Der Koffer stand noch da. Frieder hob ihn an, setzte ihn aber sofort wieder ab, weil
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- Claudia Steinmann
- vor 7 Jahren
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2 das Geschnatter und Gegickel. Onkel Christophs Augen glänzten glasig, und er lallte peinlich. Auch Thomas hatte längst mehr intus als ihm guttat er lachte an Stellen, an denen er nüchtern keine Miene verzogen hätte und erntete dafür prompt von Monika Blicke, die»komm du mir nachher nur nach Hause, Freundchen!«besagten. Die Szenen, die sich oft nach Familienfeiern bei Heinzigers zu Hause abspielten, waren Frieder noch unangenehmer als die Feierei selbst. Er hasste es, wenn seine Eltern stritten, vor allem, weil Monika immer gewann bzw. das letzte Wort hatte und Thomas zu einem gewissen Zeitpunkt Beteuerungen von sich gab, an die er sich ohnehin niemals halten würde. Der Koffer stand noch da. Frieder hob ihn an, setzte ihn aber sofort wieder ab, weil
3 jemand, der nicht zur Christoph-Runde gehörte, die Herrentoilette betreten hatte. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, warum er es tat, schlug Frieder die Kabinentür zu und schloss sich ein. Es handelte sich bei dem Koffer um ein mit Zahlenschloss ausgestattetes Modell der Marke Samsonite, wie man ihn oft an der Hand von Männern sieht, die Krawatte und kostbare Anzüge tragen. Männer, die höchst wichtige Unterlagen transportieren, z.b. Verträge oder Urkunden. Bis vor einem Jahr war Thomas mit genau so einem Koffer unterwegs gewesen, wenn er seiner Arbeit nachging und Kunden besuchte! Sein Siegerlächeln von damals war ihm längst gründlich abhandengekommen. Bonus hieß das, was Thomas mit nach Hause brachte, wenn es für ihn gut gelaufen war, erinnerte sich Frieder.
4 Einmal hatte Frieder an der Schlafzimmertür gelauscht, weil er spürte, dass etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein musste. In dem Gespräch, das seine Eltern damals trotz verschlossener Tür im Flüsterton führten, ging es um einen Bonus von enormer Höhe, mehrere hunderttausend Euro. Voraussetzung dafür war der erfolgreiche Abschluss eines Geschäfts, zu dessen Abwicklung Thomas nach Detroit fliegen musste. Von einem Bali-Urlaub war die Rede gewesen, außerdem vom Ausbau der Dachterrasse und einem neuen Auto, einem Audi Quattro. Die Unterschrift, auf die es in Detroit letztlich ankam, hatte dann allerdings ein Makler der Konkurrenz eingeheimst und Thomas Heinziger war kurz darauf freigestellt worden, was besser klang als es war. Es bedeutete Entlassung. Seitdem war er häufig angesäuselt, manchmal sogar
5 bereits am Nachmittag. Für Frieder war die Arbeitslosigkeit seines Vaters nur insofern lästig, als seitdem zu Hause der Fernseher auch tagsüber eingeschaltet war, was ihn beim Musikhören oder Klavierüben enorm störte. Zum Glück war Thomas nicht lange ohne Beschäftigung geblieben; er hatte (vorerst, wie er stets sagte) eine Stellung als Taxifahrer angenommen den erforderlichen Schein besaß er noch aus Studentenzeiten und bekam ihn anstandslos verlängert. Dann aber verlor Thomas Heinziger bei einem Auffahrunfall auf der Berliner Straße seinen Führerschein; er hatte 1,4 Promille. Seitdem lief der Fernseher wieder tagsüber. Nach Bali reisten Heinzigers freilich nie. Die Eigentumswohnung in der Mainstraße mussten Thomas und Monika verkaufen, weil sie die monatlichen Raten zur Abzahlung
6 nicht mehr aufbringen konnten. Monika verdiente zwar ein wenig sie half im Altenheim Waldesruh gelegentlich in der Küche aus aber dennoch reichte es hinten und vorne nicht. Seit November bewohnten die vier Heinzigers eine schummerige Dreieinhalbzimmer-Wohnung in der Kaiserstraße 238, schräg gegenüber dem Schwebebahnhof Hammerstein. Verkehrstechnisch war das natürlich günstig, man kam schnell von dort weg. Frieder teilte vorerst, wie es wiederum hieß ein handtuchschmales, dafür jedoch sechs Meter langes Zimmer mit der zehn Jahre alten Svetlana; es machte ihm nicht viel aus, denn Lani, durch und durch Mamakind, hielt sich fast immer in der Küche auf und schlief meistens im elterlichen Bett. Wenn Frieder seine Schwester ärgern wollte, erinnerte er sie daran, dass sie in zwei
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