Vorsprung Bayern Standort Bayern im Vergleich

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1 Vorsprung Bayern Standort Bayern im Vergleich Mittwoch, um 18:30 Uhr hbw I Haus der Bayerischen Wirtschaft, Europasaal Max-Joseph-Straße 5, München Bayern Industriestandort der Zukunft Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Es gilt das gesprochene Wort.

2 1 Sehr geehrter Herr Hesemann, sehr geehrter Herr Ferber, sehr geehrter Herr Dr. Beyer, sehr geehrter Herr Dr. Lichtblau, sehr geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie sehr herzlich zu unserem heutigen Vorsprung Bayern-Kongress, an dem wir mit Ihnen über die Zukunft des Standorts Bayern ins Gespräch kommen wollen. Dazu präsentieren wir Ihnen heute zweierlei: Zum einen wird Ihnen Dr. Lichtblau von der IW Consult unsere neue Studie vorstellen, die zum ersten Mal die industrielle Standortqualität Bayerns im internationalen Vergleich bemisst. Auf der Basis dieser Ergebnisse haben wir einen neuen Index entwickelt, den wir in regelmäßigen Abständen aktualisieren werden, um die Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Bayerns zu verfolgen. Zum anderen liegt Ihnen unsere aktuelle Umfrage vor, welche die Standortqualität

3 2 Bayerns aus Sicht der hier ansässigen Unternehmen bemisst. Beides zusammengenommen soll uns heute Orientierung geben, um die Herausforderungen zu identifizieren, die wir angehen müssen, damit Bayern als Industriestandort auch in Zukunft international wettbewerbsfähig bleibt. Bayern ist stark auch im internationalen Vergleich Zunächst: Unsere Ausgangslage ist sehr gut. Bayern hat sich in den vergangenen Jahren vom Trend zur Deindustrialisierung der traditionellen Industrieländer abkoppeln können: Während der Anteil der klassischen Industrieländer an der weltweiten industriellen Wertschöpfung von 82,5 Prozent im Jahr 1995 auf 59,4 Prozent im Jahr 2011 gefallen ist, konnte Bayern seinen Anteil von 1,4 Prozent halten. Und Bayern hat den Anteil der Industrie an der gesamten Bruttowertschöpfung von 23,5 Prozent im Jahr 1995 auf 25,7 Prozent im Jahr 2011 steigern können. Damit sticht Bayern hervor. Bei den in unserer Studie identifizierten 45 Wettbewerbern Bayerns ist der Industrieanteil

4 3 in Summe im selben Zeitraum von 20 auf 16,5 Prozent geschrumpft. Nur Thailand, Korea und China haben heute einen höheren Industrieanteil als Bayern. Der hohe Anteil der Industrie an der Wertschöpfung und die hohe internationale Wettbewerbsfähigkeit gerade der Industrie macht Bayern zu einem sehr erfolgreichen Wirtschaftsstandort mit einem hohen Wohlstandsniveau. Das bestätigt unsere Studie: Im Vergleich mit den 45 wichtigsten Wettbewerbsländern weltweit hat es Bayern bei der industriellen Standortqualität auf das Podium geschafft auf einen starken dritten Platz. Nur Schweden und die Schweiz weisen höhere Indexwerte aus. Deutschland insgesamt landet auf Platz 7. Erfreulich ist auch, dass Bayern in fast allen Bereichen ein sehr hohes Standortniveau zeigt. In fünf der sechs Einzelfelder zur Standortqualität liegt Bayern unter den Top Ten. Nur beim Themenfeld Kosten fällt der Freistaat ab und zwar deutlich auf einem 36.Platz.

5 4 Dieses Gesamtergebnis ist sehr erfreulich. Denn Maßstab für die Bewertung war, wie die Standortqualität aus dem Blickwinkel eines Industrieunternehmens bewertet wird, das eine Investitionsentscheidung zu fällen hat. Das heißt: Bayern ist für die Industrie ein sehr attraktiver Standort. Dies unterstreicht auch unsere aktuelle Umfrage unter bayerischen Unternehmen. Deren Standortloyalität ist geradezu phänomenal: Rund 97 Prozent würden ihren Standort wieder in Bayern wählen. Mit anderen Worten: Bayern ist sehr attraktiv als Investitions- und Wirtschaftsstandort und damit auch zum Arbeiten und zum Leben. Bei vielen Indikatoren steht Bayern nämlich ganz vorne in Deutschland: Seit Jahren hat Bayern die niedrigsten Arbeitslosenzahlen. Im Jahr 2012 lag der Durchschnitt bei 3,7 Prozent, der Bundesdurchschnitt hingegen bei 6,8 Prozent. Dies entspricht der weit überdurchschnittlichen Entwicklung der Erwerbstätigenzahl. Während

6 5 diese in Deutschland im letzten Jahrzehnt um 4,7 Prozent zunahm, wuchs sie in Bayern sogar um 6,9 Prozent. Das bayerische BIP entwickelt sich dynamischer und liegt auf einem deutlich höheren Niveau. So war das BIP pro Einwohner in Bayern im Jahr 2011 mit rund Euro um 15 Prozent über dem deutschen Mittelwert. Dies führt zu einem allgemein hohen Wohlstandsniveau. So lag das durchschnittliche monatliche Haushaltsnettoeinkommen in Bayern 2012 bei 3123 Euro deutlich über dem deutschen Wert von 2990 Euro. Herausforderungen für den Industriestandort Bayern Diese gute Ausgangsposition ist das Ergebnis von Entscheidungen der Vergangenheit. Das heißt aber: Wir müssen jetzt die richtigen Entscheidungen für den starken Industriestandort Bayern 2020 fällen. Sowohl unsere Studie als auch unsere Unternehmensbefragung zeigen deutlichen Handlungsbedarf. Wir müssen die Grundlagen legen, dass auch in Zukunft

7 6 die komplette Wertschöpfungsbreite der Industrie und die komplette Wertschöpfungstiefe in den einzelnen industriellen Sektoren in Bayern wettbewerbsfähig erhalten bleiben und die industrielle Wertschöpfung in allen Teilen Bayerns erfolgen kann. Aus der heute vorliegenden Studie ergeben sich folgende sechs Handlungsfelder: Erstens: Wir brauchen dauerhaft wettbewerbsfähige Arbeitskosten. Nur vier der 46 untersuchten Länder haben höhere Arbeitskosten als Bayern. Zwar konnten wir unsere Position in den letzten zehn Jahren durch eine moderate und flexible Lohnpolitik ein Stück verbessern. In den letzten beiden Jahren sind wir von diesem Kurs leider abgekommen. So sind die industriellen Arbeitskosten in den Jahren 2011 und 2012 wieder stärker gestiegen als im Durchschnitt der EU um 6,4 Prozent gegenüber 5,6 Prozent. Als Hochlohnstandort müssen wir ein Arbeitskostenniveau anstreben, bei dem unsere Unternehmen am Produktionsstandort Bayern ein

8 7 international wettbewerbsfähiges Preis- Leistungsverhältnis bieten können. Deswegen muss wieder Augenmaß und Vernunft in die kurz- und mittelfristige Tarifpolitik einkehren. Zweitens: Wir brauchen auch in Zukunft eine sichere und preiswürdige Energieversorgung. Diese ist in Bayern gefährdet: Von 2009 bis 2012 sind die Strompreise in Deutschland um mehr als ein Viertel gestiegen. Industriestrom ist in Deutschland doppelt so teuer wie in den USA, rund 40 Prozent teurer als in Frankreich oder den Niederlanden und rund 15 Prozent teurer als im Durchschnitt der 27 EU-Mitgliedsstaaten. Zudem ist ab 2015 die Energieversorgung in Bayern mit der Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld im Spitzenlastbereich unsicher.

9 8 Diese Bestandsaufnahme ist mehr als bedenklich. Ein Industriestandort braucht energieintensive Industrien. Er braucht Vertrauen, dass Energie in Preis und Sicherheit stimmt, damit auch investiert wird. Dass dieses Vertrauen gestört ist, zeigt unsere Umfrage. Denn die von uns befragten Unternehmen sehen bei der Energieversorgung einen großen Risikofaktor für die Zukunft: Während sie aktuell die Stromversorgung in Bayern mit der Schulnote 2,1 bewerten, erwarten sie für die nahe Zukunft eine deutliche Verschlechterung, was die Schulnote 2,8 verdeutlicht. Drittens: Wir brauchen eine Verbesserung der F+E- Infrastruktur. Zum einen bindet eine leistungsfähige F+E- Infrastruktur Produktion am Standort Bayern, was im weltweiten Wettbewerb der Produktionsstandorte immer wichtiger wird. Zum anderen befinden wir uns mitten im Strukturwandel zur hybriden Wertschöpfung. Und hybride Geschäftsmodelle, die industrielles Produkt und Dienstleistung intelligent

10 9 verknüpfen, erfordern ein noch engeres Zusammenspiel von Wirtschaft und Wissenschaft. Bayern hat insgesamt ein gutes Innovationsumfeld, was sowohl unsere Studie als auch unsere Umfrage zeigen. Deutlich wird jedoch auch, dass Unternehmen das Innovationsumfeld in den Metropolregionen deutlich besser bewerten als in den ländlichen Räumen. Wir benötigen deshalb Infrastrukturen und Netzwerke, die zentral erarbeitetes Wissen den Unternehmen dezentral zur Verfügung stellen. Viertens: Wir benötigen insgesamt eine bessere Anbindung der ländlichen Räume. Die starke Vernetzung und Vielfalt der bayerischen Industrie, die auf einem ausgewogenen Mix aus High Tech und klassischer Industrie besteht, macht Bayern zu einem attraktiven Standort, auch für die Produktion. Und diese Vielfalt ist gerade durch die regionale Diversität Bayerns gegeben. Keine Region in Bayern ist wie die andere. Aber jede Region hat ihre Stärken und ist aus sich heraus zukunftsfähig.

11 10 Metropolregionen und ländliche Räume ergänzen sich dabei. Um diese positive Ergänzung, die Grundlage des bayerischen Erfolgsmodells ist, auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen jedoch die entsprechenden Infrastrukturen vorgehalten werden. Wir brauchen deshalb einen konsequenten flächendeckenden Ausbau der Breitbandversorgung auf höchstem technischem Niveau. Die Digitalisierung der Wirtschaft und die Globalisierung von Wertschöpfungsketten erfordert von Unternehmen, dass sie zeitgemäß in die weltweiten Kommunikationsnetze eingebunden sind durch eine hochleistungsfähige IT-Infrastruktur. Nur die Wirtschaftsräume, die komplett mit Breitbandnetzen ausgestattet sind, können den Unternehmen die notwendige digitale Welt bieten. Nur dort werden sich Unternehmen ansiedeln. Unser Anspruch muss also das schnelle Internet in ganz Bayern sein. Wir begrüßen daher das Förderprogramm der Bayerischen Staatsregierung zur Breitbandversorgung, das in der Fläche ansetzt mit Schwerpunkten in strukturschwachen Regionen.

12 11 Fünftens: Wir brauchen einen weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Zwar werden Bayern weit überdurchschnittliche Noten gegeben sowohl im internationalen Vergleich als auch von den Unternehmen. Jedoch besteht großer Investitionsbedarf. Das zeigen diese Zahlen: Laut Verkehrsprognose Bayern 2025 wird die Verkehrsleistung im Personenverkehr von 2007 bis 2025 um ein gutes Fünftel zunehmen. Im Güterverkehr wird die Transportleistung sogar um deutlich über 50 Prozent 1 steigen. Dieses Mobilitätsplus muss von einer leistungsfähigeren und intelligenteren Verkehrsinfrastruktur aufgenommen werden, damit es nicht zum Verkehrsinfarkt kommt, sondern vor Ort Wachstum schafft. Wir sind jedoch weit davon entfernt, diese Infrastruktur aufzubauen. Im Gegenteil: Die heutigen Investitionen in die Verkehrswege decken nicht einmal den Ersatzbedarf. Sechstens: Wir müssen den Fachkräftebedarf sichern. 1 53,2 Prozent.

13 12 Der Fachkräftemangel greift zunehmend um sich. Unsere Umfrage belegt dies. Die Unternehmen bewerten die Verfügbarkeit von Nachwuchskräften, von Fachkräften und von Absolventen in den MINT-Fächern schlechter als befriedigend. Wie auch bei anderen Themen sind die ländlichen Räume hier besonders betroffen. Das deckt sich mit unseren Prognosen: Laut unserer Studie Arbeitslandschaft 2035 werden unseren Unternehmen in Bayern bis zum Jahr 2020 rund eine Viertelmillion Fachkräfte fehlen. Schon heute wird der Bedarf in Bayern auf Fachkräfte taxiert. Wir müssen deshalb Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer schneller qualifizieren und besser vermitteln; Impulse für eine höhere Erwerbsbeteiligung insgesamt, vor allem aber von Frauen, setzen;

14 13 bessere Rahmenbedingungen für längere Lebens- und Wochenarbeitszeiten schaffen; eine breit angelegte Bildungsoffensive aufsetzen und gezielte Zuwanderung gestalten. In vielen dieser Handlungsfelder hat die Politik bereits reagiert. Die Umfrageergebnisse unserer Unternehmen zeigen jedoch, dass hier noch deutlich mehr getan werden muss. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein Zwischenfazit ziehen, bevor Herr Dr. Lichtblau Ihnen die Details unserer Studie vorstellt: Bayern ist einer der attraktivsten Industriestandorte weltweit dank der starken Unternehmen, die in allen Regionen Bayerns tätig sind, und dank eines weitgehend wirtschaftsfreundlichen Umfelds.

15 14 Bayern geht es derzeit sehr gut. Damit dies so bleibt, müssen wir jedoch jetzt unsere Hausaufgaben machen und die Weichen für die Zukunft richtig stellen. In diesem Sinne wünsche ich uns einen ertragreichen Abend.