neuen Anforderungen der Lebens- und Alltagsgestaltung sind auf verschiedene Weise älter werdende Menschen ausgesetzt (Hinte & Kreft 2005, Springer, 1995). Der Fokus der Beratung liegt auf der Entwicklung und Stärkung der Individualität und Sozialität des älter werdenden Menschen in seinem Alltag. Dabei wird der soziale Raum mit seinen materiellen Bedingungen sowie seinen kommunikativen bzw. Beziehungs-Strukturen als der Ort unmittelbarer gesellschaftlicher Erfahrung Berner Fachhochschule Institut Alter 14

15 verstanden, dort also, wo der Alltag stattfindet und sich die subjektive Identität aus der konkreten eigenen Geschichte entwickelt, mit anderen Menschen und an Orten, die dazu förderlich oder hinderlich sind. Nicht jedes Individuum hat die gleichen Chancen, für den Alltag tragfähige soziale Netzwerke aufzubauen und zu erhalten dies aus Gründen struktureller Benachteiligung wie auch persönlicher Merkmale und Kompetenzen. Der Respekt vor der Person des Anderen, dessen Individualität, lässt im Beratungsprozess nur die Option offen, nichts für die Menschen zu tun, sondern nur mit ihnen. Die Stärkung der Eigenverantwortung bedarf der Begleitung und Unterstützung und nicht der Verfügung oder autoritären Ziel- oder Sinnsetzung. Die Bedürfnisse und Interessen der Menschen sind Motor und Chance dafür, ihre Eigeninitiative anzuregen und sie durch Partizipationschancen bzw. Entfaltungsmöglichkeiten in ihren Erfahrungen als eigenständig Handelnde zu bestätigen. Nur im eigenverantwortlichen Handeln und Sich-Beteiligen können sich Menschen als kompetent und produktiv erfahren. Die Beratungskompetenz beinhaltet insbesondere, ältere Menschen darin zu unterstützen, ihre jeweilige Situation wahrzunehmen und zu reflektieren, ihren Willen nach Stabilisierung oder Veränderung abzuklären sowie Ziele und Handlungsschritte zu entwerfen und zu gehen. Dabei werden Alltags- und Lebensthemen älterer, sowohl aktiver als auch und gerade eher inaktiver oder körperlich eingeschränkter Menschen aufgegriffen, zu gemeinsamen Themen und Interessen zusammengeführt und die Betroffenen in ihrer Partizipationsfähigkeit und Potenzialnutzung im Alltag gestärkt. Die Beratungsperson kann, orientiert am Willen der Betroffenen, Entwicklungsoptionen analysieren, Klärungs-, Entscheidungs- und Handlungsprozesse initiieren unter Einbezug verfügbarer, zu entdeckender und zu entwickelnder Ressourcen im Alltag vor Ort, dem sozialen Raum Eigensprache als Zugang zu sich selbst Wenn ein Mensch seine Welt oder eine ganz konkrete Situation beschreibt, findet dieses Erleben in seiner Sprache den eigenen, individuellen Ausdruck. Das ist die Eigensprache oder der Idiolekt (lat. Idio: eigen, lexus : Sprache). In der Eigensprache werden neben den lexikalischen Bedeutungen der Worte diese sehr persönlichen Verbindungen wirksam. Die von A.D. Jonas begründete Gesprächsführung Idiolektik ist der methodisch sorgfältige und präzise Umgang mit der Eigensprache eines Menschen (Jonas & Daniels, 2008). Die Haltung der das Gespräch führenden Fachperson ist geprägt von achtsamer Wahrnehmung der Worte und Signale sowie der kompromisslosen Anerkennung und Würdigung der Sicht des Anderen. Durch konkretes Aufnehmen der so genannten Schlüsselworte und offenes, ressourcenorientiertes Nachfragen nach deren individuellen Bedeutung schafft der Gesprächsführer aufmerksame Präsenz. Im Umgang mit der Eigensprache einer Person folgt der Gesprächsfluss ihrer eigenen Logik. Dabei wird bewusst auf das unmittelbare Anbieten eigener Hypothesen, Deutungen und Lösungen/Rezepte verzichtet. Es zeigt sich, dass dies von den Befragten meist als sehr hilfreich erlebt wird: Sei es, weil sie so selbst zu neuen Erkenntnissen gelangen oder weil sie besser annehmen können, wie etwas oder was derzeit ist, das sich nicht einfach rasch wegmachen lässt (Cincera 2014). Durch das Achten auf körpersprachliche Signale und bildhafte Sprachelemente lassen sich in einer Beratung leichter Ressourcen erkennen, um in Resonanz mit dem Gegenüber zu treten. Durch das sich Einlassen in das Erleben der Wirklichkeit durch das Gegenüber entstehen lebendige Gespräche und ein hohes Mass an Vertrauen. Idiolektische Gesprächsführung ist eine spezifische Methode der Prozessbegleitung, die sich im ursprünglichen Anwendungskontext der Diagnose und Therapie und inzwischen auch in Heilberufen, in der Pädagogik, Beratung, im Coaching, im Kundenkontakt und im Kontext der Personenführung sehr bewährt (Cincera, 2014). Jonas pflegte seine Herangehensweise vor den Studierenden oft in dem Sinne zu kommentieren, dass sich dies wie ein Geplauder draussen auf einer öffentlichen Sitzbank anzuhören scheint (Jonas & Daniels, 2008). Im Fluss des freien Assoziierens ohne jede Erwartungshaltung, irgend ein Ziel erreichen zu müssen, kommen im Gespräch oft Themen viel authentischer ihrem Ausdruck als in einem gängigen, von einem Fachinteresse geleiteten Interview (Jonas & Daniels, 2008). Dennoch unterscheidet sich ein idiolektisch geführtes Gespräch von einem unbewusst geführten Alltagsgespräch. Die Gesprächsführung ist asymmetrisch, einer hört zu und fragt offen nach, der andere erzählt. Die das Gespräch führende Person ist mit ungeteilter Aufmerksamkeit dem Gegenüber zugewandt, eingelassen und ohne Einschränkung wertschätzend, vermeidet eigene Deutungen des Gehörten ins Gespräch einzubringen und achtet darauf, dass sich das Gegenüber auf keinen Fall rechtfertigen muss. Berner Fachhochschule Institut Alter 15

16 Die idiolektische Gesprächsführung kann in der bewegungsbasierten Altersarbeit/Alltagsgestaltung situativ Möglichkeiten eröffnen, Menschen in der Weise begleiten, dass die in Gang kommenden Prozesse unterstützt und im günstigen Fall sogar noch verstärkt werden. In Idiolektik geschulte Fachpersonen haben ein Instrument in der Hand, das hilfreich ist, um die Motivation des Gegenübers zu stärken sowie seine Eigenressourcen anzusprechen und zu aktivieren. Es erleichtert zudem einen authentischen Zugang zum individuellen Alltagserleben, den Bedürfnissen und Bestreben der begleiteten Menschen sowie eine passende Gestaltung der Beziehung. Dadurch, dass die Idiolektik ihren Ursprung in der somatischen Medizin und Psychotherapie hat, bietet die Methode zudem einen differenzierten Umgang mit somatischen und bewegungsspezifischen Prozessen und den damit verknüpften nonverbalen und (para)verbalen Signalen. 3 Zielsetzung 3.1 Begriff Produktivität Der im Kontext dieser Studie verwendete Begriff Produktivität misst einerseits den Grad und das Ausmass der selbständigen Alltagsgestaltung der Heimbewohner bei der Durchführung relevanter Aktivitäten. Je mehr und je selbständiger sie relevante (bzgl. Lebensqualität wichtige, in der Durchführung jedoch schwierige) Aktivitäten ihres Heimalltags ausführen, umso produktiver tun sie das. Sie nutzen mehr eigene Fähigkeiten und beanspruchen weniger direkte Supportressourcen der Pflege-resp. Betreuungspersonen oder Angehörigen & Freiwilligen. Können Heimbewohner den Grad der selbständigen Ausführung solcher Aktivitäten erhöhen und ihren Willen zur Selbstbestimmung stärken, so kann von einer besseren Produktivität in ihrem Alltagsgeschehen gesprochen werden. Mehr Selbständigkeit und Willensstärke der Heimbewohner vermindern auf der anderen Seite den Bedarf an professioneller Unterstützung. In der Folge können auch die Mitarbeitenden ihre Supportressourcen gezielter und damit ökonomischer einsetzen. Die Produktivität ihres Supports bei relevanten Aktivitäten der Heimbewohner wird dadurch ebenfalls grösser. Beispielsweise kann eine befähigende Supportgestaltung bei einem stark unterstützungsbedürftigen Heimbewohner neu durch eine statt durch zwei Pflegende/Betreuende geleistet werden. Oder der bisher notwendige Support fällt ganz weg, da der Heimbewohner die Aktivität nun selbständig durchführt (s. Abbildung 5). Produktivität von Selbstgestaltung und Produktivität von Supportgestaltung weisen idealerweise eine positive Korrelation auf. Abbildung 5: 24h-Ablauf eines normalen Heimtages unter Einbezug des Konzepts Lebensgestaltung. Relevante Aktivitäten sind für die jeweiligen Bewohner besonders wichtige Aktivitäten, die sie entweder selbständig ausführen können (relevante Aktivität 1) oder für die sie Unterstützung brauchen (relevante Aktivität 2). Relevante Aktivitäten sind für die jeweiligen Mitarbeiter wichtige, befähigende Supportaktivitäten (Relevante Aktivität 3) oder wichtige, supportschonende Berufsaktivitäten (relevante Aktivität 4). Berner Fachhochschule Institut Alter 16

17 Im 24h-Tagesverlauf eines Heimbewohners reihen sich Aktivitäten nacheinander. Dem Liegen im Bett folgt das Aufsitzen an den Bettrand, das Sitzenbleiben, gefolgt vom Aufstehen, Gehen auf die Toilette, sich Setzen usw. Relevante Aktivitäten der Kategorie 1 kann der Heimbewohner selbständig ausführen, er braucht keine Unterstützung. Der Gegenpol dazu bilden die rot eingekreisten relevanten Aktivitäten der Kategorie 2. Der Heimbewohner ist auf professionelle Unterstützung angewiesen, damit er die Aktivität überhaupt durchführen kann (z.b. vom Boden aufstehen). Die professionelle Unterstützung ist eine Aktivität der Kategorie 3. Aktivitäten der Kategorie 4 sind supportschonend, wenn die Mitarbeiterin den Heimbewohner dadurch befähigt, dass sie ihn machen lässt, auch wenn er dafür mehr Zeit braucht, und sie dank der Selbständigkeit des Heimbewohners eine andere Tätigkeit ausüben kann. Eine positive Produktivitätsentwicklung zeigt sich darin, dass a) der Heimbewohner Aktivitäten 1 weiterhin selbständig ausführen kann und bei allfälligen Schwierigkeiten eigenständig Bewegungslösungen findet; b) der Heimbewohner sich bei Aktivitäten 2 durch befähigende Interaktion aus dem Supportbedarf lösen kann; c) die Pflege- oder Betreuungsperson dementsprechend befähigende Interaktionen bei Aktivitäten 3 gestaltet und so ihren Supportaufwand reduziert; d) die Pflege- und Betreuungsperson überhaupt Selbständigkeitspotential des Heimbewohners erkennt und ihm die Aktivität ohne Support zutraut. Produktivitätssteigerungen können sich in den vier Lebensbereichen Körper, Geist/Psyche, Soziokultur und Ökologie sowohl für Heimbewohner als auch für Mitarbeitende positiv auswirken. So kann der 24h Ablauf eines normalen Tages in einem ganzheitlichen Sinn und Einbezug der vier Lebensbereiche hinsichtlich Produktivität untersucht werden. Idealerweise sollten sich diese Zusammenhänge auch gesundheitsökonomisch produktiv auswirken (mehr Gesundheit, weniger Krankheitskosten, weniger Personal- und Strukturaufwand, tiefere Krankenkassenprämien etc.). 3.2 Hauptzielsetzung Übergeordnete Zielsetzung der Studie war die Implementierung des alltagsorientierten Bewegungsmodells des Weiterbildungsstudienganges 'DAS Studies Bewegungsbasierte Altersarbeit' in verschiedenen Altersinstitutionen im Kanton Bern sowie eine Wirkungsevaluation des Modells. Das alltags- und anwendungsorientierte Evaluationsdesign soll die Produktivitätssteigerung der Selbstgestaltungskräfte älterer Menschen erfassen. Kriterien sind Selbstständigkeit, Mobilität, Gesundheit, Aspekte subjektiver Lebensqualität (Freude an der eigenen Bewegung; Sinnerfahrung im alltäglichen Tun; Willensausdruck für aktive Lebensgestaltung und Werteerfüllung, Integration und Partizipation im soziokulturellen Austausch u.a.) sowie Hilfsmittel- und Fremdkräfteabhängigkeit der Bewohner/innen in ihrer Alltagsgestaltung. 3.3 Teilzielsetzungen Einbindung von Alters- und Pflegeheimen Bewegungsbasierte Altersarbeit als ganzheitliche gesundheitsförderliche Bewegungskultur in Heimen funktioniert, wenn alle Anspruchsgruppen einen positiven Effekt feststellen können. Das Ziel war, 10 Heime, und pro Heim ca. 5 Mitarbeitende, 3-5 Angehörige und eine Kleingruppe von Kindern rekrutieren zu können. Dieses Ziel ist von besonderer Bedeutung, weil sich die Heime bei der Durchführung und Implementierung von offenen, intergenerativen Bewegungsschulungen resp. alltagsorientierten/alltagsbegleitenden Bewegungsangeboten mit je ca. CHF 7'000.- beteiligten. Evaluation des implementierten Bewegungsmodells Quantitative und qualitative Wirkungsevaluation des implementierten Bewegungsmodells. Es sollen alltagsbezogene Messkriterien in den Bereichen Selbstständigkeit, Mobilität, physische und geistig-psychische Gesundheit, Sozialverhalten, subjektive Lebensqualität sowie Hilfsmittel- und Fremdkräfteaufwand in relevanten (schwierigen, problematischen) Alltagsaktivitäten der Heimbewohner definiert werden, die bei der Umsetzung des Bewegungsmodells einfach evaluiert werden können. Berner Fachhochschule Institut Alter 17

18 Gesundheitsökonomisches Handlungs- und Evaluationsmodell Es soll ein gesundheitsökonomisches Handlungs- und Evaluationsmodell entwickelt werden, das die monetären Effekte des implementierten Bewegungsmodells erfasst. Evaluation Intergenerativität Es sollen die Effekte einer gemeinsamen Bewegungsschulung von Heimbewohner und Kindern (mit deren Bezugspersonen) anhand von Messkriterien im körperlichen (gemeinsame Bewegungserfahrungen, Entwicklung von Bewegungskompetenz), geistig-psychischen (Freude, Interesse, Anregung, Werthaltung, individuelles Altersbild resp. Jugendbild) und im soziokulturellen Lebensbereich (soziale Rolle, Austausch von Alltags- resp. Lebensthemen, Partizipation, Integration) evaluiert werden. Zudem soll Datenmaterial gesammelt werden, welches für die Konzeption eines Modells zur Schulung von pflegenden Angehörigen & Freiwilligen genutzt werden kann. Berner Fachhochschule Institut Alter 18

19 Intervention: Bewegungsschulung 1 Organisation und Durchführung Die Bewegungsmodule wurden durch die creovivo GmbH organisiert. Sie trug die Verantwortung für das Kursprogramm und die Qualitätssicherung der Durchführung. Die Bewegungsmodule wurden immer von mindestens zwei Personen geleitet. In vier Heimen waren der Studienleiter und Entwickler des 'DAS Bewegungsbasierte Altersarbeit/Alltagsgestaltung' resp. des Bewegungsmodells und zwei Absolventinnen des Studienganges für die Modulgestaltung zuständig, in drei Heimen waren es je zwei Absolventinnen. 2 Gesellschaftsnahe Teilnehmergruppe Das Bewegungsmodell stellt älter werdende Menschen in ihrem konkreten Alltag ins Zentrum. Unter der Prämisse einer ganzheitlichen Betrachtungsweise des Alltagslebens mit Gestaltungsthemen in allen vier Lebensbereichen (Körper, Geist/Psyche, Soziokultur, Ökologie) hatte gerade der soziokulturelle Lebensbereich eine besondere Bedeutung. Gesellschaftliche Integration und Partizipation als wichtigstes Kriterium für Menschsein und Lebensqualität setzt ein gesellschaftsnahes Setting der Teilnehmergruppe voraus. Statt dass Heimbewohner, Betreuungspersonen, Angehörige, Freiwillige und Kinder getrennt voneinander, nebeneinander oder aneinander vorbei leben, sollte es im Kurs um ein Miteinander gehen. Obwohl die Kursgestaltung eine formale Struktur mit entsprechenden Lern- und Bildungsgefässen hatte, sollten sich die Teilnehmenden vor allem als Menschen und weniger als formaler Rollenträger begegnen (alter Mensch statt Heimbewohner; Kind statt Schüler; Frauen und Männer unterschiedlichen Alters und Kultur statt Mitarbeiterin, Freiwillige, Angehörige). Es versteht sich von selbst, dass jede Teilnehmerin, jeder Teilnehmer in den verschiedenen Begegnungen und Erfahrungen im Verlaufe des Kurses immer wieder Bezüge zu speziellen Rollen herstellte. Das entspricht wiederum dem hier verstandenen Gesellschaftskonzept. Man ist gleichzeitig Mensch und Rollenträger. Daraus entwickeln sich die wesentlichen integrativen und partizipativen Prozesse. 3 Kursgestaltung Im Zentrum der Schulung der Heimbewohner, der Mitarbeitenden und der Angehörigen & Freiwillige n stand die Befähigung und Neubewertung relevanter Aktivitäten anhand des MH Kinaesthetics Lernmodells. Durch systematisch aufgebautes Bewegungslernen wurden im Kursverlauf gezielt individuell passende Bewegungslösungen für vertikale (Aufstehen vom Bett, vom Stuhl, sich setzen, auf den Boden runter und wieder aufstehen) und horizontale Fortbewegungsaktivitäten (Gehen allein, in Begleitung, mit/ohne Gehhilfe, Rutschen, Treppensteigen), Aktivitäten an Ort (Sitzen, Essen, Trinken, Schreiben, Schuhe anziehen, Jacke anziehen) und vitale Aktivitäten wie Atmen erkundet und erfahren. Die Absicht dieser bewegungsbasierten Befähigung lag darin, dass einerseits die Heimbewohner durch gesteigertes Zutrauen zu ihren Bewegungsfähigkeiten und zu ihren Erwartungen bzgl. Selbständigkeit ihren Bewegungsradius in der Alltagsgestaltung erweitern können, indem sie ihr Gewicht im Spiel mit der Schwerkraft auch bei Unterstützungsbedürftigkeit mit mehr Leichtigkeit bewegen. Die Erfahrung der Erweiterung von Alltagsbewegungskompetenz durch mehr Leichtigkeit und Lösungsorientierung in der Alltagsbewegung stärkt bei den Heimbewohner die Erfahrung resp. ihr Körperwissen ich kann. Anderseits sollten die Mitarbeitenden durch gesteigertes Zutrauen zu den Bewegungsfähigkeiten der Heimbewohner und ihren Erwartungen bzgl. Selbständigkeit ihre supportive Haltung dahingehend verändern, dass sie in Interaktionen mit den Heimbewohner verbal und/oder nonverbal durch direkten Bewegungskontakt ein angstbefreites, wertschätzendes Sie können kommunizieren. Mitarbeitende könnten so mit wachsender Sicherheit mehr und mehr ich helfe Ihnen mit Sie können ersetzen. Die Qualität befähigender Interaktionen zeigt sich idealerweise darin, dass Heimbewohner fest eingeschliffene Bewegungsmuster - sei dies infolge selbstabwertender Körperbilder, Defizitorientierung oder gelernter Inkompetenz aufbrechen zugunsten von Entdecken, Ausprobieren neuer, variantenreicheren Bewegungslösungen. Das entspricht dem Lernen zweiter Ordnung Lernen lernen und fördert Kompetenzentwicklung im Bereich Alltagsbewegung. Berner Fachhochschule Institut Alter 19

20 Der Aufbau des Bewegungslernens folgt der Systematik des MH Kinaesthetics Konzeptsystems in 12 Bewegungsthemen: 1. Sinnessystem, insbesondere Entdecken und Erfahren des kinästhetischen Sinns 2. Bedeutung der Bewegungselemente Zeit-Raum-Anstrengung in der Gestaltung unterschiedlicher Formen von Interaktionen 3. Einführung in die Anatomie mit dem Entdecken der Eigenschaften und Funktionen von Knochen und Muskeln 4. Entdecken und Erfahren der funktionalen Einheiten von Knochen in 7 Körpermassen und der Zwischenräume, welche die Massen verbinden 5. Unterscheiden der Bewegungsorientierung im Raum von derjenigen im Körper 6. Entdecken der Dimensionalität der Bewegungsressourcen in den Gelenken, welche unterschiedlichste Bewegungsmuster und -lösungen ermöglichen 7. Erfahrung und Funktion von Bewegungskommunikation durch ziehende resp. drückende Anstrengung 8. Entdecken und Erfahren der menschlichen Funktion Position, d.h. den Formen, wie das Gewicht der sieben Köpermassen in Beziehung zueinander organisiert werden kann 9. Prinzip der Fortbewegung, sei es vertikal in Positionswechseln oder horizontal in der Form von Gehen, Hüpfen 10. komplex menschliche Funktionen bei Aktivitäten, die an Ort durchgeführt werden (z. B. Essen, Trinken, Anziehen, Schreiben) 11. komplexe menschlichen Funktionen bei vitalen Aktivitäten (Atmen, Verdauen, Blutkreislauf) 12. Möglichkeiten einer für die jeweilige Aktivität förderlichen Umgebungsgestaltung. Die Umgebung als integrativer Teil jeder Aktivität erfahren. Jede Durchführung einer Alltagsaktivität ist eingebettet in ein subjektives, mehr oder weniger rigides kognitives Bewertungssystem (Meinungen, Überzeugungen, Glaubenssätze). Dieses führt infolge emotionaler Verankerung der Aktivität (z.b. Angst, Sicherheit, Zutrauen, Freude, Wut, Stolz, Scham) zu bestimmten Selbsteinschätzungen auf dem Kontinuum von ich kann nicht" bis "ich kann. Diese Kognitionen wirken vor, während und nach der Durchführung einer relevanten Aktivität. Befähigungseinschränkende Selbstbewertungen können durch positive Erfahrungen bei der Durchführung der Aktivität verändert werden. Diese Befähigung zu mehr Selbständigkeit kann zusätzlich durch Gestaltungselemente gefördert werden, welche die individuelle Ästhetik, die innere Schönheit menschlicher Bewegung zum Ausdruck bringen. Eigene Bewegung wird damit als intimer Anlass wertgeschätzt. Das setzt einen Kontrapunkt zur externen Leistungsorientierung, wo es Alltagsaktivitäten oft unter Zeitdruck zu erledigen gilt. Situativ angepasste Interventionen, welche das Identitätsbewusstsein und die Selbstannahme im Sinne von so bin ich und Entfremdungstendenzen schwächen, die Kraft des eigenen Willens fördern oder den Zugang zu inneren Ressourcen durch eigensprachliche Fragen eröffnen, können zu einer Neubewertung relevanter Lebensthemen beitragen. Dieser Prozess lässt sich zusammenfassend als Stärkung der Selbstbestimmung benennen. Die Qualität der Interaktion zwischen Menschen ist oft ein entscheidender Faktor für Wachstum. Arendt (2003) definiert Leben als inter homines esse unter Menschen sein das Interesse also in wechselwirkenden Beziehungen mit Menschen zu sein, die einem etwas bedeuten. Dieser Aspekt hat in der Lebensphase Alter und gerade in Altersinstitutionen eine grosse Bedeutung. Heimbewohner sind vorerst umgeben von fremden Menschen, mit denen neue Beziehungen aufgebaut werden müssen. Zudem sterben wichtige Personen des sozialen Netzes. So sind Heimbewohner konfrontiert mit dem desinere inter homines esse - dem Aufhören unter Menschen zu sein, mit Einsamkeit und letztlich dem Sterben und Tod. Mit bewegungsbasierter Arbeit können subjektiv bedeutungsvolle Themen neue Beachtung finden. Das kann ermöglichen, dass Betroffene Entscheide zu Gunsten ihrer Lebensqualität fällen. Gerade in Abhängigkeitssystemen geht es darum, den unterstützungsbedürftigen Menschen in ihren Entscheidungsprozessen zu stärken und zu begleiten. Von besonderer Bedeutung für Heimbewohner ist schliesslich der ökologische Lebensbereich, die materielle Umgebung. Dazu gehören wesentlich das Wohnumfeld - ein neues Daheim gilt es zu etablieren -, Hilfsmittel (z.b. Gehhilfen), Nahrungsmittel, Finanzen. Zentral ist die Erfahrung, den Umgebungsbedingungen nicht hilflos ausgeliefert zu sein, sondern sie zugunsten körperlicher, geistig-psychischer und soziokultureller Lebensqualität gestalten zu können. Berner Fachhochschule Institut Alter 20

21 Evaluationsdesign 1 Konzeption Die Studie war als Interventions-/Wirkungsevaluationsstudie konzipiert (s. Abbildung 6). Die Intervention war ein 12-teiliger Bewegungskurs, welcher nach dem Bildungsmodell der Bewegungsbasierten Altersarbeit aufgebaut ist. In der Evaluation interessiert, welche Wirkung diese Bewegungsschulung auf die Lebensgestaltung und Bewegungskompetenz der verschiedenen Teilnehmer hat. Da es sich um ein komplexes soziales System handelt, bestehend aus verschiedensten psychischen Systemen, die über den Interventionszeitraum von 3-4 Monaten einerseits in unterschiedlichsten Umgebungen und Situationen sich selber reflektierten und andererseits mit anderen psychischen Systemen kommunizierten, können erfasste Wirkungszusammenhänge nicht in einem naturwissenschaftlichen Sinn erklärt werden. Der Studie liegt daher ein verstehender Ansatz zugrunde. Die resultierenden Wirkungszusammenhänge erlauben es, die Komplexität des untersuchten Systems besser zu verstehen. Da die interessierenden Parameter zu komplex sind, um direkt gemessen zu werden, wurde ein mehrperspektivisches Methodenmodell gewählt. So konnten auf vielfältige Weise andere Messgrössen erhoben, von denen angenommen werden kann, dass sie mit den interessierenden Parametern korrelieren. Dieses Vorgehen ist z.b. bei Assessments in den Bewegungswissenschaften weit verbreitet und bewährt (s.a. Oesch et al, 2011). Abbildung 6: Design der Interventions- und Wirkungsevaluationsstudie. Das mehrperspektivische Methodenmodell setzt sich zusammen aus a) Assessments mit allen Kursteilnehmern in der Regel in der Woche vor und eine Woche nach dem letzten Bewegungsmodul. Der Aufbau der beiden Assessments 1 und 2 war jeweils identisch. Es bestand bei den Heimbewohnern aus halbstrukturierten Interviews (Tonbandaufnahmen), Alltagsaktivitäten und einem standardisierten Gehtest in der Alltagswohnumgebung (Videoaufnahmen). Mit den Mitarbeitenden, Angehörigen & Freiwilligen sowie den Bezugspersonen der Kinder wurden halbstrukturierte Interviews durchgeführt. Kinder machten anhand eines standardisierten Auftrages eine Zeichnung. b) Teilnehmender Beobachtung während den Modulen und anschliessender Protokollierung c) Fotoaufnahmen im 3 -Takt während den Kursmodulen d) Anwendungsaufgaben im Berufsalltag der teilnehmenden Mitarbeitenden mit Protokollierung. e) Anwendungsaufgaben im Alltag der teilnehmenden Angehörigen & Freiwilligen mit Protokollierung Durch den Vergleich der Resultate aus den beiden Assessments vor und nach der Intervention sowie den Daten aus den Teilen b) e) ist eine Einschätzung der Wirkung der Intervention möglich. Berner Fachhochschule Institut Alter 21

22 2 Studienteilnehmer 2.1 Heime Da die Studie zu einem massgeblichen Teil von der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern finanziert wurde, wurden grundsätzlich nur im Kanton Bern ansässige Heime für die Teilnahme angefragt. Über Informationsanlässe, bilaterale Gespräche u.a. beim Verband Berner Pflege- & Betreuungszentren vbb, bei CEOs und Leitungspersonen von Alters- und Pflegeheimen konnten insgesamt 7 Heime zur Mitarbeit bei der Studie gewonnen werden (s. Tabelle 1). Die Teilnahme war für die Heime mit Kosten verbunden. Einerseits kamen sie für das Honorar der Kursleitung auf, andererseits mussten sie die Arbeitszeit der teilnehmenden Mitarbeiter für die 2 Assessments (2h) und die 12 Bewegungsmodule (12x2h) zur Verfügung stellen. Hingegen war die Teilnahme der Mitarbeitenden am Bewegungskurs selber mit keinen Kurskosten verbunden. Tabelle 1: Die teilnehmenden Heime im Überblick und die jeweilige Anzahl der Teilnehmer. Bei den Kinder ist die Begleitperson nicht mit eingerechnet. Nr. Durchführung Bewohner Mitarbeiter Angehörige & Freiwillige Kinder Total Jedes Heim bestimmte jeweils eine Ansprechperson, welche für die Auswahl der verschiedenen Teilnehmer und den organisatorischen Ablauf des Projekts innerhalb des Heims verantwortlich war. Grundsätzlich sollte die Ansprechperson die Teilnehmenden so auswählen, dass sie möglichst während der ganzen Durchführungsdauer teilnehmen konnten und wollten. Da die Assessments und Bewegungsmodule auf Deutsch durchgeführt wurden, war ausserdem ein minimales Grundverständnis der deutschen Sprache der Teilnehmenden notwendig. Von allen Teilnehmenden wurde das schriftliche Einverständnis zum Erheben von Daten (inkl. Videos und Audios) sowie deren Verwendung in der Studie eingeholt. 2.2 Bewohner Die Bewohner sollten so ausgewählt werden, dass ihr Gesundheitszustand eine Teilnahme während der ganzen Durchführungsdauer zuliess. In die Studie aufgenommen wurden Bewohner, welche im Assessment 1 im Mini Mental Status Test (Folstein, Folstein & Mc Mugh, 1975) mindestens 18 Punkte erreichten und damit höchstens eine leichte Demenz hatten. Ausserdem sollten sie so gut hören, dass sie verbalen Anweisungen in einer Gruppe von ca. 20 Teilnehmenden folgen konnten. Visuelle Einschränkungen spielten hingegen keine Rolle. Die Selbstständigkeit bei Alltagsaktivitäten sollte eingeschränkt sein. Die Bewohner sollten aber fähig sein, mit oder ohne Unterstützung aufzustehen und ein paar Schritte zu gehen. Das Ziel war, dass vor allem ältere und gebrechliche Bewohner bei der Studie teilnehmen. Dieses Ziel wurde insofern erreicht, dass über zwei Drittel der teilnehmenden Bewohner älter als 80 Jahre waren, davon 12 zwischen 90 und 96 Jahren (s. Tabelle 2). Insgesamt konnten mit 45 der 46 Bewohner 4 das Assessment 1 durchgeführt werden (s. Tabelle 3). Von diesen 45 Bewohnern stiegen nur 7 während der Interventionsphase ganz aus dem Projekt aus, so dass von insgesamt 38 Bewohnern Daten aus beiden Assessments und von 39 aus der Interventionsphase vorliegen. 4 Mit Bewohnerin BW_21 konnten aufgrund ihres Allgemeinzustandes nach einem Schlaganfall keine standardisierten Assessments durchgeführt werden. Sie nahm aber an allen 12 Modulen aktiv teil. Berner Fachhochschule Institut Alter 22

23 Tabelle 2: Die Altersverteilung der teilnehmenden Bewohner. Alter der Bewohner Anzahl Bewohner A1 Anzahl Bewohner A Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 3 3 jünger als 70 Jahre Total Eine Bewohnerin (BW_34) war sogar nur 29 Jahre alt und gehörte damit nicht zum eigentlichen Zielpublikum der Studie. Da das Bewegungsmodell jedoch für Menschen aller Altersklassen funktionieren sollte, wurde sie trotzdem in die Studie aufgenommen. Berner Fachhochschule Institut Alter 23

24 Tabelle 3: Die teilnehmenden Bewohner im Überblick. Legende: Geschlecht: w=weiblich, m=männlich; Alter: Alter zum Zeitpunkt des Assessments 1; MMS: Mini Mental Status Test; A1: Assessment 1; A2: Assessment 2. Code Heim- Nr. Geschlecht Alter Pflegestufe MMS Bemerkung A1 A2 A1 A2 BW_01 1 w BW_02 1 m in A2 mittelschwere Demenz BW_03 1 w BW_04 1 m BW_05 1 m BW_06 1 w BW_07 1 w keine Module besucht, kein A2 BW_08 2 m in A2 mittelschwere Demenz BW_09 2 w BW_10 2 w BW_11 2 w BW_12 2 m BW_13 2 w BW_14 3 w BW_15 3 w BW_16 3 w Module besucht, kein A2 BW_17 3 w BW_18 3 w BW_19 3 w BW_20 3 m BW_21 3 w weder A1 noch A2, besucht alle Module BW_22 4 w BW_23 4 w BW_24 4 w kein A2 (krank) BW_25 4 w BW_26 4 m BW_27 4 w BW_28 4 w BW_29 5 w BW_30 5 w BW_31 5 w Modul besucht, kein A2 BW_32 5 m BW_33 5 m BW_34 5 w BW_35 6 w BW_36 6 w BW_37 6 w BW_38 6 w nach 8. Modul ausgestiegen, kein A2 BW_39 6 w Module besucht, kein A2 BW_40 6 w Modul besucht, kein A2 BW_41 6 w BW_42 6 w wegen Unfall keine Aktivitäten in A2 BW_43 7 w BW_44 7 w BW_45 7 m BW_46 7 m Berner Fachhochschule Institut Alter 24

25 2.3 Mitarbeitende Von den teilnehmenden Mitarbeitenden (s. Tabelle 4) wurden keine Vorkenntnisse in Kinaesthetics oder der bewegungsbasierten Arbeit vorausgesetzt. Es wurde hingegen erwartet, dass sie dem bewegungsbasierten Modell gegenüber offen und neugierig eingestellt waren. Als Mitarbeiter kamen grundsätzlich Angehörige aller Berufsgruppen (Pflegende, Aktivierung, Hotellerie etc.) in Frage. Die wichtigste Voraussetzung war, dass sie in ihrem Berufsalltag mit den Bewohnenden zu tun hatten. Insgesamt nahmen 32 Mitarbeitenden am Assessment 1 teil (s. Tabelle 4). Von diesen 32 Mitarbeitenden nahmen 30 auch am Assessment 2 teil. Nur 2 Mitarbeitende stiegen im Verlauf der Interventionsphase aus dem Projekt aus. Ausser einem Mitarbeiter der Aktivierung waren sämtliche teilnehmende Mitarbeitende Frauen. Tabelle 4: Die teilnehmenden Mitarbeitenden im Überblick. Code Heim- Nr. Alter Funktion Bemerkung MA_ Betagtenbetreuerin nach 2. Modul aufgehört, kein A2 MA_ Pflegeassistentin MA_ Pflegeassistentin MA_ Fachangestellte Gesundheit MA_ Mitarbeiterin Aktivierung MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Pflegeassistentin MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Mitarbeiterin Hotellerie MA_ Mitarbeiterin Hotellerie MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Heimleiterin MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Pflegeassistentin MA_ Pflegeassistentin MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Mitarbeiter Aktivierung einziger männlicher Mitarbeiter der Studie MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Mitarbeiterin Aktivierung MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Pflegeassistentin MA_ Leitung Service & Hauswirtschaft MA_ Pflegeassistentin nur 2 Module besucht, kein A2 MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Diplomierte Pflegefachfrau MA_ Mitarbeiterin Aktivierung MA_ Diplomierte Pflegefachfrau Berner Fachhochschule Institut Alter 25

26 2.4 Angehörige & Freiwillige Auch von den teilnehmenden Angehörigen und Freiwilligen (s. Tabelle 5) wurden keine Vorkenntnisse vorausgesetzt. Wie die Mitarbeitenden sollten sie eine gewisse Offenheit und Neugier dem neuen Modell entgegen bringen. Ausserdem war es nicht nötig, dass der jeweilige Bewohner des Angehörigen selber an der Studie teilnahm. Insgesamt nahmen 21 Angehörige resp. Freiwillige an der Studie teil. Ausser einer Angehörigen, die erkrankte, konnte mit allen Teilnehmenden auch das Assessment 2 durchgeführt werden. Tabelle 5: Die teilnehmenden Angehörigen und Freiwilligen im Überblick. Code Heim- Nr. Alter Geschlecht Funktion Bemerkung AF_ w Angehörige AF_ w Freiwillige AF_ w Freiwillige AF_ w Angehörige AF_ w Angehörige AF_ w Angehörige AF_ w Freiwillige AF_ w Freiwillige AF_ w Freiwillige AF_ w Angehörige kein A2 (krank) AF_ w Angehörige AF_ m Freiwilliger AF_ w Freiwillige AF_ m Angehöriger AF_ w Freiwillige AF_ w Freiwillige AF_17 6 k.a. w Freiwillige AF_ w Freiwillige AF_ m Freiwilliger AF_ w Angehörige AF_ w Angehörige 2.5 Kinder & Kinderbegleitung Die Heime sollten eine Gruppe von ca. 5 Kindern mit einer Bezugsperson (s. Tabelle 6) finden, die möglichst während der ganzen Durchführungsdauer an den Bewegungsmodulen teilnehmen konnten. Es war nicht nötig, dass die Kinder bereits irgendeinen Bezug zum Heim hatten. Die Kinder sollten idealerweise im Kindergarten oder in der Grundschule (max. 10 Jahre) sein. Trotz intensiven Bemühungen konnte im Umfeld von Heim-Nr. 7 keine Schule oder Kindergarten gefunden werden, welche mit einer Kindergruppe samt Begleitperson an den Bewegungskursen teilnahm. Insgesamt nahmen 25 Kindern im Alter von 3-10 Jahren teil. Tabelle 6: Die teilnehmenden Kinder und ihre Begleitpersonen im Überblick. Bei Heim-Nr. 7 konnte keine Kindergruppe für die Teilnahme an den Kursen gewonnen werden. Heim- Nr. Anzahl Alter Begleitung durch Bemerkung Kindergärtnerin alle Kinder mit Migrationshintergrund Mutter eines Kindes alle Kinder aus derselben Schule 3 3 8, 10 Mitarbeiterinnen 2 Mitarbeiterinnen bringen ihre eigenen Kinder mit Kindergärtnerin alle Kinder aus demselben Kindergarten 5 3 3, 4, 7 Mutter zweier Kinder 2 Geschwister und ein Kind aus der Nachbarschaft Lehrerin alle Kinder mit Migrationshintergrund 7 0 Berner Fachhochschule Institut Alter 26

27 3 Datenerfassung 3.1 Assessments vor und nach Abschluss der Intervention Bewohner Die Assessments der Bewohner bestanden aus folgenden Teilen: - Allgemeine Angaben (Alter, Geschlecht, Pflegestufe, Anzahl Medikamente) - Mini mental Status Test - Fragebogen Sturzbedenken - Strukturiertes Interview mit Tonaufzeichnung - Ausführen von Alltags-Aktivitäten (Aufstehen, Absitzen, Gehen etc.) mit Filmaufzeichnung Die allgemeinen Angaben sowie der Mini mental Status Test wurden jeweils von der Ansprechperson des Heims erhoben. Das Interview und die Aktivitäten wurden jeweils von 2 Fachpersonen Bewegungsbasierte Altersarbeit durchgeführt. Die eine Fachperson führte das Interview durch und war auch für dessen Tonaufzeichnung verantwortlich. Ausserdem leitete sie die Aktivitäten an und unterstützte die Bewohner falls nötig, bei deren Durchführung (z.b. bei der Aktivität 'vom Boden aufstehen'). Die zweite Fachperson überwachte die Einhaltung des Zeitplans und filmte die Aktivitäten, griff aber in der Regel nicht aktiv ins Geschehen ein. Dieses Vorgehen wurde in einer Pilot-Studie getestet und erwies sich als sehr praktikabel (Fankhauser, 2013) Mitarbeitende und Angehörige & Freiwillige Die Assessments der Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen bestanden aus folgenden Teilen: - Allgemeine Angaben (Alter, Geschlecht, Funktion) - Fragebogen Sturzbedenken - Strukturiertes Interview mit Tonaufzeichnung - Potentialeinschätzung Bewohner Bezugsperson Kinder Die Assessments der Bezugspersonen der Kinder bestanden aus folgenden Teilen: - Allgemeine Angaben (Alter, Geschlecht, Funktion) - Strukturiertes Interview mit Tonaufzeichnung Kinder Die Assessments der Kinder fanden in der Regel bei ihnen zu Hause oder in ihrer Schule statt. Im Assessment wurden die Kinder aufgefordert eine Zeichnung von sich und einem alten Menschen zu erstellen. Danach wurden sie gebeten, ihre Zeichnung zu kommentieren. Die Assessments wurden von einer Studentin des DAS Bewegungsbasierte Altersarbeit durchgeführt (Zürcher, 2015). 3.2 Datenerfassung während den Kurseinheiten Gemäss der Methode der teilnehmenden Beobachtung (Lamnek, 2010, S.498ff) füllten die Mitarbeitenden und die Angehörigen & Freiwillen direkt im Anschluss einer Kurseinheit einen Fragebogen aus. Da die Begleitpersonen der Kinder jeweils zusammen mit den Kindern das Heim nach den 1.5 h verliess, füllten sie den Fragebogen meist erst im Nachhinein aus und brachten den ausgefüllten Fragebogen am nächsten Kurs mit. Die Mitarbeitenden und die Angehörigen & Freiwilligen hatten zudem die Möglichkeit in einer Feedback-Runde ihre Beobachtungen zu den Heimbewohnern mitzuteilen. 3.3 Datenerfassung zwischen den Kurseinheiten Im Anschluss an die Feedback-Runde und das Ausfüllen der Fragebogen fand für die Mitarbeitenden und die Angehörigen & Freiwilligen eine kurze Schulung statt. In dieser wurde das im Kurs behandelte Thema nochmals vertieft und auf die möglichen Implikationen in den Berufsalltag hingewiesen. Zudem erhielten sie eine konkrete, auf das jeweilige Thema bezogene Anwendungsaufgabe, welche sie bis zur nächsten Kurseinheit integriert in ihren Pflege-, Betreuungs- oder Begleitungsalltag bearbeiten sollten. Ihre Erfahrungen und Beobachtungen zur Anwendungsaufgabe konnten sie in einem Beobachtungsprotokoll festhalten und in der nächsten Kurseinheit der Kursleitung abgeben (Lamnek, ebd.). Berner Fachhochschule Institut Alter 27

28 Produktivität Selbstgestaltung Heimbewohner 1 Überblick Die Qualität der Befähigung von Menschen liegt in der wechselseitigen Befähigung der Beteiligten. Befähigung ist demzufolge als ein soziales Konstrukt und nicht als personenzentrierte Angelegenheit zu verstehen. Es geht weder um den Bewohner, noch um die Mitarbeiterin, sondern um das, was zwischen ihnen entsteht. Bewegungsbasierte Befähigung kann als Wertschöpfungsgeschehen der beteiligten Interaktionspartner erfahren werden, indem sie die Bewegung des andern als Quelle für die Gestaltung der eigenen Bewegung nutzen. Somit wird Befähigung zu einem Echtzeitprozess, welcher immer wieder neu entsteht und daher nicht als Technik durch den professionellen Interaktionspartner machbar ist. In befähigenden Interaktionen lernen beide den Partner und vor allem sich selbst neu kennen. Alles was Mitarbeiter und Heimbewohner zusammen tun, wird zu einer gemeinsamen Aktivität, zu einer Interaktion also. Auf Seite der Heimbewohner entsteht in dieser gemeinsamen Aktivität Befähigung im körperlichen Bereich in Richtung mehr Selbständigkeit und im geistig-psychischem Bereich in der Stärkung des Zutrauens zu ihren Bewegungsfähigkeiten und zu ihren Erwartungen bzgl. mehr Selbständigkeit. Auf der Seite der Mitarbeitenden entsteht in dieser Aktivität Befähigung im körperlichen Bereich in geringerem Supportaufwand und im geistig-psychischen Bereich in der Stärkung des Zutrauens zu ihren supportiven Bewegungsfähigkeiten und ihren Erwartungen bzgl. geringeren Supportaufwands. Befähigung ist dahingehend anspruchsvoll, dass beide Beteiligten ihre Achtung und Aufmerksamkeit auf sich selber, das heisst auf ihre eigene Bewegungsgestaltung richten. Das kann zur Folge haben, dass sie ihre Vorannahmen, Erwartungen oder Meinungen über sich selbst und über ihren Interaktionspartner revidieren müssen. Das kann für Menschen in helfenden Berufen nicht ganz einfach sein, wenn sie dazu tendieren für ihren Hilfsempfänger gemäss ihren Erwartungen zu schauen, zu denken, zu tun und damit die Achtung auf sich selber verlieren. Abbildung 7: Im 24h Tagesverlauf reihen sich die verschiedenen Alltags-Aktivitäten aneinander. Relevante Aktivitäten sind für die jeweiligen Bewohner besonders wichtige Aktivitäten, die sie entweder selbständig ausführen können (relevante Aktivität 1) oder für die sie Unterstützung brauchen (relevante Aktivität 2). Durch die bewegungsbasierte Schulung sollen die Bewohner darin befähigt werden, dass sie die relevanten Aktivitäten 1 auch in Zukunft selbständig ausführen können und bei den relevanten Aktivitäten 2 weniger Unterstützung brauchen. Dadurch steigt insgesamt die Produktivität der Heimbewohner. In dieser Studie liegt der Fokus liegt der Fokus auf relevanten Aktivitäten der Kategorie 1 und 2 (Abbildung 7). Eine Aktivität 1 kann der Heimbewohner selbständig durchführen. Zudem ist sie für selbständige Alltagsgestaltung wichtig und stellt hinsichtlich Bewegungskompetenz bei körperlichen Einschränkungen hohe Anforderungen. Heimbewohner sollten Aktivitäten sollen auf dem Selbständigkeitsniveau halten und daher keinen Support benötigen. Eine Aktivität 2 kann der Heimbewohner nur durch direkte Unterstützung einer Begleitperson, sei das eine Mitarbeitende, Angehörige oder Freiwillige. Durch die Bewegungsschulung sollen die Bewohner darin befähigt werden, dass sie die relevanten Aktivitäten 1 auch in Zukunft selbständig durchführen können und bei Aktivitäten 2 weniger oder keine Unterstützung mehr benötigen. Dadurch steigert sich die Berner Fachhochschule Institut Alter 28

29 Produktivität der Heimbewohner. Sie können den Alltag durch effektivere Nutzung ihrer Fähigkeiten in höherem Masse selbständig gestalten. Das nachfolgende Zitat einer 88jährigen Heimbewohnerin, welche an der Bewegungsschulung teilgenommen hat, beschreibt ein Beispiel solcher Produktivitätssteigerung. Das Besondere an diesem Beispiel ist, dass die Heimbewohnerin ihre erweiterte Bewegungskompetenz nicht nur für ihre eigene Alltagsgestaltung nutzen kann, sondern dass sie in der Lage ist Mitbewohner in schwierigen Situationen zu befähigen. An einem Tag fiel der Lift aus und vier Menschen mit Rollatoren waren blockiert. Ich habe ihnen vorgeschlagen, die Treppe hinunterzugehen. Sie haben abgelehnt, sie könnten das nicht. Dann haben wir es gewagt und alle hatten ein Erfolgserlebnis. Vom Kurs hatte ich den Mut, das anzubieten. Ich habe sie nach unten begleitet. Das war selbstverständlich. Dann reagiert man auch so, wenn eine Situation da ist, überlegt man ja nicht noch lange. Das war gut. Nein, ich hatte währenddessen keine Bedenken. Einfach gespannte Aufmerksamkeit. Vorher waren grosse Bedenken der Bewohnerinnen da und nachher einfach Freude. Und Aufmerksamkeit während dem Treppensteigen. Es wurde auch nicht geredet. Das ist eigentlich interessant. Ich habe einfach diesen Vorschlag gemacht: dann gehen wir halt bis in die nächste Etage, denn dort ging der Lift. Es ging nur um ein Stockwerk. Dann steigen wir halt hinten die Treppe hinunter. Und dann aufmuntern: doch das geht schon. Um das Selbständigkeitspotential der Heimbewohner zu erfassen und mögliche Schlussfolgerungen hinsichtlich gesundheitsökonomischer Produktivität von selbständiger Alltagsgestaltung zu ziehen, wurden verschiedene Datenzugänge genutzt. 1. Beurteilung der Bewegungskompetenzentwicklung (Kp. 2, S. 29). 2. Erfassung der Sturzbedenken (Kp. 3, S. 51) 3. Selbstreflexion der Heimbewohner bzgl. ihrer Lebenswelt im Alters- und Pflegeheim (Kp. 4.2, S. 55) 4. Selbständigkeitseinschätzung der Heimbewohner durch die Mitarbeitenden, Freiwilligen & Angehörigen (Kp. 4.3, S. 77) 5. Teilnehmende Beobachtung bei der Anwendung befähigender Interaktionen mit Heimbewohnern hinsichtlich gesteigerter Selbständigkeit mit anschliessender Protokollierung (Kp. 4.4, S. 84). 6. Interpretation des Nutzens der erfahrenen befähigenden Interaktion für den Heimalltag der Heimbewohner hinsichtlich Lebensqualität, Sicherheit, Kommunikation und eigene Gesundheit (Kp. 4.4, S. 84). 2 Relevante Alltags-Aktivitäten 2.1 Einleitung Relevante Alltags-Aktivitäten Unbelebte Objekte können sich nur im Rahmen der physikalischen Gesetze bewegen. Im Gegensatz dazu bewegen Lebewesen ihr Gewicht im Spiel mit der Schwerkraft (Hatch & Maietta, 2006). Bewegung von Lebewesen und insbesondere von Menschen ist mit einer Absicht verbunden. "Aktivitäten sind Phänomene der Bewegung. Eine Aktivität umfasst Bewegungssequenzen, die mit Absicht in Richtung eines Ziels durchgeführt werden. Eine Aktivität erhält ihre Form, indem ein Bezugsrahmen um solche Bewegungssequenzen gesetzt wird. Wir anerkennen den Bezugsrahmen, indem wir die Aktivität benennen oder ihren Zweck beschreiben. Da Aktivitäten Bewegungssequenzen umfassen, haben sie auch einen klaren Anfang und ein klares Ende mit bestimmten zeitlichen Eigenschaften und bestimmten räumlichen Dimensionen. Und schliesslich um überhaupt stattfinden zu können erfordern sie Energie in der Form von Anstrengung." (Hatch & Maietta, 2006 S. 15) Ein zentraler Aspekt bei der Ausführung von Aktivitäten spielt die Umgebung als integrativer Faktor der Bewegungsgestaltung. So lässt sich z.b. das Sitzen auf einem Stuhl oder Sofa nicht losgelöst vom Stuhl oder Sofa betrachten. Denn die Eigenschaften der Sitzgelegenheit beeinflussen das Sitzen wesentlich, sie wird zu einem Teil des Sitzens. D.h. je nachdem wie die Umgebung gestaltet ist oder durch den jeweiligen Menschen gestaltet werden kann, hat einen grossen Einfluss darauf, wie er oder sie eine Alltags-Aktivität ausführt und wie leicht oder schwierig diese Ausführung für ihn oder sie ist. Die bewegungsbasierte Altersarbeit resp. Alltagsgestaltung zielt darauf, Menschen für die Gestaltung von ganz alltäglichen Aktivitäten zu sensibilisieren und zu schulen (Müller, 2014b). Alltags-Aktivitäten zeichnen sich auch Berner Fachhochschule Institut Alter 29

30 dadurch aus, dass wir sie meist tun, ohne ihnen dabei spezielle Beachtung zu schenken. Durch körperliche Einschränkungen wie z.b. Schmerzen, Schwindel etc. können diese ganz alltäglichen Aktivitäten jedoch zur Herausforderung werden, so dass sie unter Umständen nur noch unter grossen Schwierigkeiten oder gar nicht mehr selbstständig ausgeführt werden können. Für die Gestaltung des (Heim-)Alltags werden solche Aktivitäten damit relevant sowohl für die Heimbewohner selber wie auch für die Mitarbeitenden, die u.u. die Bewohner bei der Ausführung dieser Aktivitäten unterstützen müssen (s. Abbildung 7). Zudem sorgt der Service in den Altersund Pflegeheimen für eine Rundumversorgung, was zur Folge hat, dass viele Alltags-Aktivitäten gar nicht mehr im Lebensalltag der Heimbewohner sinnvoll verankert sind. "Ein wichtiger Grund für den Rückgang der Bewegungsfähigkeit scheint also die Abgabe der täglichen Aktivitäten zu sein." (Abt-Zegelin, 2013). Es fragt sich nun, ob durch eine bewegungsbasierte Schulung diesem Verlernen von Bewegung und damit dem Rückgang der Bewegungskompetenz oder gelernter Inkompetenz von Heimbewohnern entgegengewirkt werden kann Beurteilung der Bewegungskompetenz bei Alltags-Aktivitäten (Assessments) Assessments werden oft dann eingesetzt wenn der interessierende Parameter zu komplex ist, um direkt gemessen zu werden. Die Bewegungskompetenz von Menschen bei der Ausführung von (Alltags-) Aktivitäten ist genauso ein Parameter, der sich der direkten Messung entzieht. Das bedeutet, dass ein Assessment verwendet werden muss, welches erlaubt, Rückschlüsse auf die Bewegungskompetenz von Menschen bei der Ausführung von Alltags-Aktivitäten zu ziehen. Das Assessment muss dabei mindestens qualitative Aussagen zur Veränderung (gleich, schlechter oder besser) der Bewegungskompetenz zulassen. Gängige Assessment-Verfahren wie sie in der Rehabilitation oder den Trainingswissenschaften verwendet werden (Oesch et al, 2011) messen Leistungsparameter wie Geschwindigkeit (z.b. Timed Up and Go Test, Oesch et al, 2011 S. 249ff), Muskelkraft (z.b. mittels Dynamometer, Oesch et al, 2011 S. 186ff) oder Ausdauer (z.b. Conconi-Probst-Test, Oesch et al, 2011 S. 210ff). Das Maietta-Hatch Kinaesthetics Konzeptsystem (vgl. Abbildung 3) stellt zwar ein Raster für systematische und hoch differenzierte Analysen von Aktivitäten jeglicher Aktivität dar, welche Rückschlüsse auf veränderte Bewegungskompetenzen erlauben. "Kinaesthetics ist eine systematische Beschreibung und Erklärung der Eigenschaften und Aufgaben aller Teile, die Aktivitäten zu dem herausragenden Aspekt machen, wie wir unser Leben miteinander leben und gestalten." (Hatch & Maietta, 2009 S. 15). Dieses Vorgehen stellte sich jedoch für die Durchführung dieser Studie als zu komplex heraus (Hatch, 2013). Basierend auf dem MH Kinaesthetics-Konzeptsystem (Hatch & Maietta, 2003) entwickelten die Autoren unter fachlicher Begleitung von Dr. Frank Hatch, dem Begründer der Bewegungslehre Kinaesthetics im Rahmen dieser Studie ein Analyse-Tool, welches die Beurteilung der Bewegungskompetenz beim Ausführen von Alltags-Aktivitäten erlaubt. 2.2 Methode Rahmenbedingungen Die Aktivitäts-Assessments der Heimbewohner fanden in der Regel in ihrem Zimmer (oder Wohnung) statt. Einzig für die Aktivitäten Gehen ausserhalb des Zimmers und Treppe hinauf resp. hinunter Gehen wurde der öffentliche Raum der Pflegeinstitution aufgesucht. Dieses Setting wurde bewusst gewählt, damit die Aktivitäten in der gewohnten Umgebung ausgeführt werden konnten und keine künstliche Labor-Situation entstand. Die Ausführung der Aktivitäten wurde mit einem Tablet gefilmt (insgesamt 2972 Videos). Es wurde möglichst pro Aktivität je ein Video erstellt. Um den Bewegungsfluss der Bewohner/innen nicht zu unterbrechen, enthalten etliche Videos jedoch mehr als eine Aktivität (z.b. Aufstehen von einem Stuhl, Gehen im Zimmer und Absitzen auf anderem Stuhl). Zur Verwaltung der beachtlichen Datenmenge wurde eigens für das Projekt eine Access- Datenbank entwickelt. In der Datenbank wurden die gefilmten Aktivitäten katalogisiert (Heim-Nr., Assessment- Nr., Aktivität, Umgebung, BW_Code, Dateiname und Pfad, Startsekunde und Stoppsekunde der Aktivität auf der Video-Datei). Insgesamt enthält die Datenbank 3060 katalogisierte Videosequenzen. Dieses Vorgehen erlaubte es einerseits, Protokolle für die Analyse der Video-Sequenzen direkt aus der Datenbank zu generieren und andererseits die entsprechenden Videosequenzen in der Vielzahl der Videodateien für die Analyse schnell wieder aufzufinden. Berner Fachhochschule Institut Alter 30

31 Für den vorliegenden Schlussbericht wurden die Videosequenzen zu folgenden Aktivitäten analysiert: - Aufsitzen im Bett - Gehen im Zimmer - Gehen ausserhalb des Zimmers - Treppe hinauf Gehen - Treppe hinunter Gehen - Abliegen auf Boden - Aufstehen vom Boden - Timed up and go Test Zeigten die Bewohner bei 2 oder mehr Kriterien eine Verbesserung bei der Ausführung einer Alltags-Aktivität wurde dies als grosse Verbesserung der Bewegungskompetenz in der jeweiligen Aktivität gewertet. Zeigten sie nur bei einem Kriterium eine Verbesserung wurde dies als kleine Verbesserung gewertet. Bei Verschlechterungen in einem resp. 2 oder mehr Kriterien wurde dementsprechend auf eine kleine resp. grosse Verschlechterung der Bewegungskompetenz in der jeweiligen Alltags-Aktivität geschlossen. Beim Timed up and go Test wurde nur aufgrund der Zeitdifferenz zwischen den beiden Assessments auf eine Verbesserung oder Verschlechterung geschlossen (s. Tabelle 14). In allen Tabellen und Abbildungen wurde der gleiche Farbcode für die optische Darstellung der Veränderungen verwendet (s. Tabelle 7). Tabelle 7: In den Abbildungen und Tabellen verwendeter Farbcode zur Darstellung der Veränderung der Bewegungskompetenz. Veränderung grosse Verbesserung kleine Verbesserung keine Veränderung kleine Verschlechterung grosse Verschlechterung kein Vergleich möglich Farbcode Aufsitzen im Bett Definition Die Aktivität Aufsitzen im Bett hat die Absicht aus einer liegenden Position 6 in eine sitzende Position zu gelangen. Es handelt sich um vertikale Fortbewegung von einer tieferen in eine höhere Position. Die Ausgangsposition ist meist die Rückenlage, wo das Körpergewicht über alle Massen auf das Bett abgegeben wird. Als Ausgangspositionen können auch die Seitenlage und die Bauchlage vorkommen. Die Aktivität beginnt, sobald irgendeine Masse gemäss der Absicht mit einer Bewegung den Positionswechsel initiiert. Oft sind dies Bewegungen eines Arms oder eines Beins. In der Endposition sitzt die Person am Bettrand, die Arme werden dabei häufig entweder auf dem Bett oder auf den Beinen aufgestützt. Die Füsse zeigen entweder in Richtung Boden oder können je nach Grössenverhältnis der Person zur Bett-Höhe den Boden auch berühren. Das Gewicht wird grösstenteils durch das Becken und die Oberschenkel sowie zu einem kleineren Teil über die Arme auf die Unterstützungsfläche Bett abgegeben. Je nachdem ob die Person mit den Füssen den Boden berühren kann oder nicht, wird auch über die Füsse ein Teil des Gewichts auf die Unterstützungsfläche Boden abgegeben. Relevanz Das Bett ohne fremde Unterstützung verlassen zu können, trägt viel zur Selbstständigkeit bei. Der Bettbügel von Pflegebetten ist oftmals eher hinderlich als nützlich, da er die Menschen dazu verleitet, mit viel Anstrengung ihr Gewicht entgegen der Schwerkraft nach oben zu ziehen anstatt sich seitwärts in einer leichten Spiralbewegung aus dem Bett heraus zu drehen. Aus einer liegenden (horizontalen) Position in eine aufrechte (vertikale) Sitzposition zu gelangen, kann auch eine grosse Herausforderung für das menschliche Orientierungssystem 6 Position beschreibt den Prozess, wie sich ein Mensch andauernd bewegt, um das Gewicht seiner Massen indirekt oder direkt auf eine Unterstützungsfläche fliessen zu lassen. Position ist ein aktives Spiel mit der Schwerkraft (Hatch & Maietta, 2009). In einer groben Einteilung wird zwischen den sieben Grundpositionen Rückenlage, Bauchlage mit Ellbogenstütze, Schneidersitz, Hand-Knie- Stand, Einbein-Knie-Stand, Einbeinstand und Zweibeinstand unterschieden. Berner Fachhochschule Institut Alter 31

32 bedeuten. Geschieht dieser Positionswechsel zu schnell, kann dies leicht zu Schwindel und dem Gefühl von Unsicherheit bei den nachfolgenden Aktivitäten führen. Dies könnte mit ein Grund sein, warum viele Bewohner direkt nach dem Aufstehen besonders sturzgefährdet sind. Ablauf Assessment Im Verlauf des Assessments wurden die Bewohner gebeten, auf ihr Bett zu liegen, so wie sie es üblicherweise tun. Nachdem sie eine Weile gelegen waren, wurden sie gebeten, an den Bettrand zu sitzen. Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz Bei der Aktivität Aufsitzen im Bett interessiert, wie die gesamte Aktivität, d.h. vom Anfang der Aktivität bis zu ihrem Ende, gestaltet wird. Es interessiert besonders, wie die Arme eingesetzt werden. Da sich dieser Einsatz im Verlauf der Aktivität ändern kann, können sich ganz individuelle Ablauf-Muster ergeben (s. Tabelle 8). Die Dauer der Aktivität hingegen ist kein eigentliches Kriterium zur Beurteilung der Bewegungskompetenz beim Aufsitzen im Bett. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Ausmass die Person während der Durchführung der Aktivität den Bewegungsablauf selber kontrollieren kann. Dabei sind durchaus Teilschritte, Zwischenpositionen und Innehalten möglich. Bei sehr grossen zeitlichen Unterschieden zwischen den beiden Assessments, kann sie im Einzelfall zur Beurteilung hinzugezogen werden. Auch ob das Aufsitzen im Bett vorbereitet wird, kann nicht pauschal als positiv oder negativ bewertet werden, da dies stark von der Ausgangsposition abhängt. Im Einzelfall kann das Kriterium aber zur Bewertung beitragen. Tabelle 8: Die Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Alltags-Aktivität Aufsitzen im Bett. Kriterium Ausprägung Code Wert Bemerkung Dauer Zeitdauer in Sekunden Nur bei sehr grossen Unterschieden zwischen den Assessments relevant. Vorbereitung mit V Wird die Aktivität vorbereitet, indem eine ohne günstigere Position eingenommen wird? förderlich F 1 Wird die Umgebung eher förderlich oder Umgebungsgestaltung neutral 0 eher hinderlich genutzt oder wird sie nicht hinderlich H -1 speziell gestaltet (=neutral)? wenig Kontrolle Nein Ja ja 0-1 Erfolgt die Bewegung mit wenig Kontrolle des eigenen Gewichts? Einsatz der Arme einer drückt, einer zieht günstig beide drücken günstig beide ziehen günstig einer drückt, einer zieht ungünstig beide drücken ungünstig beide ziehen ungünstig g2 d2 z2 g1 d1 z Drücken die Arme auf eine Unterstützungsfläche oder ziehen sie am Brustkorb? Ist der Einsatz der Arme eher günstig (wenig Kraftaufwand, spiralige Bewegungsmuster) oder eher ungünstig (grosse Anstrengung, parallele Muster)? Gehen Definition Die Ausgangsposition ist der Zweibeinstand. Beim freien Gehen wird das gesamte Körpergewicht über die Füsse auf den Boden abgegeben. Beim Gehen werden abwechselnd die Füsse 1. entlastet, 2. an einen neuen Ort gebracht und 3. wieder belastet (3-Schritt-Prinzip gem. Hatch & Maietta, 2006). Im Gegensatz zum Springen, wo das Gewicht in der Luft verlagert wird, geschieht die Gewichtsverlagerung beim Gehen auf der Unterstützungsfläche Boden. Die Aktivität beginnt, sobald durch eine Gewichtsverlagerung ein Fuss entlastet wird. Die Aktivität endet, wenn gemäss der Absicht der neue Ort erreicht ist. Die Endposition ist wieder der Zweibein- oder Einbein-Stand. Beim Gehen mit Abstützen der Hände z.b. auf eine Gehhilfe oder einen Einrichtungsgegenstand wird ein Teil des Körpergewichts über die Arme auf die entsprechende Unterstützungsfläche abgegeben. Dadurch wird automatisch weniger Gewicht über die Füsse abgegeben. Unterscheidung Gehen im Zimmer / ausserhalb Zimmer bzw. Treppe hinauf / hinunter Gehen Vom Bewegungsablauf her könnte man versucht sein, das Gehen im Zimmer und das Gehen ausserhalb des Zimmers nicht zu unterscheiden. Zur Beurteilung der Bewegungskompetenz der beiden Aktivitäten kommt auch dasselbe Analyseraster zur Anwendung. Die beiden Aktivitäten unterscheiden sich aber wesentlich in der Berner Fachhochschule Institut Alter 32

33 Umgebung, welche ja ein integraler Bestandteil jeder unserer Aktivitäten ist. Beim Gehen ausserhalb des Zimmers stehen den Menschen andere Einrichtungsgegenstände (z.b. Handlauf) zur Verfügung als beim Gehen im Zimmer (z.b. Stuhllehne), die er förderlich oder auch hinderlich für sein Gehen nutzen kann. So gibt es Bewohner, die im Zimmer nie eine Gehhilfe verwenden, dies aber ausserhalb des Zimmers häufig tun. Auch lässt der begrenzte Raum eines Zimmers nicht zu, den Blick beim Gehen weit nach vorne zu richten, da hier bereits nach wenigen Metern der Blick auf eine Wand trifft. Deshalb ist es wichtig, die beiden Aktivitäten Gehen im Zimmer und Gehen ausserhalb des Zimmers getrennt zu analysieren. Ebenso verhält es sich mit dem Gehen auf einer Treppe. Im international weit verbreiteten Fragebogen zur Erhebung der Sturzbedenken (Short-FES-I, ProFaNE, 2011) wird nicht zwischen dem Treppe hinauf und dem Treppe hinunter Gehen unterschieden. Beim Hinaufgehen einer Treppe liegt die Herausforderung darin, dass man sein Körpergewicht im Spiel mit der Schwerkraft an einen Ort weiter oben im Raum bringen muss. Man kann dies mit mehr oder weniger grossem Kraftaufwand tun. Beim Hinuntergehen einer Treppe muss das Körpergewicht in Richtung der Schwerkraft auf eine tiefere Ebene im Raum bewegt werden. Das bedeutet, dass man die Bewegung des Körpergewichts so kontrollieren muss, damit man nicht zu viel in Richtung der Schwerkraft beschleunigt und dadurch die Treppe hinunter fällt. Damit kommt dem Geländer je nach Richtung (hinauf oder hinunter) eine unterschiedliche Bedeutung zu. Beim hinauf Gehen kann es dazu genutzt werden, durch geeignete Kombination von ziehender und drückender Anstrengung einen Teil des Körpergewichts über die Arme abzugeben und damit die Aktivität leichter zu gestalten. Beim hinunter Gehen kann es hingegen dazu genutzt werden, die Bewegung zu kontrollieren und nötigenfalls abzubremsen. Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz Bei der Aktivität Gehen interessiert, wie das 'typische' Gehen eines Menschen aussieht. Die zurückgelegte Strecke ist sehr individuell und nicht standardisiert. Da die benötigte Zeit stark von der Gehstrecke abhängt, kann die Dauer der Aktivität kein Kriterium zur Beurteilung der Bewegungskompetenz beim Gehen sein (s. Tabelle 9). Tabelle 9: Die Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Alltags-Aktivität Gehen. Kriterium Ausprägung Code Wert Bemerkung 3-Schritt-Prinzip Haltung Armschwingen Blickrichtung-Ziel Umgebungsgestaltung Blickrichtung- Achsen Gehhilfe Einstellung Rollator förderlich neutral hinderlich Reinform unvollständig aufrecht gebeugt Reinform eingeschränkt kein Abstützen eingeschränkt mit Abstützen Zieloffen Zielfixiert viele Achsen wenige Achsen 1 Achse horizontal 1 Achse nach unten 1 Achse nach oben ohne Mensch Stock oder Krücken Rollator Stock & Mensch Rollator & Mensch tief mittel hoch F H R U A G R E A O F V W H U O O M S R SM RM t m h Wird die Umgebung eher förderlich oder eher hinderlich genutzt oder wird sie nicht speziell gestaltet (=neutral)? Vollständige Entlastung des Fusses Unvollständige Entlastung (z.b. 'Schlurfen') Aufrechte Körperhaltung (Becken-Rücken) Winkel Becken - Rücken deutlich < 180 die Arme schwingen frei mit mind. 1 Arm schwingt unvollständig mit mind. 1 Arm stützt ab (Umgebung, Gehilfe) Blick kann frei umherschweifen Blick auf Zielort/Abstützmöglichkeit fixiert Kopf wird in >3 Achsen bewegt Kopf wird in 2-3 Achsen bewegt Kopfhaltung in 1 Achsen horizontal Kopfhaltung in 1 Achsen nach unten Kopfhaltung in 1 Achsen nach oben freies Gehen ohne Abstützen mit Abstützen auf Begleitperson mit Abstützen auf Stock oder Krücken mit Abstützen auf Rollator mit Abstützen auf Stock und Begleitperson mit Abstützen auf Rollator und Begleitperson Nur dokumentiert; die Einstellung des Rollators wird meistens nicht durch die Bewohner vorgenommen. Berner Fachhochschule Institut Alter 33

34 2.2.4 Gehen im Zimmer Definition Die Aktivität Gehen im Zimmer hat die Absicht einen Ortswechsel von A nach B innerhalb eines Zimmers zu machen. Relevanz Sich im eigenen Zimmer ohne fremde Unterstützung fortbewegen zu können, erhöht den eigenen Aktionsradius wesentlich. Wer nur mit Unterstützung durch andere Menschen einen Ortswechsel innerhalb des Zimmers schafft, ist auf den jeweiligen Ort sei dies Bett oder Stuhl beschränkt, den er gerade innehat. Die Fähigkeit im Zimmer selber Gehen zu können, trägt also viel zur Selbstständigkeit bei. Ablauf Assessment Im Verlauf des Assessments wurden die Bewohner gebeten, an einen andern Ort im Zimmer zu gehen um dort etwas zu tun. Das Gehen im Zimmer war dadurch immer in weitere bedeutungsvolle Aktivitäten eingebettet und wurde nicht isoliert als Selbstzweck ausgeführt. Die Bitte wurde häufig gemäss folgendem Szenario geäussert: Der Bewohner sitzt auf einem Stuhl. "Ich sehe, Sie haben in ihrem Zimmer noch einen Sessel/Sofa/anderer Stuhl. Könnten Sie mal aufstehen und dort absitzen?" Gehen ausserhalb des Zimmers Definition Die Aktivität Gehen ausserhalb des Zimmers hat die Absicht einen Ortswechsel von A nach B ausserhalb des Zimmers zu machen. Relevanz Sich ausserhalb des eigenen Zimmers ohne fremde Unterstützung fortbewegen zu können, erhöht den eigenen Aktionsradius nochmals deutlich. Wer nur mit Unterstützung durch andere Menschen einen Ortswechsel ausserhalb des Zimmers schafft, ist auf den jeweiligen Ort Zimmer / Aufenthaltsraum / Cafeteria etc. beschränkt, indem er sich gerade befindet. Die Fähigkeit selbstständig ausserhalb des Zimmers von A nach B zu gelangen erhöht die Produktivität der Selbstgestaltungskräfte der Bewohner und bindet dadurch weniger Supportgestaltungskräfte der Mitarbeitenden. Ablauf Assessment Im Verlauf des Assessments wurden die Bewohner gebeten, ihr Zimmer zu verlassen und den Gang hinunter zu gehen. Wenn es die Umgebung des Heims erlaubte, wurde diese Aktivität wieder in eine erweiterte Absicht eingebettet: "Sehen Sie den Stuhl am Ende des Ganges? Gehen Sie bitte zu diesem Stuhl und setzen Sie sich dort hin." Treppe hinauf Gehen Definition Die Aktivität Treppe hinauf Gehen hat die Absicht einen Ortswechsel auf einer Treppe von unten nach oben im Raum zu machen. Relevanz Ausserhalb von Häusern dienen Treppen zur Überwindung von Höhendifferenzen im Terrain. Im Haus sind über die Aktivität Treppe hinauf Gehen obere Stockwerke zugänglich. In Pflegeinstitutionen und anderen (öffentlichen) Gebäuden steht den Menschen in der Regel ein Lift zur Überwindung der Höhendifferenz zur Verfügung. Viele Heimbewohner (und auch Mitarbeitende!) ziehen es vor, den Lift zu benützen anstatt die Treppen hinauf zu gehen. Dies hat zur Folge, dass das Treppe hinauf Gehen nicht mehr oder nur noch in Ausnahmesituationen, z.b. wenn der Lift defekt ist, ausgeführt wird. Ablauf Assessment Im Verlauf des Assessments - in der Regel nach dem Gehen ausserhalb des Zimmers - wurden die Bewohner gebeten, die Treppe ein (oder auch mehrere) Stockwerk hinauf zu gehen. Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz Bei der Aktivität Treppe hinauf Gehen interessiert, wie das 'typische' Treppe hinauf Gehen eines Menschen aussieht. Die zurückgelegte Strecke ist sehr individuell und hängt im Wesentlichen auch von der Architektur der Berner Fachhochschule Institut Alter 34

35 Treppe ab. Da die benötigte Zeit stark von der Gehstrecke abhängt, kann die Dauer der Aktivität kein Kriterium zur Beurteilung der Bewegungskompetenz beim Treppe hinauf Gehen sein (s. Tabelle 10). Im Gegensatz zum 'einfachen' Gehen werden die beiden Kriterien 3-Schritt-Prinzip und Umgebungsgestaltung beim Gehen auf einer Treppe nicht verwendet. Tabelle 10: Die Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Alltags-Aktivität Treppe hinauf Gehen. Haltung Kriterium Ausprägung Code Wert Bemerkung Armschwingen Blickrichtung-Ziel Blickrichtung- Achsen Ausrichtung der Füsse Füsse pro Stufe Geländer Gehhilfe Begleitung aufrecht gebeugt Reinform eingeschränkt kein Abstützen eingeschränkt mit Abstützen Zieloffen Zielfixiert viele Achsen wenige Achsen 1 Achse horizontal 1 Achse nach unten 1 Achse nach oben vorwärts rückwärts seitwärts einer zwei, abwechselnd zwei, 1. Fuss immer derselbe ohne 1 Arm nur Kontakt 2 Arme nur Kontakt 1 Arm drückt 1 Arm drückt 1 Arm zieht 2 Arme drücken 1 Arm zieht 2 Arme ziehen ohne 1 Stock/Krücke 2 Stöcke/Krücken ohne ohne Körperkontakt mit Körperkontakt A G R E A O F V W H U O V R S 1 A I O 1K 2K 1D 2G 2D 1Z 2Z O K1 K2 O B K Aufrechte Körperhaltung (Becken-Rücken) Winkel Becken - Rücken deutlich < 180 die Arme schwingen frei mit mind. 1 Arm schwingt unvollständig mit mind. 1 Arm stützt ab (Umgebung, Gehilfe) Blick kann frei umherschweifen Blick auf Zielort/Abstützmöglichkeit fixiert Kopf wird in >3 Achsen bewegt Kopf wird in 2-3 Achsen bewegt Kopfhaltung in 1 Achsen horizontal Kopfhaltung in 1 Achsen nach unten Kopfhaltung in 1 Achsen nach oben je nach Situation zeigt sich eine hohe Bewegungskompetenz auch im rückwärts resp. seitwärts Gehen 'normaler', flüssiger Bewegungsablauf Vor Erklimmen der nächsten Stufe, werden beide Füsse auf die gleiche Stufe gestellt Geländer wird nicht berührt Wenn das Geländer benutzt wird, Unterscheidung ob nur Kontakt (z.b. Gleichgewicht) oder mit erkennbarem Druck/Zug. Druck ist in der Regel günstiger beim Treppe hinauf Gehen als Zug. Wenn die Arme nur ziehen, ist das hinauf Gehen sehr anstrengend. Die Benützung einer Gehilfe auf der Treppe ist sehr herausfordernd und erfordert eigentlich eine hohe Bewegungskompetenz Begleitperson geht mit, ohne Kontakt Begleitperson geht mit, mit Körperkontakt Treppe hinunter Gehen Definition Die Aktivität Treppe hinunter Gehen hat die Absicht einen Ortswechsel auf einer Treppe in Richtung von oben nach unten im Raum zu machen. Relevanz Ausserhalb von Häusern dienen Treppen zur Überwindung von Höhendifferenzen im Terrain. Im Haus sind über die Aktivität Treppe hinunter Gehen untere Stockwerke zugänglich. In Pflegeinstitutionen und anderen (öffentlichen) Gebäuden steht den Menschen in der Regel ein Lift zur Überwindung der Höhendifferenz zur Verfügung. Viele Heimbewohner (und auch Mitarbeitende!) ziehen es vor, den Lift zu benützen anstatt die Treppen hinunter zu gehen. Dies hat zur Folge, dass das Treppe hinunter Gehen nicht mehr oder nur noch in Ausnahmesituationen z.b. wenn der Lift defekt ist, ausgeführt wird. Berner Fachhochschule Institut Alter 35

36 Ablauf Assessment Im Verlauf des Assessments wurden die Bewohner gebeten die hochgestiegene Treppe(n) wieder hinunter zu gehen. Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz Es kommen die gleichen Kriterien wie beim Treppe hinauf Gehen zum Einsatz sein (s. Tabelle 10). Einzig beim Einsatz des Geländers wird auf andere Dinge geachtet (s. Tabelle 11). Tabelle 11: Das Kriterium 'Geländer' zur Beurteilung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Alltags-Aktivität Treppe hinunter Gehen. Die übrigen Kriterien sind die gleichen wie beim Treppe hinauf Gehen (s. Tabelle 10). Kriterium Ausprägung Code Wert Bemerkung Geländer ohne 1 Arm: gleiten 2 Arme 2 Geländer: gleiten 2 Arme 1 Geländer: gleiten 1 Arm: Stopp & Go 2 Arme 2 Geländer: Stopp & Go 2 Arme 1 Geländer: Stopp & Go O 1G 2G2 2G1 1S 2S2 2S Beim hinunter Gehen können die Arme entweder auf dem Geländer mitgleiten (flüssiger Bewegungsablauf) oder die Arme werden immer ein Stück vorgeschoben und stoppen dann bis der Rest des Körpers wieder auf gleicher Höhe ist. Dies führt zu einem eher 'abgehackten' Bewegungsablauf Abliegen auf Boden Definition Die Aktivität Abliegen auf Boden ist eine vertikale Fortbewegung und hat die Absicht, in eine liegende Position auf dem Boden zu gelangen. Die Ausgangsposition ist der Zweibeinstand, wo das Körpergewicht über die beiden Beine auf den Boden abgegeben wird. Als Ausgangsposition kann auch das Sitzen auf einem Stuhl, Bett, Sofa etc. vorkommen. Die Aktivität beginnt, sobald irgendeine Masse gemäss der Absicht mit einer Bewegung den Positionswechsel initiiert. In der Endposition liegt die Person in Rückenlage auf dem Boden. Das Gewicht wird dabei über alle Massen direkt an den Boden abgegeben. Diese Position kann dadurch mit geringer Muskelspannung, also praktisch ohne Kraftaufwand gehalten werden. Relevanz Je älter wir werden, desto weniger liegen wir auf den Boden. (Klein-)Kinder und Jugendliche tun es immer wieder, wahrscheinlich ohne bewusst der Aktivität besondere Bedeutung beizumessen. Erwachsene führen diese Aktivität immer seltener aus, ausser spezielle Arbeiten im Beruf erfordern die Rückenlage (z.b. Mechaniker) oder beim Ausführen von z.b. Kraft- oder Yoga-Übungen in Rückenlage im sportlichen Kontext. Wer nicht mehr selber und mit Absicht auf den Boden liegt, kann dadurch nicht mehr die Erfahrung machen, dass die Rückenlage am Boden, die sicherste Position ist, die wir einnehmen können. Denn von dort können wir nicht weiter runterfallen. Ausserdem kann, wer nicht auf den Boden abliegt auch nicht 'üben' vom Boden wieder aufzustehen. D.h. wer nur übt vom Boden aufzustehen, wenn er unfreiwillig dort gelandet ist - z.b. nach einem Sturz -, verbindet dann das Liegen auf dem Boden mit Unsicherheit und evtl. Schmerzen statt mit Sicherheit und Geborgenheit. Ablauf Assessment Im Verlauf des Assessments wurden die Bewohner gefragt, ob sie zeigen können, wie sie aus der Rückenlage vom Boden wieder aufstehen können. Dazu mussten sie natürlich zuerst auf den Boden liegen. Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz Bei der Aktivität Abliegen auf Boden interessiert, wie die gesamte Aktivität, d.h. vom Anfang der Aktivität bis zu ihrem Ende, gestaltet wird (s. Tabelle 15). Generell wird hier zwischen Positionswechseln unterschieden, die mit grosser (wenig Support) oder sehr grosser (kein Support) bzw. mit kleiner (viel Support) oder sehr kleiner (sehr viel Support) Bewegungskompetenz ausgeführt werden. Muss der Assessor viel oder sehr viel Support geben, wird der Weg von einer Position zur nächsten sehr stark durch den Assessor bestimmt. Der Ablauf bei Positionswechsel mit wenig oder keinem Support wird für die Bewertung in zwei Phasen eingeteilt. Bei der ersten Phase interessiert, über welche Positionen und allfällige Pausen, die Person vom Stehen ins Sitzen am Boden gelangt. In der zweiten Phase wird unterschieden, ob der Positionswechsel vom Sitzen am Boden in die Rückenlage am Boden eher in einem parallelen (ungünstig, weil über den ganzen Bewegungsablauf Berner Fachhochschule Institut Alter 36

37 mit hoher Körperspannung verbunden) oder eher spiraligen (günstig, weil mit tieferer Körperspannung verbunden) Muster geschieht. Die Dauer der Aktivität hingegen ist kein eigentliches Kriterium zur Beurteilung der Bewegungskompetenz beim Abliegen auf den Boden. Bei sehr grossen zeitlichen Unterschieden zwischen den beiden Assessments, kann sie im Einzelfall zur Beurteilung hinzugezogen werden. Da einzelne Bewohner ( z.b. aufgrund von Schmerzen) in beiden Assessments nur bis zum 4-Füsser-Stand 'abgelegen' sind und von da aus wieder aufgestanden sind, wurden diese Fälle separat von den übrigen ausgewertet. Tabelle 12: Die Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Aktivität Abliegen auf Boden. Kriterium Ausprägung Code Wert Bemerkung Dauer Umgebungsgestaltung wenig Kontrolle Ablauf Zeitdauer in Sekunden förderlich neutral hinderlich Nein Ja F H ja Nur bei sehr grossen Unterschieden zwischen den Assessments relevant. Wird die Umgebung eher förderlich oder eher hinderlich genutzt oder wird sie nicht speziell gestaltet (=neutral)? Erfolgt die Bewegung mit wenig Kontrolle des eigenen Gewichts? Welche Endposition wird mit grosser oder sehr grosser Bewegungskompetenz erreicht? In welchen Positionen wird Pause gemacht? Positionswechsel vom Sitzen am Boden in Rückenlage mit grosser oder sehr grosser Bewegungskompetenz: eher parallel oder eher spiralig? Welche Endposition wird dabei erreicht? Gibt es Positionswechsel mit kleiner oder sehr kleiner Bewegungskompetenz? Aufstehen von Boden Definition Die Aktivität Aufstehen von Boden ist eine vertikale Fortbewegung und hat die Absicht, aus einer liegende Position auf dem Boden in eine sitzende oder stehende Position zu gelangen. Die Ausgangsposition ist die Rückenlage auf dem Boden, wo das Gewicht über alle Massen direkt an den Boden abgegeben wird. Die Aktivität beginnt, sobald irgendeine Masse gemäss der Absicht mit einer Bewegung den Positionswechsel initiiert. In der Endposition steht die Person im Zweibeinstand, wo das Körpergewicht über die beiden Beine auf den Boden abgegeben wird. Als Endposition kann auch das Sitzen auf einem Stuhl, Bett, Sofa etc. vorkommen. Relevanz Je älter wir werden, desto weniger liegen wir auf den Boden. (Klein-)Kinder und Jugendliche tun es ständig, wahrscheinlich ohne der Aktivität besondere Bedeutung beizumessen. Der Zweck liegt buchstäblich in der Selbständigkeit. Erwachsene führen diese Aktivität immer seltener aus, ausser spezielle Arbeiten im Beruf erfordern die Rückenlage (z.b. Mechaniker) oder beim Ausführen von z.b. Kraft- oder Yoga-Übungen in Rückenlage im sportlichen Kontext. Wer nicht mehr selber und mit Absicht auf den Boden liegt, kann dadurch nicht mehr die Erfahrung machen, dass die Rückenlage am Boden, die sicherste Position ist, die wir einnehmen können. Denn von dort können wir nicht weiter runterfallen. Ausserdem kann, wer nicht auf den Boden abliegt auch nicht 'üben' vom Boden wieder aufzustehen. D.h. wer nur übt vom Boden aufzustehen, wenn er unfreiwillig dort gelandet ist - z.b. nach einem Sturz -, verbindet dann das Liegen auf dem Boden mit Unsicherheit und evtl. Schmerzen und vor allem Angst statt mit Sicherheit, Geborgenheit und Vertrauen. Viele ältere Menschen haben Angst davor, nach einem Sturz nicht mehr selbständig aufstehen zu können und deshalb hilflos auf dem Boden liegen bleiben zu müssen, bis jemand kommt, der sie dabei unterstützt. Gerade weil diese Aktivität mit sehr vielen Emotionen verbunden ist, hat sie eine sehr hohe Relevanz sowohl für die Heimbewohner wie auch für ihr Umfeld (Angehörige und Mitarbeitende). Berner Fachhochschule Institut Alter 37

38 Ablauf Assessment Im Verlauf des Assessments wurden die Bewohner gefragt, ob sie zeigen können, wie sie aus der Rückenlage vom Boden wieder aufstehen können. Dazu mussten sie natürlich zuerst auf den Boden liegen. Nachdem sie eine Weile am Boden gelegen waren und mit Unterstützung des Assessors mit einfachen Lernaktivitäten 7 die Sicherheit des auf dem Boden Liegens erfahren konnten, wurden sie gebeten wieder aufzustehen. Bei dieser Aktivität wurden sie jeweils speziell darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich bei der Ausführung der Aktivität Zeit lassen und diese nicht zu schnell ausführen sollten. Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz Bei der Aktivität Aufstehen von Boden interessiert, wie die gesamte Aktivität, d.h. vom Anfang der Aktivität bis zu ihrem Ende, gestaltet wird (s. Tabelle 13). Generell wird hier zwischen Positionswechseln unterschieden, die mit grosser (wenig Support) oder sehr grosser (kein Support) bzw. mit kleiner (viel Support) oder sehr kleiner (sehr viel Support) Bewegungskompetenz ausgeführt werden. Muss der Assessor viel oder sehr viel Support geben, wird der Weg von einer Position zur nächsten sehr stark durch den Assessor bestimmt. Der Ablauf bei Positionswechsel mit wenig oder keinem Support wird für die Bewertung in zwei Phasen eingeteilt. Bei der ersten Phase wird unterschieden, ob der Positionswechsel aus der Rückenlage am Boden ins Sitzen am Boden eher in einem parallelen (ungünstig, weil hohe Körperspannung während der Bewegungssequenz und entsprechend hohem Kraftaufwand) oder eher spiraligen (günstig, d.h. tiefer und variabler Körperspannung und entsprechend wenig Kraftaufwand) Muster geschieht. In der zweiten Phase interessiert, über welche Positionen und allfällige Pausen, die Person vom Sitzen am Boden ins Stehen gelangt. Die Dauer der Aktivität hingegen ist kein eigentliches Kriterium zur Beurteilung der Bewegungskompetenz beim Aufstehen vom Boden. Bei sehr grossen zeitlichen Unterschieden zwischen den beiden Assessments, kann sie im Einzelfall zur Beurteilung hinzugezogen werden. Da einzelne Bewohner ( z.b. aufgrund von Schmerzen) in beiden oder einem Assessments nur bis zum 4-Füsser- Stand 'abgelegen' sind und von da aus wieder aufgestanden sind, wurden diese Fälle separat von den übrigen ausgewertet. Tabelle 13: Die Kriterien zur Beurteilung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Aktivität Aufstehen von Boden. Kriterium Ausprägung Code Wert Bemerkung Dauer Umgebungsgestaltung wenig Kontrolle Ablauf Zeitdauer in Sekunden förderlich neutral hinderlich Nein Ja F H ja Nur bei sehr grossen Unterschieden zwischen den Assessments relevant. Wird die Umgebung eher förderlich oder eher hinderlich genutzt oder wird sie nicht speziell gestaltet (=neutral)? Erfolgt die Bewegung mit wenig Kontrolle des eigenen Gewichts? Welche Endposition wird mit grosser oder sehr grosser Bewegungskompetenz erreicht? In welchen Positionen wird Pause gemacht? Positionswechsel von der Rückenlage ins Sitzen am Boden mit grosser oder sehr grosser Bewegungskompetenz: eher parallel oder eher spiralig? Welche Endposition wird dabei erreicht? Gibt es Positionswechsel mit kleiner oder sehr kleiner Bewegungskompetenz? Timed up and go Test Definition Beim Timed up and go Test wird die Zeit in Sekunden gemessen, wie lange eine Person braucht, um von einem Stuhl aufzustehen, 3 Meter zu gehen, umzudrehen, zurück zum Stuhl zu gehen und dort wieder abzusitzen. Es 7 Der Begriff Lernaktivität beschreibt die Gestaltung von Bewegungslernen anhand den Bewegungsthemen des MH Kinaesthetics Konzeptsystems (Hatch & Müller, 2014a, S. 14). Berner Fachhochschule Institut Alter 38

39 existieren verschiedene Versionen für die Anweisungen, die der Testperson gegeben werden sollen. Allen Anweisungen ist jedoch gemein, dass es für die Testperson offensichtlich ist, dass die Zeit gemessen wird, die sie braucht, um die Aufgabe zu erfüllen. Es wird zudem empfohlen, für die Zeitmessung eine Stoppuhr zu benutzen und evtl. mit der Testperson mitzulaufen (Oesch et al., 2011). Relevanz Der Timed up and go Test ist keine Alltags-Aktivität sondern ein Test zur Beurteilung der Mobilität. Er wird häufig bei geriatrischen und neurologischen Patienten angewandt (Oescht et al., 2011). Zudem wird er auch zum Screening des Sturzrisikos von älteren Menschen empfohlen (ebd.). Ablauf Assessment Während dem Gehen ausserhalb des Zimmers wurden die Bewohner gebeten, sich auf einen Stuhl im Gang zu setzen. Mit einem Messband wurden 3 Meter vom Stuhl weg gemessen und die Stelle mit einem Malerband am Boden markiert. Danach wurde irgendein geeignet scheinender Alltagsgegenstand (Papierkorb, Vase, Kübel etc.), der sich im Gang befand, auf die Markierung gestellt. Die Bewohner wurden dann mit folgenden Worten aufgefordert, den Test zu machen: "Sehen Sie den Papierkorb/Vase/Kübel/etc. dort vorne? Können Sie um den Papierkorb/Vase/Kübel/etc. herumgehen, zurückkommen und wieder auf dem Stuhl absitzen?" Den Bewohnern wurde in keiner Art und Weise vermittelt, dass es sich hierbei um einen Test handelt, noch dass die für die Aufgabe verwendete Zeit eine Rolle spielt. Wie alle anderen Aktivitäten auch, wurden die Bewohner dabei gefilmt, so dass mit Hilfe der Video-Sequenz die verwendete Zeit ermittelt werden konnte. Kriterien zur Beurteilung des Tests Gemäss Oesch et al. (2011) lässt die gemessene Zeit Aussagen über die Mobilität der Testperson zu. Beim Vergleich der 2 Assessments spielt nur die Zeit-Differenz eine Rolle (s. Tabelle 14). Differenzen von 4 Sekunden und mehr gelten allgemein als signifikant. Tabelle 14: Die Kriterien zur Beurteilung der gemessenen Zeit resp. Zeitdifferenz beim Timed up and go Test. Zeitdauer in Sekunden Kriterium Ausprägung Code Bemerkung Zeitdifferenz zwischen A1 und A s schneller 1-3s schneller gleich schnell 1-3s langsamer 4s langsamer U G E A Alltagsmobilität uneingeschränkt Geringe Mobilitätseinschränkung Abklärungsbedürftig, funktionell relevante Einschränkung Ausgeprägte Mobilitätseinschränkung grosse Verbesserung kleine Verbesserung keine Veränderung kleine Verschlechterung grosse Verschlechterung Bewertung der Unterschiede über alle Aktivitäten Für die Einschätzung der Veränderung der Bewegungskompetenz in allen 7 analysierten Alltags-Aktivitäten zusammen wurden die Veränderungen der einzelnen Aktivitäten wie folgt gewertet: grosse Verbesserung 2 Punkte, kleine Verbesserung 1.5 Punkte, keine Veränderung 1 Punkt 8, kleine Verschlechterung -1.5 Punkte, grosse Verschlechterung -2 Punkte. Da nicht von allen Bewohnern gleichviele Aktivitäten analysiert werden konnten, wurde die Summe der erzielten Punkte durch die Anzahl analysierter Aktivitäten geteilt (s. Tabelle 25). Je höher die Punktezahl, desto mehr hat die Bewegungskompetenz des jeweilige Bewohners vom ersten zum zweiten Assessment zugenommen. 8 Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass Fähigkeiten, die nicht genutzt werden, mit der Zeit abnehmen. Dies trifft besonders bei älteren Menschen zu. Deshalb wird ein gleich Bleiben der Bewegungskompetenz (= keine Veränderung) mit 1 Punkt bewertet. Berner Fachhochschule Institut Alter 39

40 2.3 Resultate Aufsitzen im Bett Insgesamt konnten von 31 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden (s. Tabelle 15). Bei zwei Bewohnern (BW_20 und BW_33) fehlte das Video aus Assessment 1, da sie zu schnell waren und die Aktivität deshalb nicht von Anfang an mit dem Tablet aufgenommen werden konnte. Eine Bewohnerin (BW_27) erzählte, dass sie aufgrund ihrer Rückenschmerzen schon lange nicht mehr ins Bett liege. Stattdessen schliefe sie in einem speziellen Sessel, dessen Rückenlehne sie ihren Bedürfnissen entsprechend senken konnte. Deshalb wurde selbstverständlich darauf verzichtet, sie die Aktivität ausführen zu lassen. Bei einer weiteren Bewohnerin (BW_41) war der Allgemeinzustand aufgrund ihrer fortschreitenden Krankheit und einer Operation am Arm am Tag unmittelbar vor Assessment 2 sehr viel schlechter als zum Zeitpunkt von Assessment 1. Sie entschied in Assessment 2, dass sie die Aktivität Abliegen aufs Bett nicht machen wollte und infolgedessen auch die Aktivität Aufsitzen im Bett nicht durchgeführt wurde. Tabelle 15: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner bei der Aktivität Aufsitzen im Bett. Legende: UG=Umgebungsgestaltung (leer=neutral, h=hinderlich, f=förderlich); Ablauf: Muster gemäss Analyseraster, eine 1 im Ablauf bedeutet, dass die Arme eher ungünstig eingesetzt werden, eine 2, dass die Arme eher günstig eingesetzt werden. Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. BW_Code Dauer UG wenig Kontrolle Ablauf Bemekung A1 A1 A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_ F ja d2-g2 d2-g2 BW_ H ja ja d2-g2 d1-g1 in A2 mehr Bewegungskompetenz, UG nicht hinderlich, Einsatz Arme ungünstig wenig Kontrolle = nein in A2 zählt mehr, als 3sec Arme BW_ ja d2-z2-d2 z1-d2 eher ungünstig BW_ g2-d2-z1-d2 d2-g2-d2 in A2 Arme nur günstig eingesetzt BW_ H H ja d1-g2 d2-g2 BW_ H H ja ja d1-g2 d1-g2 in A1 lange Vorbereitung mit UG=h und wenig Kontrolle BW_ d2-g2-d2 g2-d2 BW_ d2 d2 BW_ d2 d2-g2-d2 BW_ g2-d2 d2-g2-d2 BW_ d2 g2-d2 BW_ F F g2 g2-d2 BW_ ja ja g2-d2-g2 g2-d2 BW_ g2-d2 g2 BW_ F d2 g2 es gibt auch ein Video von A2 mit UG=h, deshalb insgesamt keine Veränderung BW_ g2-d2 d2-g2-d2 BW_ d2-z2-g2 g2-d2-g2 BW_ F H g2-d2-g2 g2-z2 in A2 mehr Bewegungskompetenz jedoch ungünstigere Umgebungsgestaltung BW_ g2-d2-g2 g2-d2-g2 BW_ g2-d2 g2-d2-z2 BW_ g2-d2 g2-d2 BW_ F F g2 g2 BW_ d2 d2 In A2 auch Video mit UG=h und wenig Kontrolle BW_ F F g2 d2-g2 BW_ d2 g2 BW_ g2 g2-z2-g2 BW_ d2-g2 d2-g2 BW_ d2 d2 BW_ z2-d2 d2-g2 in A1 auch Video mit UG=f BW_ d2 d2 BW_ H ja g2-d2-g2 g1-z1-g2 Sowohl die Dauer der Aktivität wie auch die Muster des Ablaufs waren bei den einzelnen Bewohnern zwischen den beiden Assessments relativ ähnlich. Insgesamt zeigten sich keine grossen Veränderungen in der Bewegungskompetenz zwischen den beiden Assessments bei der Aktivität Aufsitzen im Bett. Dies kann auch darauf zurückzuführen sein, dass von den 31 Bewohnern bereits 28 die Arme beim Aufsitzen im Bett eher Berner Fachhochschule Institut Alter 40

41 günstig einsetzten und nur 3 Bewohner dies eher ungünstig taten. D.h. fast alle Bewohner zeigten bereits im Assessment 1 eine hohe Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Aktivität, so dass eine Verbesserung gemäss dem verwendeten Analyseraster bei vielen Bewohnern gar nicht möglich war Gehen im Zimmer Insgesamt konnten von 29 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden. Bei den 7 übrigen BW konnte die Aktivität aus diversen Gründen nicht in beiden Assessments auf Video festgehalten werden. Bei 12 Bewohnern konnte bei 2 oder mehr Kriterien eine Verbesserung der Bewegungskompetenz festgestellt werden. Neun Bewohner zeigten in einem Kriterium eine Verbesserung. Bei 4 Bewohnern konnte keine Veränderung festgestellt werden und je 2 Bewohner zeigten eine kleine bzw. eine grosse Verschlechterung der Bewegungskompetenz beim Gehen im Zimmer. Die meisten Bewohner verbesserten die Bewegungskompetenz in den Kriterien Blickrichtung-Ziel und/oder Blickrichtung-Achsen (s. Tabelle 16). Tabelle 16: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner bei der Aktivität Gehen im Zimmer. Legende: Haltung: A=aufrecht, G=gebeugt; BlickRtgZi: Blickrichtung-Ziel (F=Fixiert, O=Offen); BlickRtgAchse: Blickrichtung-Achsen (U=nach unten, h=horizontal, W=wenige, V=viele); Armschwung: A=Abstützen, E=Eingeschränkt, R= Reinform; Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. BW_Code Haltung BlickRtgZi BlickRtgAchse Armschwung Bemerkung A1 A2 A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_17 G A F O U W E R BW_04 G A F O U V A A BW_02 G A F O U W E A BW_01 A A F F U V E R BW_06 A A F O U W R R BW_09 G G F O U W A A BW_18 A A F O U V R R BW_05 A A F O H W R R BW_35 A A F O H W A A In A1 mit Rollator, in A2 mit Stock BW_22 G A F O U W E E BW_44 G G F F U W E E In A1 3-Schritt-Prinzip unvollständig, in A2 Reinform BW_45 G G F F U U A E In A1 mit Gehhilfe & Mensch, in A2 ohne BW_03 G G F F U W E E BW_08 A A O O W V R R BW_11 A A O O H V R R BW_37 A A O O W V R R BW_19 A A F O W W R R BW_10 G A F F U U A A BW_26 A A F F U U A R In A1 mit Stock, in A2 ohne Gehhilfe BW_28 A A F O H H E R In A1 3-Schritt-Prinzip vollständig, in A2 unvollständig BW_34 A A F F U U E R BW_12 A A O O W W R R BW_27 G G F F U U A A BW_32 A A F F U U A A BW_46 A A F F U U A A BW_14 A G F F U U R R BW_25 A A F F W H A A BW_13 A A O F W W R A BW_41 A A O F W U R R Berner Fachhochschule Institut Alter 41

42 2.3.3 Gehen ausserhalb des Zimmers Insgesamt konnten von 33 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden. Eine Bewohnerin (BW_27) erzählte, dass sie ausserhalb des Zimmers immer mit dem Rollstuhl unterwegs sei, deshalb wurde in beiden Assessments auf die Durchführung dieser Aktivität verzichtet. Bewohnerin BW_41 verzichtete aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands auf die Ausführung dieser Aktivität. Bei einer weiteren Bewohnerin (BW_37) war in beiden Assessments aus Zeitgründen das Gehen ausserhalb des Zimmers nicht möglich. Bei 14 der 33 Bewohner konnten bei 2 oder mehr Kriterien eine Verbesserung der Bewegungskompetenz festgestellt werden. Zehn Bewohner zeigten in einem Kriterium eine Verbesserung. Bei 6 Bewohnern konnte keine Veränderung festgestellt werden und 2 bzw. 1 Bewohner zeigten eine kleine bzw. eine grosse Verschlechterung der Bewegungskompetenz beim Gehen im Zimmer. Die meisten Bewohner verbesserten die Bewegungskompetenz in den Kriterien Blickrichtung-Ziel und/oder Blickrichtung-Achsen (s. Tabelle 17). Im Gegensatz zum Gehen im Zimmer, gingen die Meisten bereits im Assessment 1 in aufrechter Haltung ausserhalb des Zimmers. Tabelle 17: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner bei der Aktivität Gehen ausserhalb des Zimmers. Legende: Haltung: A=aufrecht, G=gebeugt; BlickRtgZi: Blickrichtung-Ziel (F=Fixiert, O=Offen); BlickRtgAchse: Blickrichtung- Achsen (U=nach unten, h=horizontal, W=wenige, V=viele); Armschwung: A=Abstützen, E=Eingeschränkt, R= Reinform; Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. BW_Code Haltung BlickRtgZi BlickRtgAchse Armschwung Bemerkung A1 A2 A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_01 A A F O W V A R BW_33 A A F O H V E R BW_34 A A F O U H E R BW_42 A A F O H W E R BW_05 A A F O U W R R BW_13 A A F O U W A A BW_19 A A F O H W R R BW_25 A A F O U W R R BW_28 A A F O H W R R BW_02 G A F O W W A A BW_26 A A F O W W A R BW_12 A A O O U W A R BW_30 A A O O H W E R BW_04 A O V A In A1 Aktivität nicht gewagt. BW_20 A A F O H W R E BW_22 A A F O W W A A BW_29 A A F O H H R R BW_08 A A O O U V R R BW_14 A A O O U H R R BW_18 A A O O W V R R BW_23 A A O O W V R R BW_44 A A O O W V A A BW_17 A A O O W W E R BW_10 G A F F U U A A BW_06 A A O O W W R R BW_09 G G F F U U A A BW_11 A A O O H H R R BW_32 A A F F U U A A BW_36 A A O O W W R R BW_46 A A F F H U A A In A1 3-Schritt-Prinzip unvollständig, in A2 Reinform BW_35 A A O O W U A A BW_03 G G F F U U A A In A2 neu 3-Schritt-Prinzip unvollständig BW_45 A G F F U W R A In A1 ohne Gehhilfe, in A2 mit Gehilfe & Mensch Berner Fachhochschule Institut Alter 42

43 2.3.4 Treppe hinauf Gehen Die Aktivität Treppe hinauf Gehen war erst ab dem 2. Heim Bestandteil der Assessments. Insgesamt konnten von 29 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden. Eine Bewohnerin (BW_41) verzichtete aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands auf die Ausführung dieser Aktivität. Bei 12 der 29 Bewohner konnten bei 2 oder mehr Kriterien eine Verbesserung der Bewegungskompetenz festgestellt werden. Zehn Bewohner zeigten in einem Kriterium eine Verbesserung. Bei 4 Bewohnern konnte keine Veränderung festgestellt werden und 1 bzw. 2 Bewohner zeigten eine kleine bzw. eine grosse Verschlechterung der Bewegungskompetenz bei der Aktivität Treppe hinauf Gehen. Die meisten Bewohner verbesserten die Bewegungskompetenz in den Kriterien Blickrichtung-Ziel und/oder Blickrichtung-Achsen sowie in der Benutzung des Geländers (s. Tabelle 18). Im Gegensatz zum Gehen im Zimmer, gingen die Meisten bereits im Assessment 1 in aufrechter Haltung die Treppe hinauf. Tabelle 18: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner bei der Aktivität Treppe hinauf Gehen. Legende: Geländer: 2K=2 Arme nur Kontakt, 2G=2 Arme einer drückt einer zieht, 2D=2 Arme beide drücken 2Z=2 Arme beide ziehen, O=ohne; BlickRtgZi: Blickrichtung-Ziel (F=Fixiert, O=Offen); BlickRtgAchse: Blickrichtung-Achsen (U=nach unten, h=horizontal, W=wenige, V=viele); Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. BW_Code Geländer BlickRtgZi BlickRtgAchse Bemerkung A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_19 1D 1K F O U W In A1 2 Füsse pro Stufe (1. Fuss immer der Gleiche), in A2 nur ein Fuss pro Stufe BW_28 2Z 2K F O U V BW_45 1Z 1D F O U V BW_26 1D 1D F O U W In A1 2 Füsse pro Stufe (1. Fuss immer der Gleiche), in A2 nur ein Fuss pro Stufe BW_25 1D 1D F O U W BW_11 1K 1K F O U W BW_18 1K 1K F O W V BW_36 1D 1K O O U W BW_37 1K O O O W V BW_42 1D 1K O O U W BW_10 2D 2G O O H W In A1 Begleitung ohne Körperkontakt, in A2 ohne Begleitung BW_35 1D F W In A1 Aktivität nicht gewagt BW_13 2D 2G F F W V In A1 vorwärts, in A2 seitwärts, deshalb nur leichte Verbesserung BW_32 2G 2G F O W V In A1 Haltung aufrecht in A2 Haltung gebeugt BW_30 1K 1K O O H W BW_33 1K 1K O O W V BW_34 O O O O U W BW_46 2G 2G O O U W BW_14 2G 1D O O W W BW_20 2K 1K O O W W BW_17 1D 1D F O W W BW_12 2G 2G O O W W In A1 Begleitung ohne Körperkontakt, in A2 ohne Begleitung BW_08 2K 2K O O W W BW_23 1D 1D O O W W BW_44 2G 2G O O U U BW_29 O 1K O O U W BW_22 O O F F U U In A1 ohne Gehhilfe, in A2 mit Stock BW_09 2G F U In A2 Aktivität nicht mehr gemacht BW_27 1D F U In A2 Aktivität nicht mehr gemacht Berner Fachhochschule Institut Alter 43

44 2.3.5 Treppe hinunter Gehen Die Aktivität Treppe hinunter Gehen war erst ab dem 2. Heim Bestandteil der Assessments. Insgesamt konnten von 29 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden. Eine Bewohnerin (BW_41) verzichtete aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands auf die Ausführung dieser Aktivität. Bei 5 der 29 Bewohner konnten bei 2 oder mehr Kriterien eine Verbesserung der Bewegungskompetenz festgestellt werden und 4 weitere Bewohner trauten sich in Assessment 1 die Aktivität nicht zu, machten sie dann aber in Assessment 2, was ebenfalls als grosse Verbesserung gewertet wurde. Vier Bewohner zeigten in einem Kriterium eine Verbesserung. Bei neun Bewohnern konnte keine Veränderung festgestellt werden und 2 zeigten eine kleine Verschlechterung der Bewegungskompetenz beim Treppe hinunter Gehen. Ein Bewohner zeigte in 2 Kriterien eine Verschlechterung und 4 Bewohner wollten in Assessment 2 die Aktivität nicht mehr machen. Dies wurde als grosse Verschlechterung ihrer Bewegungskompetenz gewertet. Die meisten Bewohner verbesserten die Bewegungskompetenz in den Kriterien Blickrichtung-Ziel und/oder Blickrichtung-Achsen (s. Tabelle 19). Im Gegensatz zum Gehen im Zimmer, gingen die Meisten bereits im Assessment 1 in aufrechter Haltung die Treppe hinunter. Tabelle 19: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner bei der Aktivität Treppe hinunter Gehen. Legende: Geländer: 2S2=2 Arme 2 Geländer Stopp & go, 2G2=2 Arme 2 Geländer gleiten, 2S1=2 Arme 1 Geländer Stopp & go, 2G1=2 Arme 1 Geländer gleiten, 1s=1Arm Stopp & go, 1G=1 Arm gleiten, O=ohne; BlickRtgZi: Blickrichtung-Ziel (F=Fixiert, O=Offen); BlickRtgAchse: Blickrichtung-Achsen (U=nach unten, h=horizontal, W=wenige, V=viele); Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. BW_Code Geländer BlickRtgZi BlickRtgAchse Bemerkung A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_17 2S2 1S F O U W BW_19 1S 1G F O U W BW_20 1G 2G2 F O U W BW_34 O O F O U W BW_25 2S1 1G F O U U BW_26 1S F U in A1 Aktivität nicht gewagt BW_35 1S O W in A1 Aktivität nicht gewagt BW_12 2G1 F W in A1 Aktivität nicht gewagt BW_13 2G1 F V in A1 Aktivität nicht gewagt BW_08 1G 1G O O U V BW_11 1G 1G O O W V BW_30 1G 1G F O U U BW_36 1G 1G F O U U BW_18 O 1G O O W V BW_42 1G 1G F O H U BW_44 2S1 2S1 F O W W in A1 ohne Begleitung, in A2 mit Begleitung (ohne Kontakt) BW_10 2S1 2S1 O O U U BW_22 1G 1G F F U U BW_23 1G 1G O O W W BW_28 2G2 2G2 F F U U BW_32 2S1 2S1 F F U U BW_46 1S 2S1 F F U U BW_33 1G 1G O O W U BW_37 1G 1G O O W U BW_45 1G 2S1 F F U U in A1 1 Fuss pro Stufe, in A2 zwei Füsse pro Stufe (1. immer gleich) BW_09 2S1 F U in A2 Aktivität nicht gewagt BW_14 1S F U in A2 Aktivität nicht gewagt BW_27 1S F W in A2 Aktivität nicht gewagt BW_29 1G F U in A2 Aktivität nicht gewagt Berner Fachhochschule Institut Alter 44

45 2.3.6 Abliegen auf Boden Insgesamt konnten von 31 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden. Eine Bewohnerin (BW_41) verzichtete aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustands in Assessment 2 auf die Ausführung dieser Aktivität. Elf der 27 Bewohner, die in beiden Assessments bis in die Rückenlage auf den Boden abgelegen waren, zeigten in 2 oder mehr Kriterien eine Verbesserung der Bewegungskompetenz (s. Tabelle 20). Insgesamt vier Bewohner zeigten in einem Kriterium eine Verbesserung. Tabelle 20: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner bei der Aktivität Abliegen auf Boden (bis Rückenlage). Legende: Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. BW_Code Dauer UG wenig Kontrolle Ablauf Bemekung A1 A1 A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_ f f ja B1-G B1-BK2-p3 BW_ f f ja B1-BK1-F1-p3 B1-BK2-s3 BW_ n f ja B1-BK1-F1-p3 B1-BK1-F1-s3 BW_ n f ja B2-F0 B1-BK1-F1-s3 BW_ n f ja B3-p3 B1-BK1-F1-PSi-p3 nimmt sich in A2 mehr Zeit, nutzt Umgebung förderlich und hat Kontrolle BW_ n n ja B1-BK1-F1-p3 B1-BK1-F1-s3 BW_ f f B1-BK1-F1-p3 B1-BK1-PF-F1-s3 in A1 parallel vom Sitzen in Rückenlage in A2 spiralig BW_ n n p3 B1-BK1-F1-s3 in A1 parallel vom Sitzen in Rückenlage in A2 spiralig in A1 mit viel Unterstützung in Rückenlage, in A2 ohne BW_ f n ja ja B1-BK1-PF-G B1-G-PF-F1-PSi-s3 Unterstützung und spiralig BW_ f f ja ja p1 B1-BK2-s3 BW_ n n B2-F1-p3 B2-F1-s3 BW_ n f B1-BK1-F1-p3 B1-BK1-F1-p3 BW_ n n B3-p3 B2-F1-PSi-p3 in A1 sehr schnell (wird schwindlig), nimmt sich in A2 mehr Zeit deshalb leicht Verbesserung BW_ n n B3-s1-PSL-p3 B3-F1-s3 BW_ n n ja B1-BK2-p3 B3-p3 BW_ f f ja B1-BK1-PF-F1-p3 B1-BK1-F1-PSi-p3 BW_ f f ja B1-BK1-F1-p3 B1-BK1-PF-F1-p3 macht in A2 Pause im 4Füsser deshalb dauerts länger BW_ f f B3-p3 B3-p3 BW_ f f B1-BK1-F1-s3 B1-BK1-PF-F1-s3 macht in A2 Pause im 4Füsser deshalb dauerts länger BW_ n n B1-BK1-p2-PBL-s3 B1-BK1-F1-s3 BW_23 24 n B1-BK1-PF-s1 in A2 Aktivität nicht auf Video, da sie zu schnell war (ist auch in A2 mit sehr grosser Bewegungskompetenz auf Boden abgelegen) BW_ n h B3-p0 B3-p3 in beiden A sehr schnell, in A1 von Sitzen in Rückenlage nicht auf Video BW_ n f B1-BK1-s3 B1-BK1-p2 BW_ f n B1-BK1-F1-s3 B1-BK1-p2-s3 BW_ n f B1-BK1-F1-s3 B1-BK1-F0 in A1 bis Rückenlage, in A2 nur bis 4Füsser dann stopp BW_ f f B1-BK1-F1-p1 B1-BK1-F0 in A1 bis Rückenlage, in A2 nur bis 4Füsser dann stopp BW_ f f B1-BK1-F1-PSi-p3 B1-BK1-PF-F0 in A1 bis Rückenlage, in A2 nur bis 4Füsser dann stopp Tabelle 21: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner/innen bei der Aktivität Abliegen auf Boden (bis 4- Füsser). Legende: Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung. BW_Code Dauer UG wenig Kontrolle Ablauf A1 A1 A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_ n f ja G B1-BK1-F0 BW_ n f G-p3 B1-BK1-F0 BW_ f f G-p2-s3 B1-BK1-F0 BW_ f f G B1-BK0 Bemekung In A1 nur mit sehr viel Unterstützung vom Stehen in Rückenlage, in A2 mit wenig Unterstützung vom Stehen in 4- Füsser, dann Stopp in A1 nur mit viel Unterstützung vom Stehen ins Sitzen, vom Sitzen parallel in Rückenlage; in A2 deutlich mehr Bewegungskompetenz, obwohl BW nur bis Füsser geht und dann stoppt wegen Schmerzen In A1 nur mit viel Unterstützung vom Stehen ins Sitzen, in A2 mit viel Bewegungskompetenz bis 4Füsser dann Stopp wegen Schmerzen In A1 nur mit viel Unterstützung vom Stehen in Rückenlage; in A2 deutlich mehr Bewegungskompetenz, obwohl BW nur bis Einbeinkniestand geht und dann stoppt wegen Schmerzen. Berner Fachhochschule Institut Alter 45

46 In Assessment 2 nutzten die Bewohner die Umgehung eher förderlich und machten die Positionswechsel eher mit mehr Kontrolle der Bewegung des eigenen Gewichts. Auch erfolgte der Positionswechsel vom Sitzen in die Rückenlage eher über ein spiraliges Muster als über ein paralleles Muster. Drei Bewohner waren im Assessment 1 bis in die Rückenlage auf den Boden gelegen und in Assessment 2 nur bis in den 4-Füsser. Dies wurde bei allen drei Bewohnern als grosse Verschlechterung ihrer Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Alltagsaktivität Abliegen auf Boden gewertet. Weitere vier Bewohner konnten im Assessment 1 nur mit viel bis sehr viel Unterstützung auf den Boden abliegen. Alle vier zeigten im Assessment 2 viel mehr Bewegungskompetenz beim Versuch auf den Boden ab zu liegen. Obwohl sie nur bis in den 4-Füsser-Stand (in einem Fall sogar nur bis in den Beinkniestand) gingen, wurde dies als Verbesserung gewertet, da sie dies nun ohne oder mit nur sehr wenig Unterstützung taten (s. Tabelle 21). Berner Fachhochschule Institut Alter 46

47 2.3.7 Aufstehen von Boden Insgesamt konnten von 27 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden. Von den 23 Bewohnern, die in beiden Assessments bis in die Rückenlage auf den Boden abgelegen waren, zeigten 6 eine leichte und 7 eine grosse Verbesserung der Bewegungskompetenz (s. Tabelle 22). Weitere 8 Bewohner standen bereits im Assessment 1 mit hoher Kompetenz vom Boden auf und machten dies im Assessment 2 weiterhin so. In Assessment 2 machten die Bewohner die Positionswechsel eher mit mehr Kontrolle der Bewegung des eigenen Gewichts. Je ein Bewohner zeigte in Assessment 2 eine kleine bzw. grosse Verschlechterung der Bewegungskompetenz bei der Aktivität Aufstehen von Boden. Bei weiteren vier Bewohnern konnte der Vergleich der beiden Assessments nur vom Aufstehen aus dem 4- Füsser-Stand gemacht werden. Zwei der vier Bewohner zeigten eine grosse Verbesserung und einer kleinen Verbesserung. Bei einem Bewohner konnte kein Unterschied festgestellt werden (s. Tabelle 23). Tabelle 22: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner bei der Aktivität Aufstehen vom Boden (aus Rückenlage). Legende: Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. BW_Code Dauer UG wenig Kontrolle Ablauf Bemekung A1 A1 A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_ h f p3-psi-si0-psi-si0-psi-si0-psi-g p3-si3 Augenfälliger Unterschied! BW_ h f ja s3-si0-g-f2 s1-psl-s3-siu BW_ h f G-F2 s3-si3 BW_ n f ja p3-si3 s3-si3 BW_ n f ja s2-bl3 s2-bl3 BW_ f f ja p3-psi-si3 s3-si3 BW_ f f p3-psi-si1-pf-f2 s3-si3 mehr Bewegungskompetenz und eher spiralig--> grosse Verbesserung BW_ n f ja ja s3-si3 p3-si1-pf-f2 nimmt sich in A2 mehr Zeit und macht Pausen (deshalb dauerts länger), leichte Verbesserung BW_ f f ja Si3 s3-si3 in A1 Anfang nicht auf Video. BW_ f f ja s3-psi-si3 s3-si3 leichte Verbesserung auf bereits hohem Niveau BW_ f f ja s3-psi-si3 s3-si3 in A1 machte sie auf Initiative vom Assessor eine lange Pause im Sitzen (44sec) etwas höhere Bewegungskompetenz mit Kontrolle, BW_ f fh ja p3-psi-si0-psi-g p3-g deshalb leichte Verbesserung macht Pause in A2, deshalb dauerts länger, Kontrolle ist BW_ f n ja s3-si3 s3-psi-si3 stärker zu gewichten als UG BW_ hf f s3-si3 s3-si3 schon in A1 mit hoher Kompetenz, gleich geblieben BW_ f f s3-si3 s3-si3 schon in A1 mit hoher Kompetenz, gleich geblieben BW_ f f s3-si3 s3-si3 schon in A1 mit hoher Kompetenz, gleich geblieben BW_ f f p3-si3 p3-psi-si3 gleich geblieben auf hohem Niveau BW_ f f s3-si3 s3-si3 schon in A1 mit hoher Kompetenz, gleich geblieben BW_ f f s3-si3 s3-si3 nimmt sich in A2 mehr Zeit, gleich auf hohem Niveau BW_ f n ja ja s3-psi-si3 s3-si3 in A2 hält sie sich nirgends fest (UG=n) etwas höhere Bewegungskompetenz in A2 BW_ f n ja ja SL0-G-B1 R0-G-PSi-G-PSi-G jedoch UG neutral --> keine Veränderung BW_ f hf p3-si3 p3-si0-si3 BW_ f n ja SL0-G-PF-F2 G-PF-G Tabelle 23: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner/innen bei der Aktivität Aufstehen vom Boden (aus 4-Füsser). Legende: Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung. BW_Code Dauer UG wenig Kontrolle Ablauf A1 A1 A1 A2 A1 A2 A1 A2 BW_ h f ja p3-si0-g-si0-g-f2 F2 BW_ n f s3-psi-si1-g F2 BW_ f f ja p3-si3 F2 BW_ f f s3-psi-si0-g-f2 F2 Bemekung in A2 nur bis 4-Füsser 'abgelegen'. Deshalb nur Vergleich Aufstehen ab dieser Position. in A2 nur bis 4Füsser 'abgelegen', Aufstehen aus 4Füsser in A2 selbstständig UG=f, --> grosse Verbesserung in A2 nur bis 4-Füsser 'abgelegen'. Deshalb nur Vergleich Aufstehen ab dieser Position. in A1 nur mit viel Unterstützung vom Stehen ins Sitzen, in A2 selbstständig bis 4-Füsser, deshalb Vergleich Aufstehen ab dieser Position Berner Fachhochschule Institut Alter 47

48 2.3.8 Timed up and go Test Der Timed up and go Test war erst ab dem 2. Heim Bestandteil der Assessments. Insgesamt konnten von 29 Bewohnern Videos aus beiden Assessments analysiert werden. Trotz ihres schlechten Allgemeinzustands zum Zeitpunkt von Assessment 2 wollte Bewohnerin BW_41 diese Aktivität ausführen. Von den 29 Bewohnern waren 7 in Assessment 2 4 Sekunden und 4 Bewohner 1-3 Sekunden schneller als in Assessment 1. Weitere 4 Bewohner waren in beiden Assessments gleich schnell. Acht resp. sechs Bewohner waren 1-3 Sekunden resp. 4 Sekunden langsamer in Assessment 2. Keiner der 29 Bewohner hatte laut der Testskala (s. Tabelle 14, Code U) eine uneingeschränkte Alltagsmobilität. 15 Bewohner hatten gemäss Testskala eine geringe Mobilitätseinschränkung (Code G) und fünf hatten gemäss Timed up and go Test funktionell relevante Einschränkungen (Code E). Die restlichen 9 Bewohner zeigten gemäss Testergebnis ihrer Alltagsmobilität ausgeprägte Einschränkungen. Diese Mobilitätseinschränkungen blieben in den beiden Assessments bei 24 Bewohnern gleich. Nur je 2 Bewohner wechselten von Code E nach G resp. G nach E. Tabelle 24: Die Veränderungen der Geschwindigkeit beim Ausführen des Timed Up and Go Tests der einzelnen Bewohner. Legende: Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung. Einschätzung der Mobilität gemäss Testskala: U = Alltagsmobilität uneingeschränkt, G = geringe Mobilitätseinschränkung, E = funktionell relevante Einschränkung, A = ausgeprägte Einschränkung. BW_Code Aufstehen Gehen Absitzen Total Differenz Mobilität A1 A1 A1 A2 A1 A2 A1 A2 A1-A2 A1 A2 BW_ A A BW_ A A BW_ A A BW_ E G BW_ E G BW_ ohne A A BW_ A A BW_ G G BW_ E E BW_ G G BW_ G G BW_ G G BW_ G G BW_ G G BW_ G G BW_ G G BW_ G G BW_ E E BW_ G G BW_ G E BW_ G G BW_ G E BW_ E E BW_ G G BW_ G G BW_ A A BW_ ohne A A BW_ A A BW_ A A Zusammenfassung der Resultate Insgesamt konnten von 36 Bewohnern in mindestens 1 Alltags-Aktivität und dem Timed up and go Test Videos aus beiden Assessments analysiert werden (s. Tabelle 25 und Abbildung 8). Bei 34 dieser 36 Bewohner konnte in mindestens 2 Alltags-Aktivitäten eine Verbesserung der Bewegungskompetenz beobachtet werden. Beim Timed up and go Test zeigte sich ein völlig anderes Bild. Hier zeigten 11 der 29 Bewohner, die den Test durchgeführt hatten, eine Verbesserung und 14 eine Verschlechterung. Dabei scheint es keinen Zusammenhang zwischen dem Zuwachs an Bewegungskompetenz in den Alltags-Aktivitäten und dem Resultat des Leistungstests zu geben. Dies Berner Fachhochschule Institut Alter 48

49 kommt besonders deutlich bei BW_41 zum Ausdruck, die zum Zeitpunkt des Assessments 2 aufgrund ihrer forstschreitenden Krankheit und einer Operation am Arm in einem sehr schlechten Allgemeinzustand war. Dies zeigte sich in der Ausführung der Alltags-Aktivitäten sehr deutlich. Sie führte sie aufgrund ihrer Schmerzen entweder gar nicht durch, oder mit einer kleineren Bewegungskompetenz. Überraschenderweise wollte sie die Aktivität im Gang mit dem "Aufstehen vom Stuhl, eine kurze Strecke Gehen und wieder Absitzen" (=Timed up and go Test) trotz ihres Zustands machen und war dann auch prompt 2 Sekunden schneller als im Assessment 1. Tabelle 25: Die Veränderungen der Bewegungskompetenz der einzelnen Bewohner in den verschiedenen Aktivitäten und des Timed up and go Tests im Überblick. Berechnung der Punkte für die Aktivitäten siehe Text. Je höher die Punktezahl, desto mehr hat die Bewegungskompetenz des jeweiligen Bewohners zugenommen. Legende: TUG=Timed up and go Test. Farben: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung; gelb=kein Vergleich möglich. BW_Code Aufsitzen Gehen Treppe Abliegen Aufstehen Punkte TUG im Bett Zimmer ausserhalb hinauf hinunter auf Boden von Boden Aktivitäten BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ Berner Fachhochschule Institut Alter 49

50 Abbildung 8: Das Total der Veränderungen der Bewegungskompetenzen in den einzelnen Aktivitäten und des Timed up and go Tests im Überblick. Legende: dunkelgrün = grosse Verbesserung, hellgrün = kleine Verbesserung, blau = keine Veränderung, orange = kleine Verschlechterung, rot = grosse Verschlechterung; gelb=kein Vergleich möglich. 2.4 Diskussion Bewegungskompetenz messen Die Bewegungskompetenz von Menschen ist eine komplexe Grösse, die nicht direkt gemessen werden kann. In der Geriatrie beruhen die gängigen Verfahren zur Messung der Mobilität (oder deren Einschränkungen) meist auf Leistungsparametern wie Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer. Die Testresultate werden dabei so interpretiert, dass schnelleres Gehen, mehr Kraft bzw. längeres Durchhalten besser zu bewerten sind als langsameres Gehen, weniger Kraft oder kürzeres Durchhalten (vgl. Oesch et al., 2011). Dieser Leistungsgedanke ist bei der Rehabilitation und in den Trainingswissenschaften sicherlich angebracht und folgerichtig. Jedoch lässt sich dieses Paradigma nicht auf die Bewertung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung von Alltags-Aktivitäten übertragen. Dies gilt insbesondere für ältere und gebrechliche Menschen. Hier kann sich ein Zuwachs an Bewegungskompetenz u.u. gerade dadurch zeigen, dass eine Aktivität langsamer und mit weniger Kraftaufwand ausgeführt wird als bisher. Gängige Assessment-Verfahren würden in diesem Fall jedoch auf eine Verschlechterung der Fähigkeiten dieses Menschen schliessen. Die auf Messung von Leistungsparametern ausgerichteten Assessment-Verfahren sind daher für die Evaluation der Bewegungskompetenz beim Tun von Alltags-Aktivitäten nicht geeignet (Fankhauser, 2013, Rytz, 2013). Sehr eindrücklich zeigt sich dieser Unterschied zwischen Leistungsparadigma und der Verankerung der Aktivitäten im Alltag, wenn man die Resultate der Aktivitäts-Assessment mit jenen des Timed up and go Tests vergleicht (s. Tabelle 25). Von den 19 Bewohnern, deren Bewegungskompetenz in allen Aktivitäten entweder zugenommen hat oder gleich geblieben ist, sind 3 in beiden Assessments im Timed up and go Test gleich schnell gewesen, 6 waren im Assessment 2 schneller (=Verbesserung), 7 waren langsamer (=Verschlechterung) und die restlichen 3 führten den Test nicht aus, da er im ersten Heim noch nicht Teil des Assessments war. Dieses Nicht-Zusammenpassen von Leistungsmessung und Verankerung der Bewegungskompetenz in Alltagsaktivitäten wird noch deutlicher, wenn man die Entwicklung von einzelnen Bewohnern anschaut. So war zum Beispiel der Allgemeinzustand von BW_41 zum Zeitpunkt des Assessment 2 viel schlechter als bei Assessment 1. Dies ist einerseits auf den schlechten Verlauf einer chronischen Krankheit zurückzuführen. Andererseits hatte sie eine Operation am Arm am Tag vor dem zweiten Assessment und litt in der Folge an starken Schmerzen, was sie in ihrer Bewegung sehr einschränkte. Die meisten Aktivitäten wollte sie deshalb im Assessment 2 nicht durchführen. Beim Gehen im Zimmer, der einzigen Aktivität, die sie in Assessment 2 machte, zeigte sie weniger Bewegungskompetenz als beim ersten Assessment. Beim Leistungstest hingegen war sie im zweiten Assessment schneller. Offen bleibt natürlich, wie ihre Bewegungskompetenz bei der Ausführung der Alltags-Aktivitäten im zweiten Assessments ausgesehen hätte, wenn die Bewohnerin nicht so starke Schmerzen gehabt hätte. Ein weiteres eindrückliches Beispiel ist BW_44, welche an derselben chronisch fortschreitenden Berner Fachhochschule Institut Alter 50

51 Krankheit, wie BW_41 leidet. In vier der sieben Alltagsaktivitäten war ihre Bewegungskompetenz im zweiten Assessment grösser als im ersten Assessment. In den restlichen drei Aktivitäten war keine Veränderung der Bewegungskompetenz feststellbar. Im Timed up and go Test hingegen brauchte sie zwar weniger Zeit fürs Aufstehen und Absitzen, war dann aber beim Gehen viel langsamer, so dass sie insgesamt beim zweiten Assessment viel länger brauchte als beim ersten Assessment. Hier kann also von einer deutlichen Steigerung der Bewegungskompetenz ausgegangen werden, welche offensichtlich durch den Leistungstest nicht erfasst werden konnte. In weiteren Studien sollte das hier vorgestellte Analyse-Tool und Assessment-Verfahren zur Einschätzung der Bewegungskompetenz bei der Ausführung von Alltags-Aktivitäten weiter verfeinert und auf die drei Hauptgütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität überprüft werden Bewegungsbasierte Schulung kann Bewegungskompetenz steigern Abt-Zegelin & Reuther (2011) weisen darauf hin, dass der Eintritt in eine Pflegeeinrichtung häufig mit einer schleichenden Immobilisierung einhergeht. "Insgesamt scheint die Institutionalisierung selbst einen Rückzug zu bewirken. Sämtliche Beteiligten scheinen zu erwarten, dass alte Menschen sich nun auf dem Abstellgleis zur Ruhe setzen. Alltagstätigkeiten werden nicht mehr selbst erledigt, durch den Service verkümmern die Restfähigkeiten, die Menschen passen sich an die ritualisierten Abläufe an." (Abt-Zegelin & Reuther, 2011, S. 324). Dieser Verlust von Bewegungskompetenz ist nicht nur für den betroffenen Menschen mit viel Leid sondern auch für das Gesundheitswesen mit hohen Kosten verbunden. Die Frage, ob durch eine bewegungsbasierte Schulung diesem Rückgang der Bewegungskompetenz von Heimbewohnern entgegengewirkt oder sogar eine Steigerung erreicht werden kann, kann anhand der Resultate unserer Studie ganz klar mit Ja beantwortet werden: Eine Mehrzahl der Bewohner konnte ihre Bewegungskompetenz bei der relevanten Aktivität Gehen steigern (73%) oder erhalten (16%). Nur in rund 11% der Fälle war die Kompetenz im zweiten Assessment kleiner. Sich ohne Unterstützung im eigenen Zimmer wie auch ausserhalb des Zimmers bewegen zu können, erhöht die Selbstständigkeit und auch den Bewegungsradius der Bewohner. Ausserdem werden dadurch weniger Supportkräfte durch Pflegende gebunden. Eine Mehrzahl der Bewohner konnten ihre Bewegungskompetenz beim Treppe hinauf resp. hinunter Gehen steigern (76% resp. 45%) oder erhalten (14% resp. 31%). Nur in rund 10% resp. 24% der Fälle war die Kompetenz im zweiten Assessment kleiner. Viele Bewohner gaben an, dass sie im Alltag oftmals den Lift nehmen und zeigten trotzdem eine Steigerung ihrer Bewegungskompetenz. Dies zeigt, dass sie offenbar fähig waren, das in den Kursen Gelernte in ihrem Körper zu internalisieren. Einige wenige Bewohner gaben an, dass sie schon vor der Studie konsequent jeden Tag mindestens einmal die Treppe benutzten. Interessanterweise konnten auch solche geübten Treppen-Geher ihre Kompetenz beim Treppe hinauf resp. hinunter Gehen steigern. Eine blinde Frau entdeckte anlässlich des ersten Assessments gar, dass sie auch im Heim selbstständig die Treppe benutzen konnte. Wichtig war hier, dass die Umgebung (Mitarbeitende und Angehörige) ihr diese Kompetenz auch zutrauten. Eine Mehrzahl der Bewohner konnte ihre Bewegungskompetenz beim Abliegen auf den Boden resp. Aufstehen vom Boden steigern (68% resp. 59%) oder erhalten (19% resp. 33%). Nur in 13% resp. 8% der Fälle war die Kompetenz im zweiten Assessment kleiner. Das Wissen, dass man vom Boden aufzustehen kann, kann auch für die Sturzprävention von Bedeutung sein. Stürzen kann man ja in der Regel nicht üben. Vom Boden aufstehen kann hingegen geübt werden. Dies ist sicherlich sinnvoll, denn rund zwei Drittel aller Stürze verursachen keine Knochenbrüche, so dass in der Mehrzahl der Fälle ein Bewohner im Prinzip aufstehen könnte, vorausgesetzt er traut es sich zu und sein Umfeld lässt ihn machen. 3 Sturzbedenken 3.1 Einleitung Es gibt eine Vielzahl von Studien, welche die Auswirkungen von Stürzen respektive deren Vermeidung untersuchen (Grob, 2005, Tideiksaar, 2008, Teresi, 2013, Wiesli et al., 2013). Faktoren, welche das relative Sturzrisiko massgeblich erhöhen, sind Muskelschwäche (Faktor 4.4), Gangstörung (2.9), Gleichgewichtsstörung (2.9), Gehhilfen (2.6), Sehstörung (2.5) und Depression (2.2) (Society et al., 2001). Viele ältere Menschen haben ausserdem Angst davor, sie könnten stürzen. Leider ist die Sturzangst selber ein Faktor, welcher das Risiko zu stürzen erhöht (Tideiksaar, 2008). Dies ist nicht weiter erstaunlich, da ein Mensch, der Angst hat, er könnte stürzen, seine Muskeln meistens zu sehr anspannt und dadurch nicht mehr auf seine volle Bewegungsfähigkeiten zurückgreifen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass in Heimen häufig ein Sturzangstklima vorherrscht (eigene Beobachtungen). Gerade weil Stürze oft mit viel Leid für die Betroffenen verbunden sind, versucht das Umfeld Berner Fachhochschule Institut Alter 51

52 (Angehörige, Freiwillige und Mitarbeitende) die Bewohner so gut wie möglich davor zu bewahren. Paradoxerweise kann sich dies auch negativ auf das Sturzrisiko der Bewohner auswirken. Denn einerseits kann es dazu führen, dass die Mobilität der Bewohner nicht (mehr) aktiv gefördert wird, weil die Betreuungspersonen selber Angst haben, die Bewohner könnten hinfallen, wenn sich diese vermehrt bewegen. Andererseits überträgt sich die Angst und Unsicherheit der Begleitpersonen auf die Bewohner, wenn sie diese bei einer Aktivität begleiten. Die Frage ist, ob sich durch die bewegungsbasierte Schulung die Sturzbedenken der Heimbewohner sowie der Mitarbeitenden, Freiwilligen und Angehörigen senken lässt. 3.2 Methode Zur Erhebung der Sturzbedenken der Bewohner diente ein auf die Bedürfnisse der Studie angepasste Version des Short FES-I (ProFaNE, 2011). Im ursprünglichen Short FES-I werden pro Frage oftmals mehrere Aktivitäten zusammengefasst wie z.b. 'eine Treppe hinauf oder hinunter gehen'. Es ist aber vorstellbar, dass eine Person weniger Bedenken hat, eine Treppe hinauf als hinunter zu gehen. Um solche Unterschiede feststellen zu können, wurde der Fragebogen so angepasst, dass pro Frage nur 1 Aktivität aufgeführt war. Die Grundfrage beim Fragebogen lautet, wie im originalen Short FES-I, welche Bedenken die Person hat hinzufallen, wenn sie bestimmte Aktivitäten macht. In der für die Studie angepassten Version wird diese Frage zusätzlich in den Kontext von zwei Szenarien gestellt: a) Stellen Sie sich vor, Sie sind alleine und machen die Aktivität (Szenario 'allein') und b) Stellen Sie sich vor, jemand ist bei Ihnen und Sie machen die Aktivität (Szenario 'begleitet'). Die Sturzbedenken der Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen wurden ebenfalls mit dem angepassten Fragebogen erhoben und zwar im Hinblick darauf, welche Bedenken sie haben, der Bewohner könnte hinfallen. Die Mitarbeitenden und Freiwilligen wurden gebeten, den Fragebogen in Bezug auf drei (Angehörige: einen) Bewohner ihrer Wahl auszufüllen. Sie durften auch solche Bewohner wählen, die selber nicht an den Bewegungsschulungen teilnahmen. Die Angehörigen wurden gebeten, den Fragebogen in Bezug auf ihren Verwandten, der ihm Heim lebt, auszufüllen. Auch hier spielte es keine Rolle, ob dieser am Kurs teilnahm oder nicht. Es war vorgesehen, die Sturzbedenken jeweils im Rahmen der beiden Assessments zu erheben. Bei den drei ersten Heimen wurden die Bewohner im ersten Assessment nach dem Interview und den Aktivitäten gebeten, ihre Bedenken gemäss dem Fragebogen anzugeben. Leider erwies sich diese Vorgehensweise als ungünstig, so dass die Antworten nicht verwendet werden konnten. Ab dem vierten Heim, wurde die zuständige Person der Institution gebeten, die Fragebogen mit den Bewohner anlässlich des Minimental Status Tests auszufüllen. Die Differenzen bei den ausgefüllten Fragebögen in Assessment 1 und 2 (s. Tabelle 26) haben verschiedene Gründe. Bei den Bewohnern wurden nur noch diejenigen erhoben, welche auch am Assessment 2 teilgenommen hatten. Die Mitarbeitenden wie auch die Freiwilligen & Angehörigen füllten einerseits im 2. Assessment weniger Fragebögen aus. Andererseits hatte sich auch der Allgemeinzustand von einigen Bewohnenden (die nicht an den Bewegungsschulungen teilnahmen) stark verschlechtert, so dass die beiden Sturzbedenken-Assessments nicht vergleichbar gewesen wären und deshalb auf ein Ausfüllen des Fragebogens verzichtet wurde. Tabelle 26 : Anzahl ausgefüllte Sturzbedenken-Fragebögen. Für die Auswertung wurden nur diejenigen Fragebogen verwendet, die auch im zweiten Assessment ausgefüllt wurden. BW MA AF Total Heim-Nr. A1 A2 A1 A2 A1 A2 A1 A Total Berner Fachhochschule Institut Alter 52

53 3.3 Resultate Bedenken gesamter Fragebogen Die Bedenken der Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen, die Bewohner könnten hinfallen sind signifikant grösser als die Bedenken der Bewohner selber (s. Abbildung 9). Dieser Unterschied besteht sowohl in den beiden Szenarios ('allein' und 'begleitet') und in beiden Assessments 9. Vergleicht man pro Teilnehmer- Kategorie die Bedenken zwischen Assessment 1 und Assessment 2 so nehmen diese bei den Mitarbeitenden im Szenario 'allein' 10 und bei den Bewohnern im Szenario 'begleitet' 11 im zweiten Assessment signifikant ab. Bei den Angehörigen & Freiwilligen zeigen sich in beiden Szenarios keine signifikanten Unterschiede in den Bedenken beim Vergleich der beiden Assessments. Abbildung 9: Sturzbedenken pro Teilnehmer-Kategorie (BW: Bewohner, MA: Mitarbeiter, AF: Angehörige & Freiwillige) und Assessment (A1: Assessment 1, A2: Assessment 2) in den beiden Szenarios 'allein' und 'begleitet'. Skala Bedenken: 0 = keine, 1 = einige, 2 = ziemliche, 3 = sehr grosse Bedenken Bedenken bei den einzelnen Aktivitäten Mit den beiden Szenarios 'allein' und begleitet' und den beiden Assessments können die Resultate in einem 2x2 Raster dargestellt werden (s. Abbildung 10). Die Bedenken der Bewohner sind im Szenario 'allein' in beiden Assessments in jeder Aktivität für sich genommen kleiner als die Bedenken der Mitarbeiter und der Angehörigen & Freiwilligen. In Assessment 1 und Szenario 'allein' sind bei allen Aktivitäten die Bedenken der Mitarbeiter kleiner als diejenigen der Angehörigen & Freiwilligen (Abbildung 10, Grafik oben links). In Assessment 2 und Szenario 'allein' sind bei 5 von 18 Aktivitäten die Bedenken der Mitarbeiter gleich oder grösser als diejenigen der Angehörigen & Freiwilligen (Abbildung 10, Grafik oben rechts). Im Szenario 'begleitet' sind die Bedenken innerhalb der einzelnen Aktivitäten generell auf kleinerem Niveau als im Szenario 'allein'. Auch in Szenario 'begleitet' sind die Bedenken der Bewohner kleiner (Ausnahme: Aufstehen von Rollstuhl in Assessment 1) als diejenigen der Mitarbeiter resp. Angehörigen & Freiwilligen (Abbildung 10, Grafiken unten). Bei den Aktivitäten Absitzen auf Stuhl, Aufstehen von Stuhl, Absitzen auf Bett, Aufstehen von Bett und Aufstehen von Rollstuhl haben die Bewohner in beiden Assessments im Mittel keine Bedenken hinzufallen, wenn jemand bei ihnen ist (Szenario 'begleitet). Bemerkenswert ist, dass bei denselben Aktivitäten die Angehörigen & Freiwilligen im Assessment 2 ebenfalls im Mittel keine Bedenken mehr haben. Bei den meisten übrigen Aktivitäten zeigt sich keine grosse Übereinstimmung in den Bedenken zwischen Bewohnern und Mitarbeitern resp. Angehörigen & Freiwilligen. 9 Kruskal-Wallis Test, Szenario 'allein' Assessment 1 und Assessment 2: p<0.001, Szenario 'begleitet' Assessment 1 und Assessment 2: p< Wilcoxon signed-rank test: p< Wilcoxon signed-rank test: p<0.05 Berner Fachhochschule Institut Alter 53

54 Abbildung 10: Die mittleren Sturzbedenken pro Teilnehmerkategorie im Szenario 'allein' (obere Grafiken) resp. Szenario 'begleitet' (untere Grafiken) und Assessment 1 (linke Grafiken) und Assessment 2 (rechte Grafiken). Die Aktivitäten sind nach zunehmenden Bedenken der Bewohner sortiert. Skala Bedenken: 0 = keine, 1 = einige, 2 = ziemliche, 3 = sehr grosse Bedenken. 3.4 Diskussion Die Bedenken der Bewohner selber, dass sie bei der Ausführung bestimmter Aktivitäten hinfallen könnten, wenn niemand bei ihnen ist, waren bereits vor der bewegungsbasierten Schulung relativ klein und nahmen nach der Schulung tendenziell noch weiter ab. Offenbar verfügen sie zudem über sehr grosses Zutrauen in die Unterstützungskompetenzen ihrer Begleitpersonen. So hatten sie praktisch keine Bedenken umzufallen, wenn während der Ausführung der verschiedenen Aktivitäten jemand bei ihnen ist. Die Bedenken der Mitarbeiter, dass die Bewohner hinfallen könnten, wenn sie eine Aktivität alleine ausführen, waren vor dem Kurs signifikant grösser als nach dem Kurs. Die Mitarbeiter gaben ihre Bedenken vor allem auch bezüglich Bewohner an, die nicht am Kurs teilnahmen. Dass sie bei diesen Bewohnern nach dem Kurs weniger Bedenken hatten, zeigt, dass sie das am Kurs gelernte und erfahrene auch auf andere Bewohner übertragen konnten. Es kann also davon ausgegangen werden, dass durch die bewegungsbasierte Schulung das Zutrauen der Mitarbeiter in die Fähigkeiten von Bewohnern allgemein gewachsen ist. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten war bei den Mitarbeitern schon vor dem Kurs relativ hoch. So waren ihre Bedenken im Szenario 'begleitet' schon vor dem Kurs signifikant kleiner als im Szenario 'allein'. Im Mittel wurden diese Bedenken der Mitarbeiter im Szenario 'begleitet' nicht wesentlich kleiner. Die Angehörigen & Freiwilligen hingegen zeigten keinen Zuwachs an Zutrauen in die Fähigkeiten der Bewohner, wenn sie Aktivitäten alleine ausführten. Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass sie den Fragebogen bezüglich ihnen meist sehr nahestehenden Personen ausfüllten. Umso bedeutender ist das Resultat, dass durch die bewegungsbasierte Schulung das Zutrauen der Angehörigen & Freiwilligen in ihre Support-Fähigkeiten wachsen konnte. So hatten sie bei 6 von 18 Aktivitäten nach dem Kurs im Mittel keine Bedenken mehr, dass die Bewohner hinfallen, wenn jemand bei ihnen ist. Die Resultate der Sturzbedenken-Fragebögen lassen den Schluss zu, dass ein wesentliches Ziel der bewegungsbasierten Schulung Berner Fachhochschule Institut Alter 54

55 erreicht werden konnte: Nämlich die gegenseitige Befähigung, welche sich darin zeigt, dass sowohl das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wie auch das Zutrauen in die Fähigkeiten der anderen durch diese Art der Schulung grösser wird. Innovativ an dieser Studie ist, dass hier nicht nur die Bedenken der Bewohner selber erhoben wurden sondern auch ihrer Begleitpersonen. Es wurde keine Studie gefunden, die den Sturzbedenken-Fragebogen je auf diese Weise angewendet hat. Die Resultate zeigen zudem deutlich, dass es vor allem das Umfeld der älteren Menschen ist, welches Angst bezüglich eines möglichen Sturzes hat. Wenn durch Schulungen gemäss dem bewegungsbasierten Modell diese Angst vermindert werden kann, dann könnten solche Schulungen einen wichtigen Beitrag zur Sturzprävention leisten. 4 Lebenswelt der Heimbewohner und Heimbewohner 4.1 Einleitung Gemäss Teilzielsetzung 2 sollen alltagsbezogene Messkriterien in den Bereichen Selbstständigkeit, Mobilität, physische und geistig-psychische Gesundheit, Sozialverhalten, subjektive Lebensqualität sowie Hilfsmittel- und Fremdkräfteaufwand in relevanten (schwierigen, problematischen) Alltagsaktivitäten der Heimbewohner definiert werden, die bei der Umsetzung des Bewegungsmodells evaluiert werden können. Die Lebenswelt der Heimbewohner soll daher aus einer ganzheitlichen Perspektive der vier Lebensbereiche Körper, Geist/Psyche, Sozi0kultur und Ökologie beleuchtet werden (s. Abbildung 4). Das Vorhaben folgt dem verstehenden Ansatz, das methodische Vorgehen ist mehrperspektivisch angelegt: Selbstreflexion der Heimbewohner (Kp. 4.2) sowie Fremdreflexion der Mitarbeitenden jeweils durch halbstrukturierte Interviews; teilnehmende Beobachtung (Lamnek, 2010, 498) während den Kursmodulen mit nachträglichen Beobachtungsprotokollen (Kp. 4.3) sowie anhand konkreter Anwendungen im Berufsalltag mit strukturierten Beobachtungs- und Interpretationsprotokollen (Kp. 4.4). Die Resultate sollen dazu beitragen, die Heimbewohner in ihrer komplexen Lebenswelt hinsichtlich produktiver Alltagsgestaltung besser zu verstehen. Es sollen relevante Wirkungsfaktoren und zusammenhänge aufgezeigt werden können. 4.2 Selbstreflexion der Heimbewohner Methode Als Teil des Assessments wurde mit den Heimbewohner ein halbstrukturiertes Interview geführt und auf Tonband aufgenommen. Die Durchführung fand im eigenen Zimmer statt um den Alltagskontext gerecht zu werden. Zudem waren die Interviews in 2 Teile gegliedert, um eine allfällige Ermüdung der Heimbewohner infolge der erforderlichen Aufmerksamkeit und Konzentration möglichst zu vermeiden. Zwischen den Teilen fanden die Assessments der Aktivitäten statt. Die Tonbandaufnahmen der Interviews wurden auf zentrale Aussagen reduziert transkribiert. Die Codierung des Transkriptionsmaterials erfolgte sowohl theoriegeleitet anhand der verschiedenen Inhalte des Bewegungsmodells (Abbildung 2) als auch datengeleitet gemäss dem Vorgehen der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1998; Strauss & Corbin, 1999) Resultate Die Resultate werden pro Interviewfrage einzeln dargestellt und hinsichtlich Zielsetzung kommentiert. Die jeweilige Frage wird kurz erläutert. Es folgt die Darstellung der thematischen Codes mit typischen Beispielen. Diese geben Einblick in die vielen Facetten der Lebenswelt von Heimbewohnern. Es folgen Abbildungen, in denen mit Balkengrafiken die quantitative Aufteilung der codierten Inhalte gemäss Auszählung der Assessments 1 und 2 dargestellt wird. Aufgrund der Halbstrukturiertheit der Interviewführung erlauben die Grafiken lediglich Hinweise auf die Gewichtung der einzelnen Codes beim Vergleich der unterschiedlichen Balkenhöhen A1 und A2. Berner Fachhochschule Institut Alter 55

56 Frage nach der Identität Selbstperspektive: Ich kenne Sie nicht. Können Sie mir beschreiben, wer Sie sind, damit ich mir ein Bild machen kann? Fremdperspektive: Wie würde jemand, der Sie gut kennt, der Ihnen vertraut ist, Sie beschreiben (Tochter, Sohn, Ehepartner, Freundin)? Bei dieser Frage interessiert das Selbstbild der Heimbewohner, hier als Identitätsbeschreibung interpretiert. Es setzt sich aus einer Selbst- und einer selbstreflektierten Fremdperspektive zusammen. Es geht dabei (1) um die Differenzierung des Selbstbildes der Heimbewohner in den vier Lebensbereichen (Tabelle 27; Abbildung 11) sowie (2) dessen zeitlichen Lokalisierung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (Abbildung 12). Zudem sollen (3) die Selbstattributionen bezüglich den Identitätsaspekten Eigenschaften, Einstellungen/Haltungen, Sozialen Rollen, nicht berufsbezogene Tätigkeiten, Interessen, Ortsbindungen und Kindheit dargestellt werden (Tabelle 28; Abbildung 13). Die Grafiken zur Selbst- und Fremdperspektive werden nebeneinander gestellt. Das ermöglicht eine differenziertere Interpretation bzgl. Identität (Abbildung 11-Abbildung 13). Tabelle 27 : Frage nach der Identität. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach Lebensbereich: Körper; Geist-Psyche; Soziokultur; Ökologie. Typische Beispiele Noch einigermassen beweglich Ich gehe der Zukunft mit Spass entgegen Ich bin verheiratet Früher hatten wir ein Haus und einen Garten Lebensbereich Körper Geist/Psyche Soziokultur Ökologie Die Aspekte der Selbstbeschreibung der beiden Lebensbereiche Soziokultur und Geist/Psyche haben sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdperspektive wesentlich höheres Gewicht als die Bereiche Körper und Ökologie. Das widerspricht dem in der Gesellschaft vorherrschenden defizitären Altersbild, das oft mit Krankheit und körperlicher Abbau gekennzeichnet ist, insbesondere wenn es Menschen in einem Alters- und Pflegeheim betrifft. Abbildung 11: Frage nach der Identität. Anzahl Nennungen der vier Lebensbereiche in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Die Resultate werden dem dieser Studie zugrundeliegenden Menschenbild gerecht (vgl. Kp. 2.2 S. 10): Die Kriterien Einmaligkeit, Bewusstsein, handelnd und sprechend tätig sein, Selbststeuerung, Soziales/Kulturelles Berner Fachhochschule Institut Alter 56

57 und Wertorientierung lassen sich in die Lebensbereiche Geist/Psyche und Soziokultur einordnen. Wenn es um Befähigung im Sinne von Förderung der Selbständigkeit, Stärkung der Selbstbestimmung und Nutzung der Selbstgestaltungskräfte der Heimbewohner in ihrer Alltagsgestaltung geht, dann sollten förderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Heimbewohner insbesondere als geistig-psychische und soziale Wesen respektiert. Die kürzeren Balken bei der Fremdperspektive lassen sich dadurch erklären, dass die Heimbewohner auf die entsprechende Frage b) oft geantwortet haben, das ist schwierig, das kann ich nicht sagen oder das müssten Sie X fragen. Die nachfolgende Abbildung 12 gibt Hinweise auf die Zeitorientierung der Selbstbeschreibungen der Heimbewohner. Generell zeigt das Bild A1 in der Selbstperspektive im soziokulturellen Bereich eine tendenziell höhere Vergangenheits- und im geistig-psychischen Bereich eine ausgeprägtere Gegenwartsbezogenheit. Die Grafiken der Fremdperspektive bestätigen diese tendenzielle Verschiebung zugunsten der Gegenwartsbezogenheit. Der Blick in die Zukunft findet nicht statt. Die Heimbewohner scheinen also in Bereich ihrer sozialen Beziehungen zu einem wesentlichen Teil ihre Vergangenheit in das gegenwärtige Leben einzufügen, was möglicherweise zur Folge haben kann, dass sie in der Gegenwart selbst weniger präsent sind. Im Assessment A2, also nach der dreimonatigen Bewegungsschulung, nimmt in den Bereichen Geist-Psyche und Soziokultur die Vergangenheits- zugunsten der Gegegenwartorientierung eher ab. Das kann dadurch beeinflusst worden sein, dass die Bewegungsmodule als sozialer Anlass sehr geschätzt wurden. Sie ermöglichten bereichernde Begegnungen in einer neu erfahrenen Gemeinschaft zusammen mit anderen Heimbewohnern, Mitarbeitenden, Angehörigen, Freiwilligen und Kindern. Die Anwesenheit der Heimbewohner war gross. Auch Heimbewohner, die zu Altersdepression neigten, nahmen regelmässig teil. Oft konnte ein Aufleuchten in ihrem Gesicht und eine aufrechtere Körperhaltung beobachtet werden. Die Bewegungserfahrungen weckten oft alltagsrelevante Emotionen (Sicherheit, Angst, Vertrauen, Freude, Trauer) und Lebensthemen (Einsamkeit, Sinnhaftigkeit, gesellschaftliche Teilhabe). Das mögen Faktoren sein, welche grössere Gegenwartsorientierung im geistig-psychischen Bereich nach der Bewegungsschulung positiv beeinflusst haben. Biografiearbeit mit Heimbewohnern könnte demnach um den Bereich der Gegenwartsarbeit erweitert werden. Interesseorientierte Gespräche dürften den Selbstwert der Heimbewohner und ihr Gefühl, als Mensch wahrgenommen zu werden, stärken, was sich förderlich auf Selbständigkeit im Alltag auswirken könnte. Abbildung 12: Frage nach der Identität. Anzahl Nennungen zur Zeitorientierung der Identität innerhalb der vier Lebensbereiche in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Aus dem Datenmaterial konnten 8 Kriterien der Selbstattribution herausgeschält werden, welche auf Identitätsaspekte hinweisen. Es sind dies: Eigenschaft, Einstellung/Haltung, Soziale Rolle, nichtberufliche Tätigkeit, thematische Interessen, Kindheit und Ortsbindung. Nachfolgend werden sie in anhand typischer Beispiele illustriert (Tabelle 28) und in Abbildung 13 in der Anzahl ihrer Nennungen dargestellt. Berner Fachhochschule Institut Alter 57

58 Tabelle 28 : Frage nach der Identität. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach den verschiedenen Aspekten der Identität innerhalb der vier Lebensbereiche. Aspekt Typische Beispiele Lebensbereich Eigenschaft Ich bin ziemlich gross und mächtig Körper Ich bin eine zufriedene Person Geist/Psyche Ich bin hilfsbereit Soziokultur Ich war ein Naturmensch Ökologie Einstellung/Haltung Wenn ich Rückenschmerzen habe, war das schon etwas viel, Körper aber für uns war das selbstverständlich Mein Wille, der hat mich immer durch das Leben gebracht Geist/Psyche Keine grossen Ansprüche, das haben wir von Kind auf gelernt Soziokultur und waren immer zufrieden Soziale Rolle Dass ich an den Turnerabend gehe Körper Bei der Arbeit hatte ich den Mut zu sagen, so geht es nicht Geist/Psyche Ich habe acht Grosskinder und drei Urgrosskinder Soziokultur Beruflich, ich habe ein Schulhaus entworfen und gebaut Ökologie Nichtberufliche Ich gehe spazieren, bewege mich also Köprer Tätigkeit Lesen, schreiben Geist/Psyche Theater spielen Soziokultur Ich habe immer gerne Handarbeiten und den Garten gemacht Ökologie Thematisches Interesse Ich habe viele Interessen, vor allem Kunstgeschichte Geist/Psyche Musik habe ich schon immer gemacht, das war mein Leben Soziokultur Ich würde sagen, ich sei sehr gerne unterwegs Ökologie Kindheit Schöne Kindheit gehabt Soziokultur Ich bin am Thunersee in X auf die Welt gekommen Ökologie Ortsbindung Ich will sagen, dass ich mich hier wohl fühle Geist/Psyche Jetzt sind wir auch zusammen alt geworden und hier gelandet Soziokultur Ich hatte ja dreissig Jahre lang ein Haus und Tiere Ökologie Abbildung 13: Frage nach der Identität. Anzahl Nennungen zu den Identitätsaspekten innerhalb der vier Lebensbereiche in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Es fällt auf, wie stark das Identitätsempfinden im Bereich der sozialen Rollen im soziokulturellen Lebensbereich verankert ist. Das weist auf das menschliche Bedürfnis hin, mit einer wesentlichen Aufgabe dazuzugehören und nicht durch Nutz- und Bedeutungslosigkeit in die Einsamkeit verbannt zu werden. Im geistig-psychischen Bereich haben Eigenschaften (z.b. ich bin eine zufriedene Person ) und Einstellungen/Haltungen eine grosse Berner Fachhochschule Institut Alter 58

59 Bedeutung. Sowohl in der Selbst- als auch in der Fremdperspektive überragen Identitätskriterien zu Geist/Psyche und Soziokultur diejenigen in den Bereichen Körper und Ökologie. Bemerkenswert sind zwei weitere Ergebnisse: Zum einen spielt in den Selbstbeschreibungen die Ortsbindung eine wichtige Rolle (Bereich Ökologie). Diese ist oft vergangenheitsbezogen. Es stellt sich die Frage, welche Verbundenheit die Heimbewohner mit dem Alters- und Pflegeheim als Ort aufbauen können. Ist das Altersheim ein Daheim? Eine Anstalt? Der Ort, wo man dann stirbt? Und in diesem Zusammenhang die Frage: Wer sind die Heimbewohner im Jargon der Institution, der Mitarbeitenden? Sind es Gäste? Kunden? Patienten? Was wären förderliche Rahmenbedingungen, damit Heimbewohner sagen können hier bin ich, hier bin ich Daheim? Dieser Aspekt ist insofern bedeutungsvoll, als viele der teilnehmenden Heimbewohner den ursprünglichen Wunsch geäussert haben, daheim in den eigenen vier Wänden den Lebensabend verbringen zu können. Sich im Heim daheim zu fühlen, kann die Erfahrung von Zufriedenheit fördern und möglicherweise den körperlichen und geistig-psychischen Bewegungsradius erweitern. Dies wird durch das zweite Ergebnis angedeutet. Es sind kaum thematische Interessen genannt worden. Selbstbeschreibungen im Sinne von ich bin jemand, der sich für [das Thema x] interessiert scheinen für Heimbewohner in ihrer Selbstreflexion nicht im Vordergrund zu sein, aus welchen Gründen auch immer. Es stellt sich die Frage, inwiefern das in vielen Heimen sehr breite Angebot der Aktivierung und Veranstaltungen der geeignete Ansatz ist, dass Heimbewohner aus eigenem Antrieb ihren Interessen einen Spielraum eröffnen, sich selbst eine Aufgabe geben und damit allenfalls etwas an die Gemeinschaft beitragen können? Auch die oft therapieorientierte Bewegungskultur in Alters- und Pflegeheimen (z.b. Aktivierungstherapie, Physiotherapie, Ergotherapie), welche den alten Menschen in einen Defizitstatus setzt, könnte mit einer alltagsorientierten Bewegungskultur positive Effekte auf die Selbstgestaltungskräfte der Heimbewohner haben Frage nach dem Begriff Bewegung Zum Wort Bewegung, was kommt Ihnen dazu in den Sinn? Bei dieser Frage interessiert, (1) wie der Begriff Bewegung in den vier Lebensbereichen und in der Zeitperspektive verankert ist (Tabellen 29 und 30; Abbildung 14). (2) die Defizit-, Ressourcen- und Potentialorientierung im Zusammenhang mit dem Begriff Bewegung (Tabelle 30, Abbildung 15 linke Grafik) : 1. Defizitorientierung: Fokussierung auf Aspekte und Eigenschaften, die nicht, zuwenig oder in unerwünschter Form vorhanden sind. 2. Ressourcenorientierung: Fokussierung auf körperliche und geistig/psychische Eigenschaften und Fähigkeiten, die man durch Aktivitäten nutzt oder nutzen könnte; Handlungsmöglichkeiten im soziokulturellen Bereich, Gestaltungsmöglichkeiten im ökologischen Lebensbereich. 3. Potentialorientierung: Blick auf einen möglichen Kompetenzzuwachs, der in einer Aktivität erfahren wird, indem sie neu, anders, leichter gestaltet wird, da die Person Zugang zum Potential ungenutzter Fähigkeiten und Handlungsoptionen findet. Menschen mit wesentlichen Einschränkungen erfahren Kompetenzzuwachs oft dadurch, dass sie Selbstvertrauen aufbauen und damit ihr Zutrauen zu eigenen Fähigkeiten und Erwartungen hinsichtlich mehr Selbständigkeit und Selbstbestimmung stärken. (3) die Verortung der Orientierung innerhalb der Themenbereiche Gesundheit-Krankheit, Alltagsaktivität, Turnen/Sport/Leistung, Wandern/zu Fuss unterwegs sein, Ästhetik, geistig-psychische Bewegung, kursbezogene Nennungen (Tabelle 31; Abbildung 15 rechte Grafik). Die Unterscheidung der drei Orientierungsformen basiert auf dem Konzept Lebensgestaltung als ganzheitlicher Ansatz für die Arbeit mit Menschen (Abbildung 1). Der Kompetenzbegriff im Zusammenhang mit der Potentialorientierung wird in verschiedene kognitions und bewegungsspezifische Kompetenzfeldern gemäss den Definitionen im MH Kinaesthetics Bildungssystem differenziert 12 (Hatch & Müller, 2014b, 19ff). Auf die spezifische Analyse der Aussagen anhand dieser Kompetenzfelder wurde verzichtet. 12 Bewegungsspezifische Kompetenzfelder sind (1) Eigene Bewegung, (2) Handling, (3) Organisation. Kognitionsspezifische Kompetenzfelder sind (1) Konzeptverständnis, (2) Lernumgebung, (3) Lebenslauf Berner Fachhochschule Institut Alter 59

60 Tabelle 29 : Frage nach dem Begriff Bewegung. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach den vier Lebensbereichen. Lebensbereich: Typische Beispiele Ich habe Polyarthritis Noch für irgendetwas Interesse haben Eine Gemeinschaft mit anderen Leuten zu haben Ich habe sehr gerne den Garten gemacht Lebensbereich Körper Geist/Psyche Soziokultur Ökologie Mehr als die Hälfte der Nennungen können dem körperlichen Lebensbereich zugeordnet werden. Dazu kommt die Verbindung zum ökologischen Lebensbereich, da Bewegung oft mit körperlichen oder handwerklichen Aktivitäten verbunden wurde. Es fällt auf, dass im Assessment 2 die Nennungen in den Bereichen Geist/Psyche und Soziokultur relativ zu den Bereichen Körper und Ökologie stärker zugenommen haben (Abbildung 14, linke Grafik). Die Gegenwartsbezogenheit des Begriffs Bewegung kommt deutlich zum Ausdruck. Sie nimmt in Assessment 2 tendenziell zu, relativ ausgeprägt im geistig-psychischen und im soziokulturellen Bereich (Abbildung 14, rechte Grafik). Abbildung 14: Frage nach dem Begriff Bewegung. Anzahl Nennungen in den vier Lebensbereichen (linke Grafik) sowie der Zeitperspektive innerhalb der vier Lebensbereichen in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Diese nach der Bewegungsschulung ersichtliche Verschiebung der Assoziationen der Heimbewohner zum Begriff Bewegung hin zu mehr geistig-psychischen und soziokulturellen Themen einerseits und stärkerer Gegenwartsorientierung anderseits kann dadurch beeinflusst worden sein, dass in den Kursmodulen die Bedeutung der Gemeinschaft in einem Vertrauensrahmen geschätzt wurde und so immer wieder Raum vorhanden war für wesentliche Lebensthemen, die im Zusammenhang mit Bewegungserfahrungen und erleben auftauchten. Dies könnte ein Hinweis sein, in einem Heim eine alltagsorientierte Bewegungskultur aufzubauen, welche einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, in welchem das Thema Bewegung nicht einmal so sehr im Vordergrund sein muss. Bewegung findet immer statt. Im Hinblick auf Befähigung und Stärkung der Selbstgestaltungskräfte kann die geistig-psychische, emotionale und soziokulturelle Einbettung des Themas Bewegung ein entscheidender förderlicher Faktor darstellen. In Tabelle 30 sind typische Beispiele von Defizit-, Ressourcen- und Potenzialorientierung der Heimbewohner im Zusammenhang mit dem Begriff Bewegung aufgeführt. Aufgrund der Anzahl Nennungen lässt sich eine deutliche Ressourcenorientierung der Heimbewohner in ihrem Verständnis von Bewegung ableiten. Sie nimmt im Assessment 2 tendenziell noch zu. Zusammen mit der vorhandenen Potentialorientierung zeigt sich ein überaus positives, förderliches Bild, welches die Heimbewohner mit dem Begriff Bewegung zeichnen. Eine Defizitorientierung fällt kaum ins Gewicht (Abbildung 15, linke Grafik). Berner Fachhochschule Institut Alter 60

61 Tabelle 30 : Frage nach dem Begriff Bewegung. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach der Defizit-, Ressourcenund Potentialorientierung innerhalb der vier Lebensbereiche. Orientierung Typische Beispiele Lebensbereich Defizit Ich hatte viele Rückenschmerzen Körper Ich mache nicht alles, ich habe zu fest Angst Geist/Psyche Ich kann nicht mehr den Garten machen Ökologie Ressource dass ich selber auf kann Körper aber ich lese sehr gerne und ich bin froh, dass ich noch lesen kann Geist/Psyche Den anderen helfen. Wenn ich jemanden sehe, der Mühe hat, dann Soziokultur helfe ich ihm. Ich war immer so, und ich bleibe so ich muss immer den Stock dabei haben Ökologie Potential dann habe ich gesagt, wie ich gelernt habe aufzustehen, ich konnte ja Köper gar nicht mehr aufstehen wichtig ist, dass dieses Schublädli [Hirn], das tot ist, wieder aktiviert Geist/Psyche wird und dass man versucht eigenwillig es wieder zu aktivieren, das schlägt dann die anderen auch wieder an, das ist dann wie ein Wirbel Jetzt habe ich sie [die Kinder] ganz anders erlebt, sehr hilfsbereit Soziokultur Also jetzt gehe ich hier einfach spazieren und geniesse hier die Natur. Das ist hier wieder ein ganz anderer Fall, als von dort, wo ich herkomme. Das finde ich auch gerade nochmals schön. Nochmal etwas ganz Neues kennenzulernen. Ökologie Abbildung 15: Frage nach dem Begriff Bewegung. Anzahl Nennungen nach der Defizit-, Ressourcen- und Potentialorientierung innerhalb der vier Lebensbereiche (linke Grafik) sowie der Orientierung pro Themenbereich (rechte Grafik) in den beiden Assessments 1 A1 und Assessment 2 (A2). Die Aufteilung der Nennungen in die verschiedenen Themenbereiche ist in verschiedener Hinsicht aufschlussreich (Tabelle 31; Abbildung 15, rechte Grafik): 1) Der gewichtigste Themenbereich Alltagsaktivität in Verbindung mit der Ressourcenorientierung nimmt nach der Bewegungsschulung markant zu (A2). Nimmt man noch den Themenbereich Wandern / zu Fuss unterwegs sein dazu, dann wird deutlich, welcher Bewegungsspielraum sich im Alltag der Heimbewohner anbietet. 2) Demgegenüber vermindern sich die Nennungen im Kontext Turnen/Sport/Leistung. Er fällt vergleichsweise wenig ins Gewicht. Leistungsorientierung in körperlicher Hinsicht kann in den Zuständen und Situationen, in welchen sich die Heimbewohner befinden eher abschreckende Wirkung haben. 3) Im Bereich Gesundheit-Krankheit nimmt die Ressourcen- im Vergleich zur Defizitorientierung eher zu. Dies kann mit der Integration von Krankheitsthemen in den Alltagskontext erklärt werden (vgl. Abbildung 1). Die a priori Ganzheit des Menschen kam in den Kursmodulen immer wieder zur Sprache. Man ist nicht einfach krank, sondern man gestaltet mit den Eigenschaften der Krankheit seinen Alltag. Damit wird auf der übergeordneten Ebene Leben das Kreativitätspotential an Fähigkeiten angesprochen, welche für neue, Berner Fachhochschule Institut Alter 61

62 andere, variantenreichere Lösungen bei alltäglichen Bewegungsproblemen entdeckt und genutzt werden kann. 4) Die Potentialorientierung nimmt in den kursbezogenen Aussagen markant zu. Das dürfte damit zusammenhängen, dass die Heimbewohner Bewegungserfahrungen machen konnten, die sie sich vorerst selbst nicht zugetraut hätten (Abliegen auf den Boden, am Boden liegen, wieder aufstehen, alleine oder in förderlicher Begleitung, Tanzen u.a.). 5) Die Ressourcen- und Potentialorientierung des Themenbereichs Ästhetik zeigt eine zwar geringe, jedoch eher zunehmende Tendenz. Ästhetik könnte ein Feld darstellen, welches im Heimalltag in Hinblick auf Befähigung und wachsender Lebensqualität fruchtbar bearbeitet werden könnte. Tabelle 31 : Frage nach dem Begriff Bewegung. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach Themenbereich innerhalb der vier Lebensbereiche und der Orientierung. Themenbereich Typische Beispiele Orientierung Lebensbereich Gesundheit- ich hatte lange viele Schmerzen Defizit Körper Krankheit Bewegen solange es noch geht Ressource Körper wenn man einen Hirnschlag hat, dann beginnt man Potential Körper wieder bei Null und das mache ich auch Turnen-Sport- Nicht sehr sportlich. Also nicht ein ausgezeichneter Defizit Körper Leistung Skifahrer hier gehe ich auch ins Altersturnen wenn ich kann Ressource Soziokultur Wandern, zu Fuss aber alleine kann ich nicht nach draussen spazieren Defizit Körper unterwegs ich kann zum Glück noch mit dem Rollator Ressource Ökologie herumgehen und Kommissionen machen und sie sind mich fragen gekommen ob ich auch Potential Körper laufen kommen, und seither gehe ich viel aufrechter geistig-psychische noch für irgendetwas Interesse haben Ressource Geist/Psyche Bewegung wichtig ist, dass dieses Schublädli (Hirn), das tot Potential GEst/Psyche ist, wieder aktiviert wird und dass man versucht eigenwillig es wieder zu aktivieren, das schlägt dann die anderen auch wieder an, das ist dann wie ein Wirbel Ästhetik Und wenn man dann merkt, wie so ein Hund einen Ressource Ökologie anschaut und sagt, gehen wir noch da durch den Wald und man geht dem Hund zuliebe, ist das das reinste Vergnügen Also jetzt gehe ich hier einfach spazieren und Potential Ökologie geniesse hier die Natur. Das ist hier wieder ein ganz anderer Fall, als von dort wo ich herkomme. Das finde ich auch gerade nochmals schön. Nochmal etwas ganz Neues kennenzulernen. Kurs ich werde ein bisschen Mühe haben Defizit Körper Das was wir hier die paar Monate gemacht haben. Ressource Soziokultur Das war gut. Jetzt habe ich sie (die Kinder) ganz anders erlebt, sehr hilfsbereit Potential Soziokultur Frage nach dem Wichtigsten im Leben Heute: Wenn Sie an ihr Leben jetzt hier denken, was ist Ihnen da das Wichtigste? Zukunft: Wenn Sie an Ihr Leben denken, das jetzt noch vor Ihnen liegt, was ist Ihnen da das Wichtigste? Bei dieser Frage interessiert, 1) wie sich das Wichtigste der Bewohner aktuell und mit Blick in die Zukunft auf die vier Lebensbereiche verteilt (Tabelle 32, Abbildung 16); Berner Fachhochschule Institut Alter 62

63 2) wie diese Schwerpunktsetzung aussieht, wenn sowohl bei der auf heute als auch bei der zukunftsbezogenen Frage die Zeitperspektive einbezogen wird (Tabelle 33, Abbildung 17); 3) in welchem Ausmass eine dienstleistungs-, support-, gestaltungs- oder Seins orientierte Lebenseinstellung vorhanden ist (Tabelle 33, Abbildung 18); 4) in welchem Kontext das Wichtigste aktuell und zukünftig lokalisiert ist (Gesundheit-Krankheit, Alltagsaktivität, Leben, Tod, Gemeinschaft/Zusammenleben, Finanzen, Selbstbewertung, spezielles Interesse/Thema/kultureller Anlass, Wohnumgebung, nahe stehende Menschen) (Tabelle 34, Abbildung 19). Die vier unter Punkt 2 aufgezählten Orientierungsformen sind wie folgt definiert: - Dienstleistungsorientierung: Die Haltung, dass eine Leistung, die man bezahlt, erbracht werden soll, unabhängig davon, ob man sie selber erledigen kann oder nicht. - Supportorientierung: Die Haltung, dass Unterstützungsbedürftigkeit durch gezielten Support gelindert, vermindert werden kann. - Gestaltungsorientierung: Die Haltung, dass man sich selbstaktiv Handlungsoptionen hinsichtlich Zielen oder Erfahrungen eröffnet, die man erreichen oder sich ermöglichen möchte. Dazu gehört, das eigene Erwartungsspektrum aktiver Alltagsgestaltung erweitern zu können. - Seins Orientierung: Die Haltung, die nicht auf Handlungen sondern eher auf Daseinsaspekte ausgerichtet ist. Tabelle 32 : Frage nach dem Wichtigsten im Leben. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach den vier Lebensbereichen. Typische Beispiele Ich habe ja gelernt, wie ich vom Boden aufstehen kann Einfach zufrieden sein, es ist alles gut und recht, man ist hier gut aufgehoben Freundschaften, die man hier knüpfen kann. Es hat so viele Leute, dass man diejenigen, die unsympathisch sind, einfach weglassen kann das Essen ist gut Lebensbereich Körper Geist/Psyche Soziokultur Ökologie Abbildung 16: Frage nach dem Wichtigsten im Leben aktuell (linke Grafik) und in Zukunft (rechte Grafik). Anzahl Nennungen in den vier Lebensbereichen in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Die meisten Nennungen der Heimbewohner sowohl aktuell als auch mit Blick in die Zukunft liegen in den Bereichen Geist/Psyche und Soziokultur (Abbildung 16). Aktuell scheinen diese Bereiche im Assessment 2 noch an Bedeutung gewonnen zu haben, am deutlichsten im geistig-psychischen Bereich. Mit Blick in die Zukunft liegen die meisten Nennungen ebenfalls in diesem Bereich. Angesichts der im Berufsalltag der Mitarbeiter schwerpunktmässig auf das Körperliche reduzierten Interaktionen mit den Heimbewohnern stellt sich die Frage bzgl. eines ganzheitlichen Pflege- und Betreuungsverständnisses der einschlägigen Institutionen. Wie können gesundheitsrelevante Faktoren in den Themen und Bedürfnissen geistig-psychischer und soziokultureller Berner Fachhochschule Institut Alter 63

64 Lebensqualität im konkreten Berufsalltag der Mitarbeitenden mit den Heimbewohnern an Zeit und Raum gewinnen? Die Bedeutung dieser Themen und Bedürfnisse der Heimbewohner kommt auch in der überragenden Gegenwartsorientierung der Heimbewohner zum Ausdruck, welche nach der Bewegungsschulung (A2) noch an Bedeutung gewinnt (Abbildung 17, linke Grafik). Abbildung 17: Frage nach dem Wichtigsten im Leben sowohl aktuell (linke Grafik) als auch in Zukunft (rechte Grafik). Anzahl Nennungen in der Zeitperspektive innerhalb der vier Lebensbereiche in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Die rechte Grafik in Abbildung 17 zeigt, wie stark selbst bei der zukunftsorientierten Frage nach dem Wichtigsten im Leben die Heimbewohner in der Gegenwart verankert sind. Darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken oder ich nehme es, wie es kommt sind Aussagen, die das ausdrücken. Es tauchen jedoch wichtige zukunftsrelevante Themen auf. Im körperlichen Bereich kommt beispielsweise die Angst vor Bettlägerigkeit und dem damit verbundenen ausgeliefert Sein zum Ausdruck, im geistig-psychischen Bereich die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod. Eine drohende Bettlägerigkeit ist ein relevanter Faktor für Lebensqualität im Alter. Heimbewohner sind mit diesem durchaus realistischen Lebensende täglich konkret konfrontiert. Der Wunsch zu sterben, bevor man zum festgenagelt Sein im Bett verdammt ist, wird oft geäussert. Das Thema wird an Brisanz gewinnen, wenn durch die Strategie ambulant vor stationär Alters- und Pflegeheime das und verlieren und zu reinen Alterspflegeheimen mutieren. Diese Entwicklung wird durch gesundheitsökonomische Rahmenbedingungen bereits gefördert, da Heimbewohner in hohen Pflegestufen rentabler sind als selbständige. Gesundheit lohnt sich nicht, wenn sie mit einer Befähigung der Heimbewohner und damit einem längeren Verbleib in einer Pflegestufe oder sogar mit einer Rückstufung einhergeht. In dem Zusammenhang sind die Resultate bzgl. Lebensorientierung der Heimbewohner aufschlussreich (Tabelle 33, Abbildung 18). Deutlich zeigt sich eine hohe Gestaltungsorientierung im körperlichen und im soziokulturellen Bereich. Damit kommt eine selbstaktive Handlungsperspektive zum Ausdruck. Nicht reaktiv konsumieren ist das Ziel, sondern die Kraft der Initiative für etwas zu nutzen, das einem wichtig ist. Die Gestaltungsorientierung nimmt nach der Bewegungsschulung im soziokulturellen Bereich noch deutlich zu. Das mag aufzeigen, wie wichtig die Erfahrung von Gemeinschaftsleben sein kann. Diese Erfahrung wurde durch alters- und generationendurchmischte Gruppenzusammensetzung hinsichtlich Lebensqualität noch bedeutungsvoller. Eindrücklich ist die Seins Orientierung im geistig-psychischen Bereich, sowohl aktuell als auch mit Blick in die Zukunft. Sie nimmt nach der Bewegungsschulung (A2) noch zu. Ein Heimeintritt kann für viele alte Menschen eine kritische Situation sein, da er einen meist irreversiblen Übergang von einer durch Familie, Beruf, soziale Beziehungen sinnerfüllte Lebensphase in eine terminale Lebensphase darstellt. Man zügelt an einen Ort, wo man in vielen Fällen nicht hingehen wollte. Beruf, Familie und vertraute soziale Netze fallen weg, ins Bewusstsein tritt die Endlichkeit des eigenen Lebens. Berner Fachhochschule Institut Alter 64

65 Abbildung 18: Frage nach dem Wichtigsten im Leben. Anzahl Nennungen bezüglich der Orientierung und in den vier Lebensbereichen in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2).in Bezug auf das Wichtigste Heute (linke Grafik) sowie in Bezug auf das Wichtigste in Zukunft (rechte Grafik). Die Seins Orientierung nimmt einen hohen Stellenwert im Alltag ein. Es ist ein hoher Anspruch, diesen letzten Lebenszeitraum mit Zufriedenheit und Selbstannahme zu füllen. Ein kleines Fallbeispiel soll die Bedeutung der Seins Orientierung illustrieren: Ein Heimbewohner, gerade 100 Jahre alt geworden, ist 99jährig im Essraum mit dem Rollator gestürzt. Da kam es zu einer Schenkelhalsfraktur. Schon beim Spitaleintritt meinte er, das sei jetzt die Fahrt zum Himmel. Er hat die Operation gut überstanden, konnte schnell wieder voll belasten und gehen. Seither äusserte er immer wieder den Wunsch zu sterben. Warum muss man so alt werden? Auf die Frage, was ihm hier im Alters- und Pflegeheim eigentlich das Wichtigste sei, antwortete er: Stille, in Gedanken versinken. Ich denke nach, dass Religion eine grosse Bedeutung hat. Religion hilft weiter. Nachgefragt, was er tue, um dem gerecht werden zu können, lautete seine Antwort: Ich habe eine Verhältnis zur Religion. Es hat keinen Raum hier wie in der Kirche. Es ist halt wie für Behinderte. Tabelle 33 : Frage nach dem Wichtigsten im Leben. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach der Orientierung in den vier Lebensbereichen. Orientierung Typische Beispiele Lebensbereich Dienstleistung das Essen ist gut Ökologie dass der Ablauf gut geht und es funktioniert. wir haben selten Soziokultur Störungen mit den Angestellten Support Dass ich gepflegt werde Körper Dass man mich anzieht und ich die nötigen Medikamente bekomme Ökologie Dass ich weiss, wenn etwas passiert, dass ich Hilfe holen kann, dass Soziokultur jemand kommt, der Bescheid weiss und draus kommt Gestaltung Ich muss immer helfen. Wenn ich sehe, dass jemand etwas hat, dann Soziokultur helfe ich. Ich habe Freude daran [anderen zu helfen] ich bin froh, habe ich da noch meinen Computer Ökologie mir ist es wichtig, dass man auch für die Flüchtlinge betet, das dünkt Geist/Psyche mich auch eine Aufgabe Manche Dinge sehe [wegen Blindheit] ich nicht, aber es gibt viele Körper Dinge die ich gerne mache Sein Dass ich gut schlafen kann, das ist wichtig. Das ist für jedermann Körper wichtig. Alle Leute wollen gut schlafen können einfach zufrieden sein, es ist alles gut und recht, man ist hier gut Geist/Psyche aufgehoben dass wir untereinander Frieden haben Soziokultur ich kann nicht sagen, dass ich weg möchte, ich fühle mich wohl hier, es ist kein Luxus, aber das was man braucht Ökologie Berner Fachhochschule Institut Alter 65

66 Aufgrund des Datenmaterials konnten 10 Kontexte differenziert werden, in welchen das Wichtigste im Leben der Heimbewohner lokalisiert werden kann (Tabelle 34). Tabelle 34 : Frage nach dem Wichtigsten im Leben. Typische Beispiele für die Codierung der Ergebnisse nach Gestaltungskontext innerhalb den vier Lebensbereiche. Kontext Typische Beispiele Lebensbereich Gesundheit- Pflegebedürftig zu werden, wäre schon ein bisschen ein Problem Körper Krankheit für mich. Für mich ist das Wichtigste, dass ich keine Depressionen habe. Geist/Psyche und wenn etwas wäre dass ich versorgt bin Soziokultur Oder das Essen habe ich kommen lassen. Als ich krank war, da Ökologie war ich froh [das Essen bringen lassen] Alltag(stätigkeiten) Dass ich gut stehen kann Körper Das Wichtigste ist die Aufmerksamkeit im Augenblick. Und da Geist/Psyche gibt es ja unglaublich viele wichtige Augenblicke. ich gehe gerne ein Kaffee trinken Soziokultur Ja in die Gartenlaube runter. Weil ich sonst nicht schlafen kann Ökologie Leben Dass ich überhaupt leben kann alle in Frieden leben Geist/Psyche Tod und dann schlafe ich einmal einfach ein oder werde krank und Körper sterbe, mehr kann ich mir nicht vorstellen ich habe keine Angst vor dem Tod, aber Angst wie ich gehen muss Geist/Psyche einem Arzt habe ich gesagt ich möchte noch 14 Tage krank sein Soziokultur und dann sterben, damit sich die anderen noch etwas daran gewöhnen können ich habe mein Leben gelebt und verursache nur noch Kosten Ökologie Gemeinschaft- es ist mir dann wohl, wenn die Leute zufrieden sind Geist/Psyche Zusammenleben dass ich möglichst ein gutes Verhältnis zu den Leuten hier habe, Soziokultur wenn das nicht mehr so wäre, wäre etwas nicht mehr gut Jetzt langsam das Zimmer. Mir ist es egal, einfach ein Zimmer zu Ökologie haben. Und hier wird man noch in Ruhe gelassen. Also unter den Bewohnern tritt man einander nicht ständig ins Zimmer herein. Das ist gut. Damit ich auch meinen eigenen Raum habe. Finanzen das Wichtigste wäre, wenn ich nach X gehen könnte in eine Ökologie Wohnung, dass das viel günstiger wäre als hier, die Finanzen machen mir etwas Sorgen aber mein Vermögen schwindet halt, ich habe eigentlich nur die Geist/Psyche AHV, das macht mir manchmal etwas Angst, Selbstbewertung/ - im Vergleich zu anderen habe ich noch ein gutes Gehör und sehe Körper beschreibung auch noch gut, kann lesen, das sind gewaltige Vorteile Dass ich offen bin Geist/Psyche Spezielles Interesse- heute hatten wir auch turnen und Gedächtnistraining, es gibt Körper Thema-Anlass immer etwas und jetzt lese ich nicht mehr so viele Bücher, sondern mehr Geist/Psyche Berichte über das aktuelle Geschehen vom Ausland, was da so geht Konzerte und so, da vermisse ich schon viel Soziokultur und im Moment habe ich den Umbau und mache mit X eine Ökologie Powerpoint Präsentation Wohnumgebung mir gefällt es einfach hier Geist/Psyche das Wichtigste ist die Kost und die Wohnung Ökologie Nahe stehende ich habe gerne die Vertrautheit und Familie Geist/Psyche Menschen ich habe einfach meine Kinder und Grosskinder Soziokultur Berner Fachhochschule Institut Alter 66

67 Abbildung 19: Frage nach dem Wichtigsten im Leben Heute (linke Grafik) und in Zukunft (rechte Grafik). Anzahl themenbezogene Nennungen innerhalb der vier Lebensbereiche in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2).in Bezug auf das Wichtigste. Gegenwartsbezogen gibt es im körperlichen Lebensbereich zum Aspekt (Alltags-)Tätigkeiten am meisten Nennungen. Sie nehmen nach der Bewegungsschulung noch zu, der Kontext Gesundheit-Krankheit nimmt ab. Gerade umgekehrt zeigt sich das Bild mit Blick in die Zukunft. Gesundheit-Krankheit nimmt zu, Alltagsaktivitäten ab. Im Lebensbereich Geist/Psyche liegt aktuell der Schwerpunkt in Aspekten der Selbstbeschreibung und Identität, ebenfalls nach der Bewegungsschulung noch zunehmend. Denken die Heimbewohner an ihre Zukunft, dann tauchen neu Nennungen zum Kontext Tod auf. Sie haben im geistigpsychischen Bereich hohes Gewicht. Angesprochen auf die heutige Situation fallen am meisten Nennungen im Bereich Soziokultur mit Schwerpunkt im Kontext Gemeinschaft und Zusammenleben. Zukunftsbezogen nehmen solche Nennungen deutlich ab Frage nach dem Sinn des Lebens Was ist für Sie der Sinn des Lebens? Bei dieser Frage interessiert, auf welcher Ebene sich die Bewohner hinsichtlich Sinn des Lebens orientierten (Tabelle 35, Abbildung 20 linke Grafik) und in welchem Kontext sie den Sinn verankern (Tabelle 36, Abbildung 20 rechte Grafik). Tabelle 35 : Frage nach dem Sinn des Lebens. Die verschiedenen Ebenen der Sinnfrage. Ebene Leben als Ganzes Handlungsleitende Idee resp. übergeordnete Aufgabe Alltagshandeln/-erleben Sinnfrage resp. Sinnverlust Typische Beispiele Erde, Mensch, Kosmos verbinden, damit man wieder eins wird. Man ist nicht eins wegen unserem Materialismus. Dieses Zusammenführen ist eigentlich die Aufgabe des Menschen. Natürlich müssen wir leben wie es jetzt ist. Aber im Anstreben, das können wir jetzt nicht machen das ist klar, aber es ist nur Anstreben mein Lebenssinn ist, dass man an Gott glaubt, etwas anderes kann ich mir gar nicht vorstellen ich habe in meinem Leben immer versucht gerecht zu leben der Sinn ist, dass man für andere da ist dass ich jeden Tag noch auf kann und mich selber anziehen kann ich bin zufrieden, ich rege mich auch nicht mehr über etwas auf, wenn man eine Diskussion hat, kann ich trotzdem schlafen manchmal frage ich mich auch, was der Sinn ist Dass ich noch ein bisschen da bin. Sinn habe ich keinen mehr. Berner Fachhochschule Institut Alter 67

68 Tabelle 36 : Frage nach dem Sinn des Lebens. Kontexte, in welchen die Heimbewohner die Sinnhaftigkeit des Lebens einordnen. Kontext Typische Beispiele Orientierung Ethik Mensch zu sein. Mensch zu werden. Leitidee ich habe in meinem Leben immer versucht gerecht zu leben Verantwortung ich habe in meinem Leben immer versucht den anderen zu helfen es hat Sinn gehabt für die Eltern da zu sein Selbstsein Und ich kann ja noch lesen, und das mache ich noch gerne Alltag Dass man jeden Tag aufstehen kann und atmen kann Sozial Getragen sein ich bin glücklich und froh wenn ich andere Leute kennen lerne aber der Sinn des Lebens weiss ich nicht, dass ist die Familie Leitidee Ästhetik kürzlich hat jemand mit uns gesungen, das habe ich gerne Alltag ich habe keine Probleme und kann spazieren gehen, und kann Leute kennen lernen, und das ist das Schöne Ja und dass man auch Freude an der Natur haben kann Glaube dass man glaubt, damit man weiss wohin man kommt wenn man Ganzheit stirbt Jeden Morgen wenn ich erwache, ich gehe in die Messe, ich bin katholisch und das brauche ich jetzt nach dem Unfall Leben allgemein aus jedem Leben bleibt etwas zurück. Und das sollte etwas sein, auf Leitidee was man auch später drauf schauen kann Und vor allem, dass man friedlich leben konnte Sinnhaftigkeit des Lebens verorten die Heimbewohner vor allem in einer handlungsleitenden Leitidee resp. übergeordneten Aufgabe im Leben sowie im Alltagshandeln (Abbildung 20, linke Grafik). Die Ebenen Sinn als Ganzes, Sinn als Frage sowie Sinnverlust tauchen nur marginal auf. Das Bild ist in den beiden Assessments beinahe identisch. Abbildung 20: Frage nach dem Sinn des Lebens. Anzahl Nennungen bezüglich dem Orientierung (linke Grafik) sowie bezüglich dem Kontext (rechte Grafik) in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Das Ergebnis weist auf die hohe Bedeutung hin, welche die Heimbewohner dem konkreten Leben zuschreiben, sei es im alltäglichen Handeln oder im Handeln, das sie aus einer übergeordneten Aufgabe ableiten. Man kann daraus schliessen, dass Sinn im Leben für die Heimbewohner eine gewachsene, gut verankerte Grösse ist, die nicht mehr wesentliche Veränderungen zulässt. Sie mag das Resultat einer letztlich unausweichlichen Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Lebens angesichts der Konfrontation mit wesentlichen Lebensbedingungen sein: Heimeintritt und damit ein Leben gewissermassen unter Todgeweihten führen müssen, Mitmenschen um sich haben, die Angst vor einer schwierigen letzten Lebensphase haben, Menschen, die wünschen endlich sterben zu können. Es geht um die Konfrontation mit der Endlichkeit des Lebens, die sich in allen Lebensbereichen zeigt. Körperlicher Abbau und damit verbunden der Verlust des Intimbereichs, soziale Berner Fachhochschule Institut Alter 68

69 Unterstützungsbedürftigkeit und damit ungewollte Abhängigkeit verbunden mit dem Gefühl, den Pflegepersonen oder sogar der Gesellschaft zur Last zu fallen; Mitbewohner, Verwandte, Freunde, die bettlägerig werden, an Demenz erkranken, sterben und damit auch drohende Einsamkeit, finanzielle und rechtliche Fragen, die geklärt werden müssen, Weitergabe von Hab und Gut, das einem am Herzen liegt. Trotz nur wenigen Nennungen sind auch die Ebenen Sinn als Ganzes, des Sinnverlusts und des Sinns als Frage zu beachten. In diesen drei Bereichen dürfte die Verankerung im konkreten Leben mehr oder weniger wegfallen. Im Pol Sinn als Ganzes kommt eine transzendente Dimension hinzu, die wichtiger ist als das eigentliche Leben, im Gegenpol Sinnverlust und Sinn als Frage fällt gerade diese transzendente, religiöse Rückbindung weg. Sinn erfahren Heimbewohner in ähnlicher Gewichtung in verschiedenen Bereichen (Abbildung 20, rechte Grafik). Es sind dies vor allem Sinnerfahrungen im sich selbst Sein, in einer sinnerfüllenden Aufgabe, im sozialen getragen Sein, im Leben allgemein, in Bereichen der Ästhetik von Natur und Kultur sowie in einem moralisch-verantwortungsvollen Handeln. Nach der Bewegungsschulung scheinen die Sinnverankerung im sich selbst Sein, im sozial getragen Sein und im Bereich der Verantwortung eher noch an Bedeutung zu gewinnen. Die Bereiche Ethik und Glaube sind nur marginal vertreten. Im Sinne von Arendt (2003) bestätigen diese Ergebnisse das Wesentliche des Menschseins: Der Mensch erfährt sich einerseits als Mensch in verantwortungsvollem Handeln, das über blosse Leistung, Nutzen und Zweckhaftigkeit hinausgeht. Anderseits möchte er in seiner Einzigartigkeit sich selbst sein können und sich gleichzeitig sozial getragen fühlen. Folgt man der Prämisse einer kreativitätsbasierten, sinnhaften Lebensgestaltung der Heimbewohner, dann geben diese Ergebnisse den Alters- und Pflegeheimen klare Kriterien und Hinweise, wo und wie sie den Heimbewohnern Zeit und Raum für Sinnangebote eröffnen können. Das könnte dazu beitragen, dass Heimbewohner nicht in Lethargie und Apathie verfallen, sondern sich in ihrer Selbstbestimmung gestärkt fühlen, was ihren Lebensstil im Heim sowie Selbständigkeit und Gesundheit positiv beeinflussen könnte Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Mitarbeitenden An diesen Bewegungsanlässen werden auch Mitarbeitende vom hier teilnehmen. Wenn Sie sich das jetzt so vorstellen (A1) resp. wenn Sie daran zurückdenken (A2), was geht Ihnen da durch den Kopf? Was meinen Sie dazu? Bei dieser Frage interessiert, 1) wie sich die Aussagen der Heimbewohner auf die vier Lebensbereiche verteilen (Tabelle 37, Abbildung 21, linke Grafik) 2) auf wen die Heimbewohner ihre Aussagen beziehen, d.h. auf sich selbst, auf die Mitarbeitenden, die Gruppe oder die Institution (Tabelle 38, Abbildung 21, rechte Grafik) und 3) in welchem Gestaltungsbereich diese Aussagen liegen (Tabelle 39, Abbildung 22) Tabelle 37 : Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Mitarbeitenden. Beispiele für die Codierung in den vier Lebensbereichen. Typische Beispiele Die können ohne weiteres mitmachen. Das soll ihnen auch bringen, dass ich mich gut bewegen kann Das finde ich sehr gut. Sie begreifen dann vielleicht auch die Probleme anders, und können das anders sehen, als auf der Abteilung Sie müssen auch lernen, dass man nicht immer gerade hilft Das muss man lernen, dass man auch selber mit dem Rollstuhl essen gehen kann Lebensbereich Körper Geist/Psyche Soziokultur Ökologie Berner Fachhochschule Institut Alter 69

70 Abbildung 21: Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Mitarbeitenden. Anzahl Nennungen bezüglich dem Fokus Bewohner & Mitarbeiter innerhalb der vier Lebensbereiche insgesamt (linke Grafik) wie für die einzelnen Lebensbereiche aufgeschlüsselt (rechte Grafik) in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Schaut man die Verteilung der Nennungen in die vier Lebensbereiche an, dann fällt auf, dass die Heimbewohner vor der Bewegungsschulung ungefähr im gleichen Umfang Aussagen im körperlichen und soziokulturellen Lebensbereich machen. Nach der Bewegungsschulung nehmen die körperbezogenen Aussagen markant ab, die soziokulturellen deutlich zu. Ebenfalls nehmen Aussagen im geistig-psychischen Bereich zu (Abbildung 21, Grafik links). Die Abnahme der körperorientierten Aussagen ist sowohl durch einen Rückgang der mitarbeiterbezogenen als auch der auf die Heimbewohner bezogenen Nennungen bedingt (Abbildung 21, Grafik rechts). Die deutliche Zunahme an soziokulturellen Aussagen nach der Bewegungsschulung ist auf den Zuwachs der selbst-, gruppen- und mitarbeiterbezogenen Nennungen zurückzuführen. Tabelle 38 : Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Mitarbeitenden. Beispiele für die Codierung bzgl. des Bezugs der Aussagen. Bezug der Heimbewohner zu den Mitarbeitenden zu sich selbst zur Gruppe zur Institution Typische Beispiele sie haben uns gesehen, wie wir frei sind Vielleicht bringt es ihnen etwas, dass sie sehen wie es ist, wenn man nicht mehr so gut sieht. Was kann das den Mitarbeitenden bringen mit Bewohnern? Dass man das letzte des alten Menschen noch ausschöpft da bin ich schon froh, dass ich wieder selbständiger sein kann ich vermisse es, wir hatten es schön und es war etwas anderes Was bringt es dir? Eine gewisse Zufriedenheit Wir haben uns alle gleichwertig behandelt Es hat mich schön gedünkt zusammen mit allen Generationen zusammen, auch mit den Kindern und den Müttern den Kontakt zu haben. Das hat man sonst nicht so. Es war gäbig [angenehm]. Man durfte Du sagen es hat mich schade gedünkt, dass nicht mehr vom Heim anwesend waren Einmal mehr sticht das Gewicht des soziokulturellen Lebensbereichs deutlich hervor. Er gewinnt in Assessment 2 noch weiter an Bedeutung und umfasst mehr als die Hälfte aller Nennungen. Demgegenüber nimmt der Umfang des körperlichen Lebensbereichs deutlich ab, der geistig-psychische Bereich nimmt ebenfalls zu (Abbildung 21). Dieses Bild lässt wiederum darauf schliessen, welchen Stellenwert der soziale Rahmen und die persönliche Auseinandersetzung für die Teilnehmenden des Bewegungskurses gehabt haben. Berner Fachhochschule Institut Alter 70

71 Tabelle 39 : Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Mitarbeitenden. Beispiele für die Codierung bzgl. Gestaltungsbereichs. Gestaltungsbereich Praxisanwendung Emotion Identität Machen lassen Potential erkennen Selbstständigkeit Wissen, Kennen, Erfahrung Zusammensein, Soziales, Kontakt Beweglichkeit Gezielter Support Kennenlernen Organisation Repekt Voneinander lernen Unspezifisch positiv Typische Beispiele Die Mitarbeiter können das in der Pflege anwenden oder auch im Service Man kann an etwas Freude bekommen da kommt man sich als nichts vor, weil die [Mitarbeiter] können das dann gut Vielleicht, dass sie uns alte Leute ein bisschen mehr machen lassen sollten und nicht einfach rasch helfen seit ich wieder laufen kann geht es wieder besser, und dann habe ich immer mehr probiert, immer etwas weiter, selber auf den Friedhof dass man die Heimbewohner aufmuntert etwas zu versuchen, ein bisschen zu probieren, das Aufstehen üben oder so, da bin ich schon froh, dass ich wieder selbständiger sein kann es gab sicher viele Dinge, die die Mitarbeiter noch nicht wussten Ich sehe es einfach positiv. Auch wieder den Kontakt in jeder Hinsicht-. Ja das bringt mir sicher etwas. Nur schon allein den Kontakt finde ich positiv. und es ist klar, dass es bei uns länger geht als bei den anderen, die sind noch beweglicher ich hatte da die Kraft nicht, und dann haben sie mir gesagt ich soll rückwärts nach oben, und dann geht es. Da hatte ich wirklich Freude Eben dass man sie [die Mitarbeiter] von einer anderen Seite kennenlernt Die Mitarbeiter müssen die Freude daran haben, es weiter zu geben an eine Drittperson Ich respektiere die Leute, die hier arbeiten. Aber ich verstehe auch die Leute, die hier leben. Das ist nicht einfach. Für beide nicht. Das verstehe ich. Das habe ich sehr gut gefunden. Was ich sehr gut gefunden habe ist, wenn wir herumgehen mussten, merkte ich, dass dies kein Laie war, sondern das kann das war ganz gut, ich komme mit allen gut aus In Assessment 1 halten sich die Aussagen, die die Heimbewohner zum einen auf sich selbst und zum anderen auf die Mitarbeitenden beziehen, in etwa die Waage. Die Aussagen lassen erkennen, dass sich die Heimbewohner wünschen, von den Mitarbeitenden aus einer Perspektive gesehen zu werden, welche sich vermehrt auf ihre Fähigkeiten ausrichtet. In Assessment 2 nehmen dagegen die Aussagen, welche die Heimbewohner im geistig-psychischen Bereich auf die Mitarbeitenden beziehen, deutlich zu. Im soziokulturellen Bereich erhöht sich zudem auch der Bezug zur Gruppe. Allein im körperlichen Bereich gibt es im Assessment 2 weniger Aussagen. Insgesamt verteilen sich die Gestaltungsbereiche in etwa zu gleichen Teilen auf die Mitarbeitenden und auf die Heimbewohner selbst (Abbildung 22). In Assessment 2 haben die Heimbewohner in Bezug auf die Mitarbeitenden deutlich mehr Aussagen gemacht. Neu kommt der Bereich Wissen, Kennen, Erfahrung hinzu. Die Heimbewohner erkennen oder vermuten, dass die Bewegungsschulung den Mitarbeitenden einen Wissenszuwachs gebracht hat. Unverändert wichtig sind die Gestaltungsbereiche gezielter Support, machen lassen und Potential erkennen. Damit kommt zum Ausdruck, dass sich die Heimbewohner selber mehr zutrauen und sich demnach wünschen, dass dies auch die Mitarbeitenden tun. Vielleicht, dass sie uns alte Leute ein bisschen mehr machen lassen sollten und nicht einfach rasch helfen ist eine Aussage, welche diesen Förderungsaspekt verdeutlicht. In Bezug auf sich selbst machen die Heimbewohner in Assessment 2 deutlich mehr Aussagen zum Gestaltungsbereich Zusammensein, Soziales, Kontakt und in etwa gleichem Umfang weniger Aussagen zum Bereich Selbständigkeit. Die Bedeutung des sozialen Bereichs kommt auch in den vermehrten Aussagen zum Ausdruck, welche die Bewohner zur Gruppe machen. Berner Fachhochschule Institut Alter 71

72 Abbildung 22: Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Mitarbeitenden. Anzahl Nennungen bezüglich dem Gestaltungsbereich innerhalb der vier Lebensbereiche in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2) Frage nach der Wirkung der Bewegungsschulung Wenn Sie an diese Bewegungsschulung denken: Inwiefern könnte sich durch diese Bewegungsschulung Ihr Leben hier verändern (A1) resp. was hat sich in ihrem Leben verändert (A2)? (was könnte sie Ihnen bringen?) Bei dieser Frage interessiert 1) wie sich die Aussagen der Heimbewohner bzgl. Wirkung der Bewegungsschulung auf die vier Lebensbereich verteilt (Abbildung 23, linke Grafik). Dabei sollen typische Aussagen qualitative Hinweise geben (Tabelle 40) 2) welche Wirkungsorientierung sich in den Aussagen ableiten lässt (Tabelle 41, Abbildung 23, rechte Grafik). Dabei wird wie bei der Frage nach dem Begriff Bewegung (Kp , S. 59) zwischen drei Formen der Orientierung unterschieden: 1. Defizitorientierung: Fokussierung auf Aspekte und Eigenschaften, die nicht, zuwenig oder in unerwünschter Form vorhanden sind. 2. Ressourcenorientierung: Fokussierung auf körperliche und geistig/psychische Eigenschaften und Fähigkeiten, die man durch Aktivitäten nutzt oder nutzen könnte; Handlungsmöglichkeiten im soziokulturellen Bereich, Gestaltungsmöglichkeiten im ökologischen Lebensbereich 3. Potentialorientierung: Blick auf einen möglichen Kompetenzzuwachs, der in einer Aktivität erfahren wird, indem sie neu, anders, leichter gestaltet wird, da die Person Zugang zum Potential ungenutzter Fähigkeiten und Handlungsoptionen findet. Menschen mit wesentlichen Einschränkungen erfahren Kompetenzzuwachs oft dadurch, dass sie Selbstvertrauen aufbauen und damit ihr Zutrauen zu eigenen Fähigkeiten Erwartungen hinsichtlich mehr Selbständigkeit und Selbstbestimmung stärken. 3) wie sich die Wirkungsorientierung innerhalb der Gestaltungsbereiche aufteilt (Abbildung 24) Berner Fachhochschule Institut Alter 72

73 Tabelle 40 : Frage nach der Wirkung der Bewegungsschulung. Typische Aussagen nach der Bewegungsschulung in den vier Lebensbereichen. Typische Beispiele Das bringt viel, Beweglichkeit, weniger Schmerzen, man bewegt sich sowie so zu wenig. Ja ich glaube. Alle bisherigen Fortschritte, die ich gemacht habe, sind unglaublich. Dass man vom Boden aufstehen kann, das finde ich wichtig. Ja ich bin eben wichtig. Man nimmt sich nachher eigentlich wichtiger. Ich habe das Gefühl man hat mehr vom Leben. Ein Austausch. Und wir lachen halt auch viel. Beim Essen hauen wir dann auf den Putz. Es ist einfach immer noch lustig. Dass ich etwas offener auf die Leute zugehe, nicht mehr immer in meinem Schneckenhaus bleibe, das hat mir schon geholfen. Ich weiss nicht wie ich dem sagen soll, es verändert schon. Mit anderen Leuten etwas zusammen zu machen. Ja wenn man mit anderen Leuten zusammen ist. Ich habe die Kinder gelernt zu schätzen. Das ist mein Vorteil. Ich habe Kinder sehr gerne. Je kleiner, desto lieber. Jetzt gehe ich mit dem Rollator essen und komme wieder hoch, und das muss man eben jeden Tag machen. Und ich finde es gut, dass man solche Anstrengungen macht, aus dem Alltag herauszukommen. Sonst bleibt man noch auf dem Stuhl hocken. Und das ist auch weshalb ich mir immer vornehme heraus zu gehen. Lebensbereich Körper Geist/Psyche Soziokultur Ökologie Nach der Bewegungsschulung gibt es deutlich mehr Wirkungsaussagen als noch bei A1 (Abbildung 23, linke Grafik). Der Zuwachs ist vor allem auf mehr Nennungen in den Bereichen Geist/Psyche und Soziokultur zurückzuführen. Am meisten Nennungen gibt es in beiden Assessments im körperlichen Bereich. Die Veränderungen nach der Bewegungsschulung sind ein Indiz dafür, dass der ganzheitliche Ansatz des Bewegungsmodells zur Geltung kommt. Der Stellenwert des ökologischen Lebensbereichs fällt gemessen an seiner Bedeutung für die Lebensgestaltung eher gering aus. Ein Hinweis, die Bewegungsschulung noch klarer auf die Möglichkeiten und Bedeutung der Umgebungsgestaltung auszurichten. Abbildung 23: Frage nach der Wirkung der Bewegungsschulung. Anzahl Nennungen bezüglich den vier Lebensbereichen insgesamt (linke Grafik) und der Orientierung innerhalb der vier Lebensbereiche (rechte Grafik) in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Berner Fachhochschule Institut Alter 73

74 Tabelle 41 : Frage nach der Wirkung der Bewegungsschulung. Beispiele für die Codierung nach der Defizit-, Ressourcen- und Potentialorientierung innerhalb der vier Lebensbereiche. Orientierung Typische Beispiele Lebensbereich Defizit (es ist gut,) dass man sieht der hat dieses Malheure und der das. Körper Was soll ich da sagen, was das Schlimmste wäre was passieren könnte. Soziokultur Dass ich etwas Falsches sage, was ich vielleicht nicht hätte sagen sollen. Ressource Dass ich so weitermachen kann. Dass ich jeden Tag spazieren gehen Körper kann. Man achtet mehr darauf wie man sich bewegt. Das ist auch gut Die [Bewegungsmodule] waren super. Ich kann jetzt noch davon Geist/Psyche geniessen Aufmunterung Einfach was in der Gemeinschaft normalerweise so passiert. Es ist nicht Soziokultur davon abhängig was man macht, sondern die Art wie man es macht. Ich kenne die Mitarbeiter besser. Man hat einander geduzt. ich mache schon viel, stricke und gehe oft zur Schwester hoch und nach Ökologie draussen spazieren jetzt gehe ich mit dem Rollator essen und komme wieder hoch, und das muss man eben jeden Tag machen Potential dann war ich froh, wenn ich das Resultat sah, man setzt sich bewusster, Köper geht bewusster auf den Boden und herauf Ich habe jetzt so meine Tricks rausgefunden und das geht super. Sobald man weiss, welche Tricks, dann geht es 100 Mal besser Da hat man viel gelernt. So ein Bewusstsein zu bekommen, was für Geist/Psyche einen Körper man eigentlich hat. Einfach das Bewusstsein, wie das alles zusammen funktioniert. Mir fallen jetzt durch den Kurs kleine Dinge auf. Nur in der Begegnung, wie ich bereits gesagt habe. Obwohl ich nichts gesehen habe, konnte ich mit diesen Leuten Soziokultur zusammen arbeiten Ja vielleicht kann es sein, dass sich andere Strukturen festigen. Strukturen, indem man sich anders begegnet oder auch wieder für etwas, das man nicht bereits wusste. Als ich mich das erste Mal in den Rollstuhl gesetzt habe, bin ich nicht so gut gesessen, dann bin ich so nach hinten gerutscht. Dann sagt Frau B. mir: Sie, jetzt ist das genau das was wir unten gelernt haben, was Sie machen. Das ist schon ein Aufsteller. Ökologie In Bezug auf die Wirkungsorientierung zeigen sich einerseits deutliche Veränderungen im körperlichen Bereich: In Assessment 2 nehmen die ressourcenorientierten Aussagen deutlich zu und erreichen das gleiche Ausmass die Potentialorientierung. Defizitorientierte Aussagen fallen kaum ins Gewicht. Damit kann vermutet werden, dass die Heimbewohner eine Zunahme an Alltagsbewegungskompetenz erfahren haben. Sie entdeckten Bewegungsfähigkeiten und erweiterten ihre Lösungsmöglichkeiten bei alltäglichen Bewegungsproblemen. Das sollte sich letztlich in höherer Produktivität selbständiger Alltagsgestaltung auswirken. Eine Zunahme an Potentialorientierung ist auch im geistig-psychischen Bereich ersichtlich. Die Bewegungsschulung scheint ihnen hier mehr Möglichkeiten und Erkenntnisse zu eröffnen. Markant ist die Zunahme der ressourcenorientierten Aussagen im soziokulturellen Lebensbereich. Das zeigt einmal mehr, dass wesentliche Ressourcen einer wirkungsvollen Lebensgestaltung im sozialen Alltag liegen, jedoch oft ungenutzt bleiben. Soziale Ressourcen im Sinne von lebenswichtiger sozialer Nahrung haben einen massgeblichen Einfluss auf individuellen Lebensstil, Gesundheit und Lebensqualität. Statt sich in Einsamkeit ins Zimmer zurückziehen wirkt sich der Schritt nach aussen in den öffentlichen Raum, wo Sinnangebote in der Begegnung mit anderen Menschen und Kulturen vorhanden sind, direkt aus auf körperliche Zustände (andere Körperhaltung, Atmung, Muskelspiel, Sauerstoffversorgung) und geistig-psychische Verfassung (Emotionen, Gedanken, Werte, Anerkennung, Identität, Interesse, Wachheit). Ein Alters- und Pflegeheim sollte beides ermöglichen: Den Rückzug in den privaten, vom Licht der Öffentlichkeit geschützten Raum und Begegnungen im öffentlichen Raum. Berner Fachhochschule Institut Alter 74

75 Tabelle 42 : Frage nach der Wirkung der Bewegungsschulung. Beispiele für die Codierung nach Gestaltungsbereich innerhalb der Orientierung. Gestaltungsbereich Typische Beispiele Orientierung Gesundheit - (es ist gut) dass man sieht der hat dieses Malheure und der das Defizit Krankheit gesund aufzustehen und ins Bett ist viel Wert Ressource Das bringt viel, Beweglichkeit, weniger Schmerzen, man bewegt Potential sich sowie so zu wenig. Kreativität Bewegung Aber es hat auch Leute, die eigentlich ganz schlecht dran sind Defizit bezüglich Bewegungen. Man kann noch alles bewegen. Ressource Man hat gelernt, Bewegungen gezielter zu machen, und sich Potential nicht zu verkrampfen nicht zu "verknorzen". Alltagsaktivität Also so Treppen gehen, das weiss ich nicht, heute ging das nicht Defizit Am Sonntag bin ich noch draussen laufen gegangen, den Kistlein Ressource entlang. Und dann bin ich wieder umgekehrt. Es gibt Tag, an denen geht es ziemlich gut. Ich finde, draussen gehe ich manchmal fast noch besser als Potential drinnen. Manchmal will es mich dann auch fast umhauen. Aber ich gehe auch ohne Stock. Therapie/Turnen - Defizit Ich versuche ins Turnen zu gehen Ressource - Potential Interaktionsgestaltung Was soll ich da sagen, was das Schlimmste wäre was passieren Defizit könnte. Dass ich etwas Falsches sage, was ich vielleicht nicht hätte sagen sollen. Wo dieser Mensch danach beleidigt ist. Mir fiel auf, wie hilfsbereit alle sind. Ich musste nicht betteln Ressource oder so - irgendjemand hat immer gleich nachgefragt, ob ich alleine heimkomme oder ob man mit kommen solle. Das Beste war, dass man einander ein bisschen begegnet ist. Ich Potential habe andere näher kennengelernt. Das war für mich das Beste. Man begegnet ihnen im Alltag auch anders. Befähigung allgemein - Defizit Aber was ich noch kann, möchte ich noch erhalten Ressource ich habe Vieles gelernt und nicht nur auf die Bewegung bezogen Potential auch sonst, es war bereichernd. Gemeinschaft - Defizit Ja es war schön mit allen zusammen zu sein. Einfach der Ressource Kontakt. Ja ich glaube, die anderen Heimbewohner haben es gleich geschätzt wie ich. Ich weiss nicht wie ich dem sagen soll, es verändert schon. Mit Potential anderen Leuten etwas zusammen zu machen. Ja wenn man mit anderen Leuten zusammen ist. Wohlbefinden - Defizit Die waren super [Anm.: die Bewegungsmodule]. Ich kann jetzt Ressource noch davon geniessen. Dass ich etwas weniger scheu wäre und mich etwas freier fühle. Potential Haltung/Einstellung - Defizit D.as sollte man jede Woche einmal machen. Ressource Man achtet mehr darauf wie man sich bewegt. Das ist auch gut. Potential Leben im Altersheim - Defizit Es bringt eine Abwechslung in das Ganze hinein. Ressource Ich habe das Gefühl man hat mehr vom Leben. Potential Berner Fachhochschule Institut Alter 75

76 Abbildung 24: Frage nach Frage nach der Wirkung der Bewegungsschulung. Anzahl Nennungen bezüglich der Orientierung innerhalb der verschiedenen Kontexte in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). In den Gestaltungsbereichen, die primär dem Körper zugeordnet werden können, sind in Assessments 2 klare Veränderungen ersichtlich, die auf die Bewegungsschulung zurückgeführt werden können: Zunahme der Potentialorientierung in den Bereichen Alltagsaktivität und Kreativität Bewegung sowie der Ressourcenorientierung im Gestaltungsbereich Gesundheit-Krankheit. Im geistig-psychischen Lebensbereich ist eine markante Zunahme sowohl der Ressourcen- als auch der Potentialorientierung im Gestaltungsbereich Haltung/Einstellung zu verzeichnen. Im soziokulturellen Bereich fällt vor allem die Zunahme der Ressourcenorientierung in der Interaktionsgestaltung ins Gewicht. Im Bereich Befähigung allgemein ist tendenziell eher eine Potentialorientierung ersichtlich. Diese Ergebnisse bestätigen den Befund der Videoanalysen relevanter Aktivitäten. Nach der Bewegungsschulung konnte in Assessment 2 mehrheitlich eine Verbesserung der Bewegungskompetenz festgestellt werden. Berner Fachhochschule Institut Alter 76

77 4.3 Selbständigkeitseinschätzung der Heimbewohner durch Mitarbeitende und Angehörige Methode Die Selbständigkeitseinschätzung der Heimbewohner durch die Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen erfolgte durch teilnehmende Beobachtung (Lamnek, 2010, S. 498). Sie nahmen ohne spezifische Beobachtungsaufgabe an den Kursmodulen teil. Die Kursleitung achtete jedoch bei den Bewegungsaufgaben und Reflexionen auf eine Paar- oder Kleingruppenzusammensetzung, in welchen Mitarbeitende resp. Angehörige/Freiwilligen direkt mit Heimbewohnern Erfahrungen machen und austauschen konnten. Unmittelbar nach jedem Kursmodul protokollierten die Mitarbeitenden und die Angehörigen & Freiwilligen ihre Beobachtungen anhand der Frage: Hast du entdeckt, erfahren, dass ein/e Heimbewohner/in Potential für mehr Selbständigkeit hat? Wenn ja, bei wem konkret? Dadurch, dass diese Protokollierung nach jedem Kursmodul stattgefunden hat, sollte neben der Datensammlung auch die Beobachtungsfähigkeit der Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen geschärft werden. Das wiederum sollte sich in ihrem Berufs- resp. Begleitungsalltag produktiv auswirken. Produktiver heisst, dass im Alltag vermehrt Potential für mehr Selbständigkeit beobachtet und in einer selbständigkeitsförderlichen Interaktionsgestaltung genutzt werden kann. Das sollte sich positiv sowohl auf verschiedene Aspekte der Alltagsgestaltung der Heimbewohner als auch auf relevante Aspekte eines produktiven Supports der Mitarbeitenden und der Angehörigen & Freiwillige n auswirken. Die Sensibilität für produktivere Alltagsgestaltung der Heimbewohner wurde durch einen Perspektivenwechsel anhand folgender Frage differenziert: Was kann die erhöhte Selbständigkeit für die Alltagsgestaltung des/r Heimbewohner/in bedeuten? Mit der Beantwortung dieser Frage reflektierten und interpretierten die teilnehmenden Mitarbeiter und Angehörigen & Freiwilligen ihre protokollierten Beobachtungen prospektiv und aus der Perspektive der Heimbewohner. Durch die indikative Frageformulierung (was kann?) sollte ein möglichst realistischer Fokus auf den offenen Kontext der Alltagsgestaltung gerichtet werden. Insgesamt konnten 285 Beobachtungsprotokolle ausgewertet werden Resultate Frage nach dem Potential der Heimbewohner für mehr Selbständigkeit Hast du entdeckt, erfahren, dass ein/e Heimbewohner/in Potential für mehr Selbständigkeit hat? Wenn ja, bei wem konkret? In Tabelle 43 sind die entsprechenden Beobachtungen dargestellt. Verteilt über die 12 Kursmodule wurde bei 33 Heimbewohnern 13 insgesamt 371-mal Potential für mehr Selbständigkeit protokolliert. Über alle 33 Bewohner gerechnet ist das im Durchschnitt 11.2-mal pro Heimbewohner. Bei 17 Teilnehmenden sind es zwischen 11 bis 24 Beobachtungen, d.h. pro Modul und Teilnehmer 1-2 Beobachtungen zu mehr Potential für Selbständigkeit. Bei den restlichen 16 Heimbewohnern gab es zwischen 2 bis 10 Nennungen oder pro Modul und Teilnehmer 0.2. bis 0.9 Beobachtungen. Pro Kursmodul wurden durchschnittlich 30.9 Beobachtungen zu mehr Potential von Heimbewohnern gemacht. Das Spektrum reichte von 23 (Modul 11) bis 45 (Modul 09) Nennungen. Die durchschnittliche Anwesenheit der Bewohner lag bei 10.5 Modulen (88%). Diese Zahlen zeigen auf eindrückliche Weise, welches Potential für mehr Selbständigkeit die Mitarbeitenden, Angehörigen & Freiwilligen während den Bewegungsmodulen bei den Heimbewohnern entdeckt haben. Die Frage stellt sich, welche Rahmendbedingungen geschaffen werden müssen, dass die Mitarbeitenden in ihrem Berufsalltag diese Potentialorientierung und Fähigkeit zur Potentialerkennung tatsächlich anwenden können. 13 Im Heim-Nr. 1 wurde noch nicht derselbe Fragebogen verwendet, deshalb fehlen die Bewohner aus diesem Heim in dieser Auswertung. Ausserdem wurden in der Auswertung nur diejenigen Bewohner berücksichtigt, die nicht aus dem Kurs ausgestiegen waren. Bei Heim-Nr. 5 konnte aufgrund einer Norovirus-Infektion im Heim das letzte Modul nicht durchgeführt werden. Berner Fachhochschule Institut Alter 77

78 Tabelle 43: Resultate zur Frage an die Mitarbeitenden resp. Angehörigen & Freiwillige n: Hast du entdeckt, erfahren, dass ein/e Heimbewohner/in Potential für mehr Selbständigkeit hat? Wenn ja, bei wem konkret? Legende: Gelb= Bewohner nahm am Modul nicht teil; Gelb+durchgestrichen: Modul fand nicht statt; Anz. bes. = Anzahl besuchte Module; Total abs. = Total Nennungen absolut; Total rel. = Total Nennungen/Anzahl besuchte Module. Code Anzahl Nennungen in Modul-Nr. Anz. Total bes. abs. rel. BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ BW_ Total Berner Fachhochschule Institut Alter 78

79 Frage nach der Bedeutung erhöhter Selbständigkeit für die Alltagsgestaltung Frage: Was kann die erhöhte Selbständigkeit für die Alltagsgestaltung des/r Heimbewohner/in bedeuten? Im Sinne einer möglichst ganzheitlichen Betrachtung wurden die Protokolleinträge einerseits nach Lebensbereich analysiert, anderseits pro Lebensbereich noch weiter differenziert. So unterscheidet sich nachfolgend die Analyse im a) geistig-psychischen Bereich in Handlungseinstellung (Tabelle 44) und Handlungsbewertung (Tabelle 50) b) körperlichen Bereich in Menschliche Funktionen (Tabelle 45), Handlungsausführung/-spielraum (Tabelle 46) sowie Sinnessystem (Tabelle 47) c) soziokulturellen Lebensbereich in Interaktion (Tabelle 48) d) ökologischen Lebensbereich in Hilfsmittel (Tabelle 49) Handlungseinstellungsaspekte (Tabelle 44) Die Mitarbeitenden, Angehörigen und Freiwilligen schreiben den Heimbewohnern in ihrer Alltagsgestaltung eine förderliche Handlungseinstellung im emotionalen Bereich durch deutlich mehr Mut sowie Vertrauen in die eigene Bewegung zu. Bei handlungsrelevanten Planungsfaktoren sticht die Zielorientierung heraus. Identitätsbezogene Faktoren wie Selbstbestimmung, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl werden nur in geringem Masse genannt. Mit total 35 Nennungen im emotionalen und 53 Nennungen im planerischen Bereich nennen sie wichtige Voraussetzungen für selbständige Initiierung relevanter Alltagsaktivitäten. Da das psychische System der Heimbewohner für die Miterarbeitenden nicht einsehbar ist und dementsprechend Handlungseinstellungen nicht erkennbar sind, braucht es einen spezifischen Austausch mit den Heimbewohnern, um einerseits produktive Handlungseinstellungen der Heimbewohner zur Sprache zu bringen und anderseits genügend Zeit und Raum für selbständige(re) Handlungsausführung zur Verfügung zu stellen. Tabelle 44: Aussagen der Mitarbeiter bzgl. Alltagsgestaltung zu den Kategorien a) Emotion, b) Planungsfaktoren und c) Identität als Aspekte der Handlungseinstellung. Kategorie Aussagen der Mitarbeiter Anzahl Emotion mehr Mut 23 Vertrauen aufbauen, mehr Selbstvertrauen, mehr Vertrauen in die eigene Bewegung 8 weniger Angst 2 gewinnt Sicherheit 2 Nennungen Emotion 35 Planungsfaktoren Ziele erreichen (z. B. draussen spazieren gehen können) 21 Willen kann nicht erzwungen werden 8 "gute" Momente ausschöpfen 7 Etwas dazu lernen 7 Ehrgeiz 3 mehr Motivation 3 Geduld aufbringen 3 Offenheit für Neues 1 Nennungen Planungsfaktoren 53 Identität mehr Selbstbestimmung 2 mehr Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl 2 Nennungen Identität 4 Gesamttotal 92 Handlungsausführung im Zusammenhang mit verschiedenen menschlichen Funktionen (Tabelle 45) Das erkannte Potential der Heimbewohner für Selbständigkeit kann für sie aus der Sicht der Mitarbeitenden positive Veränderungen in Fortbewegungsaktivitäten (besseres und längeres Gehen, vom Boden aufstehen können) und in relevanten Bewegung am Ort Aktivitäten haben. Berner Fachhochschule Institut Alter 79

80 Tabelle 45: Aussagen der Mitarbeiter bzgl. Alltagsgestaltung zu den Kategorien Fortbewegung und Bewegung am Ort willkürlich. Kategorie Aussagen der Mitarbeiter Anzahl Fortbewegung Gehtraining - mit Begleitung laufen; kann gut gehen; geht aufrecht 4 längerer Spaziergang 3 Treppen steigen statt Lift nehmen trotz Rückenschmerzen 3 Kann wieder aufstehen, falls BW am Boden ist; ohne Kraft/Anstrengung aufstehen; regelmässiges Aufstehen und Training der Beine 3 Nennungen Fortbewegung 13 Bewegung an Ort: willkürlich braucht die ungewohnte Hand mehr (Hemiplegie) 10 Kann sich gleich wie die meisten BW zum Essen auf einen Stuhl sitzen 10 leichter an- und ausziehen 2 kann gut "Chräueli" aufziehen, trotz Blindheit 1 mithelfen beim Betten in Schwung zu bleiben 1 Nennungen Bewegung an Ort: willkürlich 24 Gesamttotal 37 Handlungsausführung und -spielraum im Zusammenhang mit körperlichen Aspekten (Tabelle 46) Eindrücklich sind die Ergebnisse bzgl. Handlungsausführung und spielraum, denn sie weisen auf zentrale Produktivitätsfaktoren der Selbstgestaltungskräfte hin: Der Bewohner entdeckt, was er braucht (26 Nennungen), findet im Tun selber die Lösung, die für ihn passt (25 Nennungen), führt eine Aktivität mit höherer Aufmerksamkeit durch (23 Nennungen). Diese Äusserungen der Mitarbeitenden lassen sich dahingehend interpretieren, dass sie aus reflektierter Distanz betrachtet den Bewohnern in der Alltagsgestaltung durchaus mehr an Selbständigkeit zutrauen. Das steht jedoch etwas im Gegensatz zu ihren Sturzbedenken. Diese zeigen ein Ausmass, welches dieses Zutrauen bereits im Keim ersticken könnte. Tabelle 46: Aussagen der Mitarbeiter bzgl. Alltagsgestaltung zu Aspekten der Handlungsausführung/-spielraum. Handlungsausführung resp. -spielraum: Aussagen der Mitarbeiter Anzahl Der Bewohner entdeckt, was er braucht (Ressourcen entdecken) 26 Der Bewohner findet selber Lösung die für ihn passt 25 Höhere Aufmerksamkeit 23 Mehr Selbständigkeit öffnet ihr Türen, sie steht sich nicht im Weg 4 mehr Beweglichkeit 2 mehr Potential für Stabilität 2 Bessere Mobilität 2 herauskommen aus der Routine, Alltag wird abwechslungsreicher 2 Bessere Kraft und Gleichgewicht beim gehen 1 Bewegungsradius erweitert sich 1 mehr Selbständigkeit 1 weniger Sturzgefahr 1 Total 90 Handlungsausführung im Zusammenhang mit dem Sinnessystem (Tabelle 47) Der Empfindlichkeit für Sinnesreize, die durch eigene Bewegung verursacht werden, ist die Voraussetzung für die Entwicklung von Bewegungskompetenz im Alltag. Die Mitarbeitenden vermuten hier aufgrund ihrer Erfahrungen und Beobachtungen an den Bewegungsmodulen ein grosses Potential, welches die Heimbewohner für mehr und sicherere Selbständigkeit nutzen könnten. Allerdings ist für die Nutzung des Bewegungssinns wiederum der Zeitaspekt ein kritischer Faktor. Unter Zeitdruck nimmt diese Empfindlichkeit stark ab, einerseits durch erhöhte Körperspannung, anderseits dadurch, dass die Aufmerksamkeit mehr nach aussen und auf die Zielerreichung ausgerichtet wird. Berner Fachhochschule Institut Alter 80

81 Tabelle 47: Aussagen der Mitarbeiter bzgl. Alltagsgestaltung zu Aspekten des Sinnessystems. Sinnessystem: Aussagen der Mitarbeiter Anzahl besseres Körperempfinden, Spürsinn entdecken 42 weniger Spannung 3 kein Schwindel 2 weniger Schmerzen 1 Spürt eigene Kraft besser 1 Bewegung tut gut, körperlich und psychisch 1 Total 50 Handlungsausführung im Zusammenhang mit Interaktionsgestaltung (Tabelle 48) Im Vergleich mit den oben aufgeführten Aspekten gibt es nur wenig interaktionale Nennungen. Tabelle 48: Aussagen der Mitarbeiter bzgl. Alltagsgestaltung zu Aspekten der Interaktion. Interaktion: Aussagen der Mitarbeiter Anzahl Nähe / Distanz anderer erfahren, sich näher kommen, anfassen 7 braucht weniger Unterstützung 2 bessere Kommunikation 1 mehr Kontakt mit anderen Bewohnern und Gruppe 1 Total 11 Handlungsausführung im Zusammenhang mit Hilfsmittel (Tabelle 49) Die Auseinandersetzung mit dem Faktor Hilfsmittel hat in den Interpretationen der Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen eine untergeordnete Bedeutung. Das lässt zumindest die geringe Anzahl Nennungen vermuten. Gerade Gehhilfen sind jedoch bzgl. Selbständigkeit und Bewegungskompetenz kritisch zu betrachten. Ein gewisses Potential erkennen die Mitarbeitenden bei der Benutzung des Rollators. Die 6 Nennungen können auf die Problematik hindeuten, den Heimbewohnern zu schnell, zu früh einen Rollator als Gehhilfe anzubieten. Tabelle 49: Aussagen der Mitarbeiter bzgl. Alltagsgestaltung zu Aspekten der Ökologie. Ökologie: Aussagen der Mitarbeiter Anzahl Braucht Rollator weniger, könnte auf Rollator verzichten 6 nicht alle Hindernisse aus dem Weg räumen, lernen mit ihnen zu leben und sie zu integrieren 2 weniger Medikamente 1 Total 9 Handlungsbewertung im Zusammenhang mit geistig-psychischen Aspekten (Tabelle 50) Setzen die Heimbewohner ihr Potential für mehr Selbständigkeit im Alltag um, dann dürften sie laut Einschätzung der Mitarbeitenden, Angehörigen und Freiwilligen eine ausgesprochen positive emotionale Bewertung ihres Tuns in Form von mehr Freude und Zufriedenheit erfahren. Dazu kommen förderliche Bewertungsaspekte bzgl. Lebensqualität wie die Erfahrung von mehr Freiheit, Unabhängigkeit und Sinn sowie einen Kompetenzerwerb die Defizite beschreiben und Fähigkeiten entsprechend anpassen zu können. Eine positive emotionale Einbettung einer Aktivität dürfte ein Schlüsselfaktor für das erneute Tun der Aktivität sein. Angstbegleitetes Tun führt über kurz oder lang dazu, eine relevante Aktivität nicht mehr zu tun. Falls diese Aktivität einen Positionswechsel beinhaltet, wären mit dem Weglassen der Aktivität das längere Verbleiben in einer Position und damit eine schleichende Einengung des Bewegungsradius mit zunehmender Ortsfixierung verbunden. Berner Fachhochschule Institut Alter 81

82 Tabelle 50: Aussagen der Mitarbeiter bzgl. Alltagsgestaltung zu den Kategorien a) emotionale Bewertung, b) Aspekte Lebensqualität und c) Kompetenzerwerb als Aspekte der Handlungsausführung, -bewertung. Kategorie Aussagen der Mitarbeiter Anzahl Emotionale mehr Freude und Zufriedenheit 24 Bewertung Stolz auf Beweglichkeit 1 Erleichterung 1 keine Langeweile, ausgeglichener 1 Nennungen Emotionale Bewertung 27 Aspekte Lebensqualität Kompetenzerwerb mehr Freiheit, Unabhängigkeit 3 Sinnfindung macht das Leben lebenswert 3 Bewohnerin kann gute Sachen in ihr Leben reinbringen und davon profitieren 2 Eigenständigkeit beachten 1 mehr Lebensqualität allgemein 1 Nennungen Aspekte Lebensqualität 10 Heimbewohner kann Defizite beschreiben und Fähigkeiten anpassen 7 Nennungen Kompetenzerwerb 7 Gesamttotal Diskussion Die Teilnahme an den Bewegungsmodulen mit dem gemeinsamen Gegenstand eigene Bewegung erlauben Heimbewohnern, Mitarbeitenden, Angehörigen und Freiwilligen gleichermassen Kompetenzerfahrungen und erweiterungen in Alltagsbewegungen zu machen und deren Bedeutung zu reflektieren. Die Beteiligten verlassen dabei gewissermassen ihre gewohnte Rolle als Heimbewohner, Mitarbeiter, Angehöriger oder Freiwilliger und lernen sich gegenseitig als Mensch aus anderen Warten kennen. Gegenseitiges Verständnis wächst, da neben der Eigenbewegung auch persönliche Themen auftauchen und zur (Eigen-)Sprache kommen können. Eindrücklich ist die Horizonterweiterung der Mitarbeitenden, Angehörigen und Freiwilligen in Bezug auf das Selbständigkeitspotential der Heimbewohner. Mitentscheidende Faktoren für diese Selbständigkeitsentfaltung der Heimbewohner sind folgende Kriterien der Interaktionsgestaltung: Faktor Zeit: Die Heimbewohner konnten die Bewegungserfahrungen sowohl in den relevanten Alltagsaktivitäten (z.b. Aufstehen vom Stuhl oder Boden, Gehen über unebenen Boden) als auch in Lernaktivitäten grösstenteils in ihrer eigenen Zeit durchführen (Geschwindigkeit, Dauer, Pausen). Dasselbe galt für die Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen. Gerade im Kontext der zunehmenden Langsamkeit der alten Menschen einerseits und dem wachsenden Zeitdruck der Mitarbeitenden anderseits ist Zeit der möglicherweise kritischste Faktor hinsichtlich Förderung der Selbständigkeit der Heimbewohner im Alltag. Heimbewohner können sich ohne Selbständigkeitsverlust der Geschwindigkeit der Mitarbeitenden nicht anpassen. Mitarbeitende könnten jedoch auf die Langsamkeit der Heimbewohner Rücksicht nehmen, nur fehlt ihnen gerade dieser zeitliche Spielraum. Pflege- und Betreuungshandlungen müssen oft unter Zeitdruck erledigt werden, selbständigkeitsförderliche Interaktionen fallen weg. In den Bewegungsmodulen fiel dieser Zeitdruck weg, was die Erfahrung und Respektierung der unterschiedlichen Zeiten der Teilnehmenden ermöglichte. Faktor Raum: Es wurde darauf geachtet, dass die Heimbewohner und die Mitarbeitenden, Angehörigen und Freiwilligen sowohl den äusseren als auch ihren inneren Bewegungsraum (z. B. Bewegungsdimensionen in den Gelenken) erkunden und nutzen konnten. Faktor Anstrengung: Es wurden bewusst Bewegungserfahrungen ermöglicht, welche hohe Anstrengung, d.h. hohen Kraftaufwand durch Muskelspannung mit geringen Nutzen und umgekehrt tiefe Anstrengung, d.h. Senken der Körperspannung, Erweiterung der Beweglichkeit mit hohem Nutzen ermöglichte. Solche differenzierenden Erfahrungen fördern die Sensibilität für eigene Bewegungsreize und öffnen so den Zugang zum Potential der Bewegungsfähigkeiten. Kraft und Beweglichkeit sind in einem gewissen Sinne Kontrahenten. Hohe Anstrengung schränkt den Bewegungsspielraum in den Gelenken ein und umgekehrt. Das wirkt sich direkt auf die Gestaltung von Alltagsbewegung und relevanten Alltagsaktivitäten bei Unterstützungsbedürftigkeit aus. Kraft fokussiert auf Muskeln und Muskelaufbau, mit der Absicht das eigene oder fremde Gewicht entgegen der Schwerkraft und damit eher eindimensional zu heben. Beweglichkeit hingegen fokussiert auf den mehrdimensionalen Bewegungsraum in den Gelenken. Das ermöglicht das eigene oder fremde Gewicht mit seiner Trägheitskraft unter Nutzung der Schwerkraft in unterschiedlichste Berner Fachhochschule Institut Alter 82

83 Richtungen im Raum zu bewegen. Dies wird als Leichtigkeit erfahren, insbesondere bei der Gestaltung vertikaler Fortbewegungsaktivitäten. Die Variation dieser Bewegungselemente Zeit, Raum und Anstrengung sowohl in Eigen- als auch in Paarerfahrung wirkte sich nicht nur auf eine differenziertere Erfahrung der eigenen Bewegung aus, sondern auch auf wechselseitig wertschätzende Begegnungen. Der Vertrauensrahmen, welcher in den Kursmodulen aufgebaut wurde, ermöglichte es den Heimbewohnern alltagsrelevante Aspekte (z. B. zu schnelle oder zu frühe Supporthandlungen der Mitarbeitenden), lebensqualitätsrelevante Emotionen (z.b. Gefühl von Angst vs. Sicherheit in der Begleitung) oder hinderliche Umgebungsgestaltung (z.b. zu tief eingestellte Rollatoren) zu äussern und so von den Mitarbeitenden gehört zu werden. Was die Bedeutung des entdeckten Selbständigkeitspotentials für die Alltagsgestaltung der Heimbewohner betrifft, lassen sich die Nennungen in relevante Faktoren für a) die Handlungseinstellung, b) Handlungsausführung und c) Handlungsbewertung unterscheiden. Zusammengenommen lässt sich aus den Nennungen der Mitarbeitenden, Angehörigen und Freiwilligen eine hohe gestalterische Kraft der Heimbewohner hinsichtlich Selbständigkeit erkennen. Sie schreiben ihnen eine mutigere und zielorientierte Handlungseinstellung zu, in der Ausführung der Alltagsaktivitäten entdecken die Bewohner die notwendigen Ressourcen und finden die Lösung, die für sie passt. Sie tun das mit hoher Aufmerksamkeit und einem sehr differenzierten Körperempfinden und Spürsinn. In der Handlungsbewertung resultiert durch diese selbständigere Alltagsgestaltung mehr Freude und Zufriedenheit. Bei all den aufgezählten Faktoren gilt es zu bedenken, dass es sich um Attributionen der Mitarbeiter, Angehörigen & Freiwilligen handelt. Das bedeutet nicht, dass das psychische System der Heimbewohner tatsächlich so ausgestattet ist. Für die Supportgestaltung jedoch können solche Attributionen wichtige Weichenstellungen in die Richtung Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Heimbewohner darstellen. Zwei Themen, die nur in geringem Ausmass auftauchen, jedoch in höherem Masse bedeutsam sind, betreffen einerseits Gehhilfen, insbesondere den Rollator, und anderseits Nähe-Distanz im Zusammenhang mit der Interaktionsgestaltung. Es handelt sich gewissermassen um polare Aspekte. Der Rollator ermöglicht dem Heimbewohner, sich aus der Interaktion mit den Mitarbeitenden zu entfernen, bei der Nähe-Distanzproblematik (sich anfassen lassen) geht es um die unmittelbare Nähe zwischen Heimbewohnern und Mitarbeitenden durch Berührung. In beiden Themenbereichen steckt grosses Potential für Befähigung. Ebenso sehr sind sie mit Risiken im Sinne von Behinderung oder Einschränkung der Selbständigkeit behaftet. Richtige Handhabung des Rollators kann den Bewegungsradius ausser Haus massgeblich erweitern und gleichzeitig die Bewegungsfähigkeiten fördern. Ungünstige Handhabung dagegen fördert die Abhängigkeit und die Sturzgefahr, damit auch die Angst in Situationen ohne Rollator, was dazu führen kann, dass Situationen ohne Rollator vermieden werden und sich so der Bewegungsradius reduziert. Das Thema Nähe-Distanz sowie nicht pflegerisch erforderliche Körperberührungen sind aus professioneller Sicht oft tabubehaftet. Berührung ist bei pflegerischen Tätigkeiten oft zwingend und daher auch aus professioneller Warte erlaubt. In den Bewegungsmodulen findet eine andere Qualität von Körperberührung statt. Es sind Berührungen zur Erforschung und Erfahrung von spezifischen Bewegungsfähigkeiten. Eine dritte Form sind Alltagsberührungen (z. B. Hände halten, Umarmung). Diese vermitteln den Beteiligten unweigerlich eine persönliche Botschaft, im positiven Fall eine Form von Zuneigung. Im Heimalltag treffen zwei gegensätzliche Lebenswelten aufeinander. Der Berufsalltag der Mitarbeitenden mit dem professionellen Berührungsverständnis. Dieses fokussiert auf die für Pflege- und Betreuungshandlungen notwendigen Berührungen. Der Bewohner in seinem Lebensalltag dagegen sucht eher natürliche Alltagsberührungen, Berührung auch als körperliche Nahrung im zwischenmenschlichen Austausch. Haben Heimbewohner diesbezüglich einen Mangel, können sie unter Umständen pflegebedingte Berührungen als Ersatz in Anspruch nehmen. Das kann sich negativ auf die erwünschte Selbständigkeit der Heimbewohner auswirken. Statt dass sie beispielsweise sich selber waschen, lassen sie sich waschen, weil sie damit nicht nur gepflegt werden, sondern vielleicht noch wichtiger ihre Bedürftigkeit an körperlicher Nahrung in Form von Berührungen stillen können. Bewusst ausgeführte wechselseitige Berührungen zwecks Erforschung von Bewegungsfähigkeiten finden im Heimalltag kaum statt. Den Pflegenden fehlt dazu die Zeit, den Heimbewohnern fehlt die Anleitung und Begleitung. Gerade in solchen Prozessen kann jedoch Bewegungslernen und damit wirkungsvolle Befähigung stattfinden. In Alltags- und in erforschenden Berührungen steckt das grösste Befähigungspotential hinsichtlich Selbständigkeit im Alltag. Dies widerspricht jedoch dem professionellen Nähe-Distanz-Verständnis der Pflegeund Betreuungsfachpersonen. Berner Fachhochschule Institut Alter 83

84 4.4 Anwendung im Heimalltag Methode Nach jedem Modul wurden die Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen in Anwendungsmöglichkeiten des Modulinhalts hinsichtlich Befähigung der Heimbewohner eingeführt. Sie hatten die Aufgabe, bis zum nächsten Modul integriert in ihre Tätigkeit solche Anwendung auszuprobieren. Ihre Praxis, Beobachtungen und Reflexi0nen notierten sie auf vorstrukturierten Protokollblättern. Erwünscht war, dass sie pro Modul 1-2 Protokolle der Kursleitung abgaben. Damit wurden Daten erhoben, welche Hinweise gaben, wie erfolgreich die Mitarbeitenden während der Dauer des Bewegungskurses von 3-4 Monaten das Gelernte in ihrer Praxis anwenden konnten. Die Daten geben jedoch keine Auskunft über das gesamte Ausmass der Anwendungen. Die konkrete Anwendungsaufgabe war zweiteilig. 1. Zum einen sollten die Mitarbeitenden und Angehörigen darauf achten, was sie in einer konkreten Interaktion (Pflege, Betreuung, Begleitung) mit einem Heimbewohner verändern konnten und reflektieren, was ihnen das in ihrem Berufsalltag bzgl. Arbeitsqualität, Arbeitszufriedenheit, Arbeit mit Heimbewohnern, Zeitaufwand und eigene Gesundheit bringt. 2. Gleichzeitig sollten sie beobachten, was der Heimbewohner in dieser Interaktion in seiner Selbständigkeit verändern konnte und reflektieren, was ihm das hinsichtlich Lebensqualität, Sicherheit, Kommunikation mit Mitarbeitenden, Kontakt mit anderen Menschen und Gesundheit bringen könnte. Die ausgefüllten Protokolle wurden in eine vorstrukturierte Excel Tabelle eingetragen und nach den Protokollkategorien und weiteren Unterkategorien ausgewertet. Nachfolgend geht es um die Resultate der Auswertung von Aufgabe 2. Insgesamt sind 232 Protokollblätter ausgewertet worden Resultate Frage nach den Veränderungen des Heimbewohners in seiner Selbständigkeit Was konnte der Heimbewohner in seiner Selbständigkeit verändern? Die Auswertung beinhaltet den Grad der Befähigung bei der Durchführung relevanter Aktivitäten (Tabelle 51) und beim Gestalten von Bewegungslernen, d.h. Lernaktivitäten anhand der Bewegungsthemen des MH Kinaesthetics Konzeptsystems (Tabelle 52). In den Tabellen wird der Grad der Befähigung in drei Codes aufgeteilt: Code 1: der Heimbewohner konnte aktiv mitwirken, d.h. er wechselte von einer eher einseitigen Interaktionsform in eine schrittweise oder gleichzeitig-gemeinsame Interaktionsform 14 Code 2: der Heimbewohner konnte die Aktivität, bei welcher er bisher Unterstützung brauchte, selbständig durchführen Code 3: der Heimbewohner konnte sein bisheriges Bewegungsmuster verändern, d.h. er zeigte mehr Variabilität beim Lösen von Bewegungsproblemen, er nutzte das Kreativitätspotential seiner Bewegungsfähigkeiten, er konnte bisher ungenutzte Bewegungsfähigkeiten in sein Tun integrieren. Insgesamt haben die Mitarbeitenden 166 Interaktionen protokolliert, in welchen sie eine Befähigung der beteiligten Heimbewohner feststellen konnten (Tabelle 51). Die Befähigung fand in 19 Fortbewegungsaktivitäten 14 Interaktionsformen sind gemäss MH Kinaesthetics Konzeptsystem wie folgt definiert (Hatch et al., 2014, 11): Einseitige Interaktion: Die Bewegung des einen Teilnehmers ist unabhängig von der Bewegung des anderen. Nur einer folgt der Bewegung des anderen, ohne dass dieser die Bewegung des einen berücksichtigt. Schrittweise Interaktion: Die Begegnung zwischen den Teilnehmern ist verzögert, die Aktion des einen und die Aktion des andern geschehen nacheinander. Die Partner berücksichtigen zeitverzögert die Bewegung des anderen, um ihre eigene Bewegung zu gestalten, also schrittweise eine gemeinsame Aktivität durchzuführen. Gleichzeitig gemeinsame Interaktion: Die Bewegung der Teilnehmer ist übereinstimmend, die Aktion des einen und die Aktion des andern geschehen miteinander. Die Partner nutzen die Bewegung des anderen, um ihre eigene Bewegung zu gestalten, also in gleicher Zeit eine gemeinsame Aktivität durchzuführen. Berner Fachhochschule Institut Alter 84

85 mit total 122 Befähigungsinteraktionen und in 14 Bewegung am Ort Aktivitäten 15 mit total 44 Befähigungsinteraktionen statt. Tabelle 51: Befähigung der Heimbewohner bei der Durchführung relevanter Alltagsaktivitäten: Fortbewegungsaktivitäten und Bewegung am Ort-Aktivitäten. Legende: Code 1 = Bewohner konnte aktiv mitwirken; Code 2 = Bewohne konnte Aktivität neu selbstständig ausführen; Code 3 = Bewohner konnte Bewegungsmuster verändern. Konzept Aktivität Code Total Fortbewegung Aufstehen vom Stuhl Gehen Absitzen An Bettrand sitzen div. Bewegung im Bett (Hochrutschen, Drehen, Becken anheben etc.) 9 9 Treppe steigen Aufstehen vom Boden vom Stuhl auf Boden Transfer machen 2 2 Umgebung gestalten (z.b. Anpassen Sitzmöglichkeit) Tanzen 1 1 Im Stehen drehen 1 1 Platz wechseln 1 1 Förderliche Spazierrouten 1 1 In die Badewanne steigen 1 1 vom Rollstuhl Platz wechseln 1 1 Sachen vom Tisch wegräumen 1 1 Auf Stuhl nach vorne bewegen 1 1 Stuhl verschieben 1 1 Total Fortbewegungsaktivität Bewegung am Ort Anziehen (Hosen, Schuhe) Aufrichten, aufrecht sitzen Essen und trinken Ausziehen Körperpflege machen Atmen Bewegen im Rollstuhl 2 2 Stehen 2 2 Knöpfe schliessen 1 1 Essen auf Teller schöpfen 1 1 Nahrungsmittel auffüllen (Zucker etc.). 1 1 TV an- / ausschalten 1 1 Sich in Position bringen 1 1 Töpfern 1 1 Total Bewegung am Ort-Aktivität Gesamttotal Bei den Fortbewegungsaktivitäten dominieren 2 für die Erweiterung des Bewegungsradius äusserst relevante Aktivitäten: Aufstehen vom Stuhl (vertikale Fortbewegung) und Gehen (horizontale Fortbewegung). Aufstehen können ist aufgrund des vertikalen, d.h. entgegen der Richtung der Schwerkraft zu gestaltenden Bewegungsablaufs komplex. Bei vielen Menschen, insbesondere auch bei älteren, schwächeren Menschen kann 15 Bewegung am Ort Aktivitäten sind gemäss MH Kinaesthetics Konzeptsystem wie folgt definiert (Hatch et al., 2014, 29): Alle Funktionen, die nicht auf einen Ortswechsel angewiesen sind, gehören zu komplexen Funktion Bewegung am Ort. Dazu gehören innere (vitale) Bewegungsaktivitäten und willkürliche Bewegungsaktivitäten. Berner Fachhochschule Institut Alter 85

86 oft beobachtet werden, dass sie die Aktivität vor allem mit Kraft und Schwung, oft ohne die Hände unterstützend einzusetzen und insgesamt geringer Bewegungskontrolle durchzuführen versuchen. Fehlt die Kraft, dann besteht die Tendenz die Aktivität nicht oder weniger oft durchzuführen, den Bewegungsradius somit wesentlich einzuschränken, über längere Zeit sitzen zu bleiben, was letztlich zur Bettlägerigkeit führen kann. Das wiederum hat negative Auswirkungen auf vitale physiologische Prozesse wie Atmung, Blutkreislauf, Sauerstoffversorgung, Lymphdrainage, Verdauung u.a. (Maietta, 2008). Die Ergebnisse zeigen, dass bei den 41 befähigenden Interaktionen 17-mal der beteiligte Heimbewohner neu aktiv mitwirken konnte. 12 Mal konnten der Heimbewohner neu selbständig aufstehen, und 12-mal wurde ein verändertes Bewegungsmuster festgestellt. Sicher Absitzen (16 befähigende Interaktionen), d.h. sich mit hoher Kontrolle in Richtung der Schwerkraft bewegen (d.h. nicht fallen), ist ebenso wesentlich für die Lust an der Fortbewegung. Unsicherheit beim Absitzen kann dazu führen, dass man das Aufstehen eher vermeidet. Weitere 15 Interaktionen betreffen bzgl. Selbständigkeit sehr relevante Fortbewegungsaktivitäten, die jedoch im Alltag wenn möglich vermieden werden, weil sie oft angstbehaftet sind: Treppensteigen (6 Interaktionen), Aufstehen vom Boden (5) und vom Stuhl auf den Boden (4). Eine erfolgreiche Erfahrung beim Durchführen dieser Aktivitäten kann das Zutrauen der Heimbewohner zu ihren Fähigkeiten und Erwartungen hinsichtlich Selbständigkeit positiv beeinflussen. Ebenso kann das Zutrauen der Mitarbeitenden zu den Bewegungsfähigkeiten der Heimbewohner gestärkt werden. Bei den Bewegung am Ort Aktivitäten wurden beim Anziehen von Hosen und Schuhen mehr Selbständigkeit entdeckt. Es sind Aktivitäten, bei denen die Heimbewohner oft wissen, dass sie diese selbständig tun können. Es sind jedoch Aktivitäten, welche aufgrund von Zeitdruck von den Mitarbeitenden oft möglichst schnell erledigt werden, um mehr Zeit für andere Aktivitäten zu haben (z. B. Körperpflege). Es kann vermutet werden, dass gerade bei Bewegung am Ort Aktivitäten ein Fähigkeitspotential ungenutzt bleibt, weil die Heimbewohner dafür mehr Zeit benötigen würden als von den Mitarbeitenden aufgrund der Zeitschemata der Institution zur Verfügung gestellt werden kann. In den Protokollen wurden insgesamt 49 Beschreibungen zur Anwendung von Bewegungslernen ausgewertet (Tabelle 52). Dieses Ergebnis ist erstaunlich, da Bewegungslernen nicht pflegerische oder betreuerische Handlungen sind. Das heisst, sie mussten mit zusätzlichem Zeitaufwand geleistet werden. Tabelle 52: Befähigung im Gestalten von Bewegungslernen anhand der Bewegungsthemen des MH Kinaesthetics Konzeptsystems. Anzahl Nennungen pro Code und MH Kinaesthetics Konzept (vgl. Abbildung 3, S. 12). Legende: Code 1 = Bewohner konnte aktiv mitwirken; Code 2 = Bewohne konnte Aktivität neu selbstständig ausführen; Code 3 = Bewohner konnte Bewegungsmuster verändern. Konzept Unterthema Bewegungslernen Code Total Interaktion Sinne sich wahrnehmen; hemiplegische Körperseite wahrnehmen Bewegungs-elemente Bewegungsgeschwindigkeit variieren 1 1 Anatomie Knochen & Muskeln Muskeln anspannen und loslassen Knochen und Muskeln abtasten 1 1 Massen & Zwischenräume Zwischenräume lockern 1 1 Orientierung Beachten der Bewegungsrichtung der Massen Menschliche Bewegung Haltungs-& Transportbewegung Extremitäten bewegen; Bewegungsfreiheit der Gelenke erkunden Haltungs-& Kopf nicken, Kopf drehen Transportbewegung Anstrengung Ziehen und Drücken Lernen von ziehender und drückender Bewegung 2 2 Menschliche (Grund-) Position (Grund-) Position ausführen Funktion Fortbewegung Gewicht verlagern 1 1 Total Beim angewendeten Bewegungslernen fallen insbesondere die Themen (Grund-)positionen ausführen (Konzept Menschliche Funktion) sowie Bewegungsfreiheit der Gelenke erkunden (Konzept Menschliche Bewegung). Das erste Thema ist besonders relevant, weil jede Fortbewegung, sei sie vertikal oder horizontal, mit der sicheren Berner Fachhochschule Institut Alter 86

87 Gestaltung eines Wechsels von einer Position in eine andere verbunden ist. Vom Liegen ins Sitzen, vom Sitzen ins Stehen, vom Stehen ins Gehen zu kommen sind komplexe Bewegungsprobleme, welche je nach Bewegungsmuster mit mehr oder weniger Anstrengung gelöst werden können. Die Erfahrung stabiler Körperpositionen ist für diese Befähigung eine wichtige Grundlage. Bewegungslernen, welches das Erkunden der Bewegungsfreiheiten in den Gelenken beinhaltet, senkt die Körperspannung und verschiebt das Lösen von Bewegungsproblemen weg von Kraft resp. Muskeln hin zu Beweglichkeit resp. Gelenken. Die Vielfalt und Systematik der Bewegungsthemen gemäss dem MH Kinaesthetics Konzeptsystem bieten in vielen Alltagssituationen Möglichkeiten, kurze Sequenzen von Bewegungslernen in den Tagesablauf zu integrieren. Man kann von einem zweistufigen Prozess der Befähigung sprechen. Auf einer ersten Stufe führen die Pflege- resp. Betreuungsfachpersonen das Bewegungslernen zusammen mit Heimbewohnern durch (Anleiten, Begleiten), auf einer zweiten Stufe befähigen sie die Heimbewohner das Bewegungslernen soweit als möglich selber durchzuführen und in ihre Alltagsstruktur zu integrieren. Aufbauend auf diesen Anwendungen sollten die Mitarbeitenden anhand einer systemischen Frageformulierung einen Perspektivenwechsel vollziehen und den Nutzen der Interaktion aus der Warte und Erfahrung der Heimbewohner reflektieren (Fragen ) Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Lebensqualität Was bringt ihm / ihr die veränderte Selbständigkeit in seinem / ihren Lebensalltag hier im Heim in Bezug auf seine Lebensqualität allgemein? Tabelle 53: Bedeutung veränderter Selbständigkeit hinsichtlich Aspekte der Lebensqualität. Legende: Code 1 = Bewohner konnte aktiv mitwirken; Code 2 = Bewohne konnte Aktivität neu selbstständig ausführen; Code 3 = Bewohner konnte Bewegungsmuster verändern. Aspekte Lebensqualität Code 1 Code 2 Code 3 Total Zutrauen zu eigenen Fähigkeiten Freude, Strahlen, Aufblühen Würde, Integrität Linderung physisch & psychisch Entspannung Total Die Mitarbeitenden attribuieren den Heimbewohner in hohem Masse ein gesteigertes Zutrauen zu den eigenen Fähigkeiten. Dies insbesondere bei denjenigen, die die Aktivität neu selbständig oder mit einem veränderten Bewegungsmuster durchführen konnten. Beides entspricht dem kreativitätsbasierten Potentialansatz der Lebensgestaltung (vgl. Abbildung 1). Ins Gewicht fallen weiter die Lebensqualitätsaspekte Freude, Strahlen, Aufblühen sowie Würde und Integrität. Tabelle 54: Verteilung der Aspekte der Lebensqualität in die 4 Lebensbereiche Körper, Geist/Psyche, Soziokultur, Ökologie. Legende: Code 1 = Bewohner konnte aktiv mitwirken; Code 2 = Bewohne konnte Aktivität neu selbstständig ausführen; Code 3 = Bewohner konnte Bewegungsmuster verändern. Lebensbereiche Code 1 Code 2 Code 3 Total Geist/Psyche Körper Soziokultur Ökologie Total Betrachtet man die Verteilung der Lebensqualitätsaspekte in die vier Lebensbereiche, dann kommt einmal mehr die Bedeutung des geistig-psychischen Bereichs zum Ausdruck (Tabelle 54). Die körperlichen Aspekte betreffen insbesondere das Zutrauen zu eigenen Bewegungsfähigkeiten. Berner Fachhochschule Institut Alter 87

88 Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Sicherheit Was bringt ihm / ihr die veränderte Selbständigkeit in seinem / ihren Lebensalltag hier im Heim in Bezug auf Sicherheit? Tabelle 55: Verteilung der Aspekte der Sicherheit in die 4 Lebensbereiche Körper, Geist/Psyche, Soziokultur, Ökologie. Legende: Code 1 = Bewohner konnte aktiv mitwirken; Code 2 = Bewohne konnte Aktivität neu selbstständig ausführen; Code 3 = Bewohner konnte Bewegungsmuster verändern. Lebensbereiche Code 1 Code 2 Code 3 Total Geist/Psyche Körper Soziokultur Ökologie Total Sicherheit ist ein existenzielles Gefühl des Menschseins. Die Befähigung zu mehr Selbständigkeit bei relevanten Alltagsaktivitäten korreliert daher sowohl mit körperbezogenen ( ich kann ) als auch geistig-psychischen Aspekten der Sicherheit ( ich vertraue ). Umgebungsbezogene Aspekte haben weniger Gewicht (Soziokultur und Ökologie) Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Kommunikation Was bringt ihm / ihr die veränderte Selbständigkeit in seinem / ihren Lebensalltag hier im Heim in Bezug auf Kommunikation mit Mitarbeitenden? Tabelle 56: Bedeutung veränderter Selbständigkeit für den Nutzen bzgl. Austauschs zwischen Mitarbeitern und Heimbewohnern. Legende: Code 1 = Bewohner konnte aktiv mitwirken; Code 2 = Bewohne konnte Aktivität neu selbstständig ausführen; Code 3 = Bewohner konnte Bewegungsmuster verändern. Kategorien Code 1 Code 2 Code 3 Total Sich mitteilen können (Bedürfnisse, Erfahrungen etc.) Kommunikationsförderung über Bewegung Freude in der Interaktion Wertschätzung Vertrauensförderung Sicherheitsförderung Stärkung der Selbstkontrolle Total Bei Heimbewohnern, die eine Aktivität neu selbständig (Code 2) oder mit verändertem Bewegungsmuster (Code 3) durchführen können, beobachteten die Mitarbeitenden vermehrt die Fähigkeit, sich mitteilen zu können. Man kann die Vermutung anstellen, dass Veränderungen in diesen beiden Codes das Abhängigkeitsverhältnis von Heimbewohnern zu den Mitarbeitenden etwas vermindert. Bei Heimbewohnern, die bei schwierigen Aktivitäten vermehrt aktiv mitwirken (Code 1), wird Kommunikationsförderung über Bewegung vermutet. Das weist auf ein feineres Gespür für eigene Bewegungsreize sowohl bei den Heimbewohnern als auch bei den Mitarbeitenden hin, was gerade bei gleichzeitig gemeinsamen Interaktionen das bestimmende Kriterium ist. Berner Fachhochschule Institut Alter 88

89 Frage nach der Bedeutung der veränderten Selbständigkeit bzgl. Gesundheit Was bringt ihm / ihr die veränderte Selbständigkeit in seinem / ihren Lebensalltag hier im Heim in Bezug auf Gesundheit? Tabelle 57: Bedeutung veränderter Selbständigkeit für den Nutzen bzgl. eigener Gesundheit in den 4 Lebensbereichen Körper, Geist/Psyche, Soziokultur und Ökologie. Legende: Code 1 = Bewohner konnte aktiv mitwirken; Code 2 = Bewohne konnte Aktivität neu selbstständig ausführen; Code 3 = Bewohner konnte Bewegungsmuster verändern. Lebensbereiche Code 1 Code 2 Code 3 Total Geist/Psyche Körper Soziokultur Ökologie Total Die Mitarbeitenden erkennen bei den Heimbewohnern einen hohen Gesundheitsnutzen geförderter Selbständigkeit. Zwei Drittel der Nennungen liegen im körperlichen, ein Drittel im geistig-psychischen Bereich. Eine Gesundheitsmodell, das mit einem Anreizsystem für mehr Gesundheit operieren würde, könnte gemäss den Erfahrungen der am Bewegungskurs teilnehmenden Mitarbeitenden, einen wesentlichen Beitrag zur Gesundheitsförderung in Alters- und Pflegeheimen leisten. Rückstufungen von Heimbewohnern in Pflegestufen aufgrund verbesserter Gesundheit sollten sich für die Heimbewohner, die Mitarbeitenden und die Altersinstitution finanziell lohnen. 5 Zusammenfassung und Diskussion Die Produktivität der Bewohner wurde mit einem mehrperspektivischen Methodenansatz untersucht. Die von diesem Methodenmix gewonnenen Ergebnisse zeigen alle in dieselbe Richtung. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass eine Schulung gemäss dem Bewegungsmodell tatsächlich eine Produktivitätssteigerung der Bewohner in ihrer Alltags-Gestaltung bewirken kann. In diesem Teil ging es darum, den Einfluss der Bewegungsschulungen basierend auf dem Bewegungsmodell des Instituts Alter der Berner Fachhochschule auf die Produktivität der Selbstgestaltung der Heimbewohner zu untersuchen. Dazu wurden folgende Daten erhoben: - Bewegungskompetenz bei der Ausführung von Alltagsaktivitäten - Sturzbedenken - Selbstreflexion der Heimbewohner hinsichtlich ihrer Lebenswelt - Selbstständigkeitseinschätzung der Heimbewohner durch die Mitarbeiter - Anwendung des in den Schulungen Gelernten im Heimalltag durch die Mitarbeiter Bei 34 von 36 Bewohnern konnte nach den Schulungen in mindestens 2 Alltagsaktivitäten eine verbesserte Bewegungskompetenz festgestellt werden. Es hat sich gezeigt, dass gängige Assessment-Verfahren, die auf Messung von Leistungsparametern beruhen nicht geeignet sind, um Kompetenzentwicklung bei Alltags- Bewegungen festzustellen. Das im Rahmen der Studie entwickelte Assessment-Tool zur Erfassung der Bewegungskompetenz sollte in weiteren Studien weiterentwickelt und breit validiert werden. Die Sturzbedenken der Bewohner sind generell viel kleiner als die Bedenken der Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen, dass die Bewohner hinfallen könnten. Tendenziell sind die Bedenken der Angehörigen & Freiwilligen grösser als diejenigen der Mitarbeiter. Die Bewegungsschulungen konnten die Sturzbedenken der verschiedenen Teilnehmer-Gruppen senken. Bei den Bewohnern wurden die Bedenken auf sehr kleinem Niveau tendenziell noch kleiner. Die Mitarbeiter hatten nach den Schulungen offenbar mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Bewohner. Ihre Bedenken, dass diese hinfallen könnten, wenn sie alleine sind, nahmen signifikant ab. Die Angehörigen & Freiwilligen hingegen hatten nach den Schulungen offenbar mehr Vertrauen in ihre Begleit-Fähigkeiten. So hatten sie neu bei 6 von 18 Aktivitäten im Mittel gar keine Bedenken mehr, dass die Bewohner hinfallen könnten, wenn jemand bei ihnen ist. Berner Fachhochschule Institut Alter 89

90 Generell zeigte es sich, dass in der Lebenswelt der Heimbewohner die geistig/psychischen und soziokulturellen Aspekte eine höhere Bedeutung haben als die körperlichen. Dies gilt sowohl beim Betrachten der aktuellen Situation wie auch im Hinblick auf die Zukunft. Beim Begriff Bewegung haben die Bewohner grundsätzlich eine grosse Ressourcen- und Potentialorientierung. Nach den Schulungen nimmt die Ressourcenorientierung in Bezug auf Alltags-Aktivitäten sogar noch markant zu. Ausserdem haben sie eine klare Gestaltungsorientierung, d.h. sie wollen den (Heim-)Alltag aktiv mitgestalten. Insbesondere betrifft dies das Zusammenleben mit den anderen Bewohnern und die Alltagsgestaltung mit den Mitarbeitern. Bei der Frage nach dem Wichtigsten im Leben mit Blick auf die Zukunft, kommen Befürchtungen wie zunehmende Pflegebedürftigkeit, drohende Bettlägerigkeit sowie eine vertiefte Auseinandersetzung mit Sterben und Tod auf. Den Sinn des Lebens sehen sie zu einem grossen Teil in einer übergeordneten Aufgabe wie z.b. anderen Menschen zu helfen. Sinn erfahren sie zudem im konkreten Alltagshandeln (jeden Tag aufstehen und draussen spazieren gehen) wie auch Alltagserleben (zufrieden sein). Nach den Bewegungsschulungen schreiben sich die Bewohner eine deutlich verbesserte Alltags- Bewegungskompetenz zu. Sie entdecken Bewegungsfähigkeiten und finden neue Lösungen bei alltäglichen Bewegungsproblemen. Die Mitarbeiter und Angehörigen & Freiwilligen sahen während den Schulungen ein hohes Potential für mehr Selbstständigkeit der Heimbewohner. Im Durchschnitt beobachteten sie pro Heimbewohner in jedem Modul eine entsprechende Situation. Insbesondere waren sie sehr erstaunt darüber, dass die Mehrzahl der Bewohner in den Schulungen auf den Boden liegen und von dort wieder aufstehen konnte. Die Bedeutung dieses Potentials sehen die Mitarbeiter und Angehörigen & Freiwilligen vor allem darin, dass die Bewohner durch die Schulungen mehr Mut und Selbstvertrauen haben, beim Gestalten der Alltagsaktivitäten ressourcen- und lösungsorientierter vorgehen sowie ein deutlich besseres Körperempfinden haben. Die Mitarbeiter und Angehörigen & Freiwilligen vermuten, dass dies für die Bewohner mehr Freude und Zufriedenheit bedeutet. In total 232 dokumentierten Anwendungen zwischen den 12 Kurs-Modulen im Pflege- und Betreuungsalltag protokollierten die Mitarbeiter 166 Interaktionen, in welchen sie eine Befähigung der Bewohner bei der Gestaltung von Alltags-Aktivitäten feststellen konnten. Die Bedeutung dieser Befähigung sahen die Mitarbeiter vor allem in einer verbesserten Lebensqualität (Zutrauen zu eigenen Fähigkeiten, Freude, Würde). Weiter stellten sie fest, dass sich die Bewohner besser mitteilen konnten und dass eine verbesserte Kommunikation auch über die Bewegung möglich war. Berner Fachhochschule Institut Alter 90

91 Produktivität Supportgestaltung Mitarbeiter 1. Überblick In Bezug auf die Mitarbeitenden verfolgte die Bewegungsschulung die Absicht, dass sie Bewegungskompetenz in relevanten Aktivitäten der Kategorien 3 und 4 entwickeln (Abbildung 25). In relevanten Aktivitäten 3 sind Mitarbeiter und Heimbewohner in der Regel in direktem Körperkontakt (z.b. Aufstehen, Gehen). Spielt das wechselseitige Vertrauen, dann führt das bei beiden zu einer Senkung der Körperspannung und damit zu einer Reduktion des Kraftaufwandes, was die Nutzung der Schwerkraft für leichtere Bewegungsgestaltung ermöglicht. Die Reduktion des Kraftaufwandes bedeutet einerseits für den Heimbewohner mehr Bewegungsfähigkeiten für mehr Selbständigkeit nutzen zu können und anderseits für den Mitarbeiter weniger Supportaufwand leisten zu müssen. Idealerweise führt dies dazu, dass direkter Körperkontakt reduziert oder nicht mehr notwendig ist und sich die Interaktionsgestaltung in Richtung schrittweise oder einseitige Interaktion verändert. Aktivitäten 4 sind solche, welche die selbständige Alltagsgestaltung der Heimbewohner zulassen. Es betrifft das Eingreifen bei und Erledigen von Aktivitäten, die der Heimbewohner durchaus selbständig ausführen könnte. Wenn ein Heimbewohner beispielsweise sagt uns wird zu schnell geholfen oder ich könnte eigentlich die Schuhe selber anziehen und binden, aber in 80% der Fälle macht das die Pflegerin, dann sind das Hinweise auf Aktivitäten 4. Abbildung 25: Im 24h Tagesverlauf reihen sich die verschiedenen Berufs-Aktivitäten aneinander. Relevante Aktivitäten sind für die jeweiligen Mitarbeiter wichtige, befähigende Supportaktivitäten (Relevante Aktivität 3) oder wichtige, supportschonende Berufsaktivitäten (relevante Aktivität 4). Nachfolgend ein paar Beispiele für relevante Aktivitäten der Kategorien 3 und 4, welche die Mitarbeitenden auf die Frage Inwiefern könnte eine solche Bewegungsschulung Ihren Berufsalltag beeinflussen im Interview nach der Bewegungsschulung (A2) erzählt haben: Kategorie 3: selbständiger machen lassen Ich nehme sehr viel mit und kann sehr viel umsetzten, was wir von der Bewegung gelernt haben, aber auch vom Zwischenmenschlichen, Berührungen, und dass man da Vieles mitgeben kann. Ich versuche es auch meinen Mitarbeitenden mit zu geben, aber es ist ein Zeitproblem, ich versuche es, wenn ich Zeit habe, dass sie auch mehr auf den Bewohner eingehen und ihn selbständiger machen lassen. Kategorie 4: daneben zu stehen und einfach mal nichts zu machen und zu schauen, wie sie es machen Ich versuche seit dem Projekt, die Bewohner zu befähigen und mich selbst oder auch andere halt zu hinterfragen. Und vor allem auch, mir zu erlauben einfach mal daneben zu stehen und einfach mal nichts zu machen und zu schauen, wie sie das jetzt machen. Zum Beispiel ist mir einmal aufgefallen, dass ich, was ich aber auch weniger getan habe, Dinge, die jemandem runtergefallen sind, trotzdem aufgehoben habe. Und jetzt schaue ich einfach mal zu. Sie konnte es selbst wieder aufheben. Berner Fachhochschule Institut Alter 91

92 Kategorie 4: Manchmal gehen wir auch aus Zeitgründen raus Manchmal gehen wir auch aus Zeitgründen raus. Und genau dann staunen wir auch über das, was sie noch alles können und was möglich ist. Und noch viel mehr, wie schön es eigentlich ist, dass man sich so bewegen kann. Kategorie 4: aber ich kann noch weniger eingreifen Ich habe vorher bereits Wert darauf gelegt, dass ich nicht zu viel übernehme, aber ich kann noch weniger eingreifen oder einfach, ja es ist wirklich unglaublich, aber gerade gestern war eine Situation: Eine Kugel ist auf den Boden gefallen und meine erste Reaktion war, sie gleich aufzuheben, habe dann aber gemerkt, dass es nicht an mir ist, diese aufzuheben. Sie ist nicht mir auf den Boden gefallen und die Frau konnte das perfekt. Oder sich die Hände waschen zu gehen, anstatt dass man ihnen einen Lappen an den Tisch bringt. Die meisten können aufstehen und zum Lavabo und das selbständig machen gehen. Kategorie 3: dass man noch viel rausholen könnte, wenn man mal andere Bewegungen machen würde Manchmal kommt man nicht weiter und überlegt es sich, dass es auch einfacher ginge, einen anderen Weg zu gehen, um daran arbeiten zu können. Ich persönlich habe das Gefühl, dass man auf der Wohngruppe noch viel mehr herausholen könnte, wenn man mal andere Bewegungen machen würde. Mit dem Anziehen, Duschen, WC-Gang und solche Dinge, denke ich, sind wertvoller als in der Beschäftigung selbst. Kategorie 3: Das Einengen muss man zuerst einmal selbst erlebt haben Das Einengen, was wir bei den unterschiedlichen Abläufen gemacht haben, muss man zuerst einmal selbst erlebt haben: wenn man jemanden so an die Brust drückt. Das sind auch Dinge, die hängen bleiben und ich mir auch für die Teamsitzung vorgenommen habe, damit wir das vermehrt gegenseitig machen: mal jemanden vom Stuhl aufnehmen oder wie das ist, wenn ich dich dort drücke oder dir etwas mehr Raum gebe oder versuch mal selbst von diesem Stuhl aufzukommen, mach dich mal steif und versuch es. Kategorie 4: Dann sagte ich: sie ist mündig, sie darf gehen Zum Beispiel war da eine Frau, die nach F. wollte. Bei der Diagnose dachte ich: herrje. Dann sagte ich: sie ist mündig, sie darf gehen, sie hat einfach Wortfindungsstörungen und so. Gebt ihr einfach ein Kärtchen mit, im Falle, dass sie sich verirren würde. Und prompt ist sie irgendwo nicht mehr weitergekommen und dann hat sie jemand gefunden. Und die sagte dann: zum Glück hatte diese Frau ein Kärtchen dabei, weil sie es nicht hätte sagen können. Ich denke, trotz allem diese Fallschirme aufzubauen, aber trotzdem den Leuten etwas zuzutrauen. Kategorie 3: dass er dann selbst nach Anleitung aufstand ohne grossen Aufwand, aber einfach mit Zeit Jemand erzählte, dass bei ihnen ein Bewohner auf dem Boden war, vielleicht ausgerutscht Und dass er selbst aufstehen konnte, indem sie ihn zuerst einfach nur realisieren liessen, jetzt fällt man und dass man dann aufstehen müsse. Und dass er dann selbst nach Anleitung aufstand ohne grossen Aufwand, aber einfach mit Zeit, eben das Befähigen. Das ist mir geblieben und so genial. Das war ein Bewohner, der nicht teilgenommen hat, aber die Mitarbeiterin hat teilgenommen. Kategorie 4: dass man ein bisschen abwägt Dass man ein bisschen abwägt Das hat mir bereits viel gebracht. Auch beim Aufstehen soll man sie jetzt selbst machen lassen Eine mögliche Essenz von Befähigen als soziales Konstrukt: als ob wir miteinander Es ist einfach anders geworden Es ist schwierig zu erklären. Es ist quasi so, als ob wir Freizeit miteinander verbracht hätten Es ist wirklich anders. Um das Supportpotential der Mitarbeitenden zu erfassen und mögliche Schlussfolgerungen hinsichtlich gesundheitsökonomischer Produktivität von Support zu ziehen, wurden verschiedene Datenzugänge genutzt. 1. Interpretation selbständiger Alltagsgestaltung der Heimbewohner für die eigene Pflege-, Begleitungs-, Betreuungstätigkeit (Kp , S. 93). 2. Teilnehmende Selbstbeobachtung an den Bewegungsmodulen mit anschliessender Protokollierung der gemachten Erfahrungen eigener Supportfähigkeiten (Kp , S. 98) Berner Fachhochschule Institut Alter 92

93 3. Interpretation des an den Bewegungsmodulen entdeckten eigenen Potentials für selbständigkeitsförderliche Supportgestaltung bei Pflege-, Betreuungs- oder Begleitungstätigkeiten (Kp S. 100) 4. Teilnehmende Beobachtung bei der Anwendung befähigender Interaktionen mit Heimbewohnern mit anschliessender Protokollierung (Kp , S. 102). 5. Interpretation des Nutzens der erfahrenen befähigenden Interaktion für den eigenen Berufsalltag hinsichtlich Arbeitsqualität, Arbeitszufriedenheit, Austausch mit Heimbewohnern, Zeitaufwand und eigene Gesundheit (Kp. 0, S. 103). 2. Potentialeinschätzung der Mitarbeitenden 2.1 Einleitung Produktivere Supportgestaltung setzt voraus, dass die Mitarbeitenden einerseits das Potential der Heimbewohner für selbständigere Alltagsgestaltung entdecken und andererseits ihr eigenes Potential für selbständigkeitsförderliche Berufsgestaltung ausschöpfen. Mitzumachen an der Bewegungsschulung ermöglichte ihnen direkt zu erfahren, welches Potential an Selbständigkeit in den Heimbewohnern schlummert. Bei der Potentialeinschätzung der Mitarbeitenden geht es um einen selbstevaluativen Prozess. Die Mitarbeiter entwickeln ihre Selbstevaluationskompetenz in der Arbeit mit unterstützungsbedürftigen Menschen für wechselseitige Befähigung. Sie merken es, wenn sie einen Heimbewohner befähigen oder behindern. 2.2 Methode Unmittelbar nach den Bewegungsmodulen protokollierten und reflektierten die Mitarbeitenden ihre Erfahrungen und Beobachtungen in Bezug auf die Heimbewohner und in Bezug auf sich selbst. Konkret beantworteten sie folgende Fragen: 1. Was bedeutet das [d.h. das entdeckte Potential des Heimbewohners für selbständigere Alltagsgestaltung] für deine Pflege-/Betreuungs-/Begleitungsaufgabe mit dem/der Heimbewohner/in? Diese Frage nimmt Bezug auf die Antworten, welche die Mitarbeitenden auf die beiden vorangegangenen Protokollfragen formuliert hatten: a) Hast du entdeckt, erfahren, dass ein/e Heimbewohner/in Potential für mehr Selbständigkeit hat? Wenn ja, bei wem konkret? b) Was kann das für die Alltagsgestaltung des/r Heimbewohner/in bedeuten? 2. Hast du entdeckt, erfahren, dass du Potential hast, Heimbewohner mit weniger Aufwand in seiner/ihrer Selbständigkeit zu fördern? Wenn ja, wie konkret? 3. Was bedeutet das für deine Pflege-/Betreuungs-/Begleitungsaufgabe mit Heimbewohnern? Es konnten 285 ausgefüllte Fragebogen inhaltsanalytisch (Kategorien gemäss dem Modell der vier Lebensbereiche und der Handlungstheorie nach Kalbermatten (Kalbermatten, 1979; Kalbematten, 1985) quantitativ ausgewertet werden. 2.3 Resultate Frage nach der Bedeutung selbständiger Heimbewohner für die Mitarbeitenden Was bedeutet das Potential des Heimbewohners für mehr Selbständigkeit für deine Pflege-/Betreuungs- /Begleitungsaufgabe mit dem/der Heimbewohner/in? Abbildung 26 zeigt, dass die handlungstheoretische Bedeutung sich vor allem in den Bereichen Körper und Geist/Psyche niederschlägt. Körperbezogene Nennungen liegen vor allem in der Handlungsausführung sowie in der Handlungseinstellung. Im geistig-psychischen Bereich dominieren die Nennungen zur. Berner Fachhochschule Institut Alter 93

94 Handlungseinstellung und Handlungsbewertung. Im soziokulturellen Feld gibt es relativ wenige Nennungen, ungefähr die Hälfte davon zur Handlungsplanung, die andere Hälfte je zu ungefähr gleiche Teilen Handlungseinstellung, Handlungsausführung und Handlungsbewertung. Die umfangreichen Nennungen zu Handlungseinstellungen können einen Hinweis darauf sein, dass die Mitarbeitenden durch einen Einstellungswandel ihre Pflege-, Betreuungs- oder Begleitungsaufgabe mehr auf des erkannte Potential der Heimbewohner für mehr Selbständigkeit ausrichten wollen. Abbildung 26: Frage nach der Bedeutung selbstständiger Heimbewohner für die Mitarbeiter. Anzahl Nennungen bezüglich Handlungskonsequenzen. Tabelle 58: Bedeutung des Potentials der Heimbewohner bzgl. selbständigere Alltagsgestaltung für die Pflege-/Betreuungs-/ und Begleitungsaufgabe mit dem Heimbewohner bzgl. Handlungsplanung in körperlichen, geistig-psychischen und soziokulturellen Aspekten. Lebensbereich Handlungsplanung: Nennungen der Mitarbeiter Anzahl Körper Könnte Atemübungen bewusster in Bewegungsgruppe einbauen. Puls spüren. Im Takt Füsse wippen 2 Bettlägerige ev. regelmässig durchbewegen 1 mehr Kurzaktivitäten anbieten 1 mehr mit BW üben, damit Mut und Kraft kommt 1 Bewegung in den Alltag miteinbeziehen, z.b. "Turnen" vor dem Aufstehen 1 BW vermehrt Hilfe anbieten für Positionswechsel 1 BW Zeit und Bewegungsraum individuell ermöglichen 1 Total Handlungsplanung in körperlichen Aspekten 8 Geist/Psyche Den Willen und Träume nutzen 4 Total Handlungsplanung in geistig-psychischen Aspekten 4 Soziokultur Humor in der Pflege einbeziehen 10 jeden Tag Situation neu beurteilen, Tagesform des BW beachten, auch passive Unterstützung 1 Musik einsetzen, z.b. um BW anzuziehen 1 Bei genügend Sicherheitsgefühl z.b. zum Coiffeur gehen 1 Total Handlungsplanung in soziokulturellen Aspekten 13 Gesamttotal 25 Berner Fachhochschule Institut Alter 94

95 Etwas überraschend tauchen für die Handlungsplanung Aspekte auf, die eine besondere Qualität in die Begegnungen zwischen Mitarbeitenden und Heimbewohnern bringen können: Humor in die Pflege einbeziehen sowie den Willen und die Träume der Heimbewohner nutzen (Tabelle 58). Beide Aspekte können sich in verschiedener Hinsicht auf Befähigung auswirken. Humor senkt die Körperspannung, was die Beweglichkeit, resp. die Nutzung des Bewegungsspielraumes in den Gelenken fördert. Der Fokus wird weg vom pflegerischen, womöglich unangenehmen Akt auf ein gemeinsames Lachen gerichtet. Niedere Körperspannung verbunden mit Lachen kann schmerzlindernd wirken. Der Heimbewohner findet aus der Isolation seines Schmerzes heraus in einen psychisch anregenden Zustand und sozial ebenbürtigen Austausch. Den Willen des Heimbewohners einbeziehen heisst seinen Anspruch auf Selbstbestimmung respektieren und dadurch stärken. Das kann zur Folge haben, dass der Heimbewohner ein Bewegungsproblem ganz anders als vom Mitarbeiter erwartet löst. Träume auf der anderen Seite setzen gewissermassen Wille und Kontrolle ausser Kraft und eröffnen in einem idiolektisch geführten Gespräch Zugang zu unerwarteten Einsichten und inneren Lösungsressourcen. Humor, Wille und Träume sind Aspekte, welche in den Bewegungsschulungen aufgrund des Bewegungsmodells bewusst einen wichtigen Platz eingenommen haben. Tabelle 59: Bedeutung des Potentials der Heimbewohner bzgl. selbständigere Alltagsgestaltung für die Pflege-/Betreuungs-/ und Begleitungsaufgabe mit dem Heimbewohner bzgl. Handlungseinstellung in körperlichen, geistig-psychischen und soziokulturellen Aspekten. Lebensbereich Handlungseinstellung: Nennungen der Mitarbeiter Anzahl Körper Körpernähe hilft dem Bewohner 8 Der eigene Bewegungsablauf muss beachtet werden. 6 Bewohner in seiner Beweglichkeit nicht bremsen, sondern fördern 2 Bewohner sind wohl beweglicher und mobiler als wir annehmen 1 mehr Augenmerk auf Bewegung/Beweglichkeit versuchen im Alltag einzusetzen 1 Bewohner Zeit lassen zu spüren 1 immer wieder zu Bewegung anleiten 1 Bewusster Umgang mit dem Gleichgewicht inkl. Schritte üben, schauen "was geht" 1 Total Handlungseinstellung in körperlichen Aspekten 21 Geist/Psyche Erfahrungen machen 33 Vertrauen aufbauen 6 Autonomie erhalten und fördern (Bewohner weiss, was sie will) 1 den Bewohner mehr zutrauen 1 Total Handlungseinstellung in geistig-psychischen Aspekten 41 Soziokultur Respekt und Grenzen 2 Wille kann nicht aufgezwungen werden 1 Hilfe nur anbieten wo gewünscht 1 Bewohner motivieren, sich mehr zu bewegen, auszuprobieren was geht 1 Total Handlungseinstellung in soziokulturellen Aspekten 5 Gesamttotal 67 Was die Handlungseinstellung der Mitarbeitenden betrifft, so fallen Aussagen auf, die direkt auf die Bewegungsschulung zurückzuführen sind und eine neue Ausrichtung der Handlungseinstellung ermöglichen (Tabelle 59). Die systematischen Bewegungserforschungen zu zweit mit direktem Körperkontakt förderten ein neues Verständnis von Berührung und somit von Nähe-Distanz. Es ging weder um pflegerische, noch um Alltags- oder sexualisierte Berührungen, sondern um das Entdecken von Bewegungsfähigkeiten durch Partnererfahrungen, die im Verlaufe des Bewegungskurses systematisch und schrittweise aufgebaut wurden. In diesem Zusammenhang sind auch folgende Faktoren der Handlungseinstellung zu interpretieren. Das Bewusstsein, dass der eigene Bewegungsablauf beachtet werden muss, dass es immer darum geht Erfahrungen zu machen (was Pflege nicht zu einer repetitiven sondern kreativen Tätigkeit macht) und Vertrauen aufzubauen. Berner Fachhochschule Institut Alter 95

96 Tabelle 60: Bedeutung des Potentials der Heimbewohner bzgl. selbständigere Alltagsgestaltung für die Pflege-/Betreuungs-/ und Begleitungsaufgabe mit dem Heimbewohner bzgl. Handlungsausführung in körperlichen, geistig-psychischen und soziokulturellen Aspekten. Lebensbereich Handlungsausführung: Nennungen der Mitarbeiter Anzahl Körper Aufmerksam machen, mal z.b. rechts oder links zu probieren 10 Ausprobieren, was möglich ist 5 Zusammen Bewegungsabläufe kreativ entdecken 5 liegen lassen und ruhig aufstehen 1 Anspannung lösen, weniger verkrampft, locker sein 1 Bewusst machen, dass BW mit allen Sinnen, aufrecht und aufmerksam 1 spazieren gehen. Sitzpositionen können bewusst gewechselt werden 1 Rechte Seite immer wieder miteinbeziehen, wie z.b. das Begrüssen 1 beweglicher 1 BW bei Bewegung unterstützen 1 BW auf Möglichkeiten aufmerksam machen und Tipps geben 1 mehr Info was passiert beim Anfassen 1 BW ablenken wenn sie spaziert und auf den Boden schaut 1 könnte BW über die (harte) Rückseite abwärts ein paar Mal ausstreichen, beidseits zugleich. 1 BW aufmerksam machen, dass Positionswechsel Linderung bringen könnte 1 Ressourcen entdecken und fördern 1 Mehr Berührung 1 Total Handlungsausführung in körperlichen Aspekten 35 Geist/Psyche Total Handlungsausführung in geistig-psychischen Aspekten 0 Soziokultur Zu was ich BW motivieren kann 1 BW in ihrer Meinung auch unterstützen 1 HB ermutigen, Ressourcen zu nutzen 1 Erforschen, was möglich ist 1 informieren 1 Den kleinen Sachen am Wegrand Aufmerksamkeit schenken, ins Gespräch kommen miteinander 1 Sorgfältig und mit viel Gefühl z.b. Essen oder Trinken eingeben 1 Total Handlungsausführung in soziokulturellen Aspekten 7 Gesamttotal 42 Die Kreativität pflegerischer Interaktionsgestaltung kommt bei den erkundenden Handlungsausführungen zum Ausdruck (Tabelle 60). Diese Ergebnisse widerspiegeln gewissermassen die Essenz des Bewegungsmodells, sich durch Einschränkungen nicht einzuschränken sondern zu neuen Lösungen in variantenreicheren Bewegungsabläufen zu finden. Bei den Handlungsbewertungen überwiegen die Nennungen im geistig-psychischen Bereich (Tabelle 61). Das Thema Sicherheit hat besondere Bedeutung. Die Bewegungsschulung hatte einen positiven Einfluss auf die Sturzbedenken der Mitarbeitenden bzgl. der Heimbewohner. Dieser Effekt kommt hier ebenfalls zum Ausdruck. Zudem werden mit den Begriffen einfacher, Freude, Kreativität, Phantasie, Freiheit, spannend, Erleichterung, Abwechslung, Bestätigung und Vertrauen ein bunter Strauss motivationaler Faktoren für eine letztlich sinnerfüllende Tätigkeit aufgeführt. Berner Fachhochschule Institut Alter 96

97 Tabelle 61: Bedeutung des Potentials der Heimbewohner bzgl. selbständigere Alltagsgestaltung für die Pflege-/Betreuungs-/ und Begleitungsaufgabe mit dem Heimbewohner bzgl. Handlungsbewertung in körperlichen, geistig-psychischen und soziokulturellen Aspekten. Lebensbereich Handlungsbewertung: Nennungen der Mitarbeiter Anzahl Körper Leicht befähigende Unterstützung mittels Handreichen gibt den Bewohnern Sicherheit 2 Weniger Kraftaufwand bei der Mobilisation 2 Selbständigkeit ist weiter gewährleistet 2 Entlastung für MA 1 Total Handlungsbewertung in körperlichen Aspekten 7 Geist/Psyche Sicherheit 12 Es wird einfacher 6 Freude, wenn es den Bewohner gut geht 3 mehr Phantasie und Kreativität 2 mehr Freiheit 2 Spannend 1 Erleichterung 1 Abwechslung 1 Bestätigung 1 Vertrauen 1 Total Handlungsbewertung in geistig-psychischen Aspekten 30 Soziokultur Freude an der Arbeit und Zusammenarbeit 1 mehr Raum für MA 1 Durch positive Erlebnisse sind HB aufgestellter und Pflege geht besser 1 mehr Empathie 1 BW erlangt noch mehr Sicherheit und Stabilität 1 Total Handlungsbewertung in soziokulturellen Aspekten 5 Gesamttotal 42 Berner Fachhochschule Institut Alter 97

98 2.3.2 Frage nach dem Supportpotential der Mitarbeitenden Hast du entdeckt, erfahren, dass du Potential hast, Heimbewohner mit weniger Aufwand in seiner/ihrer Selbständigkeit zu fördern? Wenn ja, wie konkret? Aufgrund ihrer teilnehmenden Selbstbeobachtung während den Bewegungsmodulen entdeckten die Mitarbeitenden insbesondere im soziokulturellen Lebensbereich viel Potential, Heimbewohner mit weniger Aufwand in seiner Selbständigkeit zu fördern. Etwas weniger Nennungen gibt es im geistig-psychischen und körperlichen Lebensbereich. Im ökologischen Bereich sind nur wenige Nennungen zu verzeichnen (Abbildung 27). Abbildung 27: Frage nach der Bedeutung selbstständiger Heimbewohner für die Mitarbeiter. Anzahl Nennungen bezüglich dem Supportpotential der Mitarbeiter innerhalb der vier Lebensbereiche. Obwohl es bei pflegerischen Tätigkeiten resp. bei Arbeiten mit unterstützungsbedürftigen Menschen in hohem Masse um körperliche Arbeit handelt, sticht einmal mehr die überragende Bedeutung des geistig-psychischen und sozialen Anteils an dieser Arbeit auf. Bedenkenswert, dass die Mitarbeitenden in diesen Bereichen bei sich ein grosses Potential an Fähigkeiten orten. Eine befähigende Alters- und Pflegeheimkultur würde also bedeuten, Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Mitarbeitenden dieses Potential nutzen, d.h. in der täglichen Arbeit diese Fähigkeiten ins Spiel bringen können. Berner Fachhochschule Institut Alter 98

99 Tabelle 62: Bereiche innerhalb des MH Kinaesthetics Konzeptsystems und Bildungsmodells, in welchen sich die Mitarbeitenden Potential zuschreiben, wie sie die Heimbewohner mit weniger Aufwand in ihrer Selbständigkeit fördern können (Anzahl Nennungen über den Zeitraum der Kursdauer von 3-4 Monaten); typische Beispiele. Konzept Unterthema Potential Anzahl Interaktion Sinne all ihre Sinne einzusetzen bei ihren Bewegungen / 17 Fähigkeiten; Körperkontakt gibt Sicherheit Zeit-Raum-Anstrengung etwas bewusst leichter (mit weniger Anstrengung) 22 zu machen; Heimbewohner mehr Zeit lassen einseitige Interaktion Bewohner mehr selber probieren lassen, nicht zu 43 schnell helfen; Bewohner viel mehr machen lassen, auch wenn man als Pflegepersonal Angst hat schrittweise Interaktion Impulse geben z.b. an den Knien, Rücken, Schulter 25 (aber nicht mit viel Kraft); Nicht reissen ( lüpfen ), sondern die Balance halten und schrittweise mobilisieren Anatomie Massen & Zwischenräume Durch Bewegen der Zwischenräume 13 Orientierung Gewicht auf den Boden abgeben, Schwerpunkte 33 beachten; Am Bettrand HB durch Streichungen Bodenhaftung der Füsse unterstützen Menschliche Bewegungsmuster Gelenke eines anderen Menschen bewegen, war für 10 Bewegung mich neu; Spiralig aufstehen im eigenen Tempo Anstrengung Ziehen & Drücken Durch wenig Druck an für den Bewohner richtigen 11 Position bei der Mobilisierung; werde bewusst auf Zug und Druck schauen Umgebung Umgebungsgestaltung Natur kann von Beschwerden ablenken; Wenn HB neu einen Rollator möchte, genau abklären und hinschauen, warum und wieso. Welche Möglichkeiten gäbe es sonst noch 20 Total Konzeptsystem 194 Kompetenzfeld eigene Bewegung Der eigenen Bewegung bewusst sein, um die 16 Bewegung des Heimbewohner zu erleichtern; Eigener Bewegungsablauf kennen, akzeptieren Lernumgebung Neue Elemente, die zu Bewegung animieren, in den Alltag einflechten Übungsmöglichkeiten wahrnehmen, in Alltag integrieren 42 Total Kompetenzfeld 58 Diverse Kommunikation Indem ich Zeit gebe, auf Antworten warte durch 30 Nachfragen, ob ich richtig verstanden habe; Bewohner positive Rückmeldung (Zutrauen) Motivation Heimbewohner ermuntern, Übungen 14 weiterzuführen und die Möglichkeiten auszutesten; Befähigen, in dem ich ermutige, etwas zu tun Vertrauen Mehr zutrauen, auf verschiedene Art etwas zu tun / 11 auszuprobieren; Den Heimbewohnern beim Aufstehen und Absitzen zu helfen geht mit der gelernten Technik einfacher (sofern man den HB Vertrauen und Sicherheit geben kann) Einzelne Nennungen MH Kinaesthetics Konzept Menschliche Funktion: 16 Komplexe Funktion (6) Potential im Bereich Gefühl (5); Potential im Bereich Referenzaktivität (4); MH Kinaesthetics Konzept Anatomie/Knochen und Muskeln (1) Total Diverse 71 Gesamttotal 323 Berner Fachhochschule Institut Alter 99

100 Am meisten Potential für mehr Supportkompetenz orten die Mitarbeitenden in den Themen des Kinaesthetics Konzepts Interaktion (108 von total 323 Nennungen). Am deutlichsten in einseitiger Interaktion, das heisst die Heimbewohner machen lassen. Zudem erkennen sie Potential in schrittweiser Kommunikation, d.h. dem Bewohner in dialogischer Weise mit Impulsen zu folgen sowie in einer bewussteren Bewegungsgestaltung durch die Beachtung der Elemente Zeit und Anstrengung. Ein wichtiger Potentialbereich ist das Thema Orientierung im Konzept Anatomie. Die Mitarbeiter erkennen die Bedeutung der Bewegungsorientierung im Körper für leichte Supportgestaltung. Ein hohes Potential sehen sie zudem im Kompetenzfeld Lernumgebung im Alltag. Dabei liegt der Fokus darauf, die Ressourcen des Alltags für Bewegungslernen zu nutzen Frage nach der Bedeutung des eigenen Supportpotentials Was bedeutet dein Supportpotential für deine Pflege-/Betreuungs-/Begleitungsaufgabe mit dem/der Heimbewohner/in? Abbildung 28: Frage nach der Bedeutung selbstständiger Heimbewohner für die Mitarbeiter. Anzahl Nennungen bezüglich der Supportkompetenz der Mitarbeiter. Fast im gleichen Umfang äussern die Mitarbeiter die Absicht, ihre Supportkompetenz auf die Bewegung der Bewohner und auf die eigene Bewegung zu fokussieren (Abbildung 28, Tabelle 63). Das kann als Voraussetzung für wechselseitige Befähigung interpretiert werden. Von Bedeutung ist in dem Zusammenhang, dass es beim Fokus auf Bewegungskompetenz nicht um Zielfokussierung und erreichung, sondern um Echtzeit- Bewegungslernen geht, d.h. um das Lösen eines Bewegungsproblems durch das Entdecken von Bewegungsfähigkeiten. Berner Fachhochschule Institut Alter 100

101 Tabelle 63: Bereiche der Supportkompetenz, auf welche die Mitarbeitenden ihren Fokus legen, beim Befähigen der Heimbewohner in ihrer Selbständigkeit mit weniger Aufwand (Anzahl Nennungen über den Zeitraum der Kursdauer von 3-4 Monaten); typische Beispiele. Supportkompetenz Typische Beispiele Anzahl Bewegungskompetenz Bewohner mehr selber probieren lassen, nicht zu schnell helfen des Heimbewohners Bewohner anleiten, all ihre Sinne einzusetzen bei ihren Bewegungen / Fähigkeiten Neue Elemente, die zu Bewegung animieren, in den Alltag einflechten Mehr zutrauen, auf verschiedene Art etwas zu tun / auszuprobieren 126 Bewegungskompetenz des Mitarbeiters Der eigenen Bewegung bewusst sein, um die Bewegung des HB zu erleichtern Gelenke eines anderen Menschen bewegen, war für mich neu durch berührende Bewegungen begleiten, befähigen Die Anwendung des spiralförmigen Aufstehens 99 Beziehungsgestaltung Bewusst werden von Nähe und Distanz Mitarbeiter-Bewohner Bewohner miteinbeziehen Vertrauen schaffen Indem ich Zeit gebe, auf Antworten warte durch Nachfragen, ob ich richtig verstanden habe 48 Selbstständigkeit des gut gemeintes Helfen zurückstecken Bewohners BW konnte mit gezielter Anleitung alleine aufstehen Zeit und Raum geben zum Spüren, was HB selber können Nicht machen oder helfen, sondern beobachten 33 Selbstbestimmung des Bewohners Bewohnerin selbst entscheiden lassen, Bewohnerin weiss was für sie wie geht Bewegungsmuster von HB akzeptieren Bewohner machen lassen, selber Ideen entwickeln lassen Mit BewohnerIn im Gespräch sein, wo, wie, warum er/sie gerne möchte 20 Total 326 Berner Fachhochschule Institut Alter 101

102 3. Anwendung im Berufsalltag 3.1 Einleitung Nach jedem Modul wurden die Mitarbeitenden und Angehörigen & Freiwilligen in Anwendungsmöglichkeiten des Modulinhalts hinsichtlich Befähigung der Heimbewohner eingeführt. Sie hatten die Aufgabe, bis zum nächsten Modul integriert in ihre Tätigkeit solche Anwendung auszuprobieren. Ihre Praxis, Beobachtungen und Reflexi0nen notierten sie auf vorstrukturierten Protokollblättern. Erwünscht war, dass sie pro Modul 1-2 Protokolle der Kursleitung abgaben. Damit wurden Daten erhoben, welche Hinweise gaben, wie erfolgreich die Mitarbeitenden während der Dauer des Bewegungskurses von 3-4 Monaten das Gelernte in ihrer Praxis anwenden konnten. Die Daten geben jedoch keine Auskunft über das gesamte Ausmass der Anwendungen. Die konkrete Anwendungsaufgabe war zweiteilig: 1. Zum einen sollten die Mitarbeitenden und Angehörigen darauf achten, was sie in einer konkreten Interaktion (Pflege, Betreuung, Begleitung) mit einem Heimbewohner verändern konnten und reflektieren, was ihnen das in ihrem Berufsalltag bzgl. Arbeitsqualität, Arbeitszufriedenheit, Arbeit mit Heimbewohnern, Zeitaufwand und eigene Gesundheit bringt. 2. Gleichzeitig sollten sie beobachten, was der Heimbewohner in dieser Interaktion in seiner Selbständigkeit verändern konnte und reflektieren, was ihm das hinsichtlich Lebensqualität, Sicherheit, Kommunikation mit Mitarbeitenden, Kontakt mit anderen Menschen und Gesundheit bringen könnte. Die ausgefüllten Protokolle wurden in eine vorstrukturierte Excel Tabelle eingetragen und nach den Protokollkategorien und weiteren Unterkategorien ausgewertet. Nachfolgend geht es um die Resultate der Auswertung von Aufgabe 2. Insgesamt sind 372 Protokollblätter ausgewertet worden. 3.2 Resultate Frage nach Veränderungen in der Arbeit mit Heimbewohnern Was konnte ich bei meiner Arbeit mit einem Heimbewohner verändern? Von den total 226 Nennungen über Veränderungen in der Arbeit mit Heimbewohnern fallen gut die Hälfte auf Anleiten, Begleiten sowie Lernaktivitäten resp. Bewegungslernen (Tabelle 64). Das wirkte sich positiv auf die Selbständigkeit der Heimbewohner aus, insbesondere in einer aktiveren Beteiligung beim Gestalten der Aktivität (46 Nennungen) und in veränderten Bewegungsmustern (34 Nennungen). In 18 Fällen konnte der Heimbewohner die Aktivität neu selbständig durchführen. Von Bedeutung hinsichtlich Befähigung ist zudem die Veränderungen in der Beziehungsgestaltung mit den Heimbewohnern (37 Nennungen), was sich förderlich auf die Selbständigkeit der Heimbewohner auswirkte. Insgesamt bemerkten die Mitarbeitenden durch ihre veränderte Supportgestaltung 55 Situationen, in welchen sich die Heimbewohner aktiver beteiligten, d.h. mehr eigene Bewegungsfähigkeiten nutzten. In 51 Fällen konnten die Heimbewohner ihr Bewegungsmuster verändern, 31-mal konnten sie die Aktivität neu selbständig durchführen. Tabelle 64: Bereiche der Supportgestaltung, welche die Mitarbeitenden während der Interventionsdauer von 3-4 Monaten in ihrer täglichen Arbeit verändert haben. Anzahl der Nennungen in den jeweiligen Veränderungsbereichen. (Code 1:Aktiv mitwirken; Code 2: die Aktivität selbständig ausgeführt; Code 3: das eigene Bewegungsmuster verändert; 99: keine Zuordnung möglich). Veränderungsbereiche der Supportgestaltung Code Total Anleiten, Begleiten Beziehungsgestaltung, Qualität der Interaktion Lernaktivitäten, Bewegungslernen Nennungen mit Eigenbezug Nennungen ohne Zuordnung Total Berner Fachhochschule Institut Alter 102

103 Die veränderte Supportgestaltung betraf in 72 Fällen (Tabelle 65) vertikale Fortbewegungsaktivitäten, d.h. mit Positionswechsel verbundene Aktivitäten (Aufstehen vom Stuhl/Sofa, Bett, Boden, an den Bettrand sitzen), 19x horizontale Fortbewegung (Gehen, Treppensteigen). Vertikale Fortbewegung hat insofern besondere Bedeutung, dass damit Ortsfixierungen verhindert oder vorgebeugt werden kann (Sitzen bleiben, Liegen bleiben). Von insgesamt 188 betroffenen Aktivitäten fielen 114 auf Fortbewegungsaktivitäten und 74 auf Bewegung am Ort Aktivitäten (An-, Ausziehen, Essen und Trinken, Geschirr abräumen, Wäsche versorgen, Atmen sowie diverse). Tabelle 65: Aktivitäten, welche durch die veränderte Supportkompetenz betroffen waren. Anzahl Nennungen pro Heim. Betroffene Aktivitäten Heim-Nr. Total Aufstehen vom Stuhl / Sofa Absitzen Gehen Aufstehen vom Bett An- und Ausziehen Aufstehen vom Boden Essen und trinken An den Bettrand sitzen Geschirr abräumen / Wäsche versorgen Atmen Treppensteigen (rauf und runter) Diverse Bewegung an Ort Aktivitäten Diverse Fortbewegungsaktivitäten Total Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Arbeitsqualität Was bringt mir das in meiner Tätigkeit, in meinem Berufsalltag bzgl. Arbeitsqualität allgemein? Die veränderte Supportkompetenz der Mitarbeitenden wirkt sich in mancherlei Hinsicht positiv auf ihre subjektiv empfundene Arbeitsqualität aus (Tabelle 66 und Tabelle 67). Sie betrifft zu einem beachtlichen Teil eine grundsätzlich positive Auswirkung, die Zusammenarbeit mit den Heimbewohnern sowie die Achtsamkeit bei der Pflege-, Betreuungs- oder Begleitungstätigkeit. Wichtig ist auch der Aspekt, dass die Tätigkeit als Ressourcenarbeit erfahren wird, verbunden mit der Möglichkeit fundierte Bewegungsanleitungen zu geben und dann Freude an den Fortschritten der Heimbewohner zu empfinden. Tabelle 66: Nutzen der veränderten Supportgestaltung in Bezug auf Aspekte der Arbeitsqualität und innerhalb der vier Lebensbereiche. Anzahl Nennungen pro Heim. Qualitätsfaktor Heim-Nr. Total grundsätzlich positiv Zusammenarbeit HB-MA Achtsamkeit Ressourcenarbeit (entdecken, nutzen etc.) Bewegungsanleitungen Konzeptverständnis Fortschritte HB Gewicht tragen etc Multiplikatoren Effekt Sinnbezug Umgebungsgestaltung Würde, Integrität Total Berner Fachhochschule Institut Alter 103

104 Tabelle 67: Nutzen der veränderten Supportgestaltung in Bezug auf die vier Lebensbereiche. Anzahl Nennungen pro Heim. Lebensbereich Heim-Nr. Total Geist/Psyche Körper Soziokultur Ökologie keine Zuordnung möglich Total Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Arbeitszufriedenheit Was bringt mir das in meiner Tätigkeit, in meinem Berufsalltag bzgl. Arbeitszufriedenheit? Knapp ein Drittel der protokollierten Anwendungserfahrungen wirkten sich grundsätzlich positiv auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden aus (Tabelle 68). Wichtige Zufriedenheitsfaktoren sind die Erfahrung eines Erfolgserlebnisses bei der Supporttätigkeit, sei es ein persönliches oder ein gemeinsames mit dem Heimbewohner, die Freude über den Fortschritt der Heimbewohner, die Achtsamkeit in Bezug auf die eigene Arbeit sowie der Herausforderungscharakter der Arbeit, wenn es darum geht in schwierigen Supportsituationen Lösungen zu finden. Tabelle 68: Nutzen der veränderten Supportgestaltung in Bezug auf Aspekte der Arbeitszufriedenheit. Anzahl Nennungen pro Heim. Arbeitszufriedenheit Heim-Nr. Total grundsätzlich positiv eigenes oder gemeinsames Erfolg(serlebnis) Freude über Fortschritte HB Achtsamkeit eigene Arbeit Herausforderungsgehalt/Bewertung Arbeit (spannend, Lösungen finden) Bewegungsqualität Sicherheit Total Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Austausch mit Heimbewohnern Was bringt mir das in meiner Tätigkeit, in meinem Berufsalltag bzgl. Arbeit/Austausch mit Heimbewohnern? In Bezug auf den Austausch mit den Heimbewohnern fällt vor allem der Aspekt der Mensch-zu-Mensch Beziehung auf (Tabelle 69). Die Bewegungsschulung ermöglichte den Teilnehmern ihre Rolle als Mitarbeiter, Heimbewohner, Angehöriger oder Freiwilliger zu verlassen und sich auf gleicher Stufe als Mensch zu begegnen. Das scheint sich in den Anwendungen im Arbeitsalltag niederzuschlagen. Von Bedeutung ist zudem die Kommunikationsförderung über Bewegung, d.h. befähigende Interaktionsgestaltung mit nur wenig oder sogar ohne instruierende Worte sowie die Stärkung der Selbstkontrolle und des Vertrauens. Sprachliche Bewegungsinstruktionen sind meist für den Adressaten komplex, da sie aus einer Absenderperspektive auf die Adressatenbewegung ausgerichtet ist. Dabei muss der Adressat die Instruktion auf die eigene Bewegung übersetzen und bei der Ausführung nicht nur Missverständnisse korrigieren, sondern auch die Zeitverzögerung zwischen Instruktion und Ausführung bewältigen. Detaillierte verbale Bewegungsinstruktionen in Supportsituationen können eine Verstrickung der Beteiligten auf kognitiver Ebene auslösen und gleichzeitig die Nutzung von Bewegungsfähigkeiten einschränken. Die Verbindung von Beziehungsgestaltung auf einer Mensch- Berner Fachhochschule Institut Alter 104

105 zu-mensch Ebene, welche das Abhängigkeitsverhältnis des Heimbewohners zum Mitarbeiter zu einem gewissen Grad aufhebt, Kommunikationsförderung über Bewegung, Stärkung der Selbstkontrolle der Beteiligten sowie Vertrauens- und Sicherheitsförderung bietet eine optimale Grundlage zur Produktivitätssteigerung einerseits des Heimbewohners in möglichst selbständiger Alltagsgestaltung und anderseits des Mitarbeiters durch sparsamen Supportaufwand. Tabelle 69: Nutzen der veränderten Supportgestaltung in Bezug auf Arbeit und Austausch mit den Heimbewohnern. Verteilung der Häufigkeiten auf die 7 Heime. Arbeit und Austausch mit den Heim-Nr. Total Heimbewohnern Mensch-Mensch-Beziehung Kommunikationsförderung über Bewegung Stärkung Selbstkontrolle Vertrauensförderung Sicherheitsförderung Total Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. Zeitaufwand Pflege/Betreuung Was bringt mir das in meiner Tätigkeit, in meinem Berufsalltag bzgl. Zeitaufwands bei der Pflege resp. Betreuung? Zeit ist in personalintensiven Arbeitssituationen der Alters- und Pflegeheime aufgrund der Leistungsorientierung im Bereich der körperlichen Tätigkeiten der kritische Faktor für ganzheitliche Befähigung (Abbildung 25, S. 91). Die Internalisierung des Bewegungsmodells im Berufsalltag kann vor allem kurzfristig mit einem tatsächlich höheren Zeitaufwand verbunden sein (Tabelle 70). Ein Drittel der Nennungen ist zeitneutral, 27 Nennungen beschreiben einen Zeitgewinn. Bei 81 Nennungen wird ein höherer Zeitaufwand beschrieben, wovon jedoch 27 nur auf einen anfangs grösseren Zeitaufwand fallen. Bei 18 Nennungen ist zudem der höhere Zeitaufwand mit einem positiven Effekt auf den Heimbewohner verbunden. Tabelle 70: Nutzen der veränderten Supportgestaltung in Bezug auf Zeitaufwand bei Pflege und Betreuung. Verteilung der Häufigkeiten auf die 7 Heime. Codierung Gewinn (G): 3=Zeitgewinn, da die Mitarbeiterin infolge verbesserter Selbständigkeit des Heimbewohners andere Arbeiten erledigen kann. 2=aufwändige Supportaktivitäten können statt wie bisher zu zweit alleine durchgeführt werden; 1=nur wenig Zeitgewinn durch befähigenden Support; 0= zeitneutral; -1=befähigende Supportgestaltung braucht zwar mehr Zeit, hat aber einen positiven Effekt beim Heimbewohner; -2=braucht grundsätzlich mehr Zeit; -3=braucht nur anfangs mehr Zeit; -4=braucht grundsätzlich mehr Zeit. G Nutzen in Bezug auf Zeitaufwand Heim-Nr. Total infolge Selbständigkeit HB andere Arbeiten erledigen nur 1 statt 2 PP nötig wenig Zeitgewinn etwa neutral braucht anfangs mehr Zeit mit positivem Effekt HB braucht mehr Zeit mit positivem Effekt HB braucht anfangs mehr Zeit braucht mehr Zeit Total Berner Fachhochschule Institut Alter 105

106 3.2.6 Frage nach dem Nutzen für den Berufsalltag bzgl. eigener Gesundheit Was bringt mir das in meiner Tätigkeit, in meinem Berufsalltag bzgl. meiner eigenen Gesundheit? Mittel- und längerfristig sollte befähigende Support zu einem Zeitgewinn führen, wenn Heimbewohner mehr selber machen können und die Mitarbeitenden sie machen lassen. Man kann postulieren, dass sich dies in mehrfacher Hinsicht positiv auf die Gesundheit beider Aktoren auswirkt (vgl. dazu Tabelle 57und 71). Die Resultate sind beinahe identisch. In 97 von 171 Fällen nennen die Mitarbeitenden einen positiven Einfluss befähigender Supportgestaltung auf die körperliche Gesundheit, in 39 Nennungen betrifft er die geistigpsychische Gesundheit. Weitere 18 Nennungen sind grundsätzlich neutral, in nur 2 Fällen wird ein negativer Einfluss auf die eigene Gesundheit beschrieben Tabelle 71: Nutzen der veränderten Supportgestaltung für die eigene Gesundheit. Verteilung der Häufigkeiten auf die 7 Heime. Nutzen für eigene Gesundheit Heim-Nr. Total Körper Geist/Psyche Ökologie Soziokultur positiv neutral negativ Total Zusammenfassung und Diskussion Die Support-Produktivität der Mitarbeiter in ihrem Berufsalltag mit Heimbewohnern wurde mit einem mehrperspektivischen Methodenansatz untersucht. Die von diesem Methodenmix gewonnenen Ergebnisse zeigen alle in dieselbe Richtung. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass eine Schulung gemäss dem Bewegungsmodell tatsächlich eine Produktivitätssteigerung der Mitarbeiter bei ihren Support-Tätigkeiten bewirken kann. In diesem Teil ging es darum, den Einfluss der Bewegungsschulungen basierend auf dem Bewegungsmodell des Instituts Alter der Berner Fachhochschule auf die Produktivität der Supportgestaltung der Mitarbeiter zu untersuchen. Dazu wurden folgende Daten erhoben: - Sturzbedenken (vgl. S. 89) - Bedeutung selbstständiger Heimbewohner für den Berufsalltag der Mitarbeiter - Selbsteinschätzung des Support-Potentials der Mitarbeiter - Anwendung des in den Schulungen Gelernten im Pflegealltag der Mitarbeiter Wie bereits aufgezeigt wurde, nahmen die Bedenken der Mitarbeiter, dass die Heimbewohner stürzen könnten, wenn sie alleine eine Aktivität durchführen, nach den Schulungen signifikant ab. Das bedeutet, dass sie den Bewohnern mehr zutrauen und dadurch weniger Support-Aufwand leisten müssen. Mehr Selbstständigkeit der Bewohner schlägt sich in der Selbsteinschätzung der Mitarbeiter in folgenden Bereichen nieder: Haltung und Einstellung zu ihren pflegerischen Tätigkeiten sowie in der Planung, Durchführung und Bewertung ihres pflegerischen Handelns. Bemerkenswert ist dabei die Erkenntnis, dass die Mitarbeitenden zu einem neuen Verständnis des Themas "Nähe-Distanz" gelangen konnten. Ausserdem lernten sie vermehrt auf ihre eigene Bewegung bewusst zu achten. In der Handlungsausführung kommt eine grössere Kreativität in der Gestaltung des Supports zum Ausdruck. Das bedeutet, die Mitarbeiter waren besser in der Lage, bei Bewohnern mit körperlichen Einschränkungen, neue Lösungen in variantenreicheren Bewegungsabläufen zu finden. Berner Fachhochschule Institut Alter 106

107 In der Bewertung ihrer Support-Tätigkeiten nennen die Mitarbeiter eine Vielzahl von motivationalen Faktoren. Neben dem wichtigsten Thema Sicherheit, werden z.b. Begriffe wie Freude, Bestätigung, Kreativität, Phantasie, Freiheit, Erleichterung, Abwechslung und Vertrauen genannt. Die Mitarbeiter entdeckten während den Schulungen viel Potential vor allem im soziokulturellen Bereich. Dies kommt deutlich zum Ausdruck, wenn die Aussagen den Themen des MH Kinaesthetics Konzeptsystem zugeordnet werden. So fallen von total 323 Nennungen insgesamt 108 in das Konzept Interaktion. In ihren Anwendungsprotokollen zwischen den 12 Kurs-Modulen dokumentierten die Mitarbeiter, dass sie ihre Supportgestaltung zu Gunsten von mehr Selbstständigkeit der Bewohner verändern konnten. Die Veränderungen geschahen vor allem in den Bereichen Anleiten, Begleiten, Gestalten der Beziehungen und Bewegungslernen. Zu einem hohen Anteil geschahen diese Veränderungen bei Fortbewegungs-Aktivitäten (Aufstehen von Stuhl/Sofa/Bett/Boden, an den Bettrand sitzen, Gehen, Treppen steigen). Dies sind alles relevante Aktivitäten, die den Bewegungsradius des Bewohners massgeblich erweitern können. Den Nutzen der verbesserten Support-Kompetenz der Mitarbeiter zeigt sich in einer Verbesserung ihrer subjektiv empfundenen Arbeitsqualität und Arbeitszufriedenheit. Den Nutzen in Bezug auf den Austausch mit den Heimbewohnern sehen die Mitarbeiter vor allem im Aspekt der Mensch-Mensch Beziehung und zudem in der Kommunikationsförderung über die Bewegung. Die Umsetzung des Bewegungsmodells im Berufsalltag kann für die Mitarbeiter vor allem kurzfristig tatsächlich mit einem höheren Zeitaufwand verbunden sein. Mittel- und längerfristig sollte jedoch laut den dokumentierten Anwendungen befähigender Support zu einem Zeitgewinn führen, wenn Heimbewohner mehr selber machen können und die Mitarbeiter sie machen lassen. Zudem sehen die Mitarbeiter einen hohen Nutzen einer verbesserten Support-Kompetenz in Bezug auf ihre eigene körperliche und geistig/psychische Gesundheit. Berner Fachhochschule Institut Alter 107

108 Gesundheitsökonomie 1 Gesundheitsökonomische Aspekte des Bewegungsmodells Das Bewegungsmodell setzt bei verschiedenen Akteuren an. Zum einen sollen die Heimbewohner, dazu befähigt werden, relevante Alltags-Aktivitäten weiterhin selbstständig oder zumindest mit weniger Unterstützung auszuführen. Falls dies erreicht wird, kann von einer Produktivitätssteigerung der Heimbewohner gesprochen werden. Zum anderen sollen Mitarbeitende darin befähigt werden, ihre Unterstützung effektiver zu gestalten und damit eine Steigerung ihrer Supportgestaltungskräfte zu erzielen. Es wird davon ausgegangen, dass durch die Bewegungsschulung von sowohl Heimbewohner wie auch Mitarbeitenden der Pflegeaufwand insgesamt reduziert werden kann. Die Frage ist nun, welche ökonomischen Auswirkungen eine Reduktion des Pflegeaufwands in Institutionen der Langzeitpflege haben könnte. Eine Bachelor-Arbeit (Röthlisberger, 2015) des Fachbereichs Wirtschaft der Berner Fachhochschule ging dieser Frage nach. Die nachfolgenden Ausführungen sind in weiten Teilen dieser Bachelor-Arbeit entnommen. 2 Qualitative Effekte von Bewegungsschulungen Körperliche Aktivität ist auch im höheren Alter eine wichtige Grundlage für eine selbstständige Alltagsgestaltung. Neben den direkten positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, kann dadurch auch die Pflegebedürftigkeit herausgezögert oder sogar vermieden werden (Geuter, 2012). Die körperliche Leistungsfähigkeit ist einer der bedeutendsten und wirksamsten Schutzfaktoren für die eigene Gesundheit. Diese Fähigkeit sollte daher nicht zuletzt gerade bei älteren Menschen gezielt gefördert und trainiert werden (Weisser et al., 2009). Durch mehr Bewegung bei alten und hochaltrigen Menschen liesse sich nicht nur deren Gesundheit positiv beeinflussen, sondern es könnten dadurch auch Gesundheitskosten gesenkt werden. Ausserdem kann mit einem tieferen Pflegebedarf gerechnet werden, wenn Heimbewohner mehr Tätigkeiten selbstständig oder mit weniger Unterstützung durch die Pflegenden verrichten können. Es wird erwartet, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen davon vor allem in zeitlichen Einsparungen beim Pflegepersonal spürbar werden. Ein weiterer wichtiger Kostenfaktor in der Langzeitpflege sind die Folgekosten von Stürzen. Beinahe 40% der Heimbewohner stürzen einmal im Laufe eines Jahres. Diese Stürze verursachen bei knapp einem Drittel der Fälle Knochenbrüche (Bundesamt für Statistik, 2014a). Laut einer amerikanischen Studie belaufen sich die Durchschnittskosten eines typischen Pflegeheimsturzes auf rund 1'450 USD (Caroll et al., 2008). Mit Massnahmen zur Reduktion des Sturzrisikos kann damit nicht nur menschliches Leid verringert werden, sondern sie sind auch aus rein volkswirtschaftlichen Überlegungen sinnvoll. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass Bewegungsprogramme zur Förderung des Muskelaufbaus, Gleichgewichtstraining oder Tai Chi, eine Reduktion der Sturzquote unter den Teilnehmern im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von 31-55% bewirken konnte (Carande-Kulis et al., 2015). Es wird angenommen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes umso höher ist, je mehr Bedenken eine Person hat, sie könnte stürzen (Tideiksaar, 2008). Wie in Kap. 0 (S. 50ff) gezeigt, kann die bewegungsbasierte Schulung zu einer Reduktion der Sturzbedenken führen und damit zu einer weiteren wichtigen Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer dementiellen Erkrankung und den funktionalen Fähigkeiten eines Menschen. Bewohner, die an einer Demenz erkrankt sind, zeigen öfter Einschränkungen in der Ausführung von Alltagsaktivitäten als solche, die nur eine kognitive Einschränkung oder Verhaltensstörung aufweisen (Kaeser, 2012). In einer Meta-Analyse (Vogel et al., 2009) konnte gezeigt werden, dass physische Aktivität das Risiko an Alzheimer zu erkranken verringert. Im Jahr 2009 betrugen die Kosten, welche dementielle Erkrankungen in der Schweiz verursachen, 6.94 Mia CHF (Schweizerische Alzheimervereinigung, 2015). Dabei ist der Grossteil dieser Kosten auf die Betreuung und Pflege zurückzuführen. Mit einer Bewegungsschulung gemäss dem hier vorgestellten Bewegungsmodell könnten demnach sowohl über die präventive Wirkung Kosten eingespart, wie auch Einsparungen bei der kostenintensiven Pflege erreicht werden. Berner Fachhochschule Institut Alter 108

109 3 Bedeutung der wirtschaftlichen Auswirkungen auf die verschiedenen Anspruchsgruppen Die wirtschaftlichen Auswirkungen betreffen nicht nur die Heimbewohner und die Institutionen der Langzeitpflege sondern auch das Pflegepersonal, die jeweiligen Kantone und die involvierten Krankenkassen. 3.1 Das Abrechnungssystem Bewohner werden bei Heimeintritt und danach regelmässig in eine von 12 Pflegestufen eingeteilt. Dabei werden jene Leistungen erfasst, welche nicht im Pensionspreis inbegriffen sind, sondern wegen des Gesundheitszustandes des Bewohners für dessen Pflege notwendig sind. Je nachdem in welcher Stufe ein Bewohner eingeteilt ist, hat der entsprechende Bewohner Anrecht auf eine entsprechende Anzahl Pflegeminuten pro Tag. Tabelle 72: Die vom Kanton Bern festgelegten Kostenobergrenzen für das Jahr 2015 (Quelle: Verband Berner Pflege- und Betreuungszentren, 2015 in Röthlisberger, 2015). Mit Hilfe von Tabelle 72 lassen sich die potentiellen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die verschiedenen Anspruchsgruppen gut nachvollziehen. 3.2 Heimbewohner Mit zunehmender Pflegebedürftigkeit nimmt der für die Heimbewohner anfallende Kostenanteil nur geringfügig zu. Die Grundkosten für Infrastruktur und Hotellerie/Betreuung fallen für alle Pflegestufen gleich hoch aus (im Jahr 2015 waren das CHF). Der von den Bewohnern selber getragene Anteil an den Pflegekosten beträgt im Jahr 2015 im Kanton Bern in der Stufe 1 maximal 1.45 CHF, in Stufe CHF und ab Stufe CHF. Für die Heimbewohner ergeben sich daher aus rein ökonomischer Sicht keine grossen Sparmöglichkeiten. Wenn man annimmt, dass durch die Bewegungsbasierte Schulung eine Verbesserung innerhalb der Pflegestufen möglich ist, würden die Bewohner nur bei einer Verbesserung innerhalb der ersten vier Stufen sparen können. Bei den übrigen Stufen besteht für die Bewohner, kein finanzieller Anreiz eine Stufenverbesserung zu erzielen. Die in Kap 2 (S. 108) genannten positiven Effekte auf ihre Gesundheit und die Selbstständigkeit sollten den beschränkten finanziellen Nutzen für die Heimbewohner ab der vierten Stufe aber bei weitem kompensieren. 3.3 Pflegepersonal Es ist anzunehmen, dass das Pflegepersonal von den wirtschaftlichen Auswirkungen nur indirekt betroffen ist. Viele professionell Pflegende leiden an diversen gesundheitlichen Problemen. In einer Umfrage sahen immerhin Berner Fachhochschule Institut Alter 109

110 65.3% der befragten Pflegenden ihre genannten Beschwerden in einem direkten Zusammenhang mit ihrer Arbeit (Zúñiga et al., 2013). Die durch die schwere körperliche Arbeit entstandenen Beanspruchungsfolgen beim Pflegepersonal stehen dabei in deutlichem Zusammenhang mit den pro Bewohner und Tag geleisteten Pflegestunden (Trinkoff et al., 2005). Die bewegungsbasierte Schulung könnte für die Pflegenden präventive Wirkung haben und damit auch Kosten für die Kranken- und Sozialversicherungen senken. Eine grössere Selbstständigkeit der Bewohner als Effekt einer Bewegungsschulung könnte ausserdem der Überbelastung des Pflegepersonals entgegenwirken. Eine Studie zur Arbeitssituation im Pflegebereich des Kanton Bern ergab, dass das Pflegepersonal im Durchschnitt pro Tag 22 Minuten zusätzlich benötigen würde, um gemäss eigener Einschätzung eine angemessene Pflege leisten zu können (Künzi & Schär Moser, 2002). D.h. bereits eine kleine zeitliche Einsparung aufgrund erhöhter Selbstständigkeit einzelner Bewohner könnte das Pflegepersonal entlasten und die selbstwahrgenommene Pflegequalität verbessern. 3.4 Institutionen der Langzeitpflege Je selbstständiger Heimbewohner ihren Alltag gestalten können, desto weniger Pflegeleistungen müssen von ihnen in Anspruch genommen werden. Sinkende Pflegebedürftigkeit der Heimbewohner schmälert damit aber auch die Einnahmen der Pflegeheime. Mit anderen Worten: je pflegebedürftiger die Bewohner einer Institution der Langzeitpflege sind, desto höher fällt der durch das Heim resultierte Umsatz aus. Aus rein ökonomischer Sicht sind die Heime nicht daran interessiert, die Gesundheitssituation der Bewohner zu verbessern. Nichtsdestotrotz könnte eine Bewegungsschulung, welche in vielen Institutionen eingesetzt würde, dazu beitragen den drohenden Fachkräftemangel in der Langzeitpflege zu bekämpfen. Gemäss der Umfrage von Zúñiga et al. (2013) gaben rund ein Viertel der Befragten an, dass sie einmal alle zwei bis sieben Arbeitstage Überzeit leisten würden. Für den Arbeitgeber entstehen bei Überstunden höhere Kosten als bei regulär erbrachten Arbeitsstunden. Eine Reduktion der geleisteten Überstunden, als indirekte Folge der bewegungsbasierten Schulungen, könnte daher für die Institutionen wirtschaftlich von Vorteil sein. 3.5 Krankenkassen Gemäss den Kostenobergrenzen (s. Tabelle 72) besteht ein linearer Zusammenhang (im Jahr 2015: 9 CHF pro Stufe) zwischen Pflegestufe und der durch die Grundversicherung gedeckten Kosten. Eine Abnahme des Pflegebedarfs wirkt sich demnach ganz direkt auf die von den Krankenkassen zu erbringenden Leistungen. Die aufgrund der bewegungsbasierten Schulung verbesserte Pflegestufe könnte folglich auch die Krankenkassen und damit letztendlich auch die Prämienzahler finanziell entlasten. Ausserdem wirkt sich das verminderte Sturzrisiko ebenfalls positiv auf die Krankenkassen aus: Jeder verhinderte Sturz führt auch zu Einsparungen bei den Krankenkassen. Auch die Reduktion der berufsbedingten Gesundheitskosten beim Pflegepersonal würde sich positiv auf die Krankenkassen auswirken. 3.6 Kantone Auch bei den Kantonen besteht ab der 3. Pflegestufe ein linearer Zusammenhang zwischen Pflegestufe und dem maximalen Anteil der vom Kanton übernommenen Kosten. Damit kämen die positiven Effekte auf die Pflegestufen auch den Kantonen zu Gute. 4 Modellberechnungen Gemäss dem heutigen Abrechnungssystem verändert sich mit zunehmender Pflegestufe auch die Kostenstruktur in Institutionen der Langzeitpflege. Änderungen in der Pflegestufenstruktur einer Institution haben damit direkte Auswirkungen auf den Ertrag der Institution. Anhand einer Modellrechnung mit 3 Szenarien soll aufgezeigt werden, wie stark sich die Einnahmen bei einer Veränderung der Stufenstruktur ändern. Für die Modellrechnung wurde die Pflegestufenstruktur per von Heim-Nr. 2 verwendet. 4.1 Szenario 1: Stufenverschlechterung erst nach 3 Monaten In diesem Szenario wird angenommen, dass als Folge der Bewegungsschulung die durch das Alter kontinuierlich fortschreitende Verschlechterung der Pflegestufe im Durchschnitt um 3 Monate hinausgezögert wird. Berner Fachhochschule Institut Alter 110

111 Tabelle 73: Die jährlichen finanziellen Auswirkungen von Szenario 1 auf Heim-Nr. 2 (Quelle: Röthlisberger, 2015). Je nach Teilnahmequote würden für das Heim Einbussen zwischen 33'596 CHF und 67'193 CHF pro Jahr entstehen. 4.2 Szenario 2: Stufenverschlechterung erst nach 6 Monaten In diesem Szenario wird angenommen, dass als Folge der Bewegungsschulung die durch das Alter kontinuierlich fortschreitende Verschlechterung der Pflegestufe im Durchschnitt um 6 Monate hinausgezögert wird. Tabelle 74: Die jährlichen finanziellen Auswirkungen von Szenario 2 auf Heim-Nr. 2 (Quelle: Röthlisberger, 2015). Bereits eine Verzögerung um sechs Monate hätte für das Modellheim grosse finanzielle Auswirkungen. Je nach Teilnahmequote würden für das Heim Einbussen zwischen 67'193 CHF und 134'356 CHF pro Jahr entstehen. Berner Fachhochschule Institut Alter 111

112 4.3 Szenario 3: Stufenverschlechterung erst nach 12 Monaten In diesem Szenario wird angenommen, dass als Folge der Bewegungsschulung die durch das Alter kontinuierlich fortschreitende Verschlechterung der Pflegestufe im Durchschnitt um 12 Monate hinausgezögert wird. Tabelle 75: Die jährlichen finanziellen Auswirkungen von Szenario 3 auf Heim-Nr. 2 (Quelle: Röthlisberger, 2015). Eine Verzögerung um 12 Monate hätte für das Modellheim sehr grosse finanzielle Auswirkungen. Je nach Teilnahmequote würden für das Heim Einbussen zwischen 134'386 CHF und 268'771 CHF pro Jahr entstehen. Dies entspricht einer Einbusse zwischen 10% und 20% der Einnahmen ohne Verzögerung der Stufenverschlechterung. 5 Schlussfolgerungen und Empfehlungen Die Modellberechnungen zeigen, dass eine verbesserte Gesundheit der Bewohner (tiefere Einstufung in den Pflegstufen) Institutionen der Langzeitpflege finanziell belastet. Aus einer rein ökonomischen Sicht besteht demnach für die Institutionen kein Anreiz den Pflegebedarf der Bewohner zu senken. Die für jede weitere Pflegestufe zusätzlichen Einnahmen in Form von Pflegetaxen schaffen ein falsches Anreizsystem. Ein Leiter eines an der Studie teilnehmenden Heimes sagte es sinngemäss so: "Ich finde sehr gut, was ihr mit der Bewegungsschulung vorhabt. Und ich will dies auch meinen Bewohner zu Gute kommen lassen. Aber das Ganze ruiniert mich finanziell." Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dies sehr ungünstig. Durch das verminderte Sturzrisiko, dem kleineren Erkrankungsrisiko und der grösseren Selbstständigkeit der Heimbewohner mit dem damit verbundenen sinkenden Pflegebedarf sowie den positiven Effekten auf das Wohlbefinden der Pflegenden könnten nämlich sehr wohl Gesundheitskosten eingespart werden. Berner Fachhochschule Institut Alter 112

113 Intergenerativität 1 Intergenerativitätsmodell Die Bewegungsschulung anhand des Bewegungsmodells sollte sowohl in einen alltags- als auch in einen gesellschaftsnahen Kontext gestellt werden. Alltagsnähe wurde durch die verschiedenen Inhalte des Bewegungsmodells (Alltagsbewegung, relevante Alltagsaktivitäten, Alltagsumgebung, Alltagsthemen, Eigensprache, alltäglicher Sozialraum) operationalisiert. Gesellschaftsnähe sollte durch das Miteinander verschiedener Gesellschaftsgruppen und Generationen installiert werden. Die unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen entsprachen den verschiedenen Teilnehmergruppen (Heimbewohner, Mitarbeitende, Angehörige, Freiwillige, Kinder und ihre Bezugspersonen). Die verschiedenen Generationen lassen sich in die drei Gruppen Kinder (zwischen 3-10 Jahre alt), Personen im mittleren Alterssegment (Mitarbeitende zwischen 27 und 66 Jahren, Angehörige & Freiwillige zwischen 51 und 77 Jahren) sowie alte Menschen (34 Teilnehmer im Alter von 80-96) einteilen. Da das Bewegungsmodell erstmals im intergenerativen Kontext durchgeführt wurde, hat die Interventionsstudie diesbezüglich vor allem explorativen Gehalt. Die erfassten Daten sollen in erster Linie dazu dienen, die wesentlichen curricularen Elemente eines bewegungsbasierten Intergenerativitätsmodells empirisch zu konkretisieren. Die Suchoptik richtet sich auf einer übergeordneten Ebene auf den Inhalt des Begriffs inter, welcher die beiden Generationen Kinder und alte Menschen (Heimbewohner) im Sinne eines integrativ-partizipativen Prozesses verbindet. Aus systemtheoretischer Sicht stellt die Bewegungsschulung ein spezifisches, hochkomplexes soziales System dar, das sich nur durch Kommunikation aufrechterhält. Dort wo die Kommunikation zwischen den Vertretern der verschiedenen Generationen abbricht, zerfällt das soziale System (Luhmann, 1997, 22; Luhmann 1984 zit. N. Baecker 2005, 87). Mit diesem systemtheoretischen Verständnis des Begriffs inter sind nicht die Teilnehmer der intergenerativen Bewegungsgruppe die wesentlichen Grundelemente des sozialen Systems, sondern deren Kommunikation. Es geht demnach darum, systemlogische Kommunikationsmöglichkeiten zu etablieren, welche gewährleisten, dass sich die Kommunikation zwischen Kindern und Heimbewohner über die Dauer des Bewegungskurses fortsetzt. Der dem System zugrundeliegende Code ist die eigene Bewegung der Teilnehmer. Es gilt diesen Code in verschiedene Möglichkeiten und Inhalten der Kommunikation mit Alltagsbezug aufzuschlüsseln. Die Teilnehmer einer bewegungsbasierten, intergenerativen Bewegungsgruppe sind bzgl. Kommunikation in hohem Masse durch das Zusammenwirken eines komplexen Auswahlprozesses gefordert: (1) Die Auswahl einer Information aus einer Informationsfülle, (2) die Auswahl der Mitteilung dieser Information und schliesslich (3) das selektive Verstehen oder Missverstehen dieser Mitteilung und ihrer Information (Luhmann, 2013, 8ff). Diese fortlaufende Selektion macht deutlich, wie unscharf soziale Systeme kommunizieren. Alle Beteiligten, insbesondere jedoch Kinder und Heimbewohner müssen also gezwungenermassen einen hohen Kommunikationsaufwand leisten, damit sie sich während den einzelnen Kursmodulen in ihrem menschlichen Erleben und Handeln sinnvoll orientieren können. Die Gestaltung des inter muss sich auf Formen der Kommunikation ausrichten, welche die wechselseitige Anschlussfähigkeit und Fortsetzungslust der Kinder und der Heimbewohner gewährleistet. Ausgerichtet auf die Zielsetzung, Effekte einer gemeinsamen Bewegungsschulung von Heimbewohner und Kindern anhand von Messkriterien im körperlichen, geistig-psychischen und im soziokulturellen Lebensbereich zu evaluieren, soll versucht werden folgende zweigleisige Fragestellung zu explorieren: Wie kommen und bleiben Kinder und Heimbewohner miteinander in Kommunikation und worüber unterhalten sie sich? 2 Methoden Um einen breiten Datensatz zu gewinnen, welche der Explorationsabsicht gerecht wird, wurde ein multiperspektivischer Methodenansatz gewählt (s. Abbildung 29): Berner Fachhochschule Institut Alter 113

114 A1 Interviews, Zeichnungen, Gespräche Experteninterview 1 Intergenerativitätsthemen Kinder 12 Bewegungsmodule mit Heimbewohner, Mitarbeitenden, Angehörigen/Freiwilligen, Kindern Teilnehmende Beobachtung mit Beobachtungsprotokollen und Intervallfotos A2 Interviews, Zeichnungen, Gespräche Experteninterview 3 Gesamtkonzept Intergenerativitätsmodell Experteninterview 2 Aktivitäten Kinder Experteninterview 4 Aktivitäten alte Menschen Abbildung 29: Multiperspektivischer Methodenansatz zur explorativen Evaluation des Intergenerativitätsmodells. Assessment 1 und Assessment 2 mit den Kindern In den beiden Assessments vor (A1) und nach (A2) des Bewegungskurses erhielten die Kinder ein leeres, weisses Blatt A4 und Farbstifte mit dem Auftrag Zeichne dich und einen alten Menschen. Anschliessend wurde ein kurzes Gespräch geführt mit der Einstiegsfrage kannst du mir erzählen, was du gezeichnet hast?. Das Gespräch wurde auf Tonband aufgenommen. Die Assessments wurden von einer Diplomandin des Studienganges DAS Bewegungsbasierte Alltagsgestaltung durchgeführt. Sie fanden idealerweise einzeln bei den Kindern zuhause in ihrem Zimmer statt. Die Auswertung der Zeichnungen erfolgte quantitativ anhand eines datengeleiteten Kategoriensystems. Die Interviews wurden teilweise inhaltsanalytisch ausgewertet. Da 11 Kinder aufgrund ihres Migrationshintergrundes Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hatten, andere starke Hemmungen zeigten oder noch zu jung für ein solches Gespräch waren, hat sich die Methode in dieser Form als zu wenig geeignet erwiesen um aussagekräftige Daten zu gewinnen. Interviews mit den erwachsenen Kursteilnehmern im Rahmen der Assessments 1 und 2 In den Interviews mit den Heimbewohnern, Mitarbeitenden, Angehörigen und Freiwilligen sowie der Bezugspersonen der Kindergruppe im Rahmen der Assessments A1 und A2 wurde jeweils die Frage gestellt: A1: An diesen Bewegungsanlässen werden auch Kinder teilnehmen. Wenn Sie sich das jetzt so vorstellen, was geht Ihnen da durch den Kopf? Was meinen Sie dazu? A2: An diesen Bewegungsanlässen haben auch Kinder teilgenommen. Wenn Sie daran zurückdenken, was geht Ihnen da durch den Kopf? Was meinen Sie dazu? Die Antworten wurden auf Tonband aufgenommen, stichwortartig transkribiert und quantitativ sowie inhaltsanalytisch ausgewertet. Berner Fachhochschule Institut Alter 114

115 Intervallfotos während den Kursmodulen Während den Bewegungsmodulen sind durch ein fest installiertes ipad alle 3 Minuten Fotos gemacht worden. Die Fotos zeigen so Momentaufnahmen der Bewegungsmodule. Sichtbar werden Aktivitäten, wie z.b. auf dem Stuhl sitzen, Gehen oder Tanzen, auf dem Boden sitzen oder liegen aber auch Interaktionen zwischen den Kursteilnehmenden. Die Fotos wurden quantitativ und inhaltsanalytisch ausgewertet. Beobachtungsprotokolle unmittelbar nach den einzelnen Kursmodulen Unmittelbar nach jedem Kursmodul erhielten die teilnehmenden Bezugspersonen der Kinder ein strukturiertes Protokollblatt, auf welchem sie ihre Beobachtungen stichwortartig notierten. Die Protokolle wurden quantitativ und inhaltsanalytisch ausgewertet. Experteninterviews Mit 4 Experten wurde aus einer definierten Perspektive ein leitfadengestütztes Interview zum Intergenerativitätsmodell geführt: Experteninterview 1 mit der Perspektive: Intergenerativitätsthemen Kinder. Expertin: Diplomandin, welche zum Zeitpunkt der Studie ihre Diplomarbeit zum Thema Kinder und ältere Menschen im Kontakt schrieb und an den Bewegungsmodulen teilgenommen hat (Zürcher, 2015). Experteninterview 2 mit der Perspektive: Aktivitäten Kinder. Expertin: Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Studie. Sie hatte einschlägige Erfahrung als Kursleiterin. Experteninterview 3 mit der Perspektive: Gesamtkonzept. Experte: Begründer des Bewegungsmodells und Projektleiter der Studie. Experteninterview 4 mit der Perspektive: Aktivitäten alte Menschen. Expertin: Absolventin der ersten Durchführung des Studienganges DAS Bewegungsbasierte Altersarbeit. Sie hat in 5 Heimen die Bewegungskurse geleitet. Die Interviews wurden von einer Diplomandin des Studienganges DAS Bewegungsbasierte Alltagsgestaltung durchgeführt. Die Interviews wurden stichwortartig transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. 3 Resultate 3.1 Kinderzeichnungen Die alten Menschen auf den Zeichnungen der Kinder scheinen vom ersten zum zweiten Assessment rein äusserlich tendenziell eher jünger zu werden: Beim ersten Assessment werden 58 % der alten Menschen mit grauen Haaren gezeichnet, im zweiten Assessment nur noch 41 %. 16 % der alten Menschen werden im ersten Assessment mit Falten im Gesicht gezeichnet. Im zweiten Assessment sind bei keiner Zeichnung mehr Falten zu erkennen (Zürcher, 2015) Die Kinder zeichneten zudem mit einer Ausnahme in A2 ein Kind ihres Geschlechts. Bei 3 resp. 2 Zeichnungen konnte das Geschlecht nicht identifiziert werden; das Geschlecht des gezeichneten alten Menschen entsprach in A1 mehrheitlich dem Geschlecht des zeichnenden Kindes. In A2 verstärkte sich diese Tendenz bei den Mädchen. Sie zeichneten fast ausschliesslich alte Frauen. Bei den Knaben zeigte sich das Gegenteil. Nur noch einer zeichnete einen alten Mann, 4 zeichneten eine Frau, bei drei Zeichnungen konnte das Geschlecht der alten Person nicht zugeordnet werden. in den A2 Zeichnungen den alten Menschen tendenziell mit mehr Sinnen (Augen, Ohren, Nase, Mund) als in A1 (2.75 vs. 2.2) in A2 ihr Bild mit einer Ausnahme zentriert, also in der Mitte des Blattes. Im Assessment 1 sind 11 der 24 Zeichnungen am Rand des Blattes positioniert. Zudem sind die A2 Zeichnungen bzgl. der bebauten Umgebung wesentlich detailreicher Berner Fachhochschule Institut Alter 115

116 in A1 als Gehhilfe Stock oder Rollstuhl, in A2 kam der Rollator dazu. in A1 in gut einem Drittel der Zeichnungen direkte Körperberührungen zwischen Kind und altem Menschen. In A2 reduziert sich das auf 21% in A1 teilweise Elemente aus dem Bereich Sport (Laufbahn, Gymnastikmatte). Diese fallen im zweiten Assessment gänzlich weg. Im zweiten Assessment kommen weitere Elemente dazu, wie z.b. Spiele (Spielkiste, Spielplatz), Tiere, aber auch Herzen werden gezeichnet. Aus diesen Resultaten können Hinweise abgeleitet werden, welche Themen für Kinder in der Kommunikation mit alten Menschen eine Bedeutung haben können: 1. Das Geschlecht der alten Menschen. Es ist den Kindern aufgefallen, dass in den Bewegungsmodulen kaum oder gar keine Männer teilgenommen haben. 2. Die Sinneswahrnehmung der alten Menschen. Die konkreten Sinneserfahrungen ermöglichen den Kindern ein detailreicheres Altersbild, welches sich zum Teil stark von ihren eigenen Sinneserfahrungen unterscheiden kann. 3. Die Mobilität des alten Menschen. Stöcke, Rollstuhl und Rollator erkundeten die Kinder auf spielerische Art und Weise. Das förderte einerseits einen spielerischen Zugang zum alten Menschen, anderseits auch die besondere Bedeutung einer Gehhilfe im fragilen Alter. 4. Spiel und Freude in der Begegnung. 3.2 Interviews mit den Kindern Die Analyse der Interviews erlaubte aufgrund sprachlicher Einschränkungen der Kinder oder methodischer Schwierigkeiten (Gestaltung der Interviews) nur eine grobe Auswertung. Sie zeigt auf, dass die Kinder bei der Frage nach einem alten Menschen oftmals keine konkrete Vorstellung haben. Vereinzelt denken sie an die Mutter oder an die Grossmutter. Beim zweiten Assessment kommen ihnen vermehrt die Heimbewohner in den Sinn. Auf die Frage, was das Kind und der alte Mensch auf der Zeichnung machen, stellen sie im zweiten Interview vermehrt Verbindungen mit einer bestimmten Person her. Sie gehen also nicht mehr mit einem alten Menschen spazieren, sondern mit Heimbewohnerin x oder Heimbewohner y. Diese Ergebnisse können als Hinweis dafür gelten, dass im heutigen Gesellschaftsleben Kinder nur selten in konkrete Begegnungen mit alten Menschen kommen. Im weitesten Sinne könnte man sagen, dass die Kommunikation zwischen der Kinder- und der Altengeneration abgebrochen ist. Ein bewegungsbasiertes Intergenerativitätsmodell hätte also zuallererst den Zweck, die Kommunikation wieder in Gang zu bringen. Das könnte bei den Kindern zu einem differenzierteren, konkreteren und realistischeren Altersbild führen, und umgekehrt bei den alten Menschen zu einem realistischeren Kinderbild. 3.3 Intervallfotos während den Kursmodulen Die Analyse der Fotos von 3 Bewegungskursen ergibt folgendes Bild (Zürcher, 2015): Mit 34 % erfolgten die meisten Kontakte von den Kindern zu ihren Bezugspersonen. Weiter suchten die Kinder insbesondere Kontakte zu anderen Kindern (31 %). Die Kontakte zu den Heimbewohnern wurden vorwiegend durch die Kursleitung initialisiert und umfassen 23 %. Am wenigsten Kontakte sind zu den weiteren Teilnehmenden, d.h. Mitarbeitenden, Freiwilligen und Angehörigen auszumachen (12 %). Die Kinder nahmen mit den anderen Teilnehmenden des Bewegungskurses Kontakt auf, um sie beim Kommen zu grüssen und beim Gehen zu verabschieden. Die Bilder bestätigen die Beobachtungen während den Kursmodulen, dass die Kontaktaufnahme nur selten von den Heimbewohnern ausging. Das mag damit zusammenhängen, dass die Heimbewohner eher an Ort, d.h. auf ihrem Stuhl sitzen bleiben, wogegen sich die Kinder in ihrer Lebendigkeit mehr im Raum fortbewegten. Das Still-Sitzen schien den Kindern sehr schwer zu fallen. Sie sprangen von hier nach dort. Das führte dazu, dass die anderen Teilnehmer z. T. ihre Körperhaltung veränderten, um den Blick nach allen Seiten richten zu können. Bilder zeigen, dass Heimbewohner ihren Körper aufrichteten, um davon rennenden Kindern nachsehen zu können. Sie mussten sich umdrehen, um zu schauen, was die Kinder hinter ihnen machen. Bilder zeigen Bewohner, die mit Kindern tanzen, Hand-in-Hand im Raum herumgehen oder mit ihnen im Kreis oder am Boden spielen. An der Mimik der Heimbewohner lässt sich im Kontakt mit den Kindern Freude und herzhaftes Lachen erkennen. Berner Fachhochschule Institut Alter 116

117 Die Auswertung zeigt weiter, dass die Kinder sich dort zu orientieren schienen, wo sie einen Bezug herstellen konnten. Sei dies zu einer Mutter, welche die Kindergruppe begleitet, zu der speziell für die Kindergruppe bezeichneten Person oder zur Kursleitung. Entscheidend für diese Orientierung kann sein, dass diese Personen für die Kinder eine Funktion, eine Rolle haben, die für sie verständlich, nachvollziehbar und handlungsleitend ist. 3.4 Interviews mit den Heimbewohnern Die Analyse der Antworten der Heimbewohnern auf die Interviewfrage im Assessment 1: An diesen Bewegungsanlässen werden auch Kinder teilnehmen. Wenn Sie sich das jetzt so vorstellen, was geht Ihnen da durch den Kopf? Was meinen Sie dazu? Assessment 2: An diesen Bewegungsanlässen haben auch Kinder teilgenommen. Wenn Sie daran zurückdenken, was geht Ihnen da durch den Kopf? Was meinen Sie dazu? zeigt folgende Ergebnisse auf: Die genannten Themen gehören mehrheitlich zu den beiden Bereichen Geist/Psyche und Soziokultur. Im Assessment 2 nehmen die Aussagen in diesen Bereichen deutlich zu. Themen im körperlichen Bereich bleiben absolut unverändert (Abbildung 30 linke Grafik). Die Themen beziehen sich zu etwa gleichen Teilen auf die Kinder und auf die Heimbewohner selbst. Themen im geistig/psychischen Bereich nehmen im Assessment 2 deutlich zu, weniger stark im soziokulturellen Bereich. Körperliche Themen nehmen deutlich weniger Gewicht ein, das Ausmass ist in beiden Assessments gleich (Abbildung 30 rechte Grafik). Abbildung 30: Frage nach der Teilnahme als Heimbewohner zusammen mit Kindern. Anzahl Nennungen bezüglich dem Fokus Bewohner & Kinder innerhalb der vier Lebensbereiche insgesamt (linke Grafik) wie für die einzelnen Lebensbereiche aufgeschlüsselt (rechte Grafik) in den beiden Assessment 1 (A1) und Assessment 2 (A2). Die Bedeutung des geistig-psychischen Bereichs in der Begegnung alt-jung zeigt sich insbesondere in den Themen Kind sein sowie Gefühle/Emotionen. Beide Themenbereiche nehmen in A2 deutlich an Nennungen zu. Von Bedeutung sind weiter generelle Aspekte der Intergenerativität sowie der Förderung / Befähigung. Im soziokulturellen Lebensbereich fallen insbesondere die Themen Kind sein, Zusammensein/Kontakt sowie allgemeine Aspekte der Intergenerativität ins Gewicht (Abbildung 31 linke Grafik). Die Aussagen der Heimbewohner, die sie auf die Kinder beziehen, betreffen vor allem die beiden Themen Kind sein und Intergenerativität. Die Bedeutung von Kind sein nimmt in A2 deutlich zu. Themen im Bereich Gefühl/Emotion kommen vermehrt dazu. Die Analyse der Aussagen, die die Heimbewohner auf sich selbst beziehen, zeichnet ein wesentlich differenzierteres Themenbild. Ins Gewicht fallen die Themen Gefühl/Emotion, Kind sein, Intergenerativität, Kontakt/Zusammensein, Bewegungslernen sowie unspezifisch positive Aussagen. In zweiter Linie kommen Themen wie Erziehung, Alltagstun sowie voneinander Lernen zum Ausdruck (Abbildung 31 rechte Grafik). Berner Fachhochschule Institut Alter 117

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