10 Grundregeln zur Konstruktion von Kunststoffprodukten

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1 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Torsten Kies 10 Grundregeln zur Konstruktion von Kunststoffprodukten

2 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Torsten Kies 10 Grundregeln zur Konstruktion von Kunststoffprodukten Bleiben Sie auf dem Laufenden! Hanser Newsletter informieren Sie regel mäßig über neue Bücher und Termine aus den verschiedenen Bereichen der Technik. Profitieren Sie auch von Gewinnspielen und exklusiven Leseproben. Gleich anmelden unter

3 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Die Internet-Plattform für Entscheider! Exklusiv: Das Online-Archiv der Zeitschrift Kunststoffe! Richtungweisend: Fach- und Brancheninformationen stets top-aktuell! Informativ: News, wichtige Termine, Bookshop, neue Produkte und der Stellenmarkt der Kunststoffindustrie Immer einen Click voraus!

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5 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Der Autor: Torsten Kies, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Zentrum für Ingenieurwissenschaften Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über < abrufbar. ISBN: E-Book-ISBN: Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Alle in diesem Buch enthaltenen Verfahren bzw. Daten wurden nach bestem Wissen erstellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus die sem Grund sind die in diesem Buch enthaltenen Verfahren und Daten mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autor und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Verfahren oder Daten oder Teilen davon entsteht. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder einem anderen Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung mit Ausnahme der in den 53, 54 URG genannten Sonderfälle reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Carl Hanser Verlag München 2014 Herstellung: Jörg Strohbach Coverconcept: Marc Müller-Bremer, München Coverrealisierung: Stephan Rönigk Satz, Druck und Bindung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

6 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Einleitung Vorwort Es gibt nur wenige technische Erzeugnisse, die ohne Kunststoffteile auskommen. Die polymeren Werkstoffe haben sich von billigen Ersatzstoffen zu einzigartigen Hochleistungsmaterialien entwickelt. Das Konstruieren und Gestalten von Erzeugnissen wird derzeit vorwiegend mit dem Einsatz von Metallen als Hauptwerkstoff gelehrt und dem entsprechend angewendet. Bei dieser Herangehensweise können aber bei der Verwendung von Kunststoffen nicht alle Möglichkeiten dieser Materialgruppe genutzt werden und in die Produkte einfließen. Eine wichtige Sparte der Materialwissenschaft stellt die Kunststofftechnik dar. Auf diesem Gebiet wird intensiv geforscht. Gleichberechtigt zum werkstofftechnischen Aspekt - müssen orderid Regeln - für eine kunststoffgerechte - transid Konstruktion _1D aufgestellt, verbreitet und angewendet werden. Eine ganze Reihe von Empfehlungen zur Gestaltung - von Kunststoffprodukten ist bereits vorhanden. Der praktisch tätige Konstrukteur, der Einsteiger und der Metall-Umsteiger benötigen jedoch eine Systematisierung dieser Lösungsvorschläge, Tipps und Hinweise. Mit diesem Buch wird eine Methodik zur Konstruktion mit Kunststoffen vorgestellt, welche die bekannten Ansätze zu zehn Grundregeln zusammenfasst. Der Anspruch soll nicht sein, diese in aller Vollständigkeit und Tiefe darzustellen. Vielmehr wird ein System eröffnet, mit dem es gelingen sollte, die Besonderheiten der Konstruktion mit Kunststoffen zu erfassen und zu verinnerlichen. Neben dem Aufgreifen und der Diskussion vieler bereits bekannter Lösungsansätze stellt das Buch auch einige neue Lösungen vor und eröffnet alternative Sichtweisen für bestimmte Zusammenhänge. Das Bestreben der vorliegenden Darstellungsweise ist es, die Sachverhalte in einer einfachen, verständlichen Form wiederzugeben. Vielleicht hat die Entscheidung für eine unkomplizierte Sprache die Konsequenz, dem wissenschaftlichen Anspruch des einen und anderen Kollegen nicht voll und ganz gerecht zu werden. Als Techniker kennen wir aber auch die Aussage, dass einfache Systeme meist zuverlässig und sicher funktionieren. Vielleicht ist der Versuch, das Wissen mit leicht verständlichen Texten darzustellen, auch ein Weg, mehr Personen für das vorliegende Fachgebiet zu gewinnen und damit schon im Ansatz dem prognostizierten Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

7 2014 VI Carl Hanser Einleitung Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Natürlich wird auf die spezifischen Fachbegriffe zurückgegriffen. Diese werden im Text eingeführt und erklärt. Für die Übermittlung der inhaltlichen Botschaft spielen die Abbildungen eine wesentliche Rolle. So wird der Leser auch zum Betrachter. Ob ein Bild wirklich mehr als tausend Worte sagen kann, sei dahingestellt. An vielen Stellen unterstützt jedoch die Bebilderung nicht nur das Verständnis der Inhalte, sondern trägt die primären Informationen und soll damit zum schnellen Verständnis der Zusammenhänge beitragen. Um den Preis des Buches auch für Studentinnen und Studenten attraktiv gestalten zu können, wurde die Print-Ausgabe in Graustufen realisiert. In der E-Book Ausgabe sind die Abbildungen dagegen farbig gestaltet. Welchem Medium man nun den Vorzug gibt, kann man nach eigenen Vorstellungen entscheiden. Zum Inhalt des Buches Die zehn Grundregeln sind anwendungsbezogen formuliert worden. Ihnen werden die bekannten und bewährten Konstruktionshinweise zu Kunststoffprodukten zugeordnet. Zunächst erfolgen materialspezifische Betrachtungen in Bezug auf die Umgebungsbedingungen (Kapitel 1: Temperatureinsatzbereich ). Untersucht wird, in welchen Temperaturbereichen die Funktion von Kunststoffteilen gegeben ist. Zum Verständnis der Herstellungsprozesse werden die grundlegenden Vorgänge beim Phasenwechsel, von der hochviskosen Schmelze zum erstarrten Zustand und umgekehrt, beschrieben und auf weitere Phasenübergänge am starren Körper und deren Konsequenzen eingegangen. Dem Leser wird vermittelt, dass die Temperaturabhängigkeit von Werkstoffkennwerten bei Kunststoffen besonders stark ausgeprägt ist und eine genaue Kenntnis über die von außen auf das Erzeugnis einwirkenden Größen die Voraussetzung für die Entwicklung eines hochwertigen Erzeugnisses ist. Letztlich werden einige konstruktive Möglichkeiten vorgestellt, mit denen Kunststofferzeugnisse auch noch bei grenzwertigen Temperaturen ihre Funktion erfüllen. Das zweite Kapitel ( Medienangriff ) behandelt die Wechselwirkungen, die Kunststoffe mit den sie umgebenden Medien eingehen. Zunächst erfolgt eine Systematisierung der angreifenden Stoffe und Strahlungen sowie Erklärungen zu den beim Medienangriff ablaufenden Mechanismen. Aufbauend auf diesen Grundlagen folgen Äußerungen zu den Auswirkungen angreifender Medien auf die Funktionserfüllung von Kunststoffteilen.

8 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Zum Inhalt des Buches VII Anschließend werden in Kapitel 3 ( Spannungszustand ) die Auswirkungen des auf die Bauteile einwirkenden Kraftfeldes dargelegt. Herausgearbeitet werden die Unterschiede zwischen Orientierungen und Spannungen. Möglichkeiten ihres Nachweises werden aufgezeigt und die Konsequenzen von wirkenden Spannungen und vorhandenen Orientierungen auf ein Kunststofferzeugnis benannt. Ab dem vierten Kapitel werden die Unterschiede zwischen den beiden Materialklassen Metalle und Kunststoffe dargestellt. Nach notwendigen Erklärungen zu grundlegenden technischen Sachverhalten und Herstellungsverfahren von Kunststofferzeugnissen wird auf die für die Polymere charakteristischen mechanischen Eigenschaften eingegangen und diese mit denen der Metalle verglichen. Auch wenn die Steifigkeit und die Festigkeit der Kunststoffe geringer ist als die der meisten Metalle, erschließt das deutlich bessere Verformungspotenzial von Polymeren Einsatzmöglichkeiten, die mit Metallen so nicht zugänglich sind. Herausgearbeitet wird, dass mit Polymeren große Verformungen schadensfrei realisiert werden können (Kapitel 4: Schadensfreie Verformung ). Im Gegensatz zur Konstruktion mit Metallen betrachtet man bei Kunststoffen nicht primär die aufnehmbaren Spannungen, sondern die möglichen Verformungen. Mit Kunststoffen können nicht nur starre, sondern auch flexible Konstruktionen realisiert werden. Die unterschiedliche Herangehensweise für diese beiden Varianten wird erklärt. Ein Schwerpunkt wird im Rahmen von Kapitel 5 ( Entformbarkeit ) auf die fertigungsgerechte - orderid Konstruktion von Kunststoffteilen - transid gelegt _1D Während zur Herstellung - von Produkten aus Metall mehrere Fertigungsverfahren auch bei der Massenfertigung in Frage kommen, konzentriert sich das Produktionsverfahren bei Kunststoffen bei strang- oder plattenartigen Produkten auf das Extrusionsverfahren, bei dreidimensional ausgeprägten Erzeugnissen vor allem auf das Spritzgießen. Weil das Spritzgießen allein wegen der Vielzahl der Erzeugnisse ein deutlich höheres ingenieurtechnisches Volumen beansprucht, konzentrieren sich hier die Überlegungen zur Entformbarkeit von Kunststoffteilen auf dieses Verfahren. Die fundamentalen Aussagen sind selbstverständlich auf andere Verfahren übertragbar. Dem Leser werden einführende Kenntnisse zum Werkzeugbau vermittelt, damit er in der Lage ist, die Konsequenzen seiner Konstruktion für die Umsetzung der Werkzeugtechnik einzuschätzen. Die Möglichkeiten des Spritzgusswerkzeugbaus werden vom Einfachen zum Komplizierten hin aufgezeigt und einige Anwendungen dargestellt, die mit den besprochenen Werkzeugen hergestellt werden können. Wenn mit diesen Kenntnissen die Konstrukteure Teile auf optimale Entformungsmöglichkeiten hin entwickeln, eröffnen sich neue Impulse für eine hocheffektive Massenfertigung. Die Forderung nach gleichmäßigen Wandstärken bei Kunststoffprodukten wird im sechsten Kapitel ( Konstante Wanddicken ) aus der im Vergleich zu Metallen sehr langsamen Abkühlungsgeschwindigkeit polymerer Werkstoffe beim Urformen abgeleitet. Die Aussagen werden mit der verfahrenstechnischen Beschreibung des Spritzgussprozesses untermauert. So können anschließend Probleme am Erzeugnis

9 2014 VIII Carl Hanser Einleitung Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. erklärt werden, die aufgrund von Wanddickenunterschieden entstehen und Lösungsempfehlungen ausgesprochen werden. Abschließend folgt die Darstellung von Besonderheiten an Ecken und Kanten am Erzeugnis und Vorschläge für entsprechende Konstruktionsregeln, um verzugsfreie Formteile gestalten zu können. Nachdem die ersten sechs Grundregeln material- und fertigungstechnische Aspekte behandeln, konzentrieren sich die folgenden drei Kapitel auf die geometrische Ausgestaltung der Produkte. Aufgrund des geringeren Moduls von Kunststoffen können viele Produkte mit der beim Einsatz von Metall bewährten Geometrie nicht zufriedenstellend umgesetzt werden. Die geringfügige Erhöhung des Moduls durch die Zugabe von Verstärkungsfasern zum Grundpolymer bringt selten hinreichende Ergebnisse. Im siebten Kapitel ( Geometrische Versteifung ) werden drei Möglichkeiten aufgezeigt, die Aus stei fung der Erzeugnisse mit geometrischen Mitteln zu realisieren, und deren Besonderheiten beim Einsatz in Kunststoffbauteilen erklärt. Genauso, wie durch eine entsprechende Gestaltung die Versteifung einer Geometrie möglich ist, kann mit geometrischen Mitteln auch eine stärkere Verformung in bestimmten Bereichen eines Teils erreicht werden, ohne dass man Modifikationen am Grundwerkstoff vornimmt. Das Buch stellt dazu in Kapitel 8 ( Konstruktive Duktilität ) Methoden vor und zeigt eine Reihe von praktischen Anwendungen auf. Viele technische Produkte realisieren in der einen oder anderen Form Bewegungen. Bei starren Konstruktionen werden solche Anwendungen durch die Verschiebung von Einzelteilen zueinander realisiert. Das ist fertigungstechnisch aufwendig und wirkt sich stark auf den Preis der Produkte aus. In Folge des ausgeprägten Verformungsverhaltens polymerer Materialien können mit (teil-)flexiblen Konstruktionen aber auch Lösungen realisiert werden, bei denen die funktionelle Bewegung durch ein integrales Teil wahrgenommen wird. Einige solcher Realisierungsmöglichkeiten werden in Kapitel 9 ( Veränderliche Geometrie ) vorgestellt und diskutiert. Neben der Verformung der Produkte im Rahmen ihres Einsatzes muss bei Kunststoffen auch eine Verformung nach dem Spritzgießen bei Lagerung und Transport sowie eine Veränderung der Geometrie bei nachgelagerten Produktionsprozessen berücksichtigt werden. Der Konstrukteur muss das einkalkulieren und die Geometrie der Erzeugnisse für die jeweiligen Zeitpunkte beziehungsweise Zustände beschreiben. Kapitel 10 ( Funktionsintegration ) am Ende des Buches beschreibt die Funktionsintegration beim Einsatz von Kunststoffen. Inhaltlich wird dieses Kapitel aus einer Vorlesung gespeist, die der Autor bis zum Ende ihres Bestehens an der Hochschule Lausitz unter gleichem Titel hielt. Zunächst werden die Aspekte beim Entwurf von Erzeugnissen untersucht. Hier möchte man das Erzeugnis mit Extra-Funktionen ausstatten, um dem Anwender einen zusätzlichen Nutzen zu eröffnen. Aber auch die technologischen Gesichtspunkte der Funktionsintegration werden dargestellt. Die Funktionsintegration zielt hier auf die Produktionsprozesse, um diese in der

10 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Danksagung IX Massenproduktion noch günstiger zu gestalten. Einige der in diesem Zusammenhang stehenden Sonderverfahren des Spritzgießens werden vorgestellt und mit praktischen Beispielen belegt. Auf die Besonderheiten, die diese Sonderverfahren bei der Gestaltung von Formteilen erfordern, wird kurz eingegangen. So wird ein Handwerkszeug geschaffen, das auch die Entwicklung und konkurrenzfähige Produktion von Kunststofferzeugnissen in Ländern mit hohem Lohnniveau ermöglicht. Danksagung Dieses Buch konnte entstehen, weil Studentinnen und Studenten Fragen stellten. So suchte ich, angeregt durch die Fragen während der Lehrveranstaltungen, nach Wegen, meine Vorlesung zur Konstruktion von Kunststoffteilen für den Masterstudiengang Maschinenbau zu verbessern. Auch wenn einige Kollegen im wissenschaftlichen Vortrag auf höchstem Niveau die einzige Möglichkeit sehen, den Studierenden Wissen zu vermitteln, stellte ich meine Vorlesung auf eine didaktisch determinierte Konzeption um. Beim Vergleich des Kenntnisstandes von Prüflingen hatte ich wenn auch sicherlich subjektiv den Eindruck, dass das Niveau des wiedergegebenen Wissens nach der Umstellung wesentlich höher anzusiedeln war als vor - der orderid Umstellung. - Besonders beeindruckte - transid mich, - dass _1D die Kandidaten die konstruktiven Merkmale und Besonderheiten realer Teile, die sie während ihres münd- - lichen Examens in die Hand bekamen, nun viel besser beschreiben konnten als ihre Vorgänger vergangener Jahre. Vielleicht haben sich die Prüflinge einfach besser vorbereitet, vielleicht gelang ihnen die Aufbereitung der Inhalte besser, weil sie mit der didaktischen Konzeption der zehn Grundregeln einen roten Faden finden konnten. Die Studierenden sprachen auch von ihren Zehn Geboten. Zu hoffen bleibt, dass ihnen dieser rote Faden ein ganzes Berufsleben von Nutzen sein kann und sie mit ihm weitere Wissensbausteine verknüpfen können. Natürlich möchte ich die Kolleginnen und Kollegen im Rahmen dieser Danksagung erwähnen, die mich einerseits mit Hinweisen und Ideen, andererseits mit Aufgabenstellungen und Problemen der einen oder der anderen Art bei der Umsetzung dieses Projekts unterstützten. Besonderer Dank gilt meinem persönlichen Umfeld. Meine liebe Frau zeigte viel Verständnis während der Schreibphase und brachte viele Mülleimer weg, deren Entsorgung in unserem Haushalt eigentlich mir zugestanden hätte. Als die Konzeption stand, fand sie die meisten Rechtschreibfehler im Manuskript. Während der Überarbeitung zeigte sie viel Geduld und Einfühlungsvermögen und entlastete mich an vielen anderen Stellen.

11 2014 X Carl Hanser Einleitung Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Eine Entschuldigung möchte ich an meine Kinder richten: Auch Erwachsene wollen mal ein bisschen spielen und manche Große machen das, indem sie an einem Buch schreiben. Ich gelobe das nächste Projekt viel näher an die Interessenlage meiner Söhne anzulehnen als dieses. Es möge gelingen.

12 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Inhalt Einleitung... Vorwort... Zum Inhalt des Buches... Danksagung... V V VI IX 1 Temperatureinsatzbereich Phasenübergänge bei Kunststoffen Der Übergang vom festen in den geschmolzenen Zustand Die Volumenänderung beim Phasenübergang von der Schmelze zum festen Zustand Phasenübergänge am starren Körper Die Temperaturabhängigkeit der Materialkennwerte von Kunststoffen Der Vergleich mit anderen Werkstoffgruppen orderid Die thermische Ausdehnung -... transid _1D Temperaturabhängiges Spannungs-Dehnungs-Verhalten Der Einsatztemperaturbereich Tatsächlich wirkende Temperaturen Temperaturabhängige Lasteinwirkung Die Notwenigkeit von einsatznahen Funktionsuntersuchungen Der Einfluss der Geometrie auf die Temperaturbeständigkeit Aussagefähigkeit der Rohstoffkennwerte Betrachtete Geometrie Modifikation der Wanddicke Belastungsdauer und Durchwärmung der Produkte Bessere Wärmestandfestigkeit durch Faserverstärkung Werkstoffkombination Einseitige Kühlung am Erzeugnis Zusätzliche Versteifungen gegen die thermisch bedingte Biegung Medienangriff Die Wirkung von Medien auf Kunststoffe Begriffserklärung: Medienangriff Direkter und indirekter Medienangriff Strahlungs- und stofflich-medialer Angriff Chemischer und physikalischer Medienangriff Voraussetzungen für einen Medienangriff... 32

13 2014 XII Carl Hanser Inhalt Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 2.3 Der Schutz vor Medienangriff Die Schädigungsmechanismen Arten der Schädigungsmechanismen Der oxidative Abbau Schädigung durch Hydrolyse Schädigung durch Chemikalien Spannungszustand Die Ursache von Spannungen Krafteinwirkung auf eine Flüssigkeit Krafteinwirkung auf einen Festkörper Viskoses und elastisches Verformungsverhalten von Kunststoffen Spannungen am Bauteil Spannungen und Orientierungen Die Unterscheidung zwischen Spannungen und Orientierungen Orientierungen in Kunststoffprodukten Voraussetzungen für Orientierungen Orientierungen bei faserverstärkten Materialien Molekülorientierungen Eigenspannungen Die Bildung von Orientierungen und Eigenspannungen Unterschiede zwischen Spannungen und Orientierungen Eigenspannungen und Orientierungen beim Spitzgießen Orientierungen und Eigenspannungen am Spritzgussteil Die Ausbildung von Orientierungen Eigenspannungen beim Spritzgießen Ursachen der Eigenspannungen Prozessablauf beim Spritzgießen Die Entformung Auswirkungen einer Schwindungsbehinderung auf Eigenspannungen Eigenspannungen bei Montageprozessen Schadensfreie Verformung Einordnung Differential- und Integralbauweise Unterscheidung der Kategorien Die Differentialbauweise Die Integralbauweise Die Mischbauweise Geeignete Bauweisen für Kunststoffprodukte Das Verformungsverhalten der Werkstoffe Begriffe zum Verformungsverhalten Die Zugfestigkeit Die Steifigkeit eines Materials... 75

14 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Inhalt XIII Die Dehnung Die Kritische Dehnung Die zulässige Dehnung Bauteilspezifische Minderung Einflussfaktoren Vorgehensweise Anzahl der Lastwechsel Füll- und Verstärkungsstoffe Starke Materialbelastung bei der Fertigung Mehrachsige Spannungszustände Beanspruchungsgeschwindigkeit Die Wanddicke Berücksichtigung der Kerbwirkung Starre und flexible Konstruktionen Entformbarkeit Beschreibung der Situation Die Entwicklung von Werkzeugen Stückzahlen Die Verwendung von Normalien im Werkzeugbau Teile aus der flachen Trennebene Die Werkzeuganlage Auswerfen orderid Besonderheiten transid _1D Teile aus Werkzeugen mit Trennungssprung Die Werkzeuganlage Auswerfen Besonderheiten Teile mit Durchbrüchen und Werkzeuge mit Blockierungen Die Werkzeuganlage Auswerfen Besonderheiten Becherförmige Teile Die Werkzeuganlage Auswerfen Besonderheiten Schieber- und Backenwerkzeuge mit zusätzlichen Trennebenen Der Werkzeugaufbau Auswerfen Besonderheiten Ausdreh-Werkzeuge für innere Gewinde Die Werkzeuganlage Auswerfen Besonderheiten

15 2014 XIV Carl Hanser Inhalt Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 5.8 Werkzeuge mit inneren Schiebern und Einfallkernen Das Werkzeugkonzept Auswerfen Besonderheiten Teile mit extremen Hinterschneidungen Verfahrenstechnik und Werkzeugaufbau Auswerfen und Nachbearbeitung Besonderheiten Teile mit Hinterschneidungen, die Zwangsentformung zulassen Der grundsätzliche Werkzeugaufbau Auswerfer Besonderheiten Konstante Wanddicken Wanddicken an einem Erzeugnis Wanddicken und Leichtbau Wanddicke und Verarbeitungsverfahren Grundlagen von technologischen Pro zessen bei der Kunststoffverarbeitung Einordnung Betrachtungsweise Erwärmen der Schmelze Kompression zur Formgebung Abkühlung unter Druckabbau orderid Isobare - Abkühlung bei atmosphärischem - transid Druck _1D Probleme, die durch Wanddicken unterschiede verursacht sind Das Kantenproblem bei kastenartigen Strukturen Geometrische Versteifung Ausführungen einer geometrischen Versteifung Erhöhung der Steifigkeit Varianten der geometrischen Versteifung Versteifung mit Rippen Rippenversteifung an belasteten Flächen Anordnung der Rippen Belastungsgerechte Anpassung der Rippen Anbindung der Rippen an die Grundstruktur Werkzeugtechnische Umsetzung von Rippenstrukturen Funktionale Einbindung von Rippen Versteifung mit Schalengeometrie Schalengeometrie als Art des fertigungsgerechten Konstruierens Zur konstruktiven Umsetzung Anwendung des Prinzips Wellblech Kombination der Möglichkeiten zur geometrischen Versteifung

16 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Inhalt XV 8 Konstruktive Duktilität Duktilität als Konstruktionsforderung Rasthaken Vorteile von Rasthaken Montagestrategien Varianten der Rastverbindungen Montagebruch an Rasthaken Grundsätzliche Lösungsansätze Technologische Maßnahmen gegen den Montagebruch von Rasthaken Zur Vorgehensweise Eingangsgrößen für den Prozess Betrachtung des Herstellungsprozesses für die Bauteile Betrachtung des Montageprozesses Grundsätzliche konstruktive Möglichkeiten zur Vermeidung des Montagebruchs von Rasthaken Beseitigung der Kerbwirkung Vergrößerung der Biegelänge Veränderungen am Querschnitt des Rasthakens Verminderung der Durchbiegung Zusätzliche, alternative Verformungsmechanismen Alternatives Konstruktionsprinzip für die Rastverbindung Vermeidung einer unbeabsichtigten Demontage von Rastverbindungen Weitere duktile Konstruktionselemente Möglichkeiten zur Verbesserung der Duktilität Überblick Anspritzen einer weichen Komponente Schlitze an becherartigen Formteilen Faltungen an Schalenelementen Zur Modifikationen von Gehäusen Veränderliche Geometrie Begriffsbestimmung Veränderliche Geometrie als Nutzungsmerkmal bei Kunststoffprodukten Mögliche Mechanismen Temperatureinfluss Medienaufnahme und Medienabgabe Freisetzen von Spannungen Verformungsverhalten Veränderliche Geometrie für unterschiedliche Abschnitte des Produktlebenszyklus Motivation Allmähliche Veränderung der Geometrie im Herstellungsprozess und beim Gebrauch Allmähliche anwendungsbedingte Veränderung der Geometrie

17 2014 XVI Carl Hanser Inhalt Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 9.4 Diskontinuierliche, schnelle Veränderung der Geometrie im Herstellungsprozess Begriffserklärung Spannvorrichtungen Vorrichtungen zum nachträglichen Kalibrieren Nachträgliche Bearbeitung eines Bauteils Einspannen des Bauteils für die Montage Demontage von Baugruppen vor dem Einsatz Umbau von Baugruppen nach der ersten Nutzungsphase, um eine weitere Nutzung zu ermöglichen Rückbau von Baugruppen nach der Nutzung Funktionsbedingte veränderliche Geometrie Erprobte Einsatzgebiete Gelenklose Anwendungen, die Duktilität nutzen Lokale Gelenke Faltbare Anwendungen Lokale Flexibilität und Hochelastische Anwendungen Realisierung mit einer weichen Materialkomponente Realisierung mit konstruktiver Duktilität Reversibles Beulen Funktionsintegration Der Begriff Funktionsintegration Die konstruktive Funktionsintegration orderid Das Wesen der konstruktiven - transid Funktionsintegration _1D Das Prinzip Funktionelle Mehrfachnutzung Das Prinzip zusätzliche Geometrie zur Gewährleistung einer weiteren Funktion Vergleich der beiden Prinzipien Beispiele für eine konstruktive Funktionsintegration Die technologische Funktionsintegration Optimierung der technologischen Abläufe Funktionsintegration durch Anpassung technologischer Abläufe Sonderverfahren als Mittel der techno logischen Funktionsintegration Übersicht Die Sondertechnologie Mehrkomponentenspritzgießen Einige Gestaltungsregeln zum Mehrkomponentenspritzgießen Sondertechnologien als Hinterspritzverfahren Checkliste zur Konstruktion von Kunststoffteilen Autor Prof. Torsten Kies Index

18 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 1 Temperatureinsatzbereich 1.1 Phasenübergänge bei Kunststoffen Der Übergang vom festen in den geschmolzenen Zustand In unserer Vorstellung verbinden wir einen Phasenübergang von fest nach flüssig oder umgekehrt mit dem Abschmelzen von Eis oder dem Erstarren von Wasser. Bei vielen anderen Materialien erfolgt die Eigenschaftsveränderung aufgrund des Phasenübergangs ähnlich radikal an einem gut definierten Temperaturpunkt. Bei den meisten Werkstoffen ist die quantitative Veränderung der Eigenschaften beim Schmelzen oder Erstarren ausgeprägt. Für chemisch reine Metalle erfolgt das Aufschmelzen oder die Erstarrung plötzlich bei einer definierten Temperatur. Werden - Kunststoffe orderid betrachtet, kommen - die transid Effekte nicht _1D so deutlich zum Ausdruck. - In der uns aus dem Alltag vertrauten, festen Phase erscheinen uns Gegenstände aus Kunststoff relativ weich und mehr oder weniger biegsam, also weniger steif als Metalle. Thermoplaste können erschmolzen werden: Die Kunststoffschmelzen sind extrem zähe Flüssigkeiten, die einen sehr großen Fließwiderstand haben. Der Übergang von fest nach flüssig erfolgt bei den Kunststoffen nicht bei einer klar bestimmbaren Temperatur, sondern über einen mehr oder weniger breit ausgeprägten Temperaturbereich. Anders als bei Metallen verliert so ein Körper, der kurzzeitig knapp über die untere Grenze des Schmelztemperaturbereichs erwärmt wurde, nicht sofort seine Gestalt, wie wir es von einem geschmolzenen Eiszapfen kennen. Bei einem Gegenstand aus Thermoplast bleibt die geometrische Gestalt zunächst erhalten. Es kommt lediglich zu einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Verziehen des Gegenstands. Mitunter werden solche Versuche im Haushalt ungewollt mit Mikrowellengeschirr im Backofen durchgeführt. Bei den im Haushalt verwendeten Metallgegenständen enden solche Versuche schadensfrei. Nach diesen Überlegungen kann man bereits die Aussage formulieren, dass Kunststoffe bei geringeren Temperaturen als Metalle ihren Aggregatzustand von fest nach flüssig ändern. Produkte aus Thermoplasten sind je nach Kunststoffsorte bis zu Temperaturen von 80 bis 250 C formstabil. Dabei sind die hochtemperaturfesten Poly-

19 20142 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. mere um ein mehrfaches teurer als die Massenplaste, die schon unter 100 C ihre Formstabilität verlieren. In Bild 1.1 ist der Zusammenhang zwischen Wärmebeständigkeit und Preis in einem quantitativen Diagramm dargestellt. Allgemein gilt, dass eine erwünschte Formstabilität auch bei erhöhten Temperaturen den Einsatz von preisintensiveren Thermoplasten erfordert. PEI PES PPS PTFE Preis POM PA PS PP PE PVC Erweichungstemperatur Bild 1.1 Qualitativer Zusammenhang zwischen Temperaturformbeständigkeit und Materialpreis einiger Kunststoffe Erzeugnisse aus Metall vertragen dagegen mehrere hundert Grad Celsius. Allerdings gibt es hier auch Gegenbeispiele wie Quecksilber, Zinn oder Blei. Nicht nur in Bezug auf die Schmelztemperatur gibt es einige Metalle, die den hier zugrunde gelegten Modellvorstellungen nicht entsprechen. Für reine Metalle erfolgt der Phasenwechsel fest/flüssig analog zu schmelzendem Eis/Wasser an einem klar zu bestimmenden Schmelzpunkt. Die meisten Metalllegierungen verändern ihren Phasenzustand über einen Temperaturbereich. Ab der Überschreitung eines bestimmten Temperaturwerts beginnt ein Wechsel in eine zunächst breiige Struktur. Mit zunehmender Temperatur vermindert sich die Viskosität des Breis. Ab einer bestimmten Temperatur sind beide Komponenten verflüssigt und es liegt nun eine Metallschmelze mit den Eigenschaften einer Flüssigkeit und der charakteristischen geringen Viskosität vor. Zum klassischen Metallgießen sind solche Stoffgemische weniger geeignet. Ein sehr modernes Urformverfahren für einige solcher Metalllegierungen stellt das Thixothropiespritzgießen dar.

20 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 1.1 Phasenübergänge oder Vervielfältigung. bei Kunststoffen 3 Eine bekannte Anwendung, bei der eine breiartige Struktur der Masse wichtig ist, kennen wir vom Löten bei Elektronikteilen. Bei dieser Technologie ist die Viskosität neben der Oberflächenspannung des Lots ein wichtiger Prozessparameter. Bei diesen Metalllegierungen ist der unterschiedliche Schmelzpunkt der einzelnen Komponenten Ursache für den breiten Phasenübergangsbereich. Im Gegensatz zu Kunststoffen vermindert sich bei diesen Metallgemischen mit zunehmender Temperatur die Viskosität zunächst enorm. Sind beide Komponenten erschmolzen, bleibt die Viskosität auf einem konstant geringen Wert. Bei Kunststoffschmelzen vermindert sich die Viskosität bei zunehmender Temperatur nur moderat, sie bleibt aber insgesamt auf einem hohen Niveau. Bei länger einwirkenden hohen Temperaturen oberhalb des Erweichungsbereiches schmelzen Thermoplaste und verlieren ihre Form. Wird die Schmelze überhitzt, zersetzen sich die Polymere. Bei Elastomeren und Duromeren erfolgt die chemische Veränderung des Materials bei zu starker Wärmeeinwirkung, ohne dass vorher ein Zustandswechsel von fest nach flüssig erfolgte. Der relativ niedrige Phasenübergangtemperaturbereich von Kunststoffen kann nicht allein auf Beschränkungen beim Einsatz der Produkte reduziert werden. Dadurch, dass man sich bei der Herstellung der Produkte auf moderate Temperaturen beschränken - orderid kann, ist - die zur Produktformung - transid notwendige _1D Energie überschaubar. - Zur Formübertragung kann man Werkzeuge aus gebräuchlichen Metallen verwenden. Die hervorragenden Abformeigenschaften von Kunststoffen schon bei relativ geringen Temperaturen machen die Polymerwerkstoffe so zu einem Material, mit dem die Erzeugung von unschlagbar preisgünstigen, komplex geformten und multifunktionalen Produkten mit einem überschaubaren Energieeinsatz möglich wurde. Dass die Temperaturen, bei denen der Phasenübergang von fest nach flüssig stattfindet, bei Kunststoffen viel geringer sind als bei Metallen, bringt einerseits gewisse Nachteile beim Einsatz in einer heißen Umgebung mit sich, bedeutet aber andererseits auch deutliche Vorteile bei der Herstellung der Produkte und ermöglicht so ein unschlagbar attraktives Preis-Leistungs- Verhältnis der Produkte Um eine genaue Aussage zu bekommen, welchen Temperaturen eine konkrete Baugruppe im Einsatz aushält, sind konkrete Untersuchungen unvermeidbar. Das verwendete Material ist ein ganz wichtiger Parameter, daneben müssen aber noch die Dauer der Temperatureinwirkung und die geometrischen Einflüsse berücksichtigt werden.

21 20144 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Innerhalb des Temperaturbereiches, bei dem die Geometrie des Erzeugnisses stabil erhalten bleibt und nicht durch Schmelzvorgänge verändert wird ist die Gestaltfestigkeit der Produkte gegeben. Wenn man diese Größe für Erzeugnisse aus unterschiedlichen Thermoplasten untereinander vergleichen möchte, liefert die Vikat- Erweichungstemperatur (DIN EN ISO 306) einen ersten Anhaltspunkt. Hier wird ermittelt, ab welcher Temperatur ein Körper in den Prüfling aus Kunststoff ohne nennenswerten Widerstand eindringen kann. Die in der Norm vorgegebene Heizrate und die Prüflast blenden ganz bewusst die geometrischen Einflüsse aus. Gut geeignet sind die mit der Norm ermittelten Werte, um Materialvergleiche für einen konkreten Anwendungsfall anzustellen. Formteile aus einem Werkstoff, für die eine höhere Vikat-Erweichungstemperatur ermittelt wurde, dürften auch im konkreten Einsatz bei höheren Temperaturen formstabil bleiben, im Unterschied zu Erzeugnissen aus einem Kunststoff mit geringeren Werten der Vikat-Erweichungstemperatur. Unzulässig ist die Annahme, dass für jeden Anwendungsfall die nach DIN EN ISO 306 bestimmten Werte die Temperatur repräsentieren, bis zu der die Formstabilität der Baugruppe gegeben ist. Um Rückschlüsse auf die Formstabilität physikalisch begründen zu können, müssen funktionale Abhängigkeiten untersucht werden. Eine Größe, welche die Zustandsänderungen sehr deutlich anzeigt, ist die Steifigkeit des - Materials, orderid die durch den Zug-E-Modul - transid ausgedrückt _1D wird. Das Bild 1.2 zeigt - eine typische E-Modul-Temperatur-Kurve eines teilkristallinen Thermoplasts. E-Modul in MPa Werte für PEEK CA Temperatur in C Bild 1.2 Sprunghafte Veränderung des E-Moduls bei der Überschreitung des Phasenumwandlungs-Temperaturbereich

22 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 1.1 Phasenübergänge oder Vervielfältigung. bei Kunststoffen 5 Mit zunehmender Temperatur vermindert sich bei Kunststoffen der E-Modul allmählich. Ein plötzlicher Zusammenbruch wie bei reinen Metallen beim Aufschmelzen kommt nicht vor. Bei Thermoplasten ist der Phasenübergang von einer stetigen Abnahme des E-Moduls gekennzeichnet. Wenn der Phasenübergang vollzogen ist und eine zähflüssige Schmelze vorliegt, kann für diese noch ein gewisser Restwert für den E-Modul ermittelt werden. Der E-Modul des reinen Metalls bricht dagegen bei der Überschreitung des Schmelzpunktes auf nicht mehr bestimmbare Werte zusammen. Bei Metalllegierungen außerhalb eines Eutektikums erfolgt die Zustandsänderung über einen Temperaturbereich. Der E-Modul vermindert sich beim Schmelzen von Legierungen allmählich, bis eine vollständige Metallschmelze vorliegt, die einer idealen Flüssigkeit sehr ähnlich ist. In der Schmelze können keine statischen Spannungen übertragen werden Die Volumenänderung beim Phasenübergang von der Schmelze zum festen Zustand Die Voraussetzung für die Übertragung von Spannungen und somit der Aufnahme und Weiterleitung von Kräften durch das Material ist die Erstarrung des Werkstoffs. Bei teilkristallinen Thermoplasten wird beim Phasenübergang von flüssig nach fest eine deutliche Verminderung des spezifischen Volumens beobachtet (Bild 1.3). Spezifisches Volumen in cm³/g 1,4 1,3 1,2 1,1 Abkühlen Aufheizen 1, Werte für PP Temperatur in C Bild 1.3 Spezifisches Volumen in Abhängigkeit von der Temperatur für einen teilkristallinen Thermoplast Der für alle Kunststoffe beobachtete Phasenübergang in einem mehr oder weniger breiten Temperaturbereich ist in der molekularen Struktur begründet. Die einzelnen fadenförmigen Makromoleküle unterscheiden sich voneinander in ihrer Länge,

23 20146 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. ihren Seitenkettenverzweigungen, Anteilen an copolymerisierten Anteilen und so weiter. Dass eine Reststeifigkeit ebenfalls noch im geschmolzenen Zustand erkennbar ist, kann auch mit der molekularen Struktur erklärt werden. Im Gegensatz zu Schmelzen reiner Metalle weist eine Polymerschmelze aufgrund ihrer makromolekularen Struktur starke Unterschiede zu einer idealen Flüssigkeit auf. Daraus erklären sich die besonderen Fließeigenschaften der Kunststoffschmelzen. Der in Bild 1.3 erkennbare unterschiedliche Kurvenverlauf beim Aufheizen und beim Abkühlen wird als Hysterese bezeichnet und erklärt sich aus der makromolekularen Struktur der Thermoplaste. Die Umlagerung der fadenförmigen Molekülketten erfordert eine längere Zeitdauer als die Platzwechselvorgänge bei mehr oder weniger kompakten Molekülen von Metallen. Wie aus Bild 1.3 weiter zu erkennen ist, zeigt ein teilkristalliner Kunststoff, wie das bei der Ermittlung der gezeigten Daten verwendete Polypropylen, im Bereich des Phasenübergangs eine deutliche Reduktion des spezifischen Volumens. Die Makromoleküle ordnen sich hier zu lokalen Kristalliten und vermindern dabei das freie Volumen des Werkstoffs um fast zehn Prozent. Insgesamt kann sich bei der Abkühlung von Verarbeitungstemperatur (ca. 240 C) auf Raumtemperatur das spezifische Volumen teilkristalliner Polyolefine um bis zu 20 % vermindern. Die Kombination von Kunststoff und Metall in einem Bauteil führt wegen der hohen Schwindung der Polymere zu Problemen. So entscheidet man sich beispielsweise bei der Auslegung eines Stecker-Gehäuses für einen amorphen Kunststoff wie Polystyrol, der mit 7 bis 8 % nur eine relativ geringe Verminderung des spezifischen Volumens bei der Abkühlung von Verarbeitungs- auf Raumtemperatur zeigt. In vielen Fällen werden die vor dem Füllen der Kavität mit Kunststoff in das Werkzeug eingelegte Stecker-Kontakte vor dem Umspritzen mit Kunststoff erwärmt, um geringere Schwindungsunterschiede der beiden Materialien bei der Abkühlung zu erreichen Phasenübergänge am starren Körper Anders als bei den gebräuchlichen Metallen wie Stahl oder Aluminium muss man bei Kunststoffen den gesamten Temperatureinsatzbereich für die jeweilige Anwendung unbedingt hinterfragen. Das bezieht sich nicht nur auf die obere Grenze des Temperatureinsatzbereiches, um ein ungewolltes Anschmelzen von Produkten zu vermeiden. Vor allem Elastomere werden bei sehr tiefen Temperaturen extrem spröde. Bei großer Kälte zerbrechen Formteile aus Gummi spröde, wenn sie schlagartig belastet werden.

24 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 1.1 Phasenübergänge oder Vervielfältigung. bei Kunststoffen 7 Bei einem bekannten Schauexperiment wird ein Gummiformteil in flüssigen Stickstoff plötzlich abgekühlt und anschließend schlagartig belastet. Bei den Vorführungen kommt es immer wieder zu erstaunten Reaktionen der Beobachter, wenn der ehemals weiche Gummi nach der Unterkühlung wie Glas zersplittert. Die physikalische Ursache für diese Erscheinung sind Änderungen der mikroskopischen Struktur des Werkstoffs. Die Versprödung setzt dann ein, wenn die Kettensegmente der Makromoleküle zwischen den Fixierungspunkten oder -abschnitten sich nicht mehr bewegen können. Der Werkstoff kann nur noch geringe Deformationen aufnehmen. Man bezeichnet die Versprödung auch als Verglasung und die Temperatur, bei der diese einsetzt, als Glasübergangstemperatur. Durch die Auswahl einer geeigneten Gummimischung muss sichergestellt werden, dass die Glasübergangstemperatur unterhalb der minimalen Einsatztemperatur liegt. Nicht ganz so dramatisch kann dieser Effekt auch bei dem teilkristallinen Werkstoff Polypropylen beobachtet werden, wenn Temperaturen unter ca. 0 C vorherrschen. Auch hier kommt es zu einem Unterschreiten der Glasübergangstemperatur. Die Versprödung ist erkennbar, aber nicht so drastisch ausgeprägt wie bei Elastomeren. Beim Polypropylen muss die Funktion der Bauteile an der unteren Einsatztemperaturgrenze genau untersucht werden. Bei Stoßfängern von Kraftfahrzeugen aus Polypropylen gibt es aufgrund der Versprödung Probleme im Wintereinsatz. Mit einer Modifizierung des Grundmaterials wird dem entgegengewirkt. Der technische Einsatz von Kunststoffen erfolgt bei fast allen Anwendungen in der festen Phase (Bild 1.4) unterhalb der Schmelztemperatur. Die physikalischen Materialzustände, bei der das polymere Material technisch eingesetzt werden kann, werden mit dem Gebrauchstemperaturbereich beschrieben. Er gilt für atmosphärische Bedingungen ohne Medienangriff. Der Gebrauchstemperaturbereich charakterisiert das Material. Bei einer technischen Anwendung muss der Ingenieur sich davon überzeugen, dass der geforderte Einsatztemperaturbereich innerhalb des Gebrauchstemperaturbereichs eines potenziellen Materials liegt. Sonst ist das betrachtete Material für den beabsichtigten Einsatzzweck nicht geeignet und es muss ein alternativer Werkstoff verwendet werden oder das betreffende Bauteil vor der Einwirkung der kritischen Temperatur geschützt werden.

25 20148 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Glasübergangstemperatur Schmelztemperatur Zersetzungstemperatur Thermoplaste mit nicht vernetzten Fadenmolekülen Elastomere mit weitmaschig vernetzten Makromolekülen Spröder, verglaster Zustand Spröder, verglaster Zustand Gebrauchstemperatur Form- und Gestaltverlust Zersetzung Duroplaste mit engmaschig und stark vernetzten Makromolekülen Temperaturanstieg Bild 1.4 Polymere bei unterschiedlichen Temperaturen 1.2Die Temperaturabhängigkeit der Materialkennwerte von Kunststoffen Der Vergleich mit anderen Werkstoffgruppen Aber auch innerhalb des Gebrauchstemperaturbereiches haben die Werkstoffkonstanten von Polymeren eine ungewöhnlich große Abhängigkeit von der jeweils herrschenden Temperatur. Die Eigenschaften des verwendeten Polymers sind viel stärker von der Temperatur abhängig als bei gebräuchlichen Metallen. So müssen unterschiedliche Temperaturen auch im Einsatz von Kunststoffteilen berücksichtigt werden. Ein Kraftfahrzeug muss im Winter bei strengem Frost funktionieren, wie auch im Sommer bei starker Hitze.

26 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle 1.2 Rechte Die Temperaturabhängigkeit vorbehalten. Keine unerlaubte der Weitergabe Materialkennwerte oder Vervielfältigung. von Kunststoffen Die thermische Ausdehnung Eine wichtige physikalische Größe zur Charakterisierung der geometrischen Eigenschaften in Abhängigkeit von der Temperatur ist die thermische Ausdehnung, die für Festkörper durch den linearen thermischen Ausdehnungskoeffizienten charakterisiert wird. Diamant 1,3 Blei 29,3 Glas 0 7,6 Beton 6-14 Eisen 12,2 Grauguss 9,0 Stahl Aluminium 23 Bakkelit Gummi Polyethylen Polycarbonat Längenausdehnungskoeffizient α in 10 6 /K Bild 1.5 Wärmeausdehnungskoeffizienten unterschiedlicher Materialen Legt man die Werte aus Bild 1.5 zugrunde, erhält man für ein einen Meter langes Bauteil aus Beton bei einem Zustandswechsel von 20 auf 30 C eine Zunahme der Länge von ungefähr 0,1 mm. Polymeres Material dehnt sich jedoch etwa um das Zehnfache aus. Auch wenn dieser eine Millimeter auf den ersten Blick ein recht geringer Wert zu sein scheint, führt in vielen Fällen eine nicht beachtete unterschiedliche Längenausdehnung von miteinander kombinierten Bauteilen zu einer Beeinträchtigung der Funktion der Baugruppe. In Bild 1.6 ist eine ausgetriebene Abdeckung für die Ablaufrinne rund um ein Schwimmbecken zu sehen. Die Längenanpassung der Kunststoffabdeckung erfolgte sicher bei normaler Raumtemperatur von 15 bis 20 C. Im Badebetrieb wird der Raum aber auf über 30 C aufgeheizt. In der Folge kommt es zu der gezeigten Verwerfung. 250

27 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 1.6 Ausgetriebene Abdeckung aus Kunststoff über der umlaufenden Ablaufrinne in einem Schwimmbad Um den in Bild 1.6 gezeigten Deformationen zu begegnen, muss beim Einpassen der Abdeckung bei kalten Temperaturen ein gewisses Dehnungsspiel berücksichtigt werden. Bei der handwerklichen Verlegetechnologie der Elemente ist dies nicht immer in der beabsichtigten Qualität zu realisieren. Hier ist der Anbieter der Abdeckung gefragt. Im einfachsten Fall könnten Distanzstücke zur Verfügung gestellt werden, die bei der Montage definierte Dehnungsfugen sicherstellen. Nach der Montage müssen die Distanzstücke natürlich wieder entfernt werden. Noch besser wäre es, wenn durch eine entsprechende konstruktive Auslegung der Abdeckung die vorkommende Dehnung im Bauteil aufgenommen wird und man damit die Verwerfungen vermeiden kann. Besonders kritisch wird die Problematik unterschiedlicher Längenausdehnungskoeffizienten im Fahrzeugbau. Hier muss bei extremer Kälte bis 40 C und im Hochsommer bei extremer Sonneneinstrahlung eine Wärmebelastung von + 80 C und mehr die Funktion uneingeschränkt gegeben sein. Bei Metall-Kunststoffkombinationen an Ein- oder Anbauteilen kommen Längenunterschiede von etwa 10 mm vor, die konstruktiv aufgenommen werden müssen. Bei der Realisierung der Spaltmaße von aneinander anschließenden Karosserieteilen gibt es wegen der unterschiedlichen thermischen Längenausdehnungskoeffizienten bei Hybridkonstruktionen Probleme. Weil die Spaltmaße von den Kunden als ein wichtiges Kriterium für die Verarbeitungsqualität der Fahrzeuge betrachtet werden, muss man hier bei der Entwicklung besonderes viel Sorgfalt aufwenden. Grundsätzliche konstruktive Varianten mit unterschiedlichen thermischen Längenausdehnungskoeffizienten zeigt Bild 1.7.

28 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle 1.2 Rechte Die Temperaturabhängigkeit vorbehalten. Keine unerlaubte der Weitergabe Materialkennwerte oder Vervielfältigung. von Kunststoffen Der Dehnung Raum geben Kunststoff Metall Kunststoff Metall Kunststoff Metall 2. Die Dehnung in Deformationselementen aufnehmen Kunststoff Metall 3. Die Dehnung in Wölbungen aufnehmen Kunststoff Metall Kunststoff Metall Bild 1.7 Konstruktive Möglichkeiten zum Ausgleich unterschiedlicher Längenausdehnung bei einer Kunststoff-Metall-Kombination Eine Möglichkeit besteht darin, einzelne Karosserieelemente stufenförmig überlappen zu lassen. Die thermische Ausdehnung äußert sich dann in einer äußerlich nicht erkennbaren Überlappung der Elemente. Die Fixierung der Kunststoffelemente an den Stahlbauteilen muss einen thermischen Ausgleich entsprechend zulassen. Wenn die Dehnung durch eine stärkere Wölbung aufgenommen wird, dann kann an den Rändern eine Fixierung des Kunststoffbauteils erfolgen. So stellt man konstante Spaltmaße sicher. Bei der Anwendung einer Gemischtbauweise aus Metall und Kunststoffelementen müssen so resultierend aus den neuen technischen Erfordernissen auch neue Designelemente am Markt platziert werden. Fahrzeuge mit großflächigen Kunststoffbauteilen im Karosseriebereich sollten rundlicher angelegt sein. Dies wäre eine neue Formensprache, die die Erfordernisse des Werkstoffs Kunststoff erfüllt und gleichzeitig auch die Potenziale dieser Werkstoffgruppe in Bezug auf die Gestaltungsmöglichkeiten abbildet. Mit dem bisher eingesetzten Metall-Blech können bei der üblichen Kaltverformung nur eingeschränkt Wölbungen gepresst werden. Bei der Umstellung der Technologie auf neue Werkstoffe ist neben den reinen funktionalen Erfordernissen immer auch noch ein erfolgreiches Marketing erforderlich.

29 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Dabei können sich beide Aspekte durchaus beflügeln, wenn es gelingt, mit der neuartigen Gestaltung auch ein modernes Design des Gesamtprodukts zu unterstreichen. Die qualitative Wirkung unterschiedlicher thermischer Längenausdehnung ist eindeutig. Problematisch ist die Quantifizierung. Aufbauend auf die Volumentheorie kann man über die Volumenkontraktion recht zuverlässige Aussagen treffen. Schwierig ist aber die Inhomogenität über die Raumrichtungen. Das Bild 1.8 zeigt ein extremes Beispiel, bei dem fast die gesamte Volumenschwindung in einer Raumrichtung erfolgt. Ausgangslänge/Längenänderung 0,06 0,04 0,02 0 Tangentialrichtung Radialrichtung Dickenrichtung Temperatur in C Werte für PPS Bild 1.8 Inhomogene Längenänderung (Werte nach Polymer Wiki Merseburg) Die im Bild 1.8 zum Ausdruck kommenden deutlichen Abhängigkeiten auch im stetigen Bereich der Material- Konstanten von der vorherrschenden Temperatur erschweren die Berechnung von Bauteilen aus Kunststoff. Es ist nicht ausreichend, allein mit Berechnungen oder Untersuchungen bei Raumtemperatur die Funktionsfähigkeit einer Baugruppe nachweisen zu wollen. Es ist zusätzlich nötig bei extremen Temperaturen zu testen Temperaturabhängiges Spannungs-Dehnungs-Verhalten Auch die Fähigkeit von Kunststoffen, Spannungen aufzunehmen, ist stark temperaturabhängig (Bild 1.9). Die klassischen Methoden des Konstruierens sind somit wenig geeignet, das Werkstoffpotenzial der Kunststoffe voll auszuschöpfen, weil in einer kalten Umgebung ein Bauteil deutlich größere Spannungen aufnehmen kann als bei warmen Temperaturen. Andererseits kann sich ein Bauteil in einer warmen Umgebung stärker schadensfrei verformen.

30 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle 1.2 Rechte Die Temperaturabhängigkeit vorbehalten. Keine unerlaubte der Weitergabe Materialkennwerte oder Vervielfältigung. von Kunststoffen 13 Spannung in N/mm² C -20 C 0 C 20 C C C C Dehnung in % Werte für schlagfestes Polystyrol Bild 1.9 Spannungs-Dehnungs-Kurven eines schlagzähen Polystyrols bei unterschiedlichen Temperaturen Nicht nur die Festigkeiten, auch der Zug-E-Modul eines Kunststoffs ist deutlich temperaturabhängig, ohne dass ein Phasenwechsel zu beobachten ist. Der Konstrukteur muss diese Tatsache besonders beachten, wenn es um Knicken oder Beulen geht. Für diese Lastfälle muss in den Berechnungsformeln der E-Modul des Materials berücksichtigt werden. Vor allem bei Behältern und Verpackungen muss die Temperaturabhängigkeit des E-Moduls unbedingt berücksichtigt werden; beispielsweise, wenn Eimer mit Farbe übereinander gestapelt werden sollen. So können im Sommer unter der Plane eines LKW so hohe Temperaturen vorkommen, dass Verpackungsgefäße der Stapellast oder dem Innendruck nicht mehr standhalten und einoder ausbeulen. Eine Konstruktionsmethodik für Kunststoffe verfolgt deshalb den Ansatz, dass für Kunststoffe eine kritische Dehnung nicht überschritten werden darf. Die Werte für die Dehnung zeigen eine geringere Temperaturabhängigkeit, als die für die Spannungen (Abschnitt 4.3.4). Die Verbesserung der Stabilität gegenüber Beulen und Knicken erreicht man mit Hilfe von geometrischen Versteifungen (Kapitel 7), die dem speziellen Lastfall am jeweiligen Erzeugnis entsprechend angepasst werden können.

31 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 1.3 Der Einsatztemperaturbereich Tatsächlich wirkende Temperaturen Die Informationen zum Gebrauchstemperaturbereich eines bestimmten Materials können vom Rohstoffhersteller abgerufen werden. Mit ihnen sind die einzelnen Kunststoffe untereinander vergleichbar. So ist man in einer frühen Phase des Entwicklungsprozesses in der Lage, das für den Einsatzzweck geeignete Material auszuwählen. Damit das Versagen der Bauteile ausgeschlossen wird, muss der Gebrauchstemperaturbereich des Werkstoffs immer größer sein als der Einsatztemperaturbereich der Baugruppe. Mit der Entscheidung, welchen Temperaturen im konkreten Einsatzfall der Konstruktionswerkstoff widerstehen muss, bleibt der Entwickler jedoch allein. Beispiel Wasserkocher: Studenten des Maschinenbaus sollen im Seminar die Temperatureinsatzgrenzen für einen Wasserkocher festlegen. Die obere Grenztemperatur wird nach kurzer Abstimmung der Gruppe mit 100 C definiert. Bei der Festlegung der unteren Grenztemperatur gehen die Meinungen aber auseinander. Die erste Fraktion legt sich auf Werte um 15 C fest und begründet dies mit der Annahme, dass am Einsatzort Küche Raumtemperatur vorherrscht. Die zweite Gruppe legt sich auf den Gefrierpunkt des Wassers als untere Grenztemperatur fest. Hier ist die Begründung, dass Wasser ja im flüssigen Aggregatzustand eingefüllt werden muss. Schließlich wird noch eine dritte Meinung diskutiert, die bis 25 C als Tiefpunkt annehmen, mit der Begründung, dass der Wasserkocher auch noch funktionieren soll, wenn an einem Winterwochenende die ungeheizte Datsche aufgesucht wird und ein heißer Tee bereitet werden soll. Welche der drei Meinungen für die Realität geeignet ist, kann so schnell nicht entschieden werden und wird sicherlich auch von der beabsichtigten Wertigkeit des Erzeugnisses abhängen. Für die allermeisten Anwendungen wird sicher die Annahme Raumtemperatur hinreichend sein. Der Endkunde sollte über den für die Entwicklung zugrunde gelegten Einsatztemperaturbereich informiert werden. Wird der Einsatztemperaturbereich zu eng ausgelegt, ist ein Versagen des Erzeugnisses bei Extremtemperaturen wahrscheinlich. Wenn man den Einsatztemperaturbereich zu weit festlegt, muss man in vielen Fällen auf preisintensive Kunststoffe zurückgreifen (Bild 1.1).

32 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 1.3 Der oder Einsatztemperaturbereich Vervielfältigung. 15 Wie das Beispiel des Wasserkochers zeigt, ist die Festlegung der konkreten Grenzen des Einsatztemperaturbereiches in der Praxis oft komplizierter als gedacht. Aber selbst wenn man eine Temperaturgrenze benennen kann, haben die von Rohstoffherstellern angegebenen Gebrauchstemperaturen nur den Charakter von Empfehlungen. Die Unsicherheiten bereits bei der Festlegung der Einsatzgrenzen in Bezug auf die Temperatur sind charakteristisch für viele Anwendungen. Um hier klare Aussagen zu treffen, muss man die Funktionsanforderungen der Anwendung genau definieren. Beispiel Wasserkocher: Für die Anwendung eines Wasserkochers verlangt man sicherlich nur von sehr hochwertigen Geräten, dass auch im tiefsten Winter sofort ein Heißgetränk zubereitet werden kann. Diese qualitative Hochwertigkeit wird sicher dem Endkunden durch Einsatz von Edelstahl vermittelt, so dass in diesem Fall bei der Erzeugnisgestaltung die Werkstoffauswahl sich aus dem ästhetischen Aspekts begründet. Bei dem Beispiel deutet sich an, dass für die einzelnen Funktionen, die ein Erzeugnis erfüllen muss, mitunter auch unterschiedliche Temperaturbereiche für ein und denselben Einsatzzweck angenommen werden. Die Funktion Wasser kochen kann bei dem atmosphärischen Druck rein physikalisch bedingt lediglich im Temperaturbereich von 0 bis 100 C erfolgen. Für die Funktionen Transportieren oder Lagerung kann für die jeweilige Umgebung das entsprechende Temperaturfenster angesetzt werden, welches auch die Wertigkeit des Erzeugnisses zum Ausdruck bringt. Schließlich kann die Wertigkeit als solche auch als Funktion angesehen werden Temperaturabhängige Lasteinwirkung Nicht nur die Einsatztemperatur, auch die Lasteinwirkungen auf das Produkt sind bei den einzelnen Funktionen eines Bauteils in der Regel vollkommen unterschiedlich. So wird beim Transport zum Kunden mit einer entsprechenden Verpackung eine schlagartige Belastung des Erzeugnisses ausgeschlossen. Auch bei der Lagerung in einem unbeheizten Raum ist kaum von einer Dauerbenutzung auszugehen. Für den Betrieb eines Erzeugnisses ist ein bestimmtes Lastverhalten typisch.

33 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Beim Beispiel Wasserkocher sind dies die statische Last des flüssigen Wassers und ein mehr oder weniger ausgeprägter Druckaufbau beim Verdampfen des Mediums. Beim Transport zum Kunden wird ein Wasserkocher dagegen niemals gefüllt und in Betrieb sein. Aufgrund der stoßsicheren Verpackung werden die statischen Lasten auf ein Minimum reduziert. Wegen der unterschiedlichen Belastungen gelten für beide Einsatzfälle unterschiedliche Funktionstemperaturbereiche. Eine saubere Funktionsanalyse für die betreffenden Erzeugnisse und die Annahme realistischer Lasteinwirkungen für die jeweiligen funktionalen Anwendungen einschließlich der Vorgabe von realistischen Temperatureinsatzbereichen für die jeweiligen Funktionen ist die Voraussetzung, damit preiswerte und trotzdem qualitativ hochwertige Erzeugnisse hergestellt werden können. Auch wenn man sich in einer scheinbar festgefügten Branche bewegt, sollten die Einsatzbedingungen von Zeit zu Zeit überprüft werden. So kommt es aufgrund von technischen Weiterentwicklungen zu veränderten Bedingungen in den technischen Systemen. Im Motorraum von Kraftfahrzeugen nahm die bei Volllast auftretende Temperatur mehr und mehr zu, weil die immer kleiner werdenden Motoren ständig mehr Leistung entwickeln und zusätzlich noch eine Wärmedämmung realisiert wird. Mit der zunehmenden Globalisierung werden die technischen Erzeugnisse in allen - Klimazonen orderid der Erde eingesetzt. - So transid kann man - nicht _1D mehr nur von den -Bedin- gungen unserer gemäßigten Breiten ausgehen, sondern muss auch die Umgebungsbedingungen der Tropen und Subtropen berücksichtigen und die Klimabedingungen eines subpolaren Einsatzes beachten. Beispiel Wasserkocher: Bei der Lagerung eines Wasserkochers auf einer Datsche muss man davon ausgehen, dass im strengen Winter das verbliebene Wasser im Kochbehälter gefriert. Die beim Erstarren auftretende Volumenvergrößerung setzt starke Kräfte frei, die sehr schnell zu einer Zerstörung des Boilers führen können und unter Umständen sogar sollen, um eine personengefährdende Fehlverwendung auszuschließen. Geht man von einer vollen Funktionsfähigkeit des Geräts aus, könnte bei einem vollständig vereisten Wasserkocher die Heizung in Betrieb gesetzt werden und das Eis zügig erwärmen. Da das Aufheizen bei den meisten Geräten von innen nach außen erfolgt, könnte sich unter einer Eisschicht eine Dampfblase bilden und einen starken Gasdruck aufbauen. In der Folge könnte es zu einer explosionsartigen Zerstörung des Geräts kommen. Gefahrenpotenzial besteht neben den umherfliegenden Trümmern auch durch verspritztes Wasser mit Siedetemperatur. Dieses Beispiel zeigt, dass die Forderung nach ständiger Funktionserfüllung nicht immer zweckdienlich ist.

34 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 1.3 Der oder Einsatztemperaturbereich Vervielfältigung Die Notwenigkeit von einsatznahen Funktionsuntersuchungen In vielen Fällen sind Temperaturen am Bauteil lokal unterschiedlich. Ein genaues Temperaturprofil kann man erst mit Fertigstellung des Gesamterzeugnisses ermitteln. So ist in elektrischen Apparaten meist eine in einem Gehäuse fest eingebaute punktartige Wärmequelle vorhanden. Durch die funktionale Abkühlung beipielsweise mit einem Gebläse ergibt sich ein Temperaturprofil, das nur sehr schwer vorhersagbar ist. In einem Personal Computer stellen das Netzteil, die Platine und der Prozessor solche Wärmequellen dar. Die Temperaturen sind an den einzelnen Stellen im Innern des Rechners jedoch unterschiedlich. Eine aktive Kühlung senkt insgesamt das Temperaturniveau, kann aber unter Umständen an bestimmten Stellen nicht wirksam sein. So ist es fast unmöglich, konkrete Temperatureinsatzbedingungen zu formulieren. Die beste und gleichzeitig unverzichtbare Möglichkeit, realistische Werte, aber auch Konsequenzen einer Fehlfunktion abzuschätzen, ist die Ausführung von Funktionsuntersuchungen. Hier müssen realistische Einsatzbedingungen sichergestellt werden. Bei der Versuchsdurchführung darf man sich nicht auf die Temperaturwerte am Arbeitspunkt meist der Raumtemperatur beschränken. Man muss auch an den Grenzen des Temperaturbereiches durch Versuchsreihen die Funktion der Baugruppe sicher überprüfen und den gesamten Bereich der Einsatztemperatur auch bei extremen Temperaturwerten abdecken. Nur so können Erzeugnisse entwickelt werden, die am Markt bestehen. Wenn das für den Einsatz eines Erzeugnisses geforderte Temperaturfenster kleiner als der reale Einsatzbereich ist, besteht die Gefahr der Fehlfunktion oder gar des plötzlichen Bauteilversagens. Weil in der Vergangenheit die Funktionsuntersuchungen nicht selbstverständlich waren (und zum Teil heute auch noch nicht sind), wurde dem Kunststoff auch das Image eines Billigwerkstoffs angehaftet. Eine wesentliche Ursache für dieses technische Manko ist die Missachtung der in Bild 1.9 gezeigten Temperaturabhängigkeit der mechanischen Kennwerte. Auch der klassische Fahrzeugbau hatte in Bezug auf die Missachtung des Temperatureinflusses auf Materialeigenschaften Probleme. So hatte eine ganze Fahrzeuggeneration unabhängig vom Hersteller mit einer nicht ausreichenden Befestigung des verstellbaren Innenspiegels zu kämpfen, weil der verwendete Klebstoff bei den im Sommer typischen hohen Temperaturen im Fahrzeuginnenraum in seiner Funktion stark nachließ. Wenn man das geforderte Temperaturfenster deutlich größer als die realistisch vorkommenden Werte wählt, müssen teure Materialien (Bild 1.1) eingesetzt werden, die oft auch spezielle Technologien erfordern. So wird bei sehr hohen Anwendungstemperaturen oft auf den Werkstoff PTFE zurückgegriffen, der die bekannten Pro-

35 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. bleme bei der Verarbeitung zeigt. Die Erzeugnisse werden dann so teuer hergestellt, dass sie sich nicht am Markt behaupten können. Neben dem Temperaturniveau, das auf die Erzeugnisse einwirkt, ist auch die Dauer, die ein Produkt der jeweiligen Temperatur ausgesetzt ist, von entscheidender Bedeutung. Ebenfalls zeigen die chemische Zusammensetzung und die Dichte des Umgebungsmediums Einfluss auf das Temperaturverhalten eines Erzeugnisses. Selbst die geometrische Gestaltung beeinflusst die Beständigkeit in der Wärme. 1.4 Der Einfluss der Geometrie auf die Temperaturbeständigkeit Aussagefähigkeit der Rohstoffkennwerte Rohstoffhersteller können nur materialspezifische Kennwerte für ihre Produkte angeben. Mit großer Mühe suchen die Materialwissenschaftler nach Möglichkeiten, die geometrischen Einflüsse bei der Beschreibung der Materialeigenschaften möglichst - gering orderid zu halten Das ist dann sinnvoll, - transid wenn man _1D die Materialien untereinander vergleichen und das für seine Anwendung geeignete Material finden möchte. - Für eine konkrete Anwendung muss aber der Einfluss der Geometrie unbedingt berücksichtigt werden. Bei manchen qualitativ hochwertigen Konstruktionen kann sogar die Abhängigkeit des Temperatureinflusses von der geometrischen Gestalt des Erzeugnisses bewusst ausgenutzt werden. Zielstellung ist hier, durch eine geschickte Geometrie des Erzeugnisses, mit einem preiswerten Werkstoff ein möglichst breites Fenster des Temperatureinflusses zu ermöglichen. Dabei zeigen sicher bestimmte Gestaltungen an anderer Stelle des Entwicklungsprozesses wieder Nachteile. Es sollen aber die allgemeinen Möglichkeiten und Tendenzen aufgezeigt werden. Konstruieren bedeutet immer, für die jeweilige technische Aufgabe einen tragfähigen Kompromiss zu finden. Das ist hier nicht anders. Mit den folgenden Überlegungen werden einige grundsätzliche Mechanismen des Einflusses der Geometrie auf die Temperaturbeständigkeit eines Erzeugnisses abgehandelt.

36 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 1.4 Der Einfluss Keine unerlaubte der Geometrie Weitergabe auf oder die Temperaturbeständigkeit Vervielfältigung Betrachtete Geometrie Im Folgenden wird überlegt, wie unterschiedliche Gestaltungen auf eine Biegebeanspruchung reagieren. In der Praxis kann nur in Ausnahmefällen auf eine Beanspruchungsrichtung reduziert werden. Ausgangspunkt der Betrachtung soll ein quaderförmiger Biegebalken aus Kunststoff sein, der allmählich bis in den und im Schmelztemperaturbereich erwärmt wird. Das sich bei Kunststoffen kein plötzlicher Phasenübergang, wie beim Aufschmelzen von (Wasser-)Eis, sondern eine allmähliche Verminderung der Steifigkeit eintritt, biegt sich der Balken unter seiner Eigenlast durch (Bild 1.10). Bild 1.10 Formverlust einer quaderförmigen Probe (großer Wandstärke) bei Erwärmung bis kurz vor dem Phasenübergang, ohne innere Abstützung Eine weitere Temperaturbelastung des Prüfkörpers in Bild 1.10 muss in jedem Fall vermieden werden, damit die Probe nicht durch das Aufschmelzen des Materials vollkommen - orderid ihre Gestalt verliert. Die naturwissenschaftlichen - transid _1D Überlegungen, - wie sich das Stoffverhalten am Phasenübergang genau darstellt, haben eine gewisse Bedeutung für die Formgebung im Fertigungsverfahren. Beim Einsatz als technisches Produkt muss der Übergang des Materials in die Schmelze vermieden werden. Es interessiert in diesem Zusammenhang nur der Beginn des Abfallens der Funktion in der E-Modul-Temperatur-Kurve (Bild 1.2). Diese deutliche Verminderung soll bei möglichst hohen Temperaturen erfolgen. Aus einsatztechnischer Sicht ist genau das die Forderung an die Materialentwickler. Bei der technischen Anwendung darf die Nutzung also niemals über die Schmelztemperatur hinaus erfolgen. Bei den in Bild 1.10 gezeigten thermischen Verhältnissen liegt die Temperatur bereits über der Obergrenze der thermischen Belastung des Werkstoffs. Das kann von einem Erzeugnis aus Kunststoff nur kurzzeitig verkraftet werden. Die realistische Belastung muss also bei deutlich geringeren Temperaturen liegen. Wegen des viskoelastischen Materialverhaltens der Kunststoffe rufen bei hohen Temperaturen vorkommende Belastungen Verformungen hervor, die sich zum Teil wieder zurückstellen (Bild 1.11).

37 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Bild 1.11 Schematische Darstellung der Verformungen bei einsatztypischer thermischer Belastung Die Darstellung in Bild 1.11 kann nur die qualitativen Verhältnisse der Rückstellung zeigen. Weil für quantitative Aussagen neben materialcharakteristischen Eigenschaften auch die Geometrie der Formteile berücksichtigt werden muss, sind allgemeingültige Aussagen zum Rückstellungsverhalten von Formteilen nicht möglich. Hier können nur die in Abschnitt geforderten Funktionsuntersuchungen Aussagen liefern. Der Konstrukteur muss beurteilen, bis zu welchen bleibenden Verformungen die Funktion seiner Baugruppe gewährleistet ist. Weil schon die Beschreibung einer einfachen Geometrie nach der thermischen Belastung der Probe (Bild 1.11) an messtechnische Grenzen stößt, ist die funktionale Beurteilung umso wichtiger. Der Versuchsplan ist so anzulegen, dass die Unbedenklichkeit der maximal auf die Baugruppe - orderid einwirkenden thermischen Belastung - transid nachgewiesen _1D wird. Sollte dies - nicht möglich sein, muss eine Aussage getroffen werden können, bis zu welcher thermischen Belastung die Baugruppe ihre Funktion erfüllt. Dann kann entschieden werden, ob eine Neukonstruktion nach einem anderen Funktionsprinzip oder mit einem alternativen meist preisintensiveren (Bild 1.1) Werkstoff erfolgen muss oder durch geeignete Maßnahmen die thermische Belastung eingeschränkt werden kann Modifikation der Wanddicke Bei einer Modifizierung der Konstruktion bietet es sich an, zunächst die Wandstärken des Erzeugnisses zu hinterfragen. Bereiche mit einer besonders dünn ausgeführten Wandstärke werden sich stärker verformen und einen stärker ausgeprägten Verzug aufweisen als normal konzipierte Wanddicken (Bild 1.12). Bei einer konstruktiven Umgestaltung bietet es sich somit an, überall am Teil eine gleichmäßige Wandstärke zu realisieren. Nicht nur die Verformung ist bei extrem dünnwandigen Ausführungen stärker ausgeprägt als bei normalen Wandstärken, auch das Rückstellvermögen nach Wegnahme der hohen Temperaturbelastung der Probe ist geringer.

38 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 1.4 Der Einfluss Keine unerlaubte der Geometrie Weitergabe auf oder die Temperaturbeständigkeit Vervielfältigung. 21 Die im Kapitel 6 aufgestellte Forderung nach einer möglichst konstanten Wandstärke der Formteile hat hier eine ihrer Wurzeln. Bild 1.12 Formverlust einer sehr dünnen quaderförmigen Probe bei Erwärmung bis kurz vor dem Phasenübergang, ohne innere Abstützung Belastungsdauer und Durchwärmung der Produkte Bei vielen Anwendungen oder Funktionen wirken die Maximaltemperaturen nur kurzzeitig ein. Beispielsweise erfolgt das Beflammen zur Oberflächenbehandlung von Kunststoffteilen für wenige Augenblicke bei Temperaturen, die sehr viel höher liegen als die Erweichungstemperatur. Auch andere Nachbehandlungsprozesse können ein Temperaturniveau erfordern, das höher ist als die maximal wirkende Temperatur im Einsatz. Einige Alltagsgegenstände werden, wenn überhaupt, nur kurzzeitig hohen Temperaturen ausgesetzt, beispielsweise, wenn Kunststoffgegenstände - aus orderid Unachtsamkeit mit in die Sauna - transid genommen - werden _1D Wegen der geringen - Wärme leitfähigkeit der Polymere erfolgt die Wärmeaufnahme zunächst verzögert. Bei einem kurzzeitigen Temperaturschock kann ein Kunststoffteil nicht vollständig bis zum Kern durchgeheizt werden. Brillenträger kennen das Phänomen, wenn sie in der Sauna die Metallbügel kaum noch anfassen können, die Kunststoffteile der Sehhilfe aber kaum Wärme aufgenommen haben. Bei einem kurzzeitigen Einwirken eines hohen Temperaturniveaus in der Um gebung von Kunststoffteilen werden aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit der Polymere nur die oberflächennahen Schichten der Erzeugnisse erwärmt. Der innere Kern bleibt kalt und starr (Bild 1.13). Bild 1.13 Abstützung durch einen noch kalten Kern

39 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Der kalte, starre Kern verhindert bei dem in Bild 1.13 dargestellten Probekörper das Durchbiegen. Wenn wir die Aussage auf ein Bauteil übertragen, bedeutet dies, dass bei einer kurzzeitigen, hohen Temperatureinwirkung die Gestalt des Bauteils unverändert bleibt, solange ein noch starrer, kalter Kern ausreichend Steifigkeit hat, um die plastische Verformung des Erzeugnisses zu verhindern Bessere Wärmestandfestigkeit durch Faserverstärkung Wenn das hohe Temperaturniveau nur knapp über der kritischen Erweichungstemperatur liegt, dafür aber über längere Zeit einwirkt, kann mit einem kurzfaserverstärktem Werkstoff ebenfalls eine versteifende Wirkung realisiert werden (Bild 1.14). Bild 1.14 Abstützung auf steifen Kurzfasern Durch die Fasern wird eine Art Gerüst gebildet. Die Kraftweiterleitung erfolgt über die Fasern. Die Matrix hält die Fasern in ihrer Anordnung und verhindert deren Ausknicken. Im Gegensatz zur Optimierung auf Zuglast sollten die Fasern hier nur gering ausgerichtet sein. So tritt zusätzlich ein Effekt ähnlich des Filz ein, bei dem sich die Fasern gegenseitig abstützen. Die allseits gelobten Kohlefasern sollten für diesen Anwendungszweck vermieden werden, weil diese Verstärkungsfasern nur geringe Lasten quer zur Faser aufnehmen können, der Preis aber deutlich über den alternativ einsetzbaren Glasfasern liegt. Weiter zeigen die Kohlefasern eine hohe Wärmeleitfähigkeit, so dass die Wärme schnell ins Innere des Bauteils geleitet wird und der in Abschnitt aufgezeigte Mechanismus nicht zur Wirkung kommen kann. Beim Füllgrad der Fasern kann man experimentieren. Ein Volumenverhältnis mit über 20 % Faseranteil bringt in diesem hier diskutierten Zusammenhang der Gestaltfestigkeit in der Wärme jedoch selten Verbesserungen.

40 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 1.4 Der Einfluss Keine unerlaubte der Geometrie Weitergabe auf oder die Temperaturbeständigkeit Vervielfältigung Werkstoffkombination Viele Anwendungen können wegen der Komplexität der Funktionsanforderungen nicht mehr nur mit einem einzigen Werkstoff realisiert werden. Werden die Materialkombinationen schichtweise angeordnet, dann wird das Material mit der höheren Wärmeformbeständigkeit das Bauteil bei hohen Umgebungstemperaturen stabilisieren (Bild 1.15). Bild 1.15 Abstützung auf einem steifen Material Den Effekt kann man sich an Erzeugnissen mit Soft-Touch-Anwendungen veranschaulichen. Die in Bild 1.15 dunkel(-blau, unten) dargestellte Schicht hat die Funktion des Stabilisierungsmaterials. Der dort hell(-rot, oben) dargestellte Werkstoff hat beim betrachteten Temperaturniveau bereits eine ähnliche Flexibilität wie das thermoplastische Elastomer, das den Soft-Touch am Erzeugnis realisiert. Beispiele für Anwendungen sind Verkleidungen aus Kunststoff, die auf einem tragenden Metallgerüst montiert werden. Hier stabilisiert das tragende Gerüst die Anbauteile. Eine Konstruktion nach diesem Prinzip ist nur dann zu empfehlen, wenn neben der Temperaturbeständigkeit des Erzeugnisses auch andere Aufgaben funktioneller Art erfüllt werden Einseitige Kühlung am Erzeugnis Wirkt der Temperaturangriff auf die Wandstärke eines Kunststoffteils nur einseitig, dann erweichen zunächst nur die der Wärme zugewandten Schichten. Die vom kalten Medium umgebene Seite bleibt auf einem geringen Temperaturniveau und hat die notwendige Steifigkeit, das Erzeugnis zu stabilisieren.

41 Carl Hanser 1 Temperatureinsatzbereich Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 1.16 Abstützung auf einer kalten Schicht Beispiel Getränkeflaschen: Zur besseren Haltbarkeit werden bestimmte Getränke wie Fruchtsaft heiß mit knapp unter 100 C in Flaschen abgefüllt. Die hohe Temperatur wirkt aber nur an der Innenwand der Flasche, außen herrscht Umgebungstemperatur vor und es kommt das im Bild 1.16 gezeigte Prinzip zur Anwendung. Außerdem werden zur Sicherstellung hinreichender Barriere-Eigenschaften die Halbzeuge für Kunststoffflaschen aus mehreren Werkstoffen coextrudiert. Hier kommt der in Bild 1.15 beschriebene Mechanismus zur Wirkung. Die dünnen Schichten des Materials mit einer höheren Temperaturbeständigkeit werden durch den in Bild 1.15 blau (dunklere Fläche) dargestellten Werkstoff mehr oder weniger gegen den Lastangriff des Ausbeulens stabilisiert. Mit diesem Mechanismus ist zu erklären, warum in Behältern aus Kunststoff auch heiße Medien eingefüllt werden können, deren Temperaturen deutlich über der Erweichungstemperatur des für das Gefäß verwendeten Materials liegen. Wir begreifen dies, wenn wir uns einen Kaffee aus dem Automaten kaufen und einen Kunststoffbecher in den Händen halten. Unterstützt werden kann die Wirkungsintensität dieses Mechanismus, indem man die kalte Seite noch zusätzlich kühlt. Das ist beispielsweise während und nach der Heißabfüllung von Getränken in Kunststoffflaschen sinnvoll. Beispiel Wasserkocher: Selbst im Beispiel Wasserkocher ist die Verwendung von Werkstoffen, für die eine Gebrauchstemperatur von weniger als 100 C angegeben wird, nicht ausgeschlossen. Die Siedetemperatur des Wassers herrscht zweifellos im Innern des Boilers. Die Wandung des Kunststoffs wird diese Temperatur aber nicht durchgängig annehmen, weil die Heizspule als Wärmequelle keinen unmittelbaren Kontakt mit der Wandung hat und die automatische Abschaltung des Geräts, die wirksam wird, wenn die Siedetemperatur erreicht ist, eine langzeitige Wärmebelastung verhindert.

42 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 1.4 Der Einfluss Keine unerlaubte der Geometrie Weitergabe auf oder die Temperaturbeständigkeit Vervielfältigung Zusätzliche Versteifungen gegen die thermisch bedingte Biegung In Bild 1.12 wurde die Auswirkung einer dünnen Wandstärke diskutiert und gezeigt, dass die mit dieser Geometrie verbundene verminderte Biegesteifigkeit zu Ausfällen bei geringeren Temperaturen führt. Eine besonders steif ausgelegte Geometrie kann längere Zeit in der Wärme bestehen als eine weniger steife. Über die Möglichkeiten der geometrischen Versteifung werden im Kapitel 7 noch genaue Aussagen folgen. An dieser Stelle soll diese Möglichkeit nur benannt werden. Ein Ausführungsbeispiel für eine durch Rippen versteifte Platte ist in Bild 1.17 gezeigt. Bild 1.17 Abstützung durch ein versteifendes Konstruktionselement Rippenversteifungen sollten immer auf der kalten Seite (Bild 1.16) angeordnet werden. So kann die beste Stabilisierung erfolgen. Im kalten Medium wirken die Rippen als zusätzliche Kühlflächen. Auch bei - orderid einem allseitig angreifenden, - heißen transid Umgebungsmedium _1D haben Rippenkonstruktionen einen Vorteil. Zwischen den einzelnen Rippen ist die Zirkulation - eingeschränkt. So können sich kalte Bereiche länger erhalten als an den ebenen Oberflächen des Formteils.

43 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung.

44 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 2 Medienangriff 2.1 Die Wirkung von Medien auf Kunststoffe Begriffserklärung: Medienangriff Die jeweiligen Kunststoffe reagieren unterschiedlich auf einzelne Medien. Die Säure der Batterie eines Kraftfahrzeuges wird in einem Kunststoffbehälter aus Polypropylen problemlos aufbewahrt. Wäre das Batteriegehäuse aus Polyoxymethylen hergestellt worden, würde am polymeren Material durch den Säureangriff sehr schnell eine Schädigung auftreten. Bei Kunststoffen werden Materialschädigungen nicht allein durch chemische Substanzen verursacht. Auch bestimmte Strahlungen können zu einer Verschlechterung der Werkstoffeigenschaften - orderid führen. In Bild - transid 2.1 sind mögliche _1D mediale Belastungen - dargestellt, die auf Kunststoffe einwirken. Weil der Medienangriff durch mehrere Mechanismen erklärt werden kann, verwendet Bild 2.1 mehrere Begriffspaare, um den Medienangriff zu beschreiben. Kunststoffe stellen keine chemisch reinen Stoffe dar, sondern sind meistens Systeme, die neben der polymeren Primärkomponente weitere Stoffe enthalten. Bei Duromeren und Elastomeren sind Zuschlagstoffe entscheidend für die Eigenschaften der Werkstoffe und übertreffen in der Summe ihrer Gewichte oft die polymere Grundkomponente. Bei Thermoplasten sind die Anteile der Zuschlagstoffe geringer als bei den vernetzten Polymeren. Für die Aufgabenerfüllung des Werkstoffs sind aber diese Funktionszusätze entscheidend. So kann das Versagen eines Flammschutzzusatzes im Brandfall katastrophale Folgen haben. Wirken Medien auf das Stoffsystem Kunststoff, so muss die Wirkung auf das gesamte Stoffsystem betrachtet werden.

45 Carl Hanser 2 Medienangriff Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Direkter Medienangriff Veränderungen an der primären Polymerstruktur Stofflich-medialer Angriff Chemischer Medienangriff Veränderung der molekularen Struktur Indirekter Medienangriff Veränderungen an Zusatzstoffen, die die Eigenschaften des Polmers beeinflussen: Weichmacher Stabilisatoren Medienangriff Strahlungsangriff Physikalischer Medienangriff Veränderung der kristallinen Struktur Bild 2.1 Übersicht: Medienangriff auf Kunststoffe Direkter und indirekter Medienangriff Tritt die Wirkung am polymeren Grundstoff auf, spricht man von einem direkten Medienangriff (Bild 2.1, links). Der indirekte Medienangriff charakterisiert eine Wirkung an einem Zuschlagstoff. Ein direkter und ein indirekter Medienangriff können gleichzeitig auftreten. Beim unmittelbaren Medienangriff wird das Bauteil funktionsbedingt von aggressiven Medien umgeben. Beispielsweise sind Kunststoffbauteile im Kraftstofftank funk tionsbedingt dem Medium Benzin oder Diesel oder anderen zugelassenen Kraftstoffen ausgesetzt. Bei Funktionsversuchen wird der Angriff mit genormten Prüfflüssigkeiten simuliert. Problematisch wird es, wenn Agrarfette wie Rapsmethyl ester verwendet werden, weil diese in ihren Bestandteilen und in ihrer Zusammensetzung nicht definiert sind. Ähnliches gilt auch für Anwendungen im Lebensmittelbereich für solch selbstverständliche und im Allgemeinen als unbedenklich angesehene Umgebungsmedien wie Fruchtsäfte oder Cola. Bei den Überlegungen, mit welchen Medien Erzeugnisse in Kontakt kommen können, sind sämtliche Stationen des Produktlebenszyklus zu beachten. So sind Fälle bekannt, dass ein Einfetten der Teile zur besseren Montage eine nachhaltige Schädigung der Produkte bewirkte. Auch Schmierstoffe an Fördereinrichtungen können kritisch sein, beispielsweise zum Flaschentransport.

46 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 2.1 Die Weitergabe Wirkung oder von Vervielfältigung. Medien auf Kunststoffe 29 Beim mittelbaren Medienangriff wird das Bauteil bei einer Nebenfunktion aggressiven Medien ausgesetzt. Hier sind beispielweise Schmierstoffe oder Reinigungsmittel zu beachten. Weiterhin wird mit dem Begriff Fremdbenutzung der Angriff von Medien beschrieben, die bei der ursprünglichen Spezifikation des Bauteils nicht vorgesehen sind, aber bei einer Nachnutzung durch den Verbraucher vorkommen. Beispielsweise ist denkbar, dass in Getränkeflaschen heißer Tee oder Flüssigkeiten mit aggressiveren Inhaltsstoffen abgefüllt werden Strahlungs- und stofflich-medialer Angriff Im Gegensatz zu Metallen bewirken nicht nur stofflich-mediale Belastungen in Kunststoffen Schädigungen, sondern auch Belastungen durch Strahlung (Bild 2.1, unten Mitte). Deshalb ist die Unterscheidung zwischen stofflich-medialen und Strahlungsangriff sinnvoll, auch wenn der physikalische Begriff Medium normalerweise nicht auf Strahlung anwendbar ist. Bei den hier angestellten Betrachtungen wird dieser Lapsus in Kauf genommen, um die anwendungstechnisch relevanten Wirkungen im Komplex zu behandeln. Wegen der relativ geringen Schmelzpunkte können bereits langwellige Strahlen eine kritische Überhitzung der polymeren Materialien bewirken. Jeder kennt die saunaartige Atmosphäre im Innenraum eines Fahrzeuges, das im Sommer lange Zeit in der Sonne stand. Hier sind die Temperaturen aufgrund der Sonnenein strahlung viel höher als in der Umgebung. Besonders bei dunkel eingefärbten Erzeugnissen und bei Produkten mit einem durchsichtigen Gehäuse besteht die Gefahr der Überhitzung aufgrund der Erwärmung durch Strahlung. Die Wirkung von Wärmestrahlen erfolgt indirekt über die Temperaturerhöhung und ist in erster Linie physikalischer Natur. In Kapitel 1 wurde erklärt, was bei der Überschreitung einer bestimmten kritischen Temperatur passieren kann. Bei teilkristallinen Thermoplasten vollziehen sich Änderungen in der Kristallstruktur. Zunächst setzen bei zunehmender Erwärmung Mechanismen der Nachkristallisation ein, bei weiter zunehmenden Temperaturen laufen die Nachkristallisationseffekte schneller ab, bis dann beim Erreichen des Schmelztemperaturbereiches die Auflösung von kristallinen Strukturen beginnt. Im Gegensatz zur langwelligen Wärmestrahlung führen kurzwellige Strahlen, die auf Kunststoffe treffen, zu einer unmittelbaren Schädigung des Werkstoffs. Durch den Strahlenangriff werden Radikale gebildet, die an Makromolekülen chemische Reaktionen starten. Diese Veränderungen haben massive Auswirkungen auf die mechanischen Eigenschaften der Werkstoffe (Bild 2.2, rote Kurve, ohne Stabilisierung )

47 Carl Hanser 2 Medienangriff Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Relative Änderung der Zugfestigkeit in % Ohne Stabilisierung Schwarzstabilisierung mit Ruß Mit durchscheinender Stabilisierung Bewitterungsdauer in Jahren Daten für POM Hostaform C9021 und C9021 LS Bild 2.2 Auswirkungen der Bestrahlung von Kunststoffen Um die Wirkung der UV-Strahlen auf die Polymere zu vermindern, wurden spezielle UV-Stabilisatoren entwickelt und diese Zusatzstoffe den Polymeren zugesetzt. Die gelbe Kurve in Bild 2.2 mit durchscheinender Stabilisierung zeigt ein solches Stoffsystem. Wird das Eindringen von UV-Strahlen in den Kunststoffkörper durch das Untermischen von schwarzen (Ruß-)Pigmenten verhindert, kann die Wirkung der UV-Bestrahlung nahezu vollständig neutralisiert werden (grüne Kurve, Schwarzstabilisierung mit Ruß in Bild 2.2). Eine Stabilisierung mit schwarzen Pigmenten sollte immer mit einer chemischen Stabilisierung kombiniert werden, weil sonst mit länger andauernder Bewitterung die Oberflächen der Erzeugnisse unansehnlich werden. Das in Bild 2.2 dargestellte POM ist aufgrund des Aufbaus seines Monomers gegen UV-Licht besonders empfindlich. Trotzdem kann für einige Anwendungen auf eine Stabilisierung gegen UV-Licht verzichtet werden, wenn das Erzeugnis vor unmit telbarer Sonneneinstrahlung geschützt ist, was beispielsweise bei Ventilen im Kraftstoffversorgungssystem von Kraftfahrzeugen der Fall ist. Beachtet werden muss, dass, wenn auf eine Stabilisierung bewusst verzichtet werden soll, im Produktlebenszyklus nur über kurze Zeit das Erzeugnis dem Sonnenlicht ausgesetzt ist. Das schließt die Lagerhaltung und Transportprozesse ein. Andere Erzeugnisse werden besonders stark von UV-Strahlung angegriffen. Sollen Scheiben von Automobilen anstelle aus Glas zur Gewichtsersparnis aus Kunststof-

48 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 2.1 Die Weitergabe Wirkung oder von Vervielfältigung. Medien auf Kunststoffe 31 fen hergestellt werden, müssen besonders hohe Anforderungen an die UV-Beständigkeit der Materialien gestellt werden. Besonderer Wert muss auf eine UV-Stabilisierung gelegt werden, wenn: die Erzeugnisse funktionsbedingt ständig starker direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, die Erzeugnisse nicht schwarz eingefärbt werden sollen oder können, die Erzeugnisse besonders dünnwandig sind und/oder Reflexionen auftreten und somit auf bestimmte Bereiche eine erhöhte Strahlendosis auftrifft Chemischer und physikalischer Medienangriff Während das Begriffspaar stofflich- medialer und Strahlungsangriff die von außen auf den Kunststoff einwirkender Elemente betrachtet, beschreibt das Begriffspaar chemischer oder physikalischer Medienangriff die Wirkungsmechanismen bei der Veränderung des Materials. Der Begriff chemischer Medienangriff charakterisiert eine chemische Veränderung des Kunststoffs. Betroffen sein kann entweder die polymere Materialkomponente oder mindestens einer der eigenschaftsbestimmenden Zuschlagstoffe des Werkstoffsystems. Bei einem chemischen Medienangriff erfolgt dort eine Veränderung der molekularen Struktur. An der polymeren Komponente können sich Verkürzungen, Verlängerungen oder Verzweigungen an der Polymerkette bilden oder es kommt zu einer chemischen Modifikation der Monomerbausteine. Ein physikalischer Medienangriff verändert die physikalische Struktur des Materials. Bei teilkristallinen Materialien kann eine Veränderung des Kristallisationsgrades oder auch der Kristallstruktur aufgrund eines physikalischen Medienangriffs erfolgen. Der chemische und der physikalische Medienangriff bedingen und beeinflussen sich oft gegenseitig. So verändern sich häufig die physikalischen Strukturen im Werkstoff, wenn ein chemischer Medienangriff erfolgt und es kommt zu einer Veränderung der Lage eines chemischen Gleichgewichts, wenn ein physikalischer Medienangriff vorliegt.

49 Carl Hanser 2 Medienangriff Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 2.2 Voraussetzungen für einen Medienangriff Damit ein Medienangriff auf ein Kunststoffteil einwirkt und Schädigungsmechanismen ablaufen, müssen drei Grundvoraussetzungen erfüllt sein: 1. Die erste Voraussetzung erfordert, dass das Medium, bei der hier angestellten Betrachtung also Fremdmoleküle bzw. Strahlung, in den Kunststoff eindringen kann das heißt, der Kunststoff muss das Medium adsorbieren (unteres Dreieck in Bild 2.3). 2. Dann muss sich das Medium im polymeren Material ausbreiten können. Der Weitertransport eines stofflichen Mediums im Kunststoff erfolgt nach den Diffusionsgesetzen, bei Strahlung wirkt die Absorption (mittleres Dreieck in Bild 2.3). 3. Schließlich muss als dritte Voraussetzung noch ein Schädigungsmechanismus ablaufen (oberes Dreieck in Bild 2.3). Nur wenn es zwischen Medium und dem Werkstoffsystem zu einer Wechselwirkung kommt, erfolgt eine Eigenschaftveränderung des Kunststoffs durch das Medium. Kunststoff 3. Absorption 2. Diffusion 1. Adsorption Medium Bild 2.3 Mechanismus des Medienangriffs auf Kunststoffe

50 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 2.3 Der oder Schutz Vervielfältigung. vor Medienangriff 33 In den meisten Fällen sind mediale Angriffe unerwünscht, weil sich dann die Eigenschaften des Materials verschlechtern. Bei einigen Anwendungen ist die Dotierung des Kunststoffs mit einem Medium jedoch funktional, beispielsweise in der Membran- oder Medizintechnik. Auch Folien, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, sollen eine bestimmte Menge Wasser passieren lassen, um das Pflanzenwachstum zu ermöglichen. In diesen Ausnahmefällen ist der mediale Angriff erwünscht und wird bewusst unterstützt. Bei den meisten Anwendungen wird man jedoch bemüht sein, die mediale Belastung zu verhindern oder zumindest zu begrenzen. 2.3 Der Schutz vor Medienangriff Bereits die Aufnahme eines chemischen Mediums oder von Strahlung kann man durch Sperrschichten vermeiden. Eine praktische Anwendung sind coextrudierte Folien, die eine äußere medienundurchlässige Sperrschicht aufweisen, die die innere Schicht, die eine Funktonalität, wie beispielsweise Reißfestigkeit übernimmt, vor einem Medienkontakt schützt. Meist ist das Material der Sperrschicht teurer als das Grundmaterial, so dass oft bereits aus ökonomischer Motivation eine möglichst dünne Sperrschicht angestrebt wird. Bei spritzgegossenen Formteilen ist die Technologie - des orderid Lackierens oder Bedampfens - transid mit Metalloberflächen _1D zum Schutz - der Oberflächen bekannt. Kraftstofftanks aus Polyethylen können zur Verbesserung der Barriere-Eigenschaften fluoriert werden und bilden eine modifizierte, abweisende oberflächennahe Schicht aus. In der Schutzschicht werden wegen des mit Fluor angereicherten Materials Diffusionsvorgänge niedermolekularer Medien behindert. Alle nachträglich aufgebrachten oder modifizierten Oberflächen tragen in erheblichem Maße zur Verteuerung des Produkts bei. Damit ist der Vorteil von Kunststoffprodukten preiswerte Massenfertigung geometrisch komplexer Formteile in vielen Fällen aufgehoben. Alternativen zur nachträglichen Oberflächenbehandlung sind deshalb wünschenswert. In einigen Fällen ist die oberflächliche Modifizierung von Erzeugnissen auch funktional ungeeignet, beispielsweise immer dann, wenn im Einsatz ein Abrieb der Produkte vorkommt. Eine indirekte Methode wäre die oberflächliche Dotierung des Funktionsteils mit einer bestimmten Chemikalie, die bei Angriff eines Mediums ein Reaktionsprodukt bildet, das erst durch den Kontakt mit dem Medium als Schutzfilm die Oberfläche des Formteils überzieht. Für Anwendungen, die für einen oberflächennahen Schutz wenig geeignet sind, kann ein Schutz der Teile vor Medienangriff erfolgen, wenn die Diffusion des stofflichen Mediums unterbunden oder zumindest behindert wird. Bei der Herstellung

51 Carl Hanser 2 Medienangriff Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. von Flaschen im Extrusionsblasformen oder der Produktion von Folien kann auch eine Sperrschicht im Innern des Extrudats geführt werden, beispielsweise dann, wenn die mechanischen Eigenschaften der modifizierten Oberfläche oder einer aufgebrachten Schutzschicht bezüglich des Abriebs unbefriedigend sind. Wenn bestimmte rheologische Bedingungen erfüllt sind, kann eine Sperrschicht auch als unverträgliche Komponente dem Grundmaterial zugegeben werden. Im Produkt bilden sich dann wegen der Dehnungsvorgänge während des Verarbeitungsprozesses im Innern des Extrudats übereinander mehrere flächige Bereiche der Sperrschicht aus. Das Eindringen von Strahlung in das Formteil kann man durch eine Füllung mit strahlungsundurchlässigen Partikeln verhindern. In der Praxis kommt hier Ruß zum Einsatz (Bild 2.2). Weiterhin versucht man, die chemische Reaktion, die zur Schädigung des Kunststoffs führt, zu unterbinden oder zu verzögern. Dies erreicht man durch Zugabe von Stabilisatoren (Punkt 2.3 und Bild 2.2). Bei einer chemischen Ankopplung werden die Stabilisatoren in das Makromolekül eingebunden oder an die Kette angebunden. Das erfolgt schon beim Rohstoffhersteller. So sind von den meisten Kunststoffsorten UV-stabilisierte Typen auf dem Markt. Weiterhin sind Stabilisatoren bekannt, die in die Matrix ohne chemische Bindung eingemischt werden und auch zur Nachstabilisierung von Recyclaten sinnvoll eingesetzt werden können. Das Prinzip der Stabilisatoren ist, dass sie bereits bei einem geringeren Temperaturniveau eine Reaktion mit freien Radikalen eingehen und so den Start einer chemischen Reaktion am Makromolekül verzögern. 2.4 Die Schädigungsmechanismen Arten der Schädigungsmechanismen Wenn es einem Medium oder einer Strahlung möglich ist, die Werkstoffkomponenten zu erreichen, kann der eigentliche Angriff durch das Medium erfolgen. Aber nicht nur die Voraussetzungen, die zu einer Schädigung des Werkstoffs bei Medieneinwirkung führen, sind vielfältig. Es sind auch mehrere Schädigungsmechanismen bekannt: Oxidativer Abbau Hydrolytischer Abbau Spannungsrissmechanismen

52 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 2.4 Die oder Schädigungsmechanismen Vervielfältigung. 35 Wasseraufnahme und Veränderung der mechanischen Eigenschaften (Konditionierung von PA; Auftreten des Tropeneffekts bei Epoxidharz) Weichmacherwirkung Der oxidative Abbau Der oxidative Abbau wird durch den Angriff von Sauerstoff verursacht. Die Oxidation erfolgt vor allem an der Oberfläche der Kunststoffprodukte, weil der Sauerstoffangriff aus der Gasphase der umgebenden Luft erfolgt. Außerdem kann Sauerstoff als gasförmige Phase in die polymere Matrix über Permeationsvorgänge vordringen. Eine weitere Möglichkeit stellt die Entstehung von Sauerstoff als Nebenprodukt bei einer chemischen Reaktion im Kunststoffmaterial dar. Der Sauerstoff kann direkt in der Polymermatrix entstehen, oder er bildet sich bei einer chemischen Reaktion an Nebenstoffen. Die Schädigungsmechanismen können direkt am Ort der Entstehung ablaufen, oder der Sauerstoff wird über Diffusionsvorgänge vom Entstehungsort hin zum Ort der Schädigung transportiert. Weil fast alle Produkte mit Luft in Kontakt treten, ist der oxidative Abbau stets zu be rücksichtigen. Bestimmte Monomere sind besonders empfindlich gegen diesen Schädigungsmechanismus, - orderid andere weniger. - transid _1D - Die Stabilisierung gegen den oxidativen Abbau erfolgt für alle Kunststofftypen durch den Rohstoffhersteller. Wenn der oxidative Abbau von der Oberfläche aus erfolgt, sind dünne Kunststofffolien besonders empfindlich. Eine Möglichkeit, den oxidativen Abbau zu beurteilen, ist die thermisch gravi metrische Analyse (TGA). Dabei wird das Polymer unter einer definierten Atmosphäre kontinuierlich erwärmt und stets die Masse gemessen. Man nutzt die Tat sache, dass die meisten Oxidationsprodukte der Kunststoffe in gasförmiger Phase ent stehen und flüchtig sind. Folglich vermindert sich die Masse der Probe, wenn Oxi dationsreaktionen stattfinden. Die TGA ist eine vergleichende Methode. Man untersucht die Masseunterschiede bei Schutzatmosphäre in Stickstoff oder einem Edelgas und unter normaler Atmosphäre mit entsprechendem Sauerstoffanteil (Bild 2.4), um Masse veränderungen durch andere Vorgänge als der Oxidationsreaktion erkennen zu können.

53 Carl Hanser 2 Medienangriff Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Gewicht in % In Stickstoffatmosphäre 20 Bild 2.4 Beispiel einer TGA-Kurve In Sauerstoffatmosphäre Temperatur in C Werte für Polysulfon Udel Fa. Solvey Ist bei der Auswertung der TGA-Kurven bereits bei geringen Temperaturen eine Abweichung zwischen den Werten unter Schutzgas und denen mit sauerstoffhaltiger Atmosphäre feststellbar, muss man für diese Probe von einer stärkeren Anfälligkeit gegenüber oxidativem Abbau ausgehen. Das Bild 2.4 zeigt ein Beispiel für ein unempfindliches Material, weil hier auch bei hohen Temperaturen keine Massenunterschiede erkennbar sind. Kritisch sind Proben, die bereits im oder kurz über dem Einsatztemperaturbereich eine Abweichung der beiden Massekurven zeigen. Die Auswirkungen des oxydativen Abbaus sind bei hohen Temperaturen und bei großem Druck besonders stark. So muss bei einigen Materialien besonders auf gute Entlüftung geachtet werden, um den Sauerstoffangriff in Grenzen zu halten Schädigung durch Hydrolyse Hydrolysebeständigkeit kann als Wasserbeständigkeit, insbesondere gegen heißes Wasser, definiert werden. Genau wie die Beständigkeit gegen den oxidativen Abbau ist die Hydrolysebeständigkeit ein Spezialfall der Chemikalienbeständigkeit. Auch sie ist von besonderer Bedeutung, da Wasser allgegenwärtig ist und viele Polymere angreift. Besonders gefährdet sind Fluidsysteme, die von heißem Wasser durchströmt werden. Die haushaltsüblichen Heißwassersysteme funktionieren heute mit etwa 60 C

54 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 2.4 Die oder Schädigungsmechanismen Vervielfältigung. 37 Vorlauf. Getestet werden Formteile für solche Anwendungsgebiete in einer Umgebung mit 90 C. Das bedeutet für die Ergebnisse einen Beschleunigungsfaktor von etwa acht. Damit ist bei den 60 C-Anwendungen ein Versagen erst nach der achtfachen Zeit der für die unter den Testbedingungen mit 90 C ermittelten Werte zu erwarten. Problematisch ist, wenn Kunststoffe in Systemen für Druckwasser eingesetzt werden. Dann kann die Temperatur des flüssigen Wassers auch mehr als 100 C betragen. Der dafür notwendige Betriebsdruck verstärkt die hydrolytische Belastung des Kunststoffs. Ein Anwendungsbeispiel ist der Kühler eines Kraftfahrzeugs. Bei diesen Applikationen dürfen die für 90 C und atmosphärischen Druck aufgenommenen Werkstoffkennwerte nicht kritiklos angewendet werden. Die Wirkungen des hydrolytischen Abbaus können sein: Unmittelbare chemische Reaktionen mit Wasser Katalytische Wirkung von Wasser als Start für andere Abbaureaktionen Bildung von Säuren oder Basen durch im Polymer gelöste Salze Unmittelbarer saurer oder basischer Angriff Wirkung von Spurenbestandteilen des Wassers (Chlor) Ausspülen von Stabilisatoren aus der Polymermatrix im Medium Wasser, so dass die Stabilisierung des Materials nicht mehr wirksam werden kann Durch die Wirkung des Wassers können aber auch andere Abbaumechanismen ausgelöst oder beschleunigt werden. So wird auch nach dem Verlassen des Mediums Wasser eine höhere Anfälligkeit für eine Schädigung des Materials durch andere Mechanismen gegeben sein, wenn eine Schutzschicht abgewaschen wurde. Für den hydrolytischen Abbau gelten die in Bild 2.3 gezeigten Voraussetzungen. Bereits den großflächigen Kontakt des polymeren Materials mit Wasser kann man durch eine Imprägnierung der Erzeugnisse verhindern. Dann wird die Benetzung der Oberfläche vermieden. Feuchtigkeit sammelt sich in kleinen Tropfen und kann so nicht in das Material eindringen. Eine besonders effektive Art des Schutzes bieten Erzeugnisse, bei denen der sogenannte Lotuseffekt auftritt. Das Imprägnieren könnte nachträglich durch Tauchen oder Besprühen der Erzeugnisse erfolgen. Eine preiswerte Variante wäre das Ausschwitzen eines Imprägnier- Mittels aus dem fertigen Erzeugnis, weil dann auf die Nachbehandlung verzichtet werden kann. Der Begriff hydrophiles Verhalten charakterisiert die Neigung eines polymeren Werkstoffs, Wasser in seiner Matrix aufzunehmen. Mit der Wasseraufnahme ist in vielen Fällen eine Veränderung der Materialeigenschaften verbunden. So unterscheiden sich die Werkstoffeigenschaften von Polyamiden je nach Feuchtegehalt deutlich voneinander. In Datenblättern werden so Daten für spritzfrisches und kon-

55 Carl Hanser 2 Medienangriff Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. ditioniertes (mit Feuchtigkeit gesättigtes) Polyamid angegeben. Um reproduzierbare Eigenschaften zu realisieren, werden einige Erzeugnisse nach der Herstellung in einem Konditionierungsschritt bewusst unter definierten Bedingungen Feuchtigkeit ausgesetzt. Während einige Thermoplaste hydrophiles Verhalten zeigen, sind andere Thermoplaste hydrophob. Das heißt, sie nehmen kein oder nur in Spuren Feuchtigkeit auf. Die Wasseraufnahme von Polymeren ist eine wichtige Eigenschaft und wird in Datenblättern unter dem Begriff Feuchtigkeitsaufnahme angegeben. Dieser Wert liefert die Aussage, welchen Anteil Wasser die Polymermatrix aufnehmen kann. Die Polyolofine wie die Massenplaste Polyethylen und Polypropylen können Wasser nur in Spuren aufnehmen. Hydrophile Thermoplaste, die im technischen Bereich eingesetzt werden, nehmen unter ein Prozent Wasser auf. Trotz dieser geringen Menge sind deutliche Eigenschaftsänderungen möglich. Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen ziehen deutlich mehr Wasser aus der Umgebung in ihr Inneres. Im Hygienebereich ist bei Windeln und andern Hygenieartikeln die Eigenschaft der Feuchtigkeitsaufnahme eine funktionelle Eigenschaft, die durch den Einsatz spezieller Polymere realisiert wird. Bei der Verarbeitung von Thermoplasten ist feuchtes Granulat absolut kritisch zu sehen. Beim Spritzgießen herrschen hohe Temperaturen und vor allem enorme Prozessdrücke, die während der Kompression des Materials augenblicklich einen hydrolytischen Abbau des Polymers bewirken. Gerade empfindliche Polymere müssen ausreichend vorgetrocknet werden. Wegen der extremen Bedingungen sind auch unter atmosphärischen Bedingungen hydrophobe Kunststoffe durch Feuchtigkeit auf der Oberfläche der Ganulatkörnchen gefährdet. Die eigentlichen Reaktionen, die im Beisein von Feuchtigkeit zu einer Schädigung des polymeren Materials führen, sind vielfältig und die vollständigen Mechanismen zum Teil noch nicht geklärt. Die Wirkung einer solchen Korrosion bedingt eine begrenzte Lebensdauer von Warmwasserleitungsrohren und -fittings aus Trinkwasserhausinstallationen. Die Feuchtigkeit in einer polymeren Matrix hat jedoch nicht allein chemische Wirkung. Der Anteil Feuchtigkeit, den ein bestimmter Kunststoff aufnehmen kann, ist von der Temperatur abhängig. Bei hohen Temperaturen kann mehr Wasser aufgenommen werden als bei geringen. Vermindert sich die Temperatur, scheidet die Matrix Wasser aus. Die möglichen Mechanismen, die in faserverstärkten Kunststoffen ablaufen, zeigt Bild 2.5.

56 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 2.4 Die oder Schädigungsmechanismen Vervielfältigung. 39 Faser-Matrix-Anordnung Bei hoher Temperatur nimmt die Matrix viel Feuchtigkeit auf. Sinkt dann die Temperatur wieder, gibt die Matrix Feuchtigkeit wieder ab. Es gibt drei Möglichkeiten, wo abgegebenes Wasser angeordnet werden kann: Tropfenbildung in der Matrix Ausschwitzen der Feuchtigkeit Wasserablagerung in der Grenzfläche zwischen Matrix und Faser problemlos Konsequenzen der Kondensatbildung Verminderung der Faser-Matrix-Haftung! Bild 2.5 Mechanismus von Wasseraufnahme und Wasserabgabe in und aus einer polymeren Matrix Die Ablagerung von überschüssigem Wasser in kleinen Einschlüssen in der Matrix (Bild 2.5, links) hat nur selten Konsequenzen für die Funktion der Baugruppe. Bei einer höheren Temperatur wird das Wasser aus den Einlagerungen wieder von der Matrix gelöst. Da es sich bei den gelösten Mengen Wasser um überschaubare Massen handelt, sind durch die Tropfenbildung keine Nachteile zu erwarten. Auf dem ersten Blick ist das Ausschwitzen von Feuchtigkeit aus Kunststofferzeugnissen (Bild 2.5, Mitte) ohne Konsequenzen für die Funktion der Formteile. Ernst zu nehmende Probleme entstehen, wenn auf den Formteilen elektronische Bauelemente montiert sind. Wird bei Abkühlung an der Oberfläche Wasser abgegeben, können in der Elektronik Kurzschlüsse entstehen. Während die beiden genannten Vorgänge ebenso bei unverstärkten Kunststoffen ablaufen, hat die dritte Möglichkeit nur für verstärkte Polymere Bedeutung. Sehr kritisch ist die Ablagerung von Wasser zwischen polymerer Matrix und Verstärkungsfaser (Bild 2.5, rechts). Voraussetzung für die Funktion der Verstärkungsmechanismen ist eine perfekte Haftung zwischen Faser und Matrix. Mit der Einlagerung zwischen Matrix und Faser ist die Faserhaftung nicht mehr gegeben. Beim Betrieb von Flugzeugen aus GFK oder CFK ist dieses Problem besonders krass. Auf dem Rollfeld wird Wasser von der Epoxidmatrix bei hoher Umgebungstemperatur aufgenommen. Während des Reisefluges in großer Höhe, bei eisigen Temperaturen und reduziertem Druck kann die Matrix die Feuchtigkeit nicht mehr gelöst

57 Carl Hanser 2 Medienangriff Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. halten und gibt Wasseranteile frei. Erfolgen diese Wasserabscheidungen zwischen Matrix und Faser, wird die Interphase zwischen den Komponenten gestört. Zusätzliche Sicherheitsreserven sind für einen ungestörten Betrieb erforderlich Schädigung durch Chemikalien Abgesehen von Wasser oder Sauerstoff dringt eine ganze Reihe von Chemikalien in thermoplastische Polymere ein. Welche Lösungsmittel ein Thermoplast aufnimmt und gegen welche er unempfindlich ist, hängt von einer ganzen Reihe Faktoren ab, beispielsweise von der Polarität. Dabei gilt, dass polare Polymere empfindlich gegen polare Chemikalien sind und unpolare Kunststoffe vor allem von nichtpolaren Lösungsmitteln angegriffen werden. Beim Medienangriff dringen Fremdmoleküle in die molekulare Anordnung der Polymere ein. Die thermodynamisch günstige Anordnung der Polymermoleküle wird gestört (Bild 2.6). Der Molekülverband kann nur noch geringe Belastungen aufnehmen. Die lokale Materialzerstörung setzt bereits bei geringeren Belastungen ein. Bild 2.6 Platzwechselvorgänge verursachen Spannungsrisse Wird das betreffende Volumenelement mechanisch belastet, können an den Stellen, an denen die Polymerketten durch Fremdmoleküle aus ihrer Gleichgewichtslage gedrückt wurden, nur verminderte Spannungen aufgenommen werden. Bei starken Belastungen tritt genau dort, wo Fremdmoleküle eingelagert sind, eine lokale Materialschädigung ein. Es entstehen lokale Hohlräume, in die Chemikalien vordringen. Da an den Rändern dieser Hohlräume aufgrund der Wechselwirkung Medium/Polymer bei der Einwirkung von Spannungen weitere lokale Schädigungen auftreten, haben die Hohlräume eine deutliche Tendenz, senkrecht zur wirkenden Spannung immer größer zu werden. So entstehen makroskopische Risse, sogenannte Spannungsrisse.

58 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 2.4 Die oder Schädigungsmechanismen Vervielfältigung. 41 Der klassische Werkstoff, bei dem Spannungsrisse beobachtet werden, ist Polystyrol und seine Copolymere und Blends wie SAN oder ABS. Aufgrund der Molekülstruktur sind Thermoplaste stärker durch einen Medienangriff gefährdet als Duromere. Das bedeutet nicht, dass nur Thermoplaste gegenüber Medien empfindlich sind. So sind ungesättigte Polyester und viele Epoxidharze nicht beständig gegen Benzin oder Diesel. Im Kraftstoffsystem von PKW dürfen nur bestimmte Sorten von Elastomeren eingesetzt werden, damit die O-Ringe aufgrund ihrer Quellung nicht die kraftstoffführenden Baugruppen zerstören.

59 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung.

60 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 3 Spannungszustand 3.1 Die Ursache von Spannungen Krafteinwirkung auf eine Flüssigkeit Wirkt eine Kraft auf eine Flüssigkeit, verformt sich die Masse viskos, das heißt, die Flüssigkeit weicht der wirkenden Kraft aus. Nach dem Ende der Kraftwirkung bleibt die Verformung bestehen. Die Energie der Verformung wird in innere Wärme umgesetzt. Eine Flüssigkeit verändert unter Krafteinwirkung ihre Gestalt. Für Anwendungen im klassischen Maschinenbau ist dies normalerweise unerwünscht. Eine wichtige technische Anwendung dieses Effekts sind aber hydraulische Anlagen. Eine weitere - orderid Aufgabe, - bei der man eine - Gestaltveränderung transid _1D wünscht, ist die Anforderung einer Abdichtung in der Fluidtechnik. Hier ist aber eine Rückverformung - der Dichtungen erwünscht, wenn die Belastung nicht mehr anliegt. Die meisten Menschen beziehen ihre Vorstellung einer Flüssigkeit auf niederviskoses Wasser in einem Glas. Hier überwiegt die Wirkung der Schwerkraft. Wenn man beim Rühren eines Löffels Fliehkräfte auf die Flüssigkeit überträgt, sind Veränderungen deutlich erkennbar. Die Überdeckung der äußeren Kraftwirkung durch die Effekte der Schwerkraft ist bei hochviskosen Flüssigkeiten geringer als bei dünnflüssigen Medien wie beispielsweise Wasser. Als Modellflüssigkeit eines hochviskosen Mediums kann man sich Kuchenteig oder zähen Honig vorstellen. In diesem Viskositätsbereich sind in etwa die Polymerschmelzen angesiedelt. Bei einem hochviskosen Klumpen aus Hefeteig tritt die Wirkung der Schwerkraft oder anderer Einflüsse wie der Oberflächenspannung gegenüber den viskosen Effekten zurück. Wenn man einen Formling ablegt, fließt er nicht auseinander, wie es bei einer niederviskosen Flüssigkeit, beispielweise dem Wasser, der Fall wäre. Verformt man einen hochviskosen Körper, bleibt die eingebrachte Deformation längere Zeit erhalten. Auch wenn vornehmlich der flüssige Aggregatzustand vorliegt, bewirkt die Verformung eine gewisse Gestaltveränderung.

61 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Die viskose Verformung ist durch Platzwechselvorgänge der Moleküle charakterisiert (Bild 3.1). unbelastet Bereich statischer Schwingung belastet Bereich statischer Schwingung entlastet Bereich statischer Schwingung Bild 3.1 Molekulares Modell einer viskosen Verformung In Bild 3.1 sind die Moleküle so angeordnet, dass einige Plätze unbesetzt geblieben sind. Das ist charakteristisch für den flüssigen Aggregatzustand. Wirkt auf das System eine äußere Kraft, sind einzelne Moleküle in der Lage, Platzwechselvorgänge auszuführen. Bei niedrig viskosen Flüssigkeiten können die Platzwechselvorgänge zügig ausgeführt werden. Die verlangsamte Reaktion auf eine äußere Kraftwirkung bei hochviskosen Medien erklärt sich durch eine langwierige Umlagerung von Teilchen. Bei Polymeren ist dies durch die Wechselwirkungen der Modellteilchen mit ihren Nachbarteilchen aufgrund der Kettenstruktur der Makromoleküle zu erklären. Wird die äußerlich auf die Flüssigkeit einwirkende Kraft zurückgenommen, behält die Flüssigkeit ihre Verformung bei, wenn nicht andere Kräfte wie unsere Schwerkraft eine andere Deformationsart erzwingen. Die zur Verformung aufgebrachte Energie kann nicht wieder zurückgewonnen werden. Die Teilchen behalten ihre veränderte Position in der Molekülanordnung bei.

62 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 3.1 Die oder Ursache Vervielfältigung. von Spannungen Krafteinwirkung auf einen Festkörper Wirkt auf einen ideal festen Körper eine Kraft, so verformt er sich elastisch, das heißt, nach dem Ende der Krafteinwirkung stellt sich die Verformung zurück und der Körper nimmt seine ursprüngliche Gestalt wieder an. Die bei der Verformung in den Körper eingebrachte Energie wird vom Werkstoff gespeichert und bei Entlastung vollständig wieder frei. Das ist genau das, was man sich zur Erfüllung technischer Funktionen im klassischen Maschinenbau wünscht. Die elastische Verformung ist durch Verschiebung des Energieniveaus im Kristall charakterisiert (Bild 3.2). Bereich statischer Schwingung unbelastet Bereich statischer Schwingung belastet Bereich statischer Schwingung entlastet Bild 3.2 Molekulares Modell einer elastischen Verformung Ein rein elastisches Verformungsverhalten ist aber nur bei relativ geringen Dehnungen gegeben. Deformationen über einen werkstoffabhängigen Wert hinaus sind irreversibel. Die meisten technischen Produkte sind nach einer irreversiblen Verformung nicht mehr zu gebrauchen. Sie können ihre Funktion nicht mehr erfüllen und müssen ersetzt werden.

63 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Viskoses und elastisches Verformungsverhalten von Kunststoffen In der Darstellung von Bild 3.3 werden viskose und elastische Deformation einander gegenübergestellt. Viskose Deformation Deformation Spannung unbelastet belastet entlastet Elastische Deformation Deformation Spannung unbelastet belastet entlastet Bild 3.3 Viskoses und elastisches Verformungsverhalten Wie andere Materialien auch, zeigen Kunststoffe bei Temperaturen oberhalb des Erweichungsbereiches vorwiegend Eigenschaften einer Flüssigkeit. Bei Temperaturen unterhalb des Erstarrungsbereiches überwiegen die elastischen Eigenschaften der Festkörper. Erkennbar wird der Zustandswechsel durch eine deutliche Veränderung des spezifischen Volumens (Bild 3.4). Allerdings sind Abweichungen vom Verhalten idealer Körper für Polymere stärker ausgeprägt als bei den meisten anderen Werkstoffen. Im erschmolzenen Zustand kommen nicht nur rein viskose Verformungen vor, auch elastische Effekte sind bei Kunststoffschmelzen zu beobachten. Das muss bei der Extrusion von Thermoplasten unbedingt berücksichtigt werden.

64 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 3.2 Vervielfältigung. Spannungen am Bauteil 47 Spezifisches Volumen 0 Temperatur Bild 3.4 Verformungsverhalten von Thermoplasten bei unterschiedlichen Temperaturen Auch im erstarrten Zustand sind die Makromoleküle in der Lage, Platzwechselvorgänge auszuführen, die aber dann sehr langsam ablaufen. Die Vorstellung, dass Kunststoffe unter Last zu kriechen beginnen und ihre Gestalt vollkommen verändern, ist wegen der langen Zeit die dafür nötig wäre nicht realistisch. Nur bei hohen Temperaturen, nahe am Schmelz- oder Erweichungsbereich, kommen bei einigen Polymeren nennenswerte Gestaltveränderungen vor. Amorphe Polymere sind stärker gefährdet als teilkristalline Thermoplaste. Die stärkere Neigung zum Kriechen bei erhöhten Temperaturen wird auch in Abschnitt 1.1 erläutert. Eine praktische Relevanz haben diese sekundären Platzwechselvorgänge der Moleküle im erstarrten Zustand, wenn bei hybriden Baugruppen die Kunststoffteile unter Spannung auf die Metallteile montiert werden. Aufgrund der Platzwechselvorgänge können die Montagespannungen mit der Zeit abgebaut werden. 3.2 Spannungen am Bauteil Die in einem Formteil wirksamen Spannungen haben unterschiedliche Ursachen. Zur Unterscheidung können nachfolgende Definitionen herangezogen werden: Die Gesamtspannung beschreibt das zu einem bestimmten Zeitpunkt herrschende Spannungsfeld unabhängig von dessen Entstehungsgeschichte. Die Funktionsspannung beschreibt die zu einem bestimmten Zeitpunkt durch funktionsbedingt von außen angreifende Kräfte hervorgerufenen Spannungen.

65 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Nicht nur beim Gebrauch, auch bei der Herstellung, bei der Nachbearbeitung und der Montage wirken auf ein Teil Kräfte ein. Die Spannungen, die diese nicht funktionsbedingt einwirkenden Kräfte verursachen, werden als Eigenspannungen bezeichnet. Summiert man Eigenspannungen und Funktionsspannungen vektoriell, erhält man die wirkende Gesamtspannung (Bild 3.5). Eigenspannungsprofil Gesamtspannungsprofil Funktionsspannungsprofil Bild 3.5 Eigenspannungen und Funktionsspannungen ergeben das Gesamtspannungsprofil Charakteristisch für Eigenspannungen ist: Sie wirken auch ohne äußeren Kraftangriff. In ihrer Vektorsumme heben sie sich nach außen hin auf. Sie entstehen prozessbedingt. Sie ändern sich sprunghaft beim Entformen, beim Zerteilen oder Zerschneiden des Formteils. Sie sind die Ursache für den Verzug. Vorteilhaft ist, wenn Eigenspannungen entgegen der Betriebsspannung gerichtet sind. Dann wird die wirkende Gesamtspannung geringer als die Funktionsspannung. Das ist beispielsweise bei Glasfasern der Fall, die in eine Polymermatrix eingebettet sind. Bei der Abkühlung des Kunststoffs von der Schmelzetemperatur zur Einsatztemperatur vermindert sich das Volumen des Matrixwerkstoffs. Weil der Faserwerkstoff sein Volumen in einer im Vergleich zum Polymer deutlich geringeren Ausprägung vermindert, schwindet der Matrixwerkstoff auf die Faser auf (Bild 3.6). So entstehen in der Matrix Zug- und in der Faser Druckeigenspannungen.

66 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 3.2 Vervielfältigung. Spannungen am Bauteil 49 Wenn man die ideale Haftung zwischen Matrix und Faser annimmt, sind dann die Eigenspannungen in der Faser der systembedingt immer in Zugrichtung angreifenden Betriebsspannung entgegen gerichtet. So kann das System eine insgesamt höhere Gesamtspannung aufnehmen. Heiße Matrix Faser Kalte Matrix Zusammenziehen der Matrix beim Abkühlprozess Faser Faserlänge ist relativ temperaturunabhängig Druckeigenspannungen in der Faser entgegen der Zugeigenspannungen in der Matrix Hauptbetriebsspannungen wirken auslegungsbedingt immer in Faserlängsrichtung Durch das Aufschrumpfen der Matrix auf die Faser kann das System eine insgesamt - orderid größere Gesamtspannung - transid aufnehmen _1D - Bild 3.6 Spannungen aufgrund des Aufschrumpfens der Matrix auf die Faser Eigen- und Betriebsspannungen können aber auch gleichgerichtet sein. In diesem Fall vermindert sich die mögliche Gesamtspannung. Weil an praktischen Teilen alle möglichen Lastangriffe erfolgen, können an einem Bauteil Eigenspannungen sowohl in Richtung einer Betriebsspannung ausgelegt sein, als auch entgegen gesetzt gerichtet. So wird beispielsweise ein Becher oder ein Eimer beim Stapeln auf Druck belastet, während beim Tragen Zugbeanspruchungen vorkommen. Wegen der komplexen Belastung realer Formteile gelingt eine gezielte Beeinflussung von Eigenspannungen nur selten. Man sollte versuchen, Teile mit möglichst geringen Eigenspannungen herzustellen. Vorteilhaft sind an der Oberfläche von Teilen Druck-Eigenspannungen, weil dann die bei kurzzeitiger Überbelastung vorkommenden Anrisse an der Oberfläche im lastfreien Zustand zusammengedrückt werden und so das Risswachstum verzögert wird.

67 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 3.3 Spannungen und Orientierungen Die Unterscheidung zwischen Spannungen und Orientierungen In der Literatur ist die begriffliche Unterscheidung zwischen Orientierungen und Eigenspannungen in vielen Fällen nicht gegeben. Das liegt zum Teil auch daran, dass viele Chemiker nur schwer einen Zugang zur Problematik der Eigenspannungen finden. In den Modellen zur Beschreibung chemischer Eigenschaften sind Eigenspannungen nicht vorgesehen. Um mit den Modellen arbeiten zu können, werden bei der Kennwertermittlung große Anstrengungen unternommen, damit die Probekörper weitgehend spannungsfrei getestet werden können. Werden Eigenspannungen ignoriert, dann kann man natürlich eine in den einzelnen Raumrichtungen ungleichmäßige mögliche Spannungsaufnahme bis zur Werkstoffschädigung nur mit einem in den einzelnen Raumrichtungen ungleichmäßigem Materialverhalten erklären. Unabhängig von den Ursachen werden in den drei Raumrichtungen unterschiedliche Eigenschaften als inhomogenes Materialverhalten bezeichnet. Verursacht werden die inhomogenen Materialeigenschaften durch Orientierungen oder Eigenspannungen. Die Gegenüberstellung in Bild 3.7 vergleicht beide Kategorien. Orientierungen Charakterisieren auch in den Raumrichtungen inhomogenes Material Haben vorwiegend chemischen Charakter Bleiben über lange Zeiträume unverändert Rückbildung erst über der Schmelztemperatur möglich Alle physikalischen Eigenschaften sind richtungsabhängig, auch die Steifigkeit Auch die mögliche Lastaufnahme ist richtungsabhängig Bild 3.7 Unterscheidung von Orientierungen und Spannungen Spannungen Charakterisieren auch in den Raumrichtungen inhomogene Belastungen Haben physikalischen Charakter Vermindern sich bei Polymeren mit der Zeit Rückbildung beginnt bereits im erstarrten Zustand Die Steifigkeit und die anderen physikalische Eigenschaften sind richtungsunabhängig Nur die mögliche Lastaufnahme ist richtungsabhängig Betrachtet man stofflich homogene Materialien, ist der Nachweis von Orientierungen und deren Abgrenzung von Eigenspannungen nicht einfach. Viele Untersuchungs methoden bringen zwar Aussagen zur Art und Ausprägung von einem inhomogenen Materialverhalten. Ob die Ursachen in einer Orientierung des Materials

68 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 3.3 Spannungen oder Vervielfältigung. und Orientierungen 51 oder aufgrund von Eigenspannungen entstehen, kann aber nicht immer abgeleitet werden. Bei der Charakterisierung von Kunststofffolien hält sich der experimentelle Aufwand zur Unterscheidung von Orientierungen und Spannungen in Grenzen. Für die Untersuchungen von Folien werden aus den Bahnen kreisrunde Proben ausgeschnitten. Diese werden auf eine PTFE Folie oder noch besser auf eine hochviskose Flüssigkeit (beispielsweise Silikon-Öl) gelegt und allmählich erwärmt (Bild 3.8). Verformungen, ausgehend von der Kreisgeometrie, die sich unterhalb der Erweichungstemperatur einstellen, charakterisieren Eigenspannungen. Werden Temperaturwerte oberhalb der Erweichungstemperatur erreicht, stellen sich die Ori entie rungen zurück und bewirken entsprechende Verformungen ab diesem Temperaturbereich An unterschiedlichen Stellen der Folienbahn werden Proben ausgestanzt und die Fließrichtung gekennzeichnet Die Abschnitte werden unter der Erweichungstemperatur erwärmt und - 1 orderid transid verbleiben - bei _1D dieser Temperatur. - Rückstellung des Eigenspannungsanteils Die Abschnitte werden bis oberhalb der Erweichungstemperatur erwärmt und verbleiben bei dieser Temperatur. Rückstellung des Orientierungsanteils Bild 3.8 Bestimmung von Eigenspannungen und Orientierungen an Folienproben Für komplexe Formteile ist die Beurteilung des Spannungsbildes komplizierter als bei den geometrisch einfach definierten Folien. Eine Möglichkeit, bei durchsichtigen oder opaken Spritzlingen Spannungen und Orientierungen unmittelbar im Fertigungsprozess zu vergleichen, bietet die Betrachtung des Prüflings zwischen Polarisationsfiltern (Bild 3.9). Sowohl Eigenspannungen als auch Orientierungen verändern die Brechzahl des Kunststoffs inhomogen. Wegen unterschiedlicher Brechzahlen in den jeweiligen Raumrichtungen kommt es zwischen den Polarisationsfiltern zu Lichtinterferenzen. Die Formteile erscheinen in Regenbogenfarben. Enge Abstände zwischen den Interferenzen deuten auf hohe

69 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Eigenspannungen bzw. Orientierungen, weite Abstände auf ein spannungs- und orientierungsarmes Teil. Probe Ist durchscheinend Lichtquelle Polarisationsfilter Probe Erscheint in Regenbogenfarben Lichtquelle Bild 3.9 Abschätzung des Eigenspannungsbildes _1D zwischen Polarisationsfiltern Polarisationsfilter - orderid transid - Der Vorteil der in Bild 3.9 gezeigten Anordnung ist, dass die Beurteilung der Ausprägung einer Materialinhomogenität von hergestellten Spritzlingen unmittelbar an der Maschine erfolgen kann und so ohne Zeitverlust die technologischen Parameter entsprechend optimiert werden können. Angewendet wird das in Bild 3.9 gezeigte Verfahren zur Beurteilung der Qualitätseigenschaften von Linsen und anderen Formteilen mit einer optischen Funktion. Für nichtdurchsichtige oder eingefärbte Kunststoffe ist dieses Verfahren jedoch nicht geeignet Orientierungen in Kunststoffprodukten Voraussetzungen für Orientierungen Orientierungen werden durch die Ausrichtung von Polymerketten oder von eingelagerten Verstärkungsfasern in einer Vorzugsrichtung unter Abnahme der Entropie verursacht.

70 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 3.3 Spannungen oder Vervielfältigung. und Orientierungen 53 Die Voraussetzung für die einsatztechnisch relevante Ausbildung von Orientierungen sind: 1. Im überwiegend flüssigen Zustand erfolgt die Ausrichtung von bestimmten Materialbestandteilen in einer Vorzugsrichtung. 2. Die Ausrichtung der betreffenden Materialbestandteile bleibt bis zum Einsatzzustand der Produkte erhalten. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Faser- und Molekülorientierungen (Bild 3.10). Orientierungen Faserorientierungen Molekülorientierungen Gezielte Ausrichtung der Fasern bei FVK- Erzeugnissen Sich ergebende Faserausrichtung beim Spritzgießen Molekülorientierung aufgrund räumlicher Zwänge bei der Polyreaktion Molekülorientierung aufgrund des Einfrierens einer Kettenausrichtung Bild 3.10 Übersicht zu Orientierungen bei Kunststoffen Wenn mikroskopische Fasern im Werkstoffverbund eine Vorzugsrichtung aufweisen, liegen Faserorientierungen vor. Diese Ausrichtung kann sich bei einem Verarbeitungsprozess durch Ausrichtung von Fasern ergeben oder gezielt hergestellt werden, wie es bei der Herstellung von langfaserverstärkten Bauteilen aus CFK erfolgt. Molekülorientierungen spielen sich in viel kleineren Dimensionen ab, als die Faserorientierungen. Hier erfolgt eine Ausrichtung der Polymerketten Orientierungen bei faserverstärkten Materialien Die Anisotropie der Materialeigenschaften ist die Grundlage für die Arbeit mit faserverstärkten Kunststoffen. Durch eine geeignete Technologie wie beispielsweise das Wickelverfahren werden die Fasern in Belastungsrichtung gezielt ausgerichtet abgelegt. So können durch den Werkstoffverbund große Zugbelastungen aufgenommen werden.

71 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bei Fließprozessen hochviskoser Thermoplaste kommt es zu einer Ausrichtung von Verstärkungsfasern. Als gedankliche Hilfe kann man sich zur Visualisierung das Flößen von Baumstämmen in einem Fluss vorstellen. Weil in Flussmitte die Strömung stärker ist als am Ufer, werden die Baumstämme in Strömungsrichtung ausgerichtet. Auch bei den hochviskosen Polymeren bestimmt die Fließrichtung die Ausrichtung der Verstärkungsfasern. Die Modellvorstellung geflößte Baumstämme im Fluss beschreibt hinreichend kontinuierliche Fließprozesse wie die Extrusion. Bei diskontinuierlichen Fließprozessen wie die Formfüllung beim Spritzgießen kommen mehrere Komponenten vor, wegen des Transports von Schmelze aus der Fließkanalmitte hin zur Wand der Kavität. Bei der Modellierung der Ausrichtung von Verstärkungsfasern werden in Fließkanalhöhe mehrere Schichten mit unterschiedlicher Ausrichtung angenommen. Die Faserausrichtung von Verstärkungsfasern kann man mit der Anfertigung und mikroskopischer Untersuchung von lokalen Dünnschliffen (Bild 3.11) oder nach der Veraschung der polymeren Matrix bestimmen. Bild 3.11 Entnahme von Dünnschichtproben aus einem Testvolumen In den einzelnen entnommenen Dünnschnitten (Bild 3.11) kann man nach entsprechender Präparation unter einem Mikroskop die Anordnung und die Ausrichtung der Fasern betrachten und sich so ein Bild über die Faserverteilung des Volumens machen. Die Untersuchungen sind aufwendig und werden so nur an expliziten Stellen des Formteils vorgenommen. Weniger aufwendig ist das Veraschen von Formteilen aus faserverstärkten Polymeren. Das Teil wird unter Standardatmosphäre einer stetig steigenden Temperatur ausgesetzt. Die meisten Verstärkungsfasern sind thermisch beständig, so dass die Faseranordnung auch nach dem Ausbrennen der Kunststoffmatrix erhalten bleibt und betrachtet werden kann. Mit den genannten Methoden können aber nicht alle Formen der Orientierung nachgewiesen werden.

72 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 3.3 Spannungen oder Vervielfältigung. und Orientierungen Molekülorientierungen Bei polymeren Werkstoffen gibt es neben der Ausrichtung von faserförmigen Füllstoffen noch weitere mögliche Ursachen für Orientierungen, die aus dem Aufbau dieser Stoffe aus fadenförmigen Kettenmolekülen folgt. Wirken auf makromolekulare Stoffe große Scherungen, richten sich bei den Fließprozessen die Polymerketten aus. Das ist die Ursache für die nichtnewtonschen Fließeigenschaften von Kunststoffschmelzen, so dass die scheinbare Viskosität von Polymeren bei hohen Fließgeschwindigkeiten abnimmt. Normalerweise stellt sich diese Orientierung der Makromoleküle unmittelbar bei Beenden der Fließprozesse zurück, weil die Kettenmoleküle aus entropischen Gründen eine Knäuelstruktur anstreben. In einigen Fällen wird diese Rückstellung behindert und bleibt erhalten, wenn das Material unter die Glastemperatur abgekühlt ist. Dann entstehen Orientierungen der Polymerketten. Stark aus geprägt sind sie in der Randschicht von Spritzgussteilen und bei gereckten Kunststofffolien. Während man beim Spritzgießen nur bedingt, durch die Veränderung der Prozessparameter, die Orientierungen beeinflussen kann (Aussagen folgen in Abschnitt 3.5), ist dies durch eine geeignete Verfahrenstechnik bei extrudierten Erzeugnissen möglich. Vor allem bei sehr dünnen Folien können Erzeugnisse mit starken Orientierungen - orderid hergestellt werden, weil die Abkühlung - transid so schnell _1D erfolgen kann, dass - die Rückstellung der Ausrichtung von Polymerketten unterbleibt. Flüssigkristalline Polymere (LCP) zeigen die Besonderheit, dass die Rückstellbewegung von in Fließrichtung ausgerichteten Polymerketten hin zur thermodynamisch günstigen Knäuelstruktur extrem langsam abläuft und das Erstarren der Schmelze oft über die gesamte Formteildicke die Orientierungen der Makromoleküle einfriert. Eine weitere Möglichkeit zur Ausbildung einer Vorzugsanordnung von Makromolekülen ist bei einer sterischen Behinderung während der Polyreaktion aufgrund ihrer Monomerstruktur gegeben (Bild 3.12). Die Polymere, die für spezielle Verstärkungsfasern (beispielsweise Aramid ) verwendet werden, zeigen diese Besonderheit. Dann hat die Polymerkette aufgrund der räumlichen Anordnung der Makromoleküle nicht ausreichend Flexibilität, die Drehung der Kettensegmente ist behindert und es kann kein Knäuel ausgebildet werden. So tritt eine Orientierung der Moleküle in Richtung der Hauptvalenzen auf.

73 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Nebenvalenzrichtung Kettenausbreitung Hauptvalenzrichtung Bild 3.12 Durch räumliche Behinderungen durch Polyreaktion verursachte Orientierungen Eigenspannungen Eine einfache und schnelle Möglichkeit, Eigenspannungen bei schalenförmigen Teilen - nachzuweisen, orderid - ist das Trennen - oder transid Ausschneiden _1D eines Teilstücks aus - dem Formteil. Dazu wird eine definierte Geometrie aus dem Fertigteil möglichst schonend entnommen (Bild 3.13). Nach der Trennung vergleicht man die Geometrie der Trennstelle mit der des entnommenen Stücks. Ist die Ebene bei beiden Teilen nach der Entnahme geometrisch identisch, kann man davon ausgehen, dass der Bereich des Formteils weitgehend frei von Eigenspannungen ist. Sind die Unterschiede der Trenngeometrie bei beiden Stücken sehr deutlich zu erkennen, dann ist von starken Eigenspannungen im Teil auszugehen. Bild 3.13 Test auf Eigenspannungen durch lokales Ausschneiden bei einem Rohr Langwieriger ist die Prüfung des Spannungszustandes von Bauteilen mit Hilfe von aggressiven Medien. Hier kommen die in Abschnitt beschriebenen und mit Bild 2.6 visualisierten Vorgänge beim Angriff eines chemischen Mediums zum Tragen.

74 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 3.3 Spannungen oder Vervielfältigung. und Orientierungen 57 Für die Untersuchungen werden Probekörper verwendet, die mit identischen Parametern hergestellt wurden. Damit geht man davon aus, dass bei allen Prüfkörpern dieselben Eigenspannungs- und Orientierungsprofile vorliegen und die Reproduzierbarkeit der Herstellungsbedingungen denen der Serienfertigung entspricht. Weil der Test ein zerstörendes Prüfverfahren ist, benötigt man hier eine größere Menge von Prüflingen, für jeden Teilversuch einen. Die Herstellung der Prüfkörper muss also unter seriennahen Bedingungen erfolgen und während der Produktion ist besonderes Augenmerk auf die Stabilität der technologischen Bedingungen zu legen. Die Testkörper werden in gewölbte Halterungen eingespannt, so dass die Probe unter (Betriebs-)Spannung steht. Bei dieser verformungsdefinierten Belastung wird eine Testreihe in mehrere Gefäße mit einem Prüfmedium gegeben. In den einzelnen Behältnissen liegt das aggressive Medium in einer unterschiedlichen Konzentration vor. So wird der eingegebene Kunststoff unterschiedlich intensiv vom Medium angegriffen. Nach einer definierten Einwirkzeit von 24 Stunden erfolgt eine Begutachtung der Probekörper auf Anzeichen von Veränderungen und eine entsprechende Klassifizierung. Um exakte Aussagen über die Spannungswerte zu erhalten, muss das Prüfmedium immer frisch sein. Mit der Zeit kann von der Testflüssigkeit Wasser aufgenommen werden, sie kann verdunsten oder verunreinigt werden, was zu fehlerhaften Spannungswerten führen würde. Das Prüfmedium sollte also in regelmäßigen Abständen durch frisches - orderid Lösungsmittel aus einem - geschlossenen transid - Behälter _1D ersetzt werden. - Die Reagenzien können kalibriert werden. Toleriertes Spannungsbild in medialer Umgebung Spannungen führen zur Zerstörung in medialer Umgebung Teil bleibt erhalten Teil zerstört Zunehmende Konzentration des Mediums Bild 3.14 Untersuchung des Spannungsbildes in der Konzentrationsreihe eines aggressiven Mediums

75 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Für einen bestimmten Kunststofftyp werden zunächst für die Versuche entsprechend spannungsfrei getemperte Prüfkörper mit Normgeometrie ausgeführt. Wenn der Probekörper unter Testbedingungen dem Reagenz ausgesetzt ist, bekommt man eine Aussage über den funktionalen Zusammenhang zwischen der Konzentration des Mediums und der möglichen Spannung. Man kalibriert so das System für die entsprechenden Versuchsbedingungen und erhält eine Referenzaussage. Mit dieser Referenz kann man nun den Spannungszustand von realen Bauteilen beurteilen. Auch hier muss man zur Durchführung der Tests über eine Serie von Prüfkörpern verfügen. Zur Beurteilung des Eigenspannungsbildes werden die Testköper in Gefäße mit unterschiedlich stark konzentrierten Prüfflüssigkeiten gegeben. Über den aus der Referenz bekannten Zusammenhang zwischen ertragbarer mechanischer Spannung und Konzentration der Prüfflüssigkeit kann nach der Beurteilung des Schädigungsbildes der Probekörper nach Abschluss der Einlagerung eine Aussage zum Spannungszustand der Testkörper getroffen werden. 3.4 Die Bildung von Orientierungen und Eigenspannungen Unterschiede zwischen Spannungen und Orientierungen Eigenspannungen kennzeichnen lokal wirkende Kräfte und charakterisieren die Wirkung einer behinderten Verformung des Körpers. Sie sind immer mit einer konkreten Geometrie verbunden. Wird diese Geometrie beispielsweise durch Zerteilen des Körpers verändert (Bild 3.13), haben die beiden entstehenden Körper ein eigenes, jeweils für sie charakteristisches Eigenspannungsbild. Eigenspannungen entstehen beim Verarbeitungsprozess und während der nachfolgenden Bearbeitungsverfahren wie Füge- oder Montageprozesse. Eine Voraussetzung für die Ausbildung von Spannungen ist das augenblickliche Überwiegen von Festkörpereigenschaften im Kunststoff. Bei erhöhten Temperaturen, wenn Festkörpereigenschaften nachlassen, können Eigenspannungen durch Materialumlagerungen ausgeglichen werden. Diese Materialumlagerungen bedeuten eine Veränderung der Gestalt des Formteils. Die Veränderung der Geometrie wird hier durch einen Verzug am betreffenden Körper offensichtlich. Normalerweise ist Verzug an einem Bauteil unerwünscht und stellt oft ein schwerwiegendes Problem für die Qualitätssicherung dar, weil die reale Geometrie nicht der Zeichnungsforderung entspricht. (Weitere Ausführungen folgen in Abschnitt )

76 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 3.4 Die Keine Bildung unerlaubte von Weitergabe Orientierungen oder Vervielfältigung. und Eigenspannungen 59 Ein Anwendungsbeispiel, bei dem man den Verzug als funktionserfüllendes Merkmal einsetzt, zeigt Bild Bild 3.15 Verzug an einem Eckenschoner aus Kunststoff Hierbei handelt es sich um einen Eckenschoner, mit dem plattenförmige Erzeugnisse konfektioniert werden. Der in Bild 3.15 dargestellte Eckenschoner wird an einem Bilderrahmen verwendet. Aufgrund des Verzugs klemmt er sich hinter den Bilderrahmen und ist so fixiert, während das fertige Produkt noch in Folie eingeschweißt wird. Während die Eigenspannungen an die Geometrie des Körpers gebunden sind, charakterisieren - orderid Orientierungen einen Materialzustand. - transid Der _1D Werkstoff hat in den -ein- zelnen Raumrichtungen unterschiedliche Eigenschaften. Das gilt vor allem für den E-Modul, der aus einsatztechnischer Sicht die entscheidende Größe zur Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften eines Bauteils ist. Wird der Körper zerteilt oder auf eine andere Weise die Geometrie verändert, bleiben die Orientierungen im Werkstoff erhalten. Erst die Lockerung oder Auflösung des Materialverbundes, beispielsweise die Verminderung der Stärke von Wechselwirkungen der Teilchen beim Phasenwechsel von überwiegend fest hin zu überwiegend flüssig durch eine Erwärmung über die Glastemperatur, ermöglichen Änderungen der Orientierungen. Die in Bild 3.10 getroffene Unterscheidung zwischen Faser- und Molekülorientierungen ist auch bei der Erklärung der Auflösung von Orientierungen sinnvoll. Bei Molekülorientierungen erfolgt die Rückstellung der Molekülausrichtung aus entropischen Gründen mit dem Phasenwechsel von fest nach flüssig. Die Makromoleküle nehmen ohne die Fixierung in einer festen Phase ihre energetisch günstigere Knäuelstruktur an. Bei Faserorientierungen kommt das Bestreben nach Knäuelbildung als Erklärung nicht in Frage. Zur Aufhebung der Orientierung ist neben dem Vorliegen einer überwiegend flüssigen Phase im Matrixmaterial noch die Einwirkung der Scherung erforderlich, um die Faserausrichtung zu verändern. Weil fast alle Prozesse der Kunst-

77 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. stoffverarbeitung neben der Erwärmung auch Scherung in die Masse einbringen, werden die Faserorientierungen durch den jeweils letzten Verarbeitungsprozesses bestimmt. Tabelle 3.1 Gegenüberstellung von Orientierungen und Eigenspannungen Orientierungen Eigenspannungen Charakterisierung Das Materialverhalten Sie sind werkstoffrelevant Die Geometrie Sie sind bauteilrelevant Rückstellung Erwärmung, bis überwiegend flüssige Phase vorliegt Evtl. zusätzlich Scherung des Materials erforderlich Moderate Erwärmung, Rückstellung auch im überwiegend festen Zustand möglich Veränderung der Geometrie 3.5 Eigenspannungen und Orientierungen beim Spitzgießen Orientierungen und Eigenspannungen am Spritzgussteil Um die Frage des Einbringens von Orientierungen und Eigenspannungen in das Spritzgussteil zu klären, ist die Betrachtung des Herstellungsprozesses sinnvoll. Das Bild 3.16 bezieht sich beispielhaft auf den Spritzgießprozess. Schnelles Einspritzen in die Form Langsames Nachdrücken heißer Schmelze Bildung von Orientierungen Abkühlung und Schwindung Entformung Nachschwindung und Relaxation Ausbildung von Eigenspannungen Montage- und Folgeprozesse Wechselwirkung mit anderen Stoffen Bild 3.16 Ausbildung von Orientierungen und Spannungen am Beispiel des Spritzgießprozesses

78 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 3.5 Eigenspannungen Keine unerlaubte Weitergabe und Orientierungen oder Vervielfältigung. beim Spitzgießen Die Ausbildung von Orientierungen Die Voraussetzung zur Ausbildung von Orientierungen ist die Ausrichtung von Materialbestandteilen in der überwiegend flüssigen Phase des Matrixpolymers und die Fixierung dieses ausgerichteten Zustandes (Abschnitt ). Bezieht man dies auf den Spritzgussprozess, dann wird zum Einspritzen der Kunststoff auf Temperaturen über dem Schmelzbereich erwärmt. Damit ist die erste der Voraussetzungen für die Ausbildung von Orientierungen erfüllt. Nur beim schnellen Einspritzen ist die Ausrichtung der Makromoleküle gegeben und damit nur während dieses Prozessabschnitts die erste Voraussetzung für die Bildung von Orientierungen erfüllt. Werden unverstärkte Thermoplaste im Spritzgussprozess verarbeitet, kommt es zu Orientierungen auf der molekularen Ebene. Neben der bei Polymeren stark ausgeprägten Entropie, die Polymerketten in eine knäuelartige Anordnung bringt, sind es die sehr kleinen Bereiche auf molekularer Ebene, weshalb in vielen Fällen die molekulare Ausrichtung nach dem Ende des Fließprozesses wieder zurückgestellt wird. Lediglich in den unmittelbaren Randschichten eines Spritzgussteils erfolgt die Auskühlung der Masse so plötzlich, dass dort die Molekülorientierungen erhalten bleiben. Die zweite Voraussetzung für die Orientierung von Makromolekülen ist beim Spritzgießen also nur unmittelbar unter der Formteiloberfläche erfüllt. Nur dort weist - orderid ein Formteil - Molekülorientierungen transid auf _1D - Werden faserverstärkte Materialien verspritzt, erfolgt die Orientierung nicht mehr im molekularen Bereich, sondern in einer mikroskopischen Größenordnung. Die Orientierung der Fasern erfolgt also in viel größeren Dimensionen und ist nicht mit der Molekülorientierung vergleichbar. Beim Einspritzen erfolgt eine Ausrichtung der Fasern in der jeweiligen Fließrichtung. Weil die Füllung der Kavität mit einer Quellströmung erfolgt (vergleiche Abschnitt 5.2.1), bildet auch die Faserausrichtung diese Strömungsart ab. In der Mitte des Fließkanals ist die Ausrichtung in Fließrichtung gegeben, außermittige Schichten weisen eine Faserausrichtung entsprechend der Quellströmung auf. An den Wandschichten sind die Fasern wieder in Fließrichtung ausgerichtet. Weil die Vorgänge zum Abbau der Faserorientierung viel langsamer ablaufen, bleibt die mikroskopische Ausrichtung der Verstärkungsfasern auch nach einer langsamen Abkühlung der Masse erhalten. Im Formteil kann an allen Stellen eine Orientierung der Fasern nachgewiesen werden. Die Ausrichtung ist aber über die Dicke des Formteils unterschiedlich.

79 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Eigenspannungen beim Spritzgießen Ursachen der Eigenspannungen Dagegen ist die Voraussetzung für die Bildung von Eigenspannungen ( überwiegend Festkörpereigenschaften ) während der Einspritzphase nicht erfüllt. Während der Einspritzphase werden demnach so gut wie keine Eigenspannungen ausgebildet (Bild 3.16). Unmittelbar nach dem Einspritzen erfolgt die Kompression der Formmasse. Dabei wird in Bereichen nahe dem Anguss noch eine hohe Fließgeschwindigkeit erreicht. Orientierungen können aber zu diesem Zeitpunkt nur bei faserverstärkten Kunststoffen aufgebaut werden. Die Molekülausrichtung der homogenen Materialien ist in diesem Verfahrensabschnitt wenig wahrscheinlich, weil die Masse in den Raum innerhalb der bereits gebildeten Randschicht gedrückt wird und aufgrund der geringen Wärmeleitung von Polymeren nur sehr geringe Abkühlungsgeschwindigkeiten auftreten. So können sich die ausgerichteten Moleküle wieder verknäueln und die zweite Bedingung für die Bildung von Molekularorientierungen bleibt unerfüllt. Das langsame Nachdrücken von heißer Schmelze in die Kavität kann nur mit minimalen Schergeschwindigkeiten erfolgen. Wegen der geringen Fließgeschwindigkeit und der fortschreitenden Abkühlung ist die Viskosität des Polymers extrem hoch. Deformationen können nur sehr langsam abgebaut werden, langsamer als die Abkühlung - orderid Formmasse erfolgt. Die - mit transid den Deformationen _1D einhergehenden, - aufgebauten Spannungen bleiben im Körper erhalten und partizipieren an den Eigenspannungen des Spritzgussteils. Mit dem Nachschieben von Schmelze während der Nachdruckzeit kann zwar die Schwindung leicht vermindert werden, man erzeugt aber starke Eigenspannungen im Formteil im Bereich der Anbindung. Im Extremfall sind die Deformationen so stark, dass sich im Bereich der Anbindung wellenförmige Deformationen an der Oberfläche abbilden, die das Fehlerbild Schallplatteneffekt verursachen. Als die Technologie des Spritzgießens noch in den Kinderschuhen steckte, war man wegen der geringen Zuhaltekraft der Maschinen und mangelnder Stabilität der Spritzgusswerkzeuge auf das Nachschieben von Schmelze während der Nachdruckzeit angewiesen. Die unter den damaligen Bedingungen nachvollziehbare Vorgehensweise wurde zur Lehrmeinung, die zum Teil auch heute noch vertreten wird. Mit den heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ist man aber in der Lage, beim Einspritzen der Schmelze einen hohen Druck in der Kavität aufzubauen. So kann allein durch die Kompression der Formmasse die Schwindung prozesstechnisch beherrscht werden. Das Anlegen des Nachdrucks erfüllt nun die Funktion, dass die in der Kavität komprimierte Schmelze am Entspannen gehindert wird und keine Schmelze aus der Kavität austritt.

80 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 3.5 Eigenspannungen Keine unerlaubte Weitergabe und Orientierungen oder Vervielfältigung. beim Spitzgießen Prozessablauf beim Spritzgießen Der Effekt, dass sich bei der atmosphärischen Abkühlung der Schmelze das Volumen des Probekörpers vermindert, äußert sich bei der Abkühlung unter isochorer Kompression in einer Druckabnahme. Erst wenn die Kompression abgebaut ist und der atmosphärische Druck erreicht ist, beginnt die Abnahme des Volumens des Spritzgussteils in der Kavität, die Schwindung setzt ein. Solange die Schmelze in der Kavität unter Druck steht, erfolgt keine Schwindung des Materials. Beim Spritzgießen kühlen randnahe Schichten zuerst aus und erstarren unter Druck (Bild 3.17, links oben). In den randnahen Schichten kommen so Druckeigenspannungen vor (Bild 3.17, rechts oben). Im Zentrum der Kavität erstarrt das Material viel später (Bild 3.17, rechts unten). Dann hat die Masse bereits atmosphärischen Druck erreicht. Bei der Erstarrung und der weiteren Abkühlung vermindert sich das Volumen der betreffenden Regionen und es kommt zur Schwindung (Bild 3.17, links unten). p p 1. Warme Randschicht, heißer Kern 2. Kalte Randschicht, heißer Kern p 4. Teil erkaltet, Einfallstellen im Kern 3. Kalte Randschicht, warmer Kern Bild 3.17 Abkühlung eines Spritzlings in der Kavität Aufgrund der Verhältnisse während der Abkühlung im Formnest haben Spritzgussteile unmittelbar unter der Oberfläche Druckeigenspannungen, im Innern Zugeigenspannungen.

81 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Die Folge der Zugeigenspannungen sind Einfallstellen und Lunker, mitunter auch beide Erscheinungen zusammen. Das Bild 3.18 stellt beide Möglichkeiten dar. Bildung von Lunkern Bildung von Einfallstellen Starke Zugspannungen im Innern des Spritzgussteils die Formteiloberfläche ist sehr biegesteif große Wanddicken Schnelle, plötzliche Abkühlung Bild 3.18 Bildung von Lunkern oder Einfallstellen Zugspannungen im Innern des Spritzgussteils Eine deformierbare Randschicht Allmähliche Abkühlung Einfallstellen (Bild 3.18, rechts) bilden sich, wenn aufgrund des abkühlungsbedingten - Spannungsbildes orderid äußere Bereiche - transid des Formteils _1D zum Zentrum des Formteils - gezogen werden und so der Eindruck entsteht, dass bei der Füllung der Kavität nicht genügend Material zur Verfügung gestanden hat. Die Voraussetzungen für die Bildung von Einfallstellen sind: 1. Zugspannungen im Innern des Spritzgussteils 2. Eine deformierbare Randschicht Bei einigen Technologien, besonders bei der Herstellung von dickwandigen Formteilen, bilden sich aufgrund der Zugspannungen im Innern sogar Vakuolen. Das ist die Ursache für das Fehlerbild Lunkerbildung. Voraussetzungen für die Bildung von Lunkern im Innern eines Formteils sind: 1. Starke Zugspannungen im Innern des Spritzgussteils 2. Eine sehr biegesteife Formteiloberfläche große Wanddicken 3. Geringe Kompression der Formmasse nach dem Einspritzen Einfallstellen sind an einer kissenartigen Verzeichung einer quaderförmigen Geometrie erkennbar (Bild 3.18, rechts). Lunker bilden sich nach der Auskühlung des Spritzgussteils. Wenn am Formling außen eine erstarrte und stabile Oberfläche vorliegt, im Inneren aber die Schmelze noch ein der hohen Temperatur entsprechendes Volumen besitzt, bleiben nach der

82 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 3.5 Eigenspannungen Keine unerlaubte Weitergabe und Orientierungen oder Vervielfältigung. beim Spitzgießen 65 vollständigen Auskühlung im Inneren des Formteils Volumen unbesetzt. Die so entstandenen Hohlräume werden als Lunker bezeichnet. Die Verteilung von Lunkern im Formteil ist nicht reproduzierbar. Von Schuss zu Schuss treten die Hohlräume an anderen Stellen auf. Das kann kritisch werden, wenn für das betreffende Teil eine bestimmte elektrische Durchschlagfestigkeit als Zeichnungsforderung definiert wurde. Eine Aussage, ob mit einem Prozess Formteile mit Lunkern hergestellt werden oder die Spritzgussteile Einfallstellen zeigen, kann erst nach der Bemusterung verlässlich getroffen werden. Allerdings wurden auch schon Prozesse beobachtet, in der über lange Zeit Formteile ohne innere Hohlräume hergestellt wurden und die dann plötzlich und ohne erkennbare Ursache Lunker zeigten Die Entformung Wenn die Spritzgussteile hinreichend abgekühlt sind, erfolgt die Entformung. Dabei ändert sich das Eigenspannungsbild plötzlich, weil nun von einem Augenblick auf den anderen keine Abstützung des Spritzgussteils auf Werkzeugkernen gegeben ist. Beim Entformungsprozess kommt es zu einer plötzlichen Veränderung des inneren Spannungszustandes der Formteile. Beim Ausstoßen wird die Haftreibung zwischen Spritzgussteil und der jeweiligen Oberfläche - orderid Kavität - überwunden Die - transid Grundvoraussetzung _1D für die sichere -Pro- duktion von Formteilen ist, dass die hergestellten Formteile den Entformungsprozess unbeschädigt durchlaufen. Dafür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die Auswerfer leiten die Entformungskräfte großflächig in das Formteil ein. Die Krafteinleitung durch die Auswerfer erfolgt in unmittelbarer Nähe zu den Haftflächen des Spritzgussteils. Beim Entformungsprozess sind Druck- und Zugbeanspruchungen im Spritzgussteil besser als eine Biegebelastung. Das Auswerfersystem ist auf die Spannungsverhältnisse des Spritzgussteils abgestimmt. Das bedeutet, dass mit dem Prozess reproduzierbare Spannungsverhältnisse sichergestellt werden müssen. Die zur Entformung notwendigen Auswerferkräfte stellen eine wichtige Kenngröße des Prozesses dar und sollten dokumentiert werden. Knackgeräusche bei der Entformung sind ein Indikator für eine Schädigung des Spritzgussteils. Bei der Herstellung von becherförmigen Formteilen werden die Spannungen plötzlich frei, die durch das Aufschrumpfen auf die Innenkontur des becherformenden Kerns entstanden sind (Bild 3.19). Weil die eingebrachten Spannungen nun nicht mehr vom Kern des Werkzeugs aufgenommen werden, verformen sich die Spritz-

83 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. gussteile solange, bis sich die Summe der Eigenspannungen des Teils nach außen hin aufhebt. Bild 3.19 Entformungsverzug beim Auswerfen des Spritzgussteils Eine rohrförmige Geometrie des Formteils verformt sich gleichmäßig (Bild 3.20, links). Der Durchmesser des Hohlzylinders vermindert sich längs der Achse um den gleichen - orderid Betrag. Bei - becherförmigen Teilen - transid dagegen - wird _1D der Hohlzylinder einseitig - vom Boden gestützt. Bei der Entformung entsteht ein kegelstumpfartiger Verzug (Bild 3.20, rechts). Gleichmäßige Verminderung des Durchmessers bei rohrartiger Geometrie Verminderung des Durchmessers aufgrund der Abstützung auf dem Boden bei becherförmiger Geometrie Bild 3.20 Entformung eines rohrartigen und eines becherartigen Spritzgussteils

84 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 3.5 Eigenspannungen Keine unerlaubte Weitergabe und Orientierungen oder Vervielfältigung. beim Spitzgießen Auswirkungen einer Schwindungsbehinderung auf Eigenspannungen Grundsätzlich bewirkt jede die Schwindung behindernde Geometrie einen Entformungsverzug. Neben der formschlüssigen geometrischen Behinderung kommt noch eine Behinderung aufgrund von Reibung des Spritzgussteils an der Wand der Kavität vor. Besonders bei eingearbeiteten Oberflächen oder wenn eine grobe Erodierstruktur beibehalten wurde, ist eine Schwindungsbehinderung auch ohne Hinterschneidung möglich. In Bild 3.21 ist ein Zugprüfstab gezeigt, der zur Visualisierung des Entformungsverzugs unmittelbar nach dem Ausstoßen wieder in die Form eingelegt wurde. Die Kontraktion bei der Entformung betrug im gezeigten Beispiel mehr als 2 mm. Bild 3.21 Schwindung eines Prüfkörpers Wird die Kompression der Formmasse zu groß gewählt, dann steht das Spritzgussteil unmittelbar vor dem Öffnen des Werkszeugs noch unter Druck. Weil sich Kunststoffmaterial in den Strukturen der Werkzeugoberfläche verankert, muss eine erhöhte Kraft zur Öffnung der Form aufgewendet werden. Da es sich hier um ein Reibungsproblem handelt, bestimmt die konkrete Formteilgeometrie die Ausprägung dieses Effekts. Besonders, wenn große Flächenanteile des Spritzgussteils senkrecht zur Entformungsrichtung liegen, können die für die Öffnung des Werkzeugs notwendigen Kräfte enorm werden. Es wurden schon Fälle beobachtet, bei denen die Hydraulik überfordert war oder die Düsenseite beim Öffnen von der Aufspannplatte um mehrere Millimeter weggezogen wurde. Eine enorme Geräuschentwicklung ist kennzeichnend für solche extremen Erscheinungen. Becherförmige Formteile reagieren auf eine zu starke Kompression der Formmasse besonders deutlich. Die Spritzgussteil verklemmen sich beim Öffnen der Form in der Düsenseite. So ist kein Auswerfen möglich und der Prozess muss unterbrochen werden. Das verhindert eine stabile Produktion.

85 Carl Hanser 3 Spannungszustand Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Eigenspannungen bei Montageprozessen Bei der Zusammenstellung von Baugruppen werden die Einzelteile mit unterschiedlichen Fügeverfahren montiert. Auch dabei wirken Kräfte und es kommt zu Deformationen (Bild 3.22). Druckeigenspannungen im Deckel Zugeigenspannungen im Topf Bild 3.22 Veränderung des Spannungsbildes bei Montageprozessen Es ist sicherzustellen, dass die Montagespannungen bei der Auslegung der technischen Systeme berücksichtigt werden. Bei der Höhe der montagebedingten Spannungen spielen die Toleranzlagen der Einzelteile eine ganz wichtige Rolle. Durch Versuche ist sicherzustellen, dass auch bei einer kritischen Kombination von Teilen, bei denen die Maße am Toleranzrand liegen, diese einwandfrei montierbar sind und die beabsichtigte technische Funktion vollständig erfüllt wird. Neigen die verwendeten Kunststofftypen zum Kriechen unter Last, werden die Montagespannungen allmählich durch eine langwierige Deformation der Einzelteile ausgeglichen. Das kann einen Vorteil bedeuten, wenn aufgrund der Verminderung der Montagespannungen eine größere Betriebslast aufgenommen werden kann. Ist die Montagespannung funktionell notwendig, beispielsweise, um das Demontieren der Teile zu verhindern, muss man Kunststoffsorten wählen, die eine geringere Neigung zum Kriechen unter Last zeigen.

86 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 4 Schadensfreie Verformung 4.1 Einordnung Aus der ungeheuer großen Anzahl von technischen Aufgaben folgt eine Vielzahl von geeigneten technischen Lösungsprinzipien. Der Ingenieur hat die Aufgabe und das Bestreben, die vielen Prinzipien der technischen Realisierung in sinnvoller Art und Weise zu systematisieren. Im Entwicklungsprozess wird sehr früh eine bestimmte Lösung favorisiert. Soll zu einem späteren Zeitpunkt ein alternatives Lösungsprinzip einbezogen oder ein alternativer Entwicklungsprozess gewählt werden, müssen erneut alle bisherigen Schritte des Entwicklungsprozesses durchlaufen werden. Die vollständige Abarbeitung von mehreren Alternativen zur Realisierung einer technischen Lösung ist sehr aufwendig. - orderid Damit Ingenieure die richtigen - transid Weichen - für _1D ihre Arbeit in einer -sehr frühen Phase des Entwicklungsprozesses stellen, müssen grundlegenden Kategorien der technischen Funktionsweisen bekannt sein. Als Beispiel für unterschiedliche Ansätze zur Lösung einer technischen Aufgabe soll der Schutz eines parkenden Fahrzeugs vor Umwelteinflüssen dienen. Grundsätzlich kann dies durch eine massiv gemauerte Garage erfolgen oder man entwickelt eine für die entsprechende Fahrzeugklasse passende Faltgarage. Beide Lösungen erfüllen mit bestimmten Vor- und Nachteilen ihren Zweck, erfordern aber vollkommen andere technische Entwicklungsprozesse und den Einsatz unterschiedlicher Methoden.

87 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 4.2 Differential- und Integralbauweise Unterscheidung der Kategorien Eine der vielen sinnvollen Kategorisierungen von Konstruktionen erfolgt nach der Bauweise von Produkten. Man kann sie sehr kompakt aus wenigen Einzelteilen bauen oder aus vielen Bausteinen zusammensetzen. Nach dieser Interpretation wird die Differential- und die Integralbauweise unterschieden. Eine Übersicht über diese Kategorien gibt Bild 4.1. Bauweisen Differential- Bauweise Integral- Bauweise Misch-BW Sehr viele einfache Teile Hoher Montageaufwand Sehr wenige komplizierte und einige sehr einfache Teile Wenige komplizierte Teile Geringer Montageaufwand Bild 4.1 Unterschiedliche Bauweisen Die Differentialbauweise Bei der Differentialbauweise werden viele, dafür aber einfach gestaltete Teile verwendet, um eine technische Funktion abzubilden. Wir kennen dieses Vorgehen aus Kindertagen, wenn Häuser, Autos und andere Dinge aus bunten Plastikquadern zusammengebaut wurden. Auch im professionellen Bereich setzen sich mehr und mehr Baukastenlösungen durch. Beispielsweise werden in der Installations- und Elektrotechnik unterschied-

88 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 4.2 Differential- oder Vervielfältigung. und Integralbauweise 71 lichste Aufgaben durch die Verwendung von wenigen Arten an Leitern oder Rohren, Verbindungsstücken, Schaltern oder Ventilen und Systemen zur Entnahme erfüllt. Das Bauwesen nutzt bei Ziegelbauten die Differentialbauweise und errichtet ganz und gar unterschiedliche Gebäude aus vielen genormten Steinen. Auch im Maschinen- und Vorrichtungsbau kommen Profilsysteme aus Aluminium zum Einsatz. Letztlich sind die im Werkzeugbau verwendeten Normalien eine Möglichkeit, komplexe Formen durch mehr oder weniger komplizierte Elemente eines Baukastens aufzubauen. Konsequenterweise wird beim Konstruktionsansatz für die Differentialbauweise versucht, jede analysierte Funktion, die das beabsichtigte Produkt erfüllen muss, mit mindestens einem speziellen Bauteil zu erfüllen. Charakteristisch für die Differentialbauweise ist die Verwendung von sehr ein fachen Grundelementen in großer Anzahl. Die Einzelteile sind einfach gestaltet, ihre Herstellung erfolgt in großen Massen und ist preiswert möglich. Wenn viele unterschiedliche Einzelteile benötigt werden, wird die Logistik sehr komplex und erfordert mitunter höhere Aufwendungen als die Herstellung der Einzelteile. Das Zusammensetzen der einzelnen Elemente ist aufwendig. Die Fügeprozesse müssen besonders sorgfältig ausgeführt werden und bei der fertigen Baugruppe besteht an den Montagestellen ein höheres Risiko des Versagens. Zum Teil ist dies sogar beabsichtigt, um die Bauelemente nach dem Nutzungsende der Baugruppe weiter verwenden zu können. Exemplarisch hierfür stehen die bekannten bunten Kunststoffkleinteile aus Dänemark Lego. Leichtbau ist so aber nicht möglich. Die Differentialbauweise ist gut geeignet, um auch bei geringen Stückzahlen relativ preiswerte Produkte zu schaffen. Gern greift man auf systematisierte und in Massen hergestellte, preiswerte Bauelemente zurück, die entsprechend den gewünschten Funktionen kombiniert werden. Nach dem Nutzungsende der Bauteile ist mitunter eine Weiterverwendung der Bauelemente möglich Die Integralbauweise Die Integralbauweise ist durch die Verwendung weniger, dafür aber komplex auf gebauter Einzelteile charakterisiert, die meist mehrere Funktionen erfüllen. Die Konstruktion und die Anfertigungen der Einzelteile sind entsprechend aufwendig, dafür ist der Zusammenbau wegen der geringeren Teilezahl weniger anspruchsvoll. Ein Beispiel für die Anwendung der Integralbauweise kennen die Motorradfahrer bereits namentlich vom Integralhelm her. Hier ist neben der Funktion des Schutzes bei einem Sturz auch die Funktion des Abweisens vom Fahrtwind eingeflossen, der bei den Pilothelmen alternativ durch eine Brille übernommen wird.

89 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Technische Anwendung findet die Integralbauweise in der Elektronik, wo integrierte Schaltkreise eine komplexe Funktionserfüllung zunächst auf einer Leiterplatte abbildeten und später auf einen Chip die Funktion einer ganzen Reihe von Bauelementen funktional auf ein einziges Bauelement übertragen wurden. In der Fluidtechnik werden kilometerlange Pipelines zum Transport flüssiger Rohstoffe durch das Aneinanderschweißen einzelner Rohrsegmente aus einem einzigen Stück gebildet. Die Architekten lassen durch das Betonieren von kompletten Gebäuden heute oft monolithisch bauen. Bei Personen-Kraftfahrzeugen wird heute eine freitragende Karosserie verwendet, die die Funktionen des Fahrgestell und des Chassis abbildet, die früher einzeln angefertigt und bei der Hochzeit zusammengefügt wurden. Die von außen wirkenden Kräfte werden von diesem Blechkleid aufgenommen und bieten den Passagieren im Falle eines Unfalls wegen der gezielten Verformung der Strukturen unmittelbar nach dem Aufprall ein Höchstmaß an Sicherheit. Charakteristisch für die Integralbauweise ist die Komplexität der Einzelteile. Ihre Konstruktion ist anspruchsvoll und die Fertigung oft kostenintensiv. Das Zusammensetzen der Baugruppen aus Einzelteilen ist dagegen weniger aufwendig als bei der Differentialbauweise. Aufgenommene Kräfte müssen nicht über mehrere Teile der Baugruppe geleitet werden. Die Integralbauweise ist immer dann interessant, wenn preiswerte und robuste Fertigungsverfahren zur Produktion von hochkomplexen Teilen bestehen oder wenn starke - orderid Kräfte von einer Baugruppe aufgenommen - transid oder _1D weitergeleitet werden - müssen. Dann können die Prinzipien des Leichtbaus mit dieser Bauweise gut umgesetzt werden. Problematisch ist die Herstellung von Teilen mit großen Abmessungen, wenn die gängigen Transportmaße überschritten werden. Entweder muss auf die Differentialbauweise zurückgegriffen werden oder die Einzelteile werden vor Ort hergestellt oder vervollkommnet Die Mischbauweise Viele Erzeugnisse weisen sowohl Elemente der Differential- als auch der Integralbauweise auf. Eine sinnvolle Möglichkeit für die Anwendung von Mischbauweisen ist gegeben, wenn man aufgrund der mechanischen Anforderungen die Kräfte in nur ein Einzelteil der Baugruppe einleiten möchte und hierzu das Prinzip der Integralbauweise verfolgt. Die anderen Anbauteile des Erzeugnisses werden aus Kostengründen aus einem Baukastensystem gewählt und zeigen die Charakteristika der Differentialbauweise. Eine andere Motivation für eine Mischbauweise besteht darin, dass der Aufwand für die Entwicklung und Herstellung komplexer Integralstrukturen nur für einige we-

90 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 4.2 Differential- oder Vervielfältigung. und Integralbauweise 73 nige Bauteile betrieben wird, andere Funktionen aber durch eine differential aufgebaute Gestaltung realisiert werden. Bereits durch die Anwendung bestimmter Montageverfahren kann man eine Mischbauweise begründen. Wenn sehr komplexe Bauteile, die eigentlich in die Integralbauweise einzuordnen sind, miteinander verschraubt werden, müsste man schon von einer Mischbauweise sprechen, weil Schrauben, Muttern und Scheiben Normteile darstellen und damit eine Komponente der Differentialbauweise in die Konstruktion einbringen Geeignete Bauweisen für Kunststoffprodukte Durch den Einsatz von Kunststoffen wird sowohl die Differential- als auch die Integralbauweise beflügelt. Mit dem Spritzgussverfahren steht eine Fertigungstechnologie zur Verfügung, die die Fertigung von sehr komplexen Einzelteilen zu einem im Vergleich mit anderen Verfahren geringen Preis ermöglicht. Mit den Rastverbindungen können die Montagefunktionen in die komplexen Einzelteile integriert werden. Damit wird eine Integralbauweise für eine unschlagbar preiswerte Massenproduktion möglich. In geringeren Stückzahlen können integrale Bauteile durch Faserverbundwerkstoffe einfach - und orderid effektiv hergestellt werden. - Die transid auf Polymeren _1D basierenden Klebstoffe - sind Voraussetzung für ein Zusammenfügen von Elementen zu integralen Bauteilen. Ein Beispiel für den Kunststoffeinsatz zur Realisierung der Differentialbauweise wurde eingangs mit dem bunten Kunststoffteile-Baukastensystem (Lego ) genannt, wobei auch hier schon durch die Verzahnung der Elemente beim Zusammenfügen der Bausteine integrale Aspekte enthalten sind. Die technisch bedeutendsten Anwendungen von Kunststoffprodukten für Baugruppen in der Differentialbauweise sind vor allem auf dem Gebiet der Montagetechnik gegeben. Hier stellen Clipse, Kabelbinder und Klettverschluss einige Anwendungen dar, die differentiale Einzelteile zu einem technischen System zusammenbringen können.

91 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 4.3 Das Verformungsverhalten der Werkstoffe Begriffe zum Verformungsverhalten Im Alltag bezeichnen wir Werkstoffe für starre Konstruktionen als harte und Materialien für flexible Gestaltungen als weiche Stoffe. Diese gefühlsmäßige Zuordnung ist nicht exakt, weil der Begriff Härte als Widerstand eines Materials gegenüber dem Eindringen eines Körpers definiert ist. Bei den heute zugänglichen modernen Materialien sind Werkstoffe bekannt, die recht flexibel sind und trotzdem dem Eindringen eines Körpers einen großen Widerstand entgegen setzen. Kupfer hat einen etwas höheren Modul als Messing. Das reine Metall ist damit steifer als die Verschmelzung mit Zink, setzt aber dem Eindringen eines Körpers einen geringeren Widerstand entgegen als die Legierung. Das reine Kupfer ist also steifer, aber gleichzeitig weicher als Messing. Um die Eignung von Materialien für bestimmte Konstruktionsprinzipien abzuschätzen, ist die Härte keine geeignete Größe. Auch wenn im Alltag die Begrifflichkeiten nicht so klar getrennt werden wie in der Technik, darf man zur Beurteilung, ob ein Material mehr starre oder eher flexible Eigenschaften zeigt, nicht von der Härte sprechen, - orderid sondern - muss den Begriff der - transid Steifigkeit - verwenden _1D - Der Konstrukteur benötigt eine Werkstoffkenngröße, die eine Quantifizierung und Vergleichbarkeit für alle Werkstoffe erlaubt. In der gängigen Literatur findet man vor allem Werte für Zugfestigkeit und den Zug-E-Modul, der die Steifigkeit eines Materials quantifiziert. Mit diesen beiden Größen können starre Systeme gut beschrieben werden. Für die Charakterisierung von flexiblen Konstruktionen ist die Zugfestigkeit ungeeignet, weil aufgrund der möglichen Verformung Änderungen der Gestalt belasteter Körper vorkommen. Damit ändert sich der Querschnitt, über den Kräfte weitergeleitet werden. Die Spannungen hängen nicht mehr nur von dem wirkenden Kraftfeld ab, sondern auch von der Stärke und der Art und Weise der Verformung des Körpers. Bei der Dehnung eines Gummibandes kann man sich von der Verminderung des Querschnitts der Probe bei Zugbelastung selbst überzeugen. Für die Charakterisierung einer speziellen Gummimischung wird vor allem der Druck verformungsrest in Abhängigkeit von den Lagerbedingungen angegeben, sekundär findet man noch Angaben zur Reißdehnung.

92 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 4.3 Das Weitergabe Verformungsverhalten oder Vervielfältigung. der Werkstoffe Die Zugfestigkeit Die Zugfestigkeit kennzeichnet die Fähigkeit eines Materials, Zugspannungen aufzunehmen. Dazu wird an eine Probe mit konstantem Querschnitt eine Kraft angelegt. Die Messung liefert bei Metallen sinnvolle und gut für Berechnungen geeignete Werte. Die Charakterisierung von Kunststoffen mit der Zugfestigkeit ist umstritten. Kunststoffproben realisieren größere Deformationen als Metalle und vermindern bei Zugbelastung ihren Querschnitt. Damit ist die oben genannte Ausgangsbedingung einer gleichbleibenden Fläche nicht mehr gegeben. Weiterhin ist die Abhängigkeit der Zugspannung von der Temperatur bei Kunststoffen viel stärker ausgeprägt (Bild 1.9) als bei Metallen Die Steifigkeit eines Materials Die geeignete Größe zum Vergleich von steifen und nachgiebigen Werkstoffen muss für möglichst alle Materialien zugänglich sein. Die am besten geeignetste Größe ist der Zug-E-Modul. Auch wenn die exakte Bestimmung für Kunststoffe problematisch ist (Bild 1.9), liegen die Werte für die einzelnen Materialien auf einem charakteristischen Niveau (Bild 4.2). Modul in kpa PA Polymerschäume Hochleistungskunststoffe PP PE CFK / GFK Stahl Aluminium Magnesium Blei 100 PTFE 10 Gummi 1 Bild 4.2 Niveau des Zug-E-Moduls für einige Werkstoffe

93 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Wenn ein Versagen durch Knicken oder Beulen vorkommen kann, ist die Funktionserfüllung von Konstruktionen unmittelbar vom Modul abhängig. In die Berechnungsformeln für diese Belastungen geht der E-Modul unmittelbar ein. Daher müssen die Werte für diese Kenngröße bekannt sein Die Dehnung Die Kritische Dehnung Bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Problem der Temperaturabhängigkeit des Moduls bei Thermoplasten entstand eine interessante Lösung. Auf der Suche nach einer charakteristischen Größe für das Material fiel auf, dass, obwohl die Funktionswerte für die Maxima des Spannungs-Dehnungs-Diagramms gravierende Unterschiede zeigten, die Argumente in diesem Diagramm deutlich geringere Abweichungen untereinander zeigten (Bild 4.3). Einige Wissenschaftler hatten so die Idee, für die jeweiligen Thermoplaste die großen temperatur- und beanspruchungsgeschwindigkeitsabhängigen Intervalle zur Angabe von Streckgrenze und Modul zu vermeiden, indem bei der Charakterisierung des Werkstoffs die Größe Zulässige Dehnung oder Kritische Dehnung in den Vordergrund gestellt wird. Spannung in N/mm² C -20 C 0 C 20 C C C C Kritische Dehnung Dehnung in % Werte für schlagfestes Polystyrol Bild 4.3 Die kritische Dehnung, dargestellt im Spannungs-Dehnungs-Diagramm

94 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 4.3 Das Weitergabe Verformungsverhalten oder Vervielfältigung. der Werkstoffe 77 Die Konstruktionsrechnung für Kunststoffteile bezieht sich nun auf Dehnungen, die bei einer bestimmten Funktionsbelastung auftreten und ermittelt anschließend unter Berücksichtigung der vorherrschenden Temperatur und der Beanspruchungsgeschwindigkeit den Modul und die Spannungen. Das ist beispielsweise zur Auslegung einer Rastverbindung eine sehr effektive Methode. Die funktionale Bewegung beim Rasten erfordert einen bestimmten Weg für die Biegung. Daraus kann die Deformation schnell ermittelt werden. Die Unsicherheit bei der Konstruktion der Hauptfunktion ist somit überschaubar. Größere Unsicherheiten bestehen bei der Nachberechnung der Nebenfunktionen. Aus Modul und Spannung, die bei der während des Montageprozesses herrschenden Temperatur und der jeweiligen Beanspruchungsgeschwindigkeit vorliegen, ergeben sich die Montagekräfte, die für den Fügeprozess von außen aufgebracht werden müssen und die das Kunststoffgehäuse aufnimmt. Auch bei Metall-Kunststoffverbunden ist man mit der Annahme einer kritischen Dehnung für die Kunststoffkomponente erfolgreich. Aufgrund des deutlich höheren Moduls der Metalle kann die metallische Komponente als starr angesehen werden, die Kunststoffanteile als verformbar. Die Gestalt der Baugruppe wird vordergründig von der Metallkomponente bestimmt. Der Kunststoff verformt sich entsprechend. Von außen angreifende Spannungen werden von der Metallkomponente aufgenommen. Belastungsrechnungen - orderid bilden die - Realität transid sinnvoll _1D ab, wenn für die Metallkomponente die Berechnung der Spannungen vorgenommen wird und die Kunst- - stoffkomponente entsprechend der Gestalt der Metallbestandteile der Baugruppe auf Dehnung überprüft wird. Mit der Verformung erhöht sich der Betrag der auf das Metall wirkenden Spannung zu einem gewissen Anteil. Mit wenigen Schleifen kommt man so zu realistischen Werten Die zulässige Dehnung Die kritische Dehnung ist an der Streckgrenze des Materials erreicht, das heißt, im ersten Maximum der Spannungs-Dehnungs-Kurve (Bild 4.3). Bei diesen Dehnungswerten sind im Material bereits bleibende Verformungen vorhanden. Bei der Konstruktion sollte dies beachtet werden. Wenn man das ignoriert, tritt an kritischen Stellen Weißbruch am Teil auf oder es kommt bei mehr oder weniger großen Anteilen der Serie zu sprödem Bruch an den Funktionselementen. Der Begriff kritisch ist also wörtlich zu nehmen. Überlegt wurde daher, bis zu welchen Dehnungswerten eine Belastung zulässig ist. Vorgeschlagen wurde für die zulässige Dehnung eine Reduktion auf 70 % des Wertes der kritischen Dehnung für homogene Kunststoffe und auf 50 % des Wertes für faserverstärkte Materialien (Bild 4.4).

95 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Spannung in N/mm² Zulässige Dehnung bei 50 % für faserverstärkte Polymere Zulässige Dehnung bei 70 % für homogene Polymere Kritische Dehnung bei 100 % 10 Dehnung in % 50 % 70 % 100 % ε s Bild 4.4 Vorschlag für die zulässige Dehnung bei Raumtemperatur Wird bis zur zulässigen Dehnung belastet, sollen im Material noch keine Schädigungen aufgrund Belastung vorgekommen sein. Entsprechend dieser Vorgehensweise ergeben sich die in Tabelle 4.1 angegebenen Werte. Sie stellen einen ersten Anhaltspunkt für die Auslegung einer Konstruktion dar. Die Werte gelten für Raumtemperatur und eine einmalige Belastung. Weiterhin müssen bei der Herstellung der Teile optimale Bedingungen vorherrschen. Thermisch geschädigtes Material bricht bereits bei geringeren Werten für die Dehnung. Tabelle 4.1 Zulässige Dehnungen für einige Materialien Material Zulässige Dehnung PE 8 % PP 6 % PA konditioniert 6 % PA spritzfrisch 4 % PA mit Glasfaser 2 % POM 6 % PBT 5 % PBT + Glasfaser 1,5 % PC 4 % ABS 2,5 % PS 1,8 % PVC 2 %

96 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 4.3 Das Weitergabe Verformungsverhalten oder Vervielfältigung. der Werkstoffe 79 Im Wesentlichen bestätigen die Erfahrungen aus der Praxis die in Tabelle 4.1 gezeigten Werte. Bei der Beachtung der Regeln für eine kunststoffgerechte Konstruktion und schonende Verarbeitung können die gezeigten Werte als Konstruktionsgrundlage angenommen werden. In der Konstruktionspraxis empfiehlt es sich, die hier genannten Werte mit einem Sicherheitsfaktor zwischen 0,5 und 1 zu multiplizieren. Nach eigenen Erfahrungen können bei der Auslegung von Rasthaken bei Bauteilen aus POM bis zu 5 % Dehnung vom Material schädigungsfrei aufgenommen werden Bauteilspezifische Minderung Einflussfaktoren Clevere Konstruktionen zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Werkstoffpotenzial möglichst weitgehend ausschöpfen, die Funktionsfähigkeit des Systems aber voll und ganz gegeben ist. Wegen der Unsicherheiten bei der Bestimmung der Materialkonstanten und der Festlegung von Sicherheitsfaktoren sollte ein Konstrukteur Angst sicherheiten vermeiden und bereits in der Entwurfsphase über Möglichkeiten einer Fehlerbehebung nachdenken und entsprechende Optionen bei der Festlegung der Geometrie berücksichtigen. Eine bauteilspezifische - orderid Verminderung - der transid Werte für - die _1D zulässige Dehnung -(Ta- belle 4.1) ist vor allem vorzunehmen, wenn: mehrfache Deformationen ausgeführt werden die Deformation bei einer geringeren Temperatur als bei Raumtemperatur erfolgt die Werkstoffe mit Füllstoffen versehen sind eine Faserverstärkung vorliegt mit sehr schneller Zykluszeit produziert wird die Deformationen aufgrund eines stark ausgeprägten mehrachsigen Spannungszustandes geführt werden (Biegung und Torsion!) schnell ausgeführte Deformationen wirken Konstruktionselemente dickwandig sind an scharfen Geometrieübergängen Kerbwirkungen vorkommen zusätzliche Belastungen vorliegen Vorgehensweise Meist ähneln sich die Produkte, die von einem Konstrukteur entwickelt werden, mehr oder weniger. Das liegt schon an der Ausrichtung der Produkte auf ein spezielles Marktsegment, in dem sie positioniert werden sollen. So ist es sinnvoll, einen produktspezifischen Sicherheitsfaktor festzulegen, um den die in Tabelle 4.1 gezeig-

97 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. ten Werte vermindert wird. Damit nutzt man mit einem vertretbaren Risiko das Leichtbaupotenzial der polymeren Werkstoffe. Alternativ wurde eine multiplikative Verknüpfung der Sicherheitsfaktoren aus den einzelnen einflussnehmenden Argumenten vorgeschlagen. Dafür spricht, dass der Konstrukteur seine Tätigkeit sehr schematisch abarbeiten kann, ihm wird Verantwortung abgenommen und es verkürzen sich die Entwicklungszeiten. Allerdings berücksichtigen solche vorgeschlagenen Einzelfaktoren nicht, dass die Beeinflussungen unterschiedlich stark auftreten können. So vermindert ein geringer Anteil an Füllstoffen mit Sicherheit die zulässige Dehnung weniger als eine sehr hohe Konzentration an Füllstoffen. Die vorgeschlagene Extrabewertung von faserverstärkten Materialien (Bild 4.4) erübrigt sich, wenn man die Wirkung der Fasern mit einem Sicherheitsfaktor berücksichtigt. Das hat den Vorteil, dass nicht für jede denkbare Faserkonzentration eigene Spannungs-Dehnungs-Diagramme ermittelt werden müssen. Man kann sich so auf die Werte des Matrixmaterials und damit auf eine geringere Anzahl von Daten beschränken. Für die Verantwortung des Konstrukteurs für die Höhe der Sicherheitsfaktoren auf die zulässige Dehnung spricht auch, dass es immer wieder Aspekte gibt, die bei einer Vorgabe von Werten nicht berücksichtigt wurden, aber trotzdem zur Wirkung kommen. So muss beim Einsatz von recyceltem Kunststoffmaterial eine Verminderung der zulässigen Dehnung berücksichtigt werden Anzahl der Lastwechsel Die Anzahl der Deformationen wird durch logarithmische Zusammenhänge zum Ausdruck gebracht. Ob eine Deformation genau siebenundneunzig oder achtundneunzig mal erfolgt, ist weniger von Bedeutung. Unterscheiden muss man zwischen einmaliger, mehrmaliger, häufiger, sehr häufiger und ständiger Deformation. Eine einmalige Deformation erfolgt bei Montageprozessen. Diese können auch als nichtwiederöffnende Verbindung ausgelegt werden, bei denen die Rasthaken durch Führungsrippen in der Rastposition fixiert werden. Weil diese Verbindung dann nur für den einmaligen Gebrauch bestimmt ist, können in bestimmten Fällen auch bleibende Verformungen beispielsweise an den Führungsrippen akzeptiert werden. Eine Öffnung eines Gehäuses zur Reparatur der Einbauten ist dann aber nicht möglich und im entsprechenden Anwendungsfall unter Umständen auch nicht erwünscht. Eine mehrmalige Belastung liegt vor, wenn die Deformationen mehr als einmal erfolgen, aber nur selten ausgeführt werden. Ein Beispiel dafür ist ein Gehäuse, das nur ausnahmsweise zur Instandsetzung der darin befindlichen Funktionselemente geöffnet werden muss.

98 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 4.3 Das Weitergabe Verformungsverhalten oder Vervielfältigung. der Werkstoffe 81 Häufige Belastungen kommen beispielsweise bei Aufbewahrungssystemen oder am Filmscharnier einer Brotbüchse vor, wenn die Belastung bis zu einmal täglich auftritt und insgesamt eine Lastwechselzahl von 1000 nicht überschritten wird. Sehr häufig werden beispielsweise Funktionselemente an Schreibgeräten belastet, beispielsweise um die Mine eines Kugelschreibers ein- oder auszufahren. Hier muss neben der rein zweckdienlichen Belastung auch der Spieltrieb der Konsumenten berücksichtigt werden. Für sehr häufig belastete Funktionselemente müssen bis zu hundertausend Lastwechsel möglich sein. Dauerbelastungen kommen an bewegten Maschinenteilen vor. Zahnräder oder Dämp fungselemente aus Kunststoff sind hier ein charakteristisches Anwendungsbeispiel. Die rein funktionalen Belastungen überlagern sich im Betrieb auch mit der Materialbelastung aufgrund unterschiedlicher Alterungsvorgänge des Polymers. Meist bewirkt die Alterung eine Versprödung des Materials, so dass zusätzliche Sicherheit vorgesehen werden muss. Die Ausführung von mehreren Deformationszyklen ist immer dann sehr kritisch, wenn die Deformationsprozesse bei verminderten Temperaturen stattfinden können. Auch wenn die Dehnungen weniger extrem temperaturabhängig sind als die Spannungswerte, vermittelt Bild 4.3 einen Eindruck über die im Vergleich zu den Metallen im Bereich der Anwendungstemperatur enorme Abhängigkeit der aus dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm ermittelten Werte. Deformationen unterhalb der Raumtemperatur sind immer kritisch anzusehen und erfordern bei sehr kalten Temperaturen besonders große Sicherheitsfaktoren. Wenn Änderungen der Kristallstruktur im Einsatztemperaturbereich vorkommen, muss dies entsprechend bei der Festlegung der Sicherheitsfaktoren berücksichtigt werden. So ist besondere Aufmerksamkeit bei der Verwendung von Polypropylen bei Temperaturen unter 0 C geboten Füll- und Verstärkungsstoffe Füllstoffe werden beigemengt, um die Materialkosten zu vermindern. Die Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften nimmt man dabei in Kauf. Oft werden die Polymere mit preiswerter Kreide gefüllt. In Abhängigkeit von der Art, der Konzentration und der Gestalt der Füllstoffe müssen die Werte der zulässigen Dehnung für ein gefülltes Material durch einen entsprechenden Sicherheitsfaktor reduziert werden. Im Gegensatz zu einer Modifizierung des Grundmaterials mit Füllstoffen werden durch eine Faserverstärkung die mechanischen Eigenschaften der Produkte vermeintlich verbessert. Das bezieht sich aber vor allem auf eine Vergrößerung der Werte des Moduls und die Verbesserung der Zugfestigkeit. Die Werte für die Dehnung vermindern sich gegenüber unverstärktem Material in Abhängigkeit von der

99 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Art der Verstärkungsfasern, ihrer Konzentration und der Qualität der Grenzschicht zwischen Faser und Matrixmaterial. Hinzu kommt eine Anisotropie der Eigenschaften bei faserverstärkten Polymeren, wenn die Fasern eine bestimmte Vorzugsorientierung aufweisen. In Faserrichtung liegen Modul und Zugfestigkeit auf einem höheren Niveau, während sich die Dehnungswerte vermindern. Senkrecht zur Faserrichtung kann das Material eine stärkere Dehnung ausführen als in Faserrichtung. Die Versteifung aufgrund der Faserverstärkung gegenüber dem unverstärktem Material muss durch einen entsprechenden Sicherheitsfaktor berücksichtigt werden. Zusätzliche Unsicherheit bedingen die inhomogenen Eigenschaften eines faserverstärkten Werkstoffs Starke Materialbelastung bei der Fertigung Sehr schnell hergestellte Formteile weisen oft starke Eigenspannungen auf, die schwindungsbedingt und/oder prozessbedingt sind dann, wenn zur Entformung starke Auswerferkräfte aufgebracht werden müssen. Diese Eigenspannungen überlagern sich mit den funktionalen Belastungen, so dass man von einer Verminderung der vom System ertragenen Gesamtbelastung ausgehen muss. Eine übermäßige thermische Belastung des Materials bei der Verarbeitung bedeutet eine Materialschädigung. Die bei einer hastigen Produktion vorkommenden enormen - Scherbelastungen orderid der Schmelze - führen transid zu einer _1D lokalen thermischen - Überlastung und bewirken eine Schädigung des Werkstoffs. Der innere Zusammenhalt des Polymers ist reduziert. Es muss mit verminderten Dehnungswerten gerechnet werden. Auch ein nicht ausreichend vorgetrocknetes Material zeigt solche Erscheinungen. Wenn die Produktionsprozesse nicht voll ausgereift sind oder aus Kostengründen Qualitätsabstriche hingenommen werden, muss dies durch einen entsprechenden Sicherheitsfaktor berücksichtigt werden. In der Praxis ist die Produktion aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit oft gezwungen, Kompromisse einzugehen und die Produktionszeiten zu minimieren. Bei dieser ökonomischen Notwendigkeit werden von den Verantwortlichen in der Entwicklung oft die Augen verschlossen. Mit der Maßgabe der Berücksichtigung eines produktionsbedingten Sicherheitsfaktors kann dieses Problem bereits bei der Konstruktionsphase des Produkts entspannt werden Mehrachsige Spannungszustände Mehrachsige Spannungszustände überlagern sich. Die wirkenden Vergleichsspannungen sind immer höher als die einzelnen Spannungskomponenten. In Analogie gilt dies auch für die möglichen Verformungen. Betrachtet man der Einfachheit halber nur eine Deformationsart, muss die Wirkung der nichtberücksichtigten Deformationsarten durch einen Sicherheitsfaktor zum Ausdruck gebracht werden.

100 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 4.3 Das Weitergabe Verformungsverhalten oder Vervielfältigung. der Werkstoffe Beanspruchungsgeschwindigkeit Schnell ausgeführte Deformationen führen über einen großen Bereich der Deformationsgeschwindigkeit zu einer Versprödung der Werkstoffe. Die allgemein zugänglichen Spannungs-Dehnungs-Diagramme repräsentieren diesen Bereich der Deformationsgeschwindigkeit. Demnach müsste bei einer Überdehnung von Rastelementen die Montagegeschwindigkeit reduziert werden. In Abschnitt werden zu dieser Problematik weitere Aussagen getroffen Die Wanddicke Dickwandige Konstruktionselemente brechen bei gleichen Verformungen eher als Dünnwandige. So kann man eine Folie in einem viel stärkerem Verhältnis dehnen als einem kompakten Stab. Genauso wenig wie eine rein proportionale Vergrößerung einer funktionserfüllenden Geometrie funktioniert, können Wandstärken nicht beliebig dick gestaltet werden, um mehr Last aufzunehmen. Das Problem wurde in der Literatur als Schlaufenproblem für die Aufnahme von Rotorblättern an Hubschraubern ausgiebig diskutiert. Daher ist es nicht sinnvoll, Rasthaken mit einem quadratischen Querschnitt zu verwenden. Man sollte eine Biegung immer nur über die schmale Seite eines rechteckigen Querschnitts zulassen. Bei dickwandigen Anwendungen müssen entsprechende Sicherheitsfaktoren berücksichtigt werden, mit besonders dünnwandigen Strukturen können die in Tabelle 4.1 genannten Werte mitunter unterschritten werden, wie bei Folienanwendungen Berücksichtigung der Kerbwirkung Die ungenügende Beachtung einer Kerbwirkung ist in der Praxis eine der häufigsten Ursachen für das Versagen bei einer Verformung im Gebrauch oder schon bei Montageprozessen. Die Übergänge von Rasthaken zur Grundgeometrie müssen mit Radien versehen werden. Auch die Aussparungen, in die die Rasthaken eingreifen, dürfen keine scharfen Kanten aufweisen. Der Vorteil beim Spritzgießen ist, dass das Einbringen der Radien in vielen Fällen mit einem überschaubaren Aufwand erfolgen kann, wenn die Werkzeugkanten mit geringem fertigungstechnischen Aufwand verrundet werden. Der Teilekonstrukteur muss ausreichend Platz vorsehen. So müssen Rastfenster breiter gestaltet werden als die Rasthaken, damit hinreichende Platzreserven für das Einbringen der Radien vorliegen. Problematisch sind Radien an Blockierflächen und Werkzeugeinsätzen. Hier muss schon im Vorfeld der Konstruktion Rücksprache mit dem Formenbauer genommen werden. Bei unzureichenden Platzverhältnissen ist die Beschränkung auf einen unter 45 auslaufenden Radius möglich. Die mechanischen Verhältnisse sind hier ähnlich wie in einem gotischen Bogen (Bild 4.5).

101 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Rasthaken Angesetzter Radius gegen Kerbwirkung Verjüngung für zusätzliche Verformung Bild 4.5 Verrundung an einem Rasthaken zur Vermeidung von Spannungsspitzen Die hier genannten Punkte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bei der Vielzahl von möglichen Anwendungsfällen von Polymeren sind durchaus noch weitere Einflussfaktoren denkbar. Angesprochen wurde die beobachtete Verminderung der Dehnbarkeit von Kunststoffproben, wenn Recyclate zugesetzt werden. Eine ausführliche Erklärung der Problematik an Rasthaken erfolgt in Abschnitt 8.2 bis orderid Starre und flexible - transid Konstruktionen _1D - Aus dem alltäglichem Umgang mit den Werkstoffen wissen wir, dass Metalle gut geeignet sind, Lasten aufzunehmen, Verformungen aber nur bei speziellen Anwendungen realisieren (beispielsweise Blatt-Federn). Denkt man zurück an den Beginn der technischen Entwicklung, waren Klingen für Messer, Lanzen und später für Speere aus möglichst harten und festen Werkstoffen gefertigt. Zunächst dienten Knochenstücke und Zähne, dann Feuersteine und später Metalle als Werkstoffe für diese Produkte, die vor allem für die Jagd auf Wild oder gegen die Mitglieder anderer Stämme eingesetzt wurden. Bereits mit der Erfindung von Pfeilen und Bogen kam eine neue Herausforderung auf die damaligen Ingenieure zu, die sie hervorragend gelöst haben. Beim Bogen reicht es nicht aus, wenn er besonders hohe Spannungen aufnimmt. Er muss auch über einen langen Weg eine Deformation ermöglichen, damit man den Pfeil mit hoher Energie beschleunigen kann. Im Gegensatz zu den Waffen der Steinzeit besteht bei den meisten technischen Anwendungen die Aufgabe nicht allein darin, ein anderes Material zu zerstören. Oft müssen Verformungen realisiert oder ausglichen werden. Dazu setzte man früher weniger stabile Materialien, dafür aber zähe und möglichst reißfeste Naturstoffe ein.

102 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 4.4 Starre oder und Vervielfältigung. flexible Konstruktionen 85 Bei Kleidung legt man besonderen Wert auf Passgenauigkeit, die dem Träger beste Bewegungsfreiheit ermöglicht. Abgesehen von wenigen Ausnahmen in der Mode muss sich der Stoff bei der Bewegung des Trägers mit verformen. Aber auch rein technische Produkte setzen eine verformbare Gestaltung zur Funktionserfüllung voraus. Bei Bälgen zum Anfachen des Schmiedefeuers beim Schmelzen des Eisens ist die Verformung funktionsentscheidend. Hier wurden Leder oder ein textiles Material verwendet. Auch wenn im klassischen Maschinenbau derzeit vorwiegend starre, kraftaufnehmende Konstruktionen eingesetzt werden, besteht oft die Möglichkeit, eine technische Aufgabe auch mit einer sich verformenden Gestalt zu erfüllen. Am Beispiel einer altertümlichen Schöpfanlage zur Bewässerung der Felder sollen die beiden Konstruktionsprinzipien gegenübergestellt werden. Bei der starren Variante gründet man mit einem Fundament einen festen Standplatz. Auf diesem wird ein Lagerbock erreichtet, der über eine Achse oder eine Welle einen drehbar gelagerten Balken mit Ausgleichsgewicht aufnimmt. Am Ende dieses Balkens kann dann ein Schöpfelement angebracht werden, das durch eine wirkende Zugkraft ins Wasser abgesenkt wird (Bild 4.6). Bild 4.6 Starre Variante eines Schöpfwerks Der Aufwand für die Sicherstellung einer solchen Gestaltung ist entsprechend hoch, vor allem, wenn man antike Produktionsmittel annimmt. Viel einfacher ist es, einen Schöpfbalg in die Krone eines Baumes zu hängen, der an der Uferböschung wächst. Je nachdem, wie dick die Äste sind und wie viele man zur Befestigung vorsieht, kann man die Stärke der Kraftunterstützung zum Heben des Wassers und die erreichbare Absenktiefe einstellen (Bild 4.7). Bei diesem Beispiel ist der Aufwand für die Anfertigung der starren Variante um einiges höher als die flexible Ausführung. Dies ist nicht nur dadurch begründet, weil sich Letztere des natürlichen Erzeugnisses Baum bedient, sondern auch, weil weniger Einzelteile verwendet werden und so viel geringere Ansprüche an die Montagetechnologie und -logistik bestehen.

103 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 4.7 Flexible Variante zur Schöpfwerkfunktion Dafür bietet die starre Konstruktion aber die Möglichkeit funktionaler Erweiterung. Man könnte das Gegengewicht verschiebbar ausführen und so den Antrieb des Systems weiter vom Wasser entfernt legen. Die Einfachheit der flexiblen Lösung macht keine Abstriche am technischen Anspruch. Die beste Technik ist immer einfach und robust. Das war zu Zeiten unserer Altvorderen so und gilt heute immer noch. Die Funktionalität einer Aufgabe mit allen Möglichkeiten der heute verfügbaren Technik zu erfüllen, ist sicherlich leichter, - als orderid mit ganz einfachen und robusten - transid Mitteln - nahezu _1D gleiche Funktionalität - abbilden zu können. Bei einem Kulturaustausch unserer Vorfahren würden sicher die Baumschöpfer über den Aufwand der Balken-Schöpfwerke den Kopf schütteln. Bei dem betrachteten Beispiel wurden die grundlegenden Zusammenhänge dargestellt. Die Unterscheidung in starre und flexible Konstruktionen erscheint nach wie vor sinnvoll, vor allem, weil die Entscheidung für oder gegen eine der beiden Grundkategorien das Fundament für die anschließende Konstruktion bildet. Tabelle 4.2 Gegenüberstellung starre und flexible Konstruktion Starre Konstruktion Flexible Konstruktion Werkstoff Steif und hart Flexibel und weich Aufwand bei Berechnungen Gering Hoch Fertigungsaufwand der Gering Hoch Einzelteile Montagerisiko Gering Hoch Typische Werkstoffe Metalle Keramik Textilien Gummi Technische Anwendungen Stützen, Träger, Achsen, Gehäuse Federn, Gummikappen, Muffen, Dichtungen Bionische Gleichnisse Muscheln mit äußerem Skelett, Wirbeltiere mit innerem Skelett Baumstamm Oktopus, Würmer oder Nacktschnecken Pflanzenstängel

104 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 4.4 Starre oder und Vervielfältigung. flexible Konstruktionen 87 Die Ingenieure konzentrierten sich zu Beginn und während der Blüte der Industrialisierung vor allem auf starre Systeme. Die Ursache hierfür sind in der Steifigkeit des in dieser Zeit favorisierten Werkstoffs Metall zu sehen. Dass solche Systeme mit überschaubaren mathematischen Mitteln zu berechnen sind unterstützte diese Tendenz. So können die jeweiligen Materialstärken für einen konkreten Einsatzzweck schon in der Konstruktionsphase optimiert werden. Flexible Konstruktionen versuchte man mehr oder weniger erfolgreich zu vermeiden. Viele Ingenieure hatten schlechte Erfahrungen gemacht, wenn ihre entworfenen Systeme durch unvorhergesehene Verformungen beulten, knickten oder an andere Konstruktionselemente anstießen und nicht mehr freigängig waren. Flexible Elemente dienten meist nur zur Ergänzung der Systeme, um ganz spezielle Funktionen sicher zu stellen. Beispielsweise wurden Rohrleitungen starr aus Metall errichtet und die Dichtheit dieser Fluidsysteme zunächst mit Hanf, später mit einem O-Ring sichergestellt oder die Rohre wurden starr verschweißt. Heute setzt man flexible Systeme mit Längenausgleich ein oder verwendet flexible Schläuche. Moderne Werkstoffe für starre Konstruktionen sind nach wie vor Metalle. Als neue Komponenten kommen keramische Werkstoffe sowie Faserverbundmaterialien hinzu. Flexible Systeme werden nach wie vor als textiler Aufbau ausgeführt. Dabei sind aber nicht mehr nur die über Jahrhunderte in der Textiltechnik verwendeten Naturfasern im Einsatz. Die Anwendungen gehen weit über die Bekleidungsindustrie hinaus. - Bekannt orderid sind - Stahlseile im Bauwesen - transid zur Kraftaufnahme _1D bei Hängebrücken - und Dachkonstruktionen. Moderne Faserwerkstoffe stellen Glas, Carbon oder synthetische Polymere dar. Hier ist vor allem die Art und Weise, wie die Fasern untereinander zu einem Textilverbund verwebt werden, entscheidend für die textilen Eigenschaften. Kompakte Teile mit flexiblen Eigenschaften stellt man aus Gummi auf Kautschukbasis, thermoplastischem Elastomer oder aus Silikon her, auch Textilien oder Leder kommen zum Einsatz. Bei der Verwendung von Metallen muss man auf spezielle Konstruktionselemente zurückgreifen und wie auch immer geformte Federn einsetzen. Mit Thermoplasten und duroplastischen Kunststoffen versucht man vor allem, starre Systeme zu realisieren. Dazu muss man in vielen Fällen die Erzeugnisse mit konstruktiven Mitteln versteifen (Kapitel 8). Beide Materialklassen sind aber auch für flexible Konstruktionen bestens geeignet. Auf Möglichkeiten, die Duktilität eines Bauteils mit konstruktiven Mitteln zu erhöhen, wird in Kapitel 9 eingegangen. Mit den Überlegungen zur konstruktiven Berücksichtigung der Dehnung unterschiedlicher Werkstoffe können nun Aussagen zu den oben erklärten und mit Bild 4.6 und Bild 4.7 visualisierten Konstruktionsprinzipien getroffen werden. Auch wenn die Werte für Metalle kaum zugänglich sind, kann man die Werte aus der zulässigen Spannung und dem Modul leicht errechnen. In Bild 4.8 wurde ein Schaubild erstellt, das die Werkstoffgruppen gegenüberstellt.

105 Carl Hanser 4 Schadensfreie Fachbuchverlag. Verformung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Kritische Dehnung in % Gummi 10 Flexible Konstruktionen Thermoplastische Elastomere 1 Thermoplaste 0,1 Metalle Starre Konstruktionen 0,01 Bild 4.8 Größenordnungen für die Werte der kritischen Dehnung der Werkstoffgruppen Demnach eignen sich Thermoplaste sowohl für starre als auch für flexible Konstruktionen. - orderid Dies eröffnet - den Thermoplasten - transid ein breites - Spektrum _1D von Einsatzmöglichkeiten. Die Ingenieure sollten künftig noch bewusster die Möglichkeiten ausnutzen, - die diese Werkstoffgruppe bietet.

106 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 5 Entformbarkeit Kaum etwas kommt Sie teurer als ein billiges Werkzeug! 5.1 Beschreibung der Situation Die Entwicklung von Werkzeugen In den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg wurden bei immer mehr technischen Anwendungen Kunststoffe eingesetzt. Meist war die Motivation für den Werkstoffwechsel eine Verminderung der Kosten, ohne dass Funktionseinbußen hingenommen werden mussten. In vielen Fällen konnte bei den Bauteilen sogar mit den neuen Möglichkeiten - orderid des alternativen Materials - transid eine zusätzliche _1D Funktionalität erreicht - werden (vergleiche Einleitung). Die preislichen Vorteile werden bei der Produktion von großen Stückzahlen erreicht. Im Spritzgießverfahren können Kunststoffteile mit einer beachtlichen Funktionalität bei sehr geringen Produktionskosten in einer erstaunlich kurzen Produktionszeit hergestellt werden. Bei der Produktion wird ein hoher Automatisierungsgrad erreicht. Die Produktionskosten pro Stück können so sehr flach gehalten werden. Um eine grobe Vorstellung von den Produktionskosten einer Spritzgießfertigung zu bekommen, kann man in Mitteleuropa sehr knapp kalkuliert von einem Aufwand von etwa einem Eurocent pro Sekunde Maschinenlaufzeit ausgehen. Das entspricht einem Maschinenstundensatz von 36 Euro und liegt damit auf dem auch im Handwerk üblichen Niveau. Die Vorstellung von dem Geräusch, das eine in jeder Sekunde nachfallende Eurocent-Münze erzeugt, hilft, eine entsprechende Sensibilisierung für die Zeitoptimierung der Prozesse zu vermitteln. Die Möglichkeit der preiswerten Produktion erkauft man sich durch großen Aufwand bei der Herstellung der benötigten Werkzeuge. Spritzgussformen entsprechen vom Preis her den Anschaffungskosten eines PKWs mit nach oben offenen Mög lichkeiten. Zur Realisierung einer überschaubaren Baugruppe aus Spritzgussteilen kom men so schnell sechsstellige Entwicklungskosten zusammen, die später auf die hergestellten Produkte umgelegt werden.

107 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Stückzahlen Bei einer extremen Massenfertigung treten die Werkzeugkosten in den Hintergrund. Beispielsweise werden Flaschenverschlüsse in vielen Millionen Stück täglich benötigt. Der Bedarf wird durch den Einsatz von Werkzeugen mit mehr als einhundert Kavitäten gedeckt. So können bei voll ausgereizten Prozessen bis zu hunderttausend Teile pro Stunde hergestellt werden. Bei Ausbringungsmengen aus einem Werkzeug, die eine Milliarde Teile betragen, rechnen sich zusätzliche Werkzeugkosten auch von einigen Tausend Euro, wenn die Zykluszeit nur um Bruchteile von Sekunden vermindert werden kann. Bei einer solchen Art Massenfertigung bemüht man sich um: Werkzeuge mit sehr vielen Kavitäten. Eine effektive, aufwendige Werkzeugkühlung. Die Optimierung des Auswerfersystems. Eine besondere Präparation der Flächen senkrecht zur Entformungsrichtung. Eine hohe Funktionalität der Einzelteile. Die Integration von Montageschritten in den Spritzgießprozess. Die Minimierung der Anzahl von Einzelteilen in der Baugruppe. Bei vielen Anwendungen werden aber bei weitem nicht so große Stückzahlen wie in der - Getränkeindustrie orderid erreicht. Die spezielle - transid Anfertigung _1D von Spritzgusswerkzeugen wird erst ab einem Teilebedarf von etwa zehntausend Stück wirtschaftlich inte- - ressant. Bei Werkzeugen für Erzeugnisse, von denen insgesamt weniger als hunderttausend Stück benötigt werden, muss man sich bemühen, die Aufwendungen für Formen überschaubar zu halten. Es ist zu überlegen, ob: Ein Umbau von alten Werkzeugen möglich ist, deren Produkte das Serienende erreicht haben und nicht wieder aufgelegt werden. Eine Modifizierung von Werkzeugen erfolgen kann, die aktuell auch für andere Erzeugnisse verwendet werden. Mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Baukastensystem die effektive Stückzahl eines Artikels erhöht werden kann. Mehrere unterschiedliche Einzelteile aus einem Werkzeug gefertigt werden können. Die Werkzeuge später noch für die Herstellung mehrerer Erzeugnisse verwendet werden können. Die Spritzgießproduktion nicht bis in jedes Detail automatisiert wird, sondern durch Handarbeit beim Zuführen von Einlegeteilen oder bei der Entformung unterstützt werden soll (halbautomatische Fertigung).

108 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 5.1 oder Beschreibung Vervielfältigung. der Situation 91 Eine kostengünstige Werkzeugherstellung mit einer gewissen Einschränkung der Funktionalität akzeptiert wird: Primitiv- oder Musterwerkzeuge Verwendung von einfachen Werkstoffen wie Aluminium oder unvergütetem Stahl für den Formenbau Herstellung der Werkzeuge im billigen Ausland In jedem Fall muss beim Entwerfen und der Konstruktion technischer Systeme die Stückzahl berücksichtigt werden. Um eine fertigungsgerechte Entwicklung der Baugruppen zu ermöglichen, benötigen die Entwicklungsingenieure und Konstrukteure Kenntnisse von den Grundlagen des Formenbaus. Mit diesem Kapitel sollen diese Kenntnisse dem Entwickler zugänglich gemacht werden. Beim Einsatz von Kunststoffen muss die beabsichtigte Fertigungsmethode schon beim Entwurf der Teile betrachtet werden. Neben den werkstofflichen Besonderheiten der Kunststoffe muss berücksichtigt werden, dass viele Herstellungsverfahren auf der einen Seite ein spezielles Design der Teile erfordern, auf der anderen Seite aber auch besondere Möglichkeiten der Teilegestaltung eröffnen. So sollten rotationsgeformte oder im Blasformprozess hergestellte Erzeugnisse mit einer rotationssymmetrischen Grundgeometrie angelegt sein, können dafür aber als Hohlkörper gestaltet werden. Geometrische Versteifungen werden vor allem durch das Einbringen von Sicken erreicht. Bei Spritzgusserzeugnissen sollte man eine schalenförmige Geometrie realisieren. Zur Herstellung von Hohlkörpern müssen mehrere Einzeleile zusammengefügt werden. Eine geometrische Versteifung der schalenförmigen Halbzeuge ist durch das Einbringen von Rippen möglich. Eine Materialsubstitution von Metall durch Kunststoff erfordert immer eine komplette Neukonstruktion der Baugruppe, die die werkstofflichen und fertigungstechnischen Besonderheiten beim alternativen Einsatz von Kunststoffen berücksichtigt Die Verwendung von Normalien im Werkzeugbau Bis auf wenige Ausnahmen werden für die Herstellung von Spritzgusswerkzeugen Normalien verwendet (Bild 5.1). Das sind vorgefertigte Systeme, die den Grundaufbau einer Form abbilden. Normalien werden in einem Baukastensystem angeboten. Die Außen abmessungen der Formen sind in einem Rasterabstand von 50 mm vorgegeben. Die Maße der gelieferten Werkzeugplatten sind exakt aufeinander abgestimmt und deren Positionierung zueinander ist gegeben. Die Öffnungsbewegung wird mit Hilfe von Führungssäulen ermöglicht.

109 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 5.1 Zusammenstellung der Normalien für eine Spritzgussform Der Normaliensatz ist so ein Rohling für eine Spritzgussform, der bei bester Prä zision passgenaue Formplatten umfasst, bereits das Öffnen und Schließen des Werkzeugs abbildet und die Außenmaße des späteren Werkzeugs vorgibt. Die Norma lien auswahl ist in CAD-Systeme integriert, die Bestellung kann aus den Konstruktionsprogrammen heraus generiert werden und die Lieferung erfolgt prompt. Beim Formenbauer vor Ort werden die Normalien an den entsprechenden Anwendungsfall angepasst. Dazu werden: die Werkzeuge mit Zentrierringen versehen, der Bauraum für die Angussbuchse ausgearbeitet und diese eingepasst, die - Verteilerkanäle orderid für das Anguss-System - transid ausgearbeitet, _1D - die Kavität ausgebildet, die Kühlkanäle eingebracht, die Anschlüsse für die Zuführung der Kühlflüssigkeit angebracht, der Platz für die Auswerfer geschaffen und diese eingepasst, spezielle Anpassungen an die vorgesehene Maschine vorgenommen und die Montierbarkeit des Werkzeugs sichergestellt, Transportsicherungen realisiert. Einfach angelegte Werkzeuge können so sehr zügig aus dem Normalienbaukasten aufgebaut werden. Der konstruktive Aufwand zur Werkzeugerstellung ist überschaubar, der Abstimmungsaufwand gering und die Bearbeitung der Rohlinge ohne großen Aufwand möglich. Die Werkzeuge können innerhalb weniger Wochen geliefert werden. Man kommt normalerweise mit zwei Bemusterungsschleifen aus und das technische Risiko ist gering. Die Herstellung der Werkzeuge erfolgt nicht selten auch im preiswerten Ausland. Bei sehr komplexen Werkzeugen muss der Formenbauer mit einem hohen Konstruktions- und Herstellungsaufwand die Funktionen spezifisch für die beabsichtigte Form einbringen. Einige Firmen haben sich auf spezielle Lösungen spezialisiert. So erfordert die Anfertigung von Großwerkzeugen neben dem spezifischen Know-how besonders voluminöse und stabile Bearbeitungsmaschinen.

110 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 5.2 Teile oder aus Vervielfältigung. der flachen Trennebene 93 Auf den Einsatz von Normalien verzichtet man normalerweise nur bei extrem komplexen Werkzeugen, bei denen man die unbestrittenen Vorteile des Normalieneinsatzes aufgrund der gegebenen Einschränkungen bei der Verwendung des Baukastensystems nicht beanspruchen möchte und die Werkzeuge auf den jeweiligen Anwendungsfall hin von Grund auf neu entwickelt, detailliert durchkonstruiert und fertigt. Der finanzielle und zeitliche Aufwand ist entsprechend groß. Das technische Risiko für eine solche komplette Neukonstruktion ist beträchtlich und darf nicht unterschätzt werden. Die in den nächsten Abschnitten folgende Darstellung orientiert sich in der Abfolge vom Einfachen zum Komplexen, vom geringen technischen Risiko hin zu Gestaltungen, deren Umsetzung mitunter auch ein gewisses Risiko aufweisen. 5.2 Teile aus der flachen Trennebene Die Werkzeuganlage Bei der Gestaltung von Teilen, die mit Werkzeugen aus der flachen Trennebene gefertigt werden, kann die Bearbeitung der vorhandenen Normalien allein durch abtragende - orderid Verfahren - erfolgen transid _1D - Bei der Gestaltung des Formteils muss diese Einschränkung beim Formenbau berücksichtigt und die beabsichtigte Funktion der Baugruppe durch eine entsprechende Geometrie der Teile realisiert werden. Um die gestalterischen Grundsätze zu verstehen, muss der Teilekonstrukteur die Vorgehensweise bei der Herstellung der Spritzgusswerkzeuge in Grundzügen kennen. Ausgangspunkt für den konstruktiven Werkzeugaufbau ist ein aus Normalien zusammengestellter Werkzeugrohling (Bild 5.1). Die darin enthaltene auswerferseitige Formplatte ist plan und unbearbeitet (Bild 5.2). Bild 5.2 Unbearbeitete Normalie der auswerferseitigen Formplatte

111 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Mit abtragenden Verfahren wird aus den Normplatten eine Kavität ausgearbeitet. Das heißt für den Teilekonstrukteur, dass er das Kunststofferzeugnis am besten aus der Ebene y-z in x-richtung aufbaut. Als Konstruktionsmethode bietet es sich an, in der y-z-ebene (Bild 5.2) die 2D-Konstruktion vorzunehmen und die dritte Dimension durch eine Extrusion aus der Konstruktionsebene, die später die Trennebene darstellen wird, des Modells in x-richtung zu erzeugen. Wird in ( )x-richtung extrudiert, muss für dieses Detail die auswerferseitige Formplatte bearbeitet werden. Ist die Extrusion in (+)x-richtung orientiert, erfolgt ein Abtragen der düsenseitigen Formplatte. Schließlich kann die Extrusion des 2D-Modells von der y-z-ebene (Bild 5.2) sowohl in (+)x-richtung als auch nach ( )x hin erfolgen. Dann müssen beide Formplatten bearbeitet und die entsprechende Passgenauigkeit für den Versatz der Werkzeugplatten bei der Tolerierung berücksichtigt werden. Besonders, wenn bei der Extrusion lange Wege vorgesehen sind, muss ein Entformungswinkel berücksichtigt werden. Aus Prismen werden so Pyramiden- und aus Zylindern Kegelstümpfe. Primär sollte eine Extrusion der flächigen Geometrie in ( )x-richtung favorisiert werden (Bild 5.3). Bild 5.3 Bearbeitete Normalie der auswerferseitigen Formplatte zur Herstellung von Zugprüfkörpern Damit eine gezielte Kommunikation ermöglicht wird, ist der schematische Aufbau eines Spritzgusswerkzeuges und die Bezeichnung der wichtigsten Bestandteile einer Form in Bild 5.4 dargestellt. Die dort bezeichnete Trennebene entspricht der y-z-ebene in Bild 5.2. Im Beispiel erfolgte der Teileaufbau von dieser Ebene aus nur in Richtung ( )x. Das bedeutet, dass die Kavität allein von der auswerferseitigen Formplatte abgebildet wird. Über den Anguss- und den Verteilerkanal wird bei der Produktion Kunststoffschmelze aus dem Zylinder der Spritzgießmaschine in die Kavität gepresst. Der Angussverteiler muss sicherstellen, dass alle Formnester gleichmäßig mit ausreichend

112 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 5.2 Teile oder aus Vervielfältigung. der flachen Trennebene 95 Schmelze versorgt werden. Am besten kann das durch eine gleichmäßig lange Wegstrecke der jeweiligen Verteilerkanäle sichergestellt werden. Wegen der Abhängigkeit der Viskosität von der Geschwindigkeit der eingepressten Formmasse beim Füllen des Verteilerkanals und der Kavität ist die rheologische Ausbalancierung der Verteilerkanäle durch unterschiedliche Strömungsquerschnitte keine echte Alternative. düsenseitige Formplatte auswerferseitige Formplatte Kavität mit Formteil Angusstange Verteilerkanal Auswerfer Bild 5.4 Schematische Darstellung eines einfachen Spritzgießwerkzeuges Trennebene Ein großer Vorteil der hier beschriebenen einfachen Auf-Zu-Werkzeuge (Bild 5.4) ist das problemlose Einbringen von vielen Kavitäten in ein Werkzeug. Ein Faktor, der die Anzahl der Formnester in einem solchen Spritzgießwerkzeug beschränkt, ist die Zuführung der Schmelze. Die Verteilerkanäle kann man nicht unendlich lang gestalten. Werden eine Vielzahl von Formnestern benötigt, kann man mit dem Einsatz eines Heißkanals das Problem entschärfen. Die Anbindung des Formteils soll immer im Bereich der dicksten Wandstärke des Kunststoffteils liegen. Weil Kunststoffschmelzen sehr dickflüssige Konsistenz haben, erfolgt die Füllung der Kavität mit einer Quellströmung (vergleiche Abschnitt 3.5.2), bei der die Materialzuführung von der Anbindung des Formnestes aus erfolgt. Das ist ein Unterschied zum Gießen von Metallschmelzen. Hier bildet die Schmelze einen Strahl aus, der bis auf die der Zuführung gegenüber liegenden Seite der Kavität durchschießt, sodass die Füllung des Hohlraums von hinten aus erfolgt, in der entgegengesetzten Richtung wie beim Spritzgießen. Bei der Füllung der Kavität mit Kunststoff strebt man das homogene Fortschreiten der Front mit Schmelze an. So erfolgt ein gleichmäßiges und prozesstechnisch sta-

113 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. biles Einspritzen der Schmelze. Vor der Schmelzefront wird die in der Kavität befindliche Luft komprimiert. Es muss die Möglichkeit für ein Entweichen des Gases aus der Kavität bestehen. Kann dieses Problem nicht gelöst werden, kommt es aufgrund des Dieseleffekts an den Teilen am Ende des Fließwegs zu Brandstellen. Mit der Herstellung des Werkzeugs müssen geeignete Vorkehrungen getroffen werden, damit die Luft zügig entweichen kann. Bei einigen Problemfällen kann man das Formteil am Ende des Fließkanals mit einer Opfergeometrie versehen, an der sich die Brandstellen konzentrieren. Nach dem Entformen wird die Opfergeometrie entfernt, so dass danach ein einwandfreies Formteil vorliegt. Die Gestaltung der Anbindung der Kavität muss besonders beachtet werden. Die englische Bezeichnung Gate bringt die Funktion dieses Elements bildlicher zum Ausdruck. Hier tritt der Kunststoff aus dem Verteilerkanal in die Kavität ein. Eine zu eng, mit zu geringem Querschnitt ausgelegte Anbindung bedeutet, dass nicht ausreichend Schmelze in die Kavität einströmen kann. Durch diesen Fehler werden Einfallstellen und Lunker (vergleiche Bild 3.17 in Abschnitt ) verursacht. Bei einer zu groß ausgelegten Anbindung kann es zu einer Überladung der Kavität mit Schmelze kommen. Weil die Kavität dann erst zu einem späteren Zeitpunkt als bei einer optimal ausgelegten Anbindung versiegelt wird, ergeben sich unnötig lange Zykluszeiten und die ökonomischen Ziele des Prozesses können nicht erreicht werden. Bei einer zu lang anhaltenden Kompression kommt es im Teil zu ungünstigen - orderid Eigenspannungen und es - können transid Probleme _1D beim Auswerfen der -Spritz- gussteile auftreten. Durch die Abformung des Formhohlraumes entsteht mit dem Erkalten der komprimierten Schmelze das Formteil (Bild 5.4). Wenn die Masse hinreichend erkaltet ist, kann das Spritzgussteil aus der Form entnommen werden. Dazu wird das Werkzeug an der Trennebene zwischen auswerferseitiger und düsenseitiger Formplatte geöffnet (Bild 5.5). Beim Abmustern und beim Einrichten des Prozesses wird erst jetzt das Spritzgussteil das erste Mal sichtbar. Verfahrenstechnisch muss sichergestellt sein, dass sich der Formling beim Öffnen des Werkzeugs auch tatsächlich auf der Auswerferseite des Werkzeuges befindet. Verklemmt sich das Spritzgussteil in der Düsenseite, sind keine stabilen Zyklen im Prozess und damit keine weitere Automatisierung möglich. Die Werkzeuganlage muss so erfolgen, dass die Schwindung das Spritzgussteil auf der Auswerferseite fixiert. Bei Problemen kann man die Rauigkeit der Oberfläche der Kavität an der Düsenseite durch Polieren vermindern und auf der Auswerferseite die Oberfläche in Entformungsrichtung anrauen. Bei massiven Problemen können zusätzlich am Form teil Entformungszapfen angebracht werden, hinter denen ein Auswerfer angeordnet ist und die auch eine Hinterschneidung aufweisen können. Mit Hilfe solcher Entformungszapfen wird die Überführung der Angussstange auf die Auswer-

114 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 5.2 Teile oder aus Vervielfältigung. der flachen Trennebene 97 ferseite sichergestellt. (Auf die Darstellung des Mittenauswerfers und der Stifte für die Entformung des Kunststoffs im Verteilerkanal wurde in den Bildern 5.3 bis 5.7 verzichtet.) Bild 5.5 Schematische Darstellung des geöffneten Spritzgusswerkzeuges Auswerfen Die Entnahme des Formlings ist bei geöffnetem Werkzeug jedoch noch nicht möglich. Der Kunststoff wird regelrecht in den Formhohlraum eingepresst, so dass der Formling nicht von Hand aus der Kavität entnommen werden kann. Zur Entformung des Spritzgussteils werden Auswerfer vorgesehen, die beim Vorfahren das Formteil und den Anguss aus der Kavität drücken (Bild 5.6). Bild 5.6 Auswerfen des Formteils

115 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. In der hier verwendeten schematischen Darstellung der Spritzgusswerkzeuge wurde wegen der besseren Übersicht die Funktion der Auswerfer nur angedeutet (Bild 5.6). Die Reduktion auf lediglich einen Auswerfer pro Formnest ist in der Realität wenig sinnvoll, weil so Deformationen am Teil zu erwarten sind. Weil für die Sicherstellung der freien Beweglichkeit der Auswerferstifte ein minimaler Spalt bei der Einfassung der Stifte vorhanden sein und die axiale Fixierung der Auswerfer über mehrere Teile toleriert werden muss, sind am Formteil auf der Auswerferseite Markierungen zu erkennen. Diese müssen vom Teilekonstrukteur akzeptiert werden. Die genaue Lage der Markierungen ist verhandelbar. Wenn der Abdruck der Auswerfer funktionell nicht tolerierbar ist, muss gemeinsam mit dem Formenbauer nach einer Lösung gesucht werden, die ein alternatives Auswerferkonzept mit anderen Nachteilen und gestalterischen Einschränkungen vorsehen. So kann man mit Konturauswerfern arbeiten, die auf einer großen Fläche unter das Formteil greifen. Ihr Einsatz ist aufwendiger als die Verwendung von Stiftauswerfern, dafür werden aber die auffälligen Markierungen der runden Auswerferstifte vermieden. Die Voraussetzung für den Einsatz von Konturauswerfern ist ein ebenes Formteil, das sich parallel zur Trennebene aufbaut. Mit Konturauswerfern können auch weiche Materialien wie thermoplastische Elastomere sicher entformt werden. Aufgrund der großen angreifenden Fläche werden die Teile beim Auswerfen nur gering mechanisch belastet (vergleiche Abschnitt ). - orderid So kann man die Spritzgussteile - transid heißer entformen _1D und die Zykluszeit - kürzer wählen, als es beim Einsatz von Stiftauswerfern möglich wäre. Wenn die Auswerfer das Spritzgussteil aus der Kavität gedrückt haben, werden sie wieder zurückgezogen. Mit der Kavität kann nun nach dem Schließen des Werkzeugs der nächste Schuss ausgeführt werden (Bild 5.7). Bild 5.7 Spritzgusswerkzeug nach Ende eines Produktionszyklus

116 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 5.2 Teile oder aus Vervielfältigung. der flachen Trennebene Besonderheiten In vielen Fällen belässt man die Düsenseite plan (eben). Dann kann man sich bei der Herstellung der Kavität auf die Bearbeitung der Auswerferseite beschränken und spart so Aufwand bei der Bearbeitung und vor allem bei der Abstimmung der einzelnen Werkzeugteile aufeinander. Weil sich die Gestalt der Spritzgussteile wegen der enormen Kompression der Kunststoffschmelze an der planen Düsenseite abformt, ist eine mehrfache Verwendung der Düsenseite nur nach deren Überschleifen möglich. Die hier vorgestellten Formen sind einfache, preiswerte Werkzeuge, bei deren Beschaffung nicht mit unlösbaren Problemen gerechnet werden muss. Die Anfertigung der Formen kann regional oder international erfolgen. Das Einbringen der Kühlung ist unproblematisch zu realisieren, so dass die Herstellungsprozesse auf kurze Produktionszeiten hin optimiert werden können. Die Anfertigung der Werkzeuge erfolgt unter Verwendung von Normalien. Bereits bei der Konstruktion und der Werkzeugherstellung kann man ein Konzept wählen, bei dem mehrere Erzeugnisse aus einer Stammform mit austauschbaren artikelspezifischen Teilen gefertigt werden. Nach dem Auslaufen einer Serie können die Werkzeuge ohne großen Aufwand umgebaut und somit mehrfach genutzt werden. Dazu erfolgt entweder eine Modifizierung einer vorhandenen Form oder die ungenutzten Werkzeuge werden ausgeschlachtet und brauchbare Normalien weiter verwendet. Die Vorteile des Normalien-Gedankens - orderid kommen hier voll zum Tragen. - transid _1D - Die Produktion kann aus vielen Formnestern erfolgen. Die Teile können meist freifallend und ohne Personalaufsicht gefertigt werden. Die hergestellten Teile ähneln in ihrer Gestalt Stanzteilen aus Metall. Zur Weiterverarbeitung kann beispielsweise auf bekannte Technologien aus der Papier- und Pappe-Verarbeitung zurückgegriffen werden. Weil die Formen nur über wenige bewegte Teile verfügen, hält sich der Aufwand für die Wartung in Grenzen. Bei eventuellen Schäden kann die Trennebene nachgeschliffen und die Konturen können nachgearbeitet werden. Bei der Produktion können die Prozesse ohne ständige Aufsicht betrieben werden und so auch nachts gewinnbringend produzieren. Die folgenden Artikel werden aus einfachen Auf-Zu-Werkzeugen hergestellt: Materialsubstitution für Stanzteile, Anwendung bei der Herstellung von Normprüfstäben, Kulissenflächen, Schraubendreher, Frühstücksbrettchen, Kämme und vieles mehr.

117 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 5.3 Teile aus Werkzeugen mit Trennungssprung Die Werkzeuganlage Allein mit Formteilen aus der flachen Trennebene können nur wenige der meist eher komplexen Funktionsanforderungen für technische Teile erfüllt werden. So müssen beispielsweise schalenförmige Teile dreidimensional ausgeformt werden. Dann muss die entsprechende Form in das Werkzeug eingebracht werden (Bild 5.8). Wenn die Trennebene nicht mehr planparallel zwischen den Werkzeughälften verläuft, spricht man von einem Trennungssprung. Trennungssprung Bild 5.8 Geschlossenes Spritzgusswerkzeug mit Trennungssprung Es wäre naheliegend, einfach dickere Normalien zu verwenden und aus diesen die nun dreidimensionale Struktur durch abtragende Verfahren herauszuarbeiten (Bild 5.9). Mit den heutigen technischen Möglichkeiten bei der Bearbeitung von Werkzeugstählen wäre eine solche Vorgehensweise sogar möglich, wenn auch nicht unbedingt die günstigste Variante.

118 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 5.3 Teile Weitergabe aus Werkzeugen oder Vervielfältigung. mit Trennungssprung 101 Ursprüngliche Normalienkontur Bild 5.9 Werkzeug mit Trennungssprung, Normalien wurden abgetragen Über viele Jahre bestand aufgrund der nicht ausreichenden Präzision der Metallbearbeitungsverfahren und -maschinen das Problem, dass über eine geneigte Trennfläche nicht an jeder Stelle der Trennebene der direkte Kontakt zwischen den Formplatten realisiert werden konnte. Erst durch die Verbesserung der zur Verfügung stehenden Präzision und der Möglichkeit, auch gehärtete Stähle spanend zu bearbeiten, hat man in den letzten Jahren hier neue Wege eröffnet. Werden Normalien nicht exakt abgearbeitet, bleibt an einigen Stellen ein Spalt zwischen auswerferseitiger und düsenseitiger Formplatte. In diesen Spalt kann Schmelze eindringen und es werden Teile mit Grat gefertigt. An anderen Stellen konzentrieren sich die Kräfte beim Zusammendrücken der Formhälften. Sind die vorstehenden Flächen relativ klein, kommt es aufgrund der großen lokal wirksamen Spannungen zu einer bleibenden Verformung an den betreffenden Werkzeugteilen. Das kann die Funktion einer Form soweit einschränken, dass eine Neuanfertigung erforderlich wird. Um die Probleme zu umgehen, wurde eine Vorgehensweise entwickelt, bei der nur an einer Normalie die Kontur abgetragen wird, in der anderen Formhälfte wird die Kontur durch einen aufmontierten Einsatz gebildet (Bild 5.10).

119 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Einsatz mit Trennungssprung Bild 5.10 Werkzeug mit Formeinsätzen zur Realisierung eines Trennungssprungs Die konturgebenden Normalien können bei der Verwendung von Werkzeugeinsätzen schlanker ausgewählt werden und müssen nicht so dick, wie in Bild 5.8 und Bild 5.9 dargestellt, - orderid sein transid _1D - Die Fertigung der Formeinsätze ist zeitgleich mit der Herstellung der Stammform möglich. So kann man die Herstellungszeit des Werkzeugs gegenüber der in Bild 5.8 gezeigten Variante vermindern. Die Anpassung der Werkzeugeinsätze an die Düsenseite erfolgt einzeln. Das vermindert den Abstimmungsaufwand bei der Fertigstellung der Form. Sollte sich in der Werkzeugherstellung ein Fehler bei der Erzeugung der Einsätze ergeben haben oder zeigt sich während der Formteilfertigung in der Spritzerei speziell an diesen Teilen Verschleiß, dann ist die Anfertigung und das Einpassen eines neuen Einsatzes mit viel weniger Aufwand verbunden als die komplette Bearbeitung einer neuen Normalie entsprechend Bild 5.8 und Bild Auswerfen Das Auswerfen von Teilen mit Trennungssprung erfolgt ganz ähnlich zu den in Abschnitt getroffenen Aussagen. Unter schräg zur Trennebene liegenden Bereichen des Formteils sollte möglichst auf die Positionierung von Auswerfern verzichtet werden. Fertigungstechnisch ist dies grundsätzlich möglich, erfordert aber mehr Aufwand, weil die Stiftauswerfer mit einer mechanischen Sicherung gegen das Verdrehen versehen werden müssen. Am

120 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 5.3 Teile Weitergabe aus Werkzeugen oder Vervielfältigung. mit Trennungssprung 103 Formteil muss in den Bereichen, die nicht zur Trennebene parallel liegen, mit stärker ausgeprägten Abdrücken der Auswerfer gerechnet werden. Beim Entformungsvorgang kann es zu Querkräften kommen, die auf das Formteil zusätzlich einwirken. Ursprüngliche Normalienkontur Bild 5.11 Geöffnetes Werkzeug mit Formeinsätzen zur Realisierung eines Trennungssprungs Besonderheiten Die Trennebene kann aus mehreren Flächen mit klaren Übergängen zusammengesetzt sein. Hier können bei der Herstellung der Werkzeuge definierte Linien angefahren werden, weil die Trennebene aus geometrisch definierten Flächen gebildet wird. Das ist meist bei technischen Teilen der Fall. Im Bereich des Designs für Teile, die dem Verbraucher unmittelbar zugänglich sind, werden meist freigeformte Flächen verlangt. Hier ist dann auch die Trennebene entsprechend gewölbt im Werkzeug darzustellen. Bei vielen Anwendungen im Fahrzeugbau ist eine Rechts-Links-Kombination der Formteile vorgesehen. Beispielweise werden Armlehnen, Scheinwerfer oder Heckleuchten immer paarig und spiegelbildlich benötigt. Vorteilhaft ist, diese in Kombination in einem Familienwerkzeug mit gerader Nestzahl abzuformen. Dann ist die symmetrische Werkzeuganlage gegeben. Man hat logistische Vorteile, weil man die

121 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Teilepaare als eine Zulieferposition handeln kann. Die Überwachung der Farbwerte, in denen die Teile hergestellt werden, kann mit vermindertem Aufwand erfolgen, weil aufgrund der paarigen Herstellung viel geringere Abweichungen der Teilepartner beim Verbau garantiert werden können. Schließlich ist die Gefahr von Spiegelbild-Fehlern im Konstruktionsprozess bei der paarigen Anordnung entschärft. 5.4 Teile mit Durchbrüchen und Werkzeuge mit Blockierungen Die Werkzeuganlage Viele Anwendungen können mit einer geschlossenen Geometrie des Formteils nicht abgedeckt werden. In die Spritzgussteile müssen lokale Durchbrüche eingebracht werden. Geformt werden diese durch Kerne, die beim Ausarbeiten der Normalien stehen gelassen oder als eigenständiges Werkzeugteil als Einsatz in die Auswerferseite eingesetzt und an der Düsenseite abtuschiert werden. Das Abarbeiten einer Normalie ist in Bild 5.12 dargestellt. Der Vorteil bei dieser Vorgehensweise ist, dass die Normalien aufeinander abgestimmt sind und keine einzelne Anpassung von Werkzeugteilen erfolgen muss. Die Werkzeuge können einfach und schnell hergestellt werden. Weil dann die Kavität nur von den beiden Formplatten umgeben ist, funktioniert die Kühlung der Kunststoffschmelze wegen des ununterbrochenen Materialkontakts im Werkzeug hervorragend. Durchbruchabformung durch Inselfläche in der auswerferseitigen Formplatte Bild 5.12 Durchbruch am Formteil wird mit einer Inselfläche an der Normalie gebildet

122 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 5.4 Teile Keine mit Durchbrüchen unerlaubte Weitergabe und Werkzeuge oder Vervielfältigung. mit Blockierungen 105 Genau wie bei Einsätzen zur Realisierung einer nicht-flachen Trennebene (Abschnitt 5.3) muss bei stehen gelassenen Kernen nach einem eventuellen Werkzeugschaden die gesamte Kontur neu angefertigt werden. In der Praxis bewährte sich das Stehenlassen der Durchbrüche direkt in den Normalien nur in Ausnahmefällen bei sehr kleinen Formteilen und einer überdimen sionierten Stammform. Die zum Ausgleich der Schwindung prozesstechnisch notwendige Kompression der Kunststoffschmelze führt zu einer minimalen Deformation der Spritzgusswerkzeuge. Die auswerferseitige und düsenseitige Formplatte werden so von der Schmelze geringfügig auseinandergedrückt. Gerade an den inneren Tuschierflächen ist der sich bildende Spalt am größten. So besteht gerade hier, wo die Funktion einen offenen Durchbruch am Formteil erfordert, die Gefahr der Gratbildung. Es hat sich bewährt, die funktionswichtigen Durchbrüche an den Formteilen durch blockierende Kerne zu formen (Bild 5.13). Dazu wird die auswerferseitige Konturplatte ausgearbeitet und ein dort an dieser Stelle entsprechender Kern eingesetzt. Die Trennebene wird nun nicht nur aus mehreren Flächen, sondern auch aus mehr als zwei Werkzeugteilen gebildet. Das Bild 5.13 zeigt eine Übereinstimmung zu den in Bild 5.10 und Bild 5.11 gezeigten Darstellungen. Blockierender Werkzeugeinsatz Fläche, an der ein Höhenausgleich durch Unterlegen von Metallfolie erfolgen kann Bild 5.13 Durchbruch am Formteil mit blockierenden Werkzeugeinsatz realisiert Eingesetzte Kerne können vielfältige Formen und eine komplexe Geometrie realisieren. Sie sollten aber einzeln hergestellt und antuschiert werden. Damit man die Kerne einpassen kann, muss in die Formplatte eine entsprechende Ausarbeitung eingebracht werden. Weil die Kerne meist sehr klein sind, wird auf deren direkte

123 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Kühlung in vielen Fällen verzichtet. Die Wärmeabfuhr aus der Kavität erfolgt durch die Kontaktfläche zwischen Kern und Formplatte. So ist die Kühlung weniger effektiv als bei einer direkten Strömung des Kühlmediums im Kern. Die Grundgeometrie des Einsatzes wird so angesetzt, dass er einfach und preiswert hergestellt werden kann. Meist wählt man einen Zylinder als Rohling, weil dieser geometrisch eindeutig definiert ist. Wenn die Bearbeitung der Stammform und des Einsatzes parallel erfolgen, ist man in der Lage, eine Form zügig herzustellen. Nach gebrauchsbedingtem Verschleiß oder einem plötzlichen Werkzeugschaden können Kerne schnell nachgefertigt und ersetzt werden. Besonders sensible Kerne werden gern auf Vorrat hergestellt, um den Produktionsausfall nach einem Werkzeugschaden so gering wie möglich zu halten. In vielen Branchen, die eine sich wiederholende Grundgeometrie verwenden, werden Kerne unter seriennahen Bedingungen teilweise schon nach Werksnorm gefertigt. Beim Einpassen der Kerne kann durch Unterlegen von Metallfolie definierter Dicke an der in Bild 5.13 (unterer Text) gezeigten Fläche ein Ausgleich für Abweichungen in der Länge des Kerns erfolgen. Das Unterpolstern mit Folie ist auch ein wichtiges Hilfsmittel bei der Nacharbeit und Wartung der Formen. So können Konturen durch Abtragen von wenigen Hundertstel Millimetern nachgearbeitet werden und zu viel abgenommenes Material durch die Unterfütterung mit Folie aus geglichen werden Auswerfen Bei geöffneter Form wird das hergestellte Spritzgussteil entformt. Stiftauswerfer sind auch bei der in diesem Abschnitt beschriebenen Art von Werkzeugen für die Entformung der Spritzgussteile gut geeignet (Bild 5.14). Bild 5.14 Werkzeug mit Einsatz geöffnet

124 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 5.4 Teile Keine mit Durchbrüchen unerlaubte Weitergabe und Werkzeuge oder Vervielfältigung. mit Blockierungen 107 Beim Entformen wirkt auf die Kerne eine Zugbelastung, weil der Kunststoff dann über den Kegelstumpf gezogen wird und entsprechend Scherspannungen auf den Kern wirken (Bild 5.14). Wenn die Fixierung nicht ausreichend ist, können die Einsätze aus der Kernaufnahme herausgezogen werden. Bei der Überlegung, welche Belastungen auf Kerne wirken, muss man zwischen einer Blockierung an der Stirnseite des Kerns und der Belastung an einer schrägen Seitenfläche unterscheiden. Senkrecht zur Entformungsrichtung überlappende Kerne funktionieren grundsätzlich nicht. Werden beim Öffnen und Schließen des Werkzeugs die Flächen übereinander geschert, entstehen starke Reibungskräfte, die einen enormen Verschleiß an den betreffenden Stellen verursachen. Als Mindestwinkel für Stahl auf Stahl laufende Flächen sind 5 vorzusehen (Bild 5.15). Mindestens 1 Entformungsschräge - orderid Düsenseite - transid _1D - Auswerferseite Mindestens 5 Blockierungswinkel Bild 5.15 Entformungsschräge und Blockierungswinkel Die Blockierungen, die an der Stirnseite des Kerns wirksam sind, werden hauptsächlich auf Druck belastet. Der Kern wird bei der Wirkung der vollen Zuhaltekraft der Maschine gestaucht. Es ist sicherzustellen, dass die Berührungsflächen parallel zueinander verlaufen und sauber aufeinander tuschieren. Fehlerhaft eingepasste Kerne, die zu lang sind, werden tonnenförmig zusammengedrückt. Wenn sie nicht bereits aufgrund der Verformung zerstört werden, bilden

125 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. sie eine Hinterschneidung und werden mit der Zeit durch die Ausstoßbewegung aus der Formplatte gezogen oder brechen am Fuß weg. Sind die Kerne zu kurz, bildet sich ein Spalt zwischen den beiden Tuschierflächen, in welchen Kunststoff eindringen kann und der als Grat sichtbar wird. Eindringender Kunststoff führt zu einem allmählichen Abrunden der Kanten an den Blockierflächen. Auch bei diesem Fehler werden so die Kerne mit der Zeit unbrauchbar. Damit auch nach einer minimalen Deformation des Kerns noch ein sicherer Betrieb des Werkzeugs erfolgen kann, sind Entformungsschrägen an den von den Kernen gebildeten, senkrecht zur Entformungsrichtung stehenden Oberflächen besonders wichtig. Weil der Kunststoff beim Erkalten schwindet und viel weicher ist als das Metall des Werkzeuges, sind die Reibungskräfte beim Entformen geringer als beim Aufeinandergleiten von Stahl. Als Empfehlung für einen Entformungswinkel gilt ein Wert von 1 (Bild 5.15). Die Auswerfer sollten auf dem Spritzgussteil nahe am Durchbruch und möglichst symmetrisch um diesen herum einwirken. So wird eine Momentwirkung beim Auswerfen verhindert. Sie müssen aber auch einen gewissen Abstand zu den eingesetzten Kernen haben, damit die Stabilität der Werkzeugplatten erhalten bleibt. Die Reduktion auf einen einzigen Auswerfer in den hier gezeigten schematischen Darstellungen (Bild 5.13 und Bild 5.14) ist zwar übersichtlich, aber funktionell wenig geeignet. Sind viele eng beieinander liegende Durchbrüche gegeben, wie beispielsweise bei Sieben oder Lautsprecherboxen, ist zur Sicherstellung des problemlosen Ausstoßens der Spritzgussteile eine sehr deutliche Entformungsschräge einzubringen. Die Übernahme des in Bild 5.15 genannten Werts von 1 würde aber für Siebe nicht funktionieren. Bei solchen flächigen Blockierungen wählt man Entformungsschrägen von 15 und mehr. In vielen Fällen sind die Stege zur Realisierung der maximalen Entformungsschräge dreieckig ausgeführt. Bei einer scherenden Blockierung fahren die Kerne nicht senkrecht auf die Blockierfläche, sondern in einem bestimmten Winkel. Dann wirkt auf die Kerne eine Biegebelastung ein. Schräg eingreifende Kerne müssen auf diese Biegebelastung ausgerichtet werden. Entsprechende mechanische Aussteifungen werden am Formteil abgebildet und müssen bei der Teilekonstruktion berücksichtigt werden. Neben der Abformung von Durchbrüchen werden Blockierungen auch zur Abformung von Funktionselementen wie Rasthaken, Kunststofffedern, Abstandhaltern oder Befestigungen verwendet (Bild 5.15).

126 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 5.4 Teile Keine mit Durchbrüchen unerlaubte Weitergabe und Werkzeuge oder Vervielfältigung. mit Blockierungen 109 Bild 5.16 Mit Blockierungen realisiertes Gestaltungselement eines Rasthakens bei geschlossenem Werkzeug Blockierungen zur Abformung von Funktionselementen stellen ein charakteristisches Gestaltungselement dar, das für die Berücksichtigung der fertigungsspezifischen Anforderungen im Formenbau spricht. Die Gestaltungselemente können so mit einfachen Werkzeugen realisiert werden und bilden eine einfache, kostengünstige und wartungsfreundliche Alternative zum Schiebereinsatz. Besonders in diesem Anwendungsfall muss unbedingt vermieden werden, dass Stahl auf Stahl läuft. In allen Raumrichtungen muss der minimale Entformungswinkel von 5 eingehalten werden (Bild 5.15 und Bild 5.16). Bild 5.17 Mit Blockierungen realisiertes Gestaltungselement eines Rasthakens bei geöffnetem Werkzeug Besonderheiten Durch geschickte Konstruktionen können eine Vielzahl von Funktionselementen nach der in Bild 5.16 gezeigten Art gestaltet werden. Bei einer intelligenten Vorgehensweise kann man sich so einen Konstruktionsbaukasten schaffen. Das hilft, während der Entwicklung und der Herstellung der Werkzeuge Zeit zu sparen. Wenn die Funktionselemente einem Baukastenprinzip folgen, hat man geringeren Aufwand bei der Konstruktion und man kann in der Fertigung Rohlinge für Kerne als

127 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Ersatzteile vorhalten, die bei Bedarf für mehrere Erzeugnisse eingesetzt werden können. Einige Anwendungsbeispiele für die Herstellung von Einzelteilen aus Spritzgusswerkzeugen mit Blockierung sind: Siebe und Durchschläge Lautsprecherverkleidungen Belüftungsverkleidungen Gehäuse mit Einbauten Rahmenförmige Formteile Blockierte Rasthaken Handyschalen Formteile, die Einbauten (Klappen, Deckel...) aufnehmen Formteile mit Kabeldurchbrüchen Besonders bei der Herstellung von Bauteilen in großen Stückzahlen sollten zumindest einige Einzelteile so gestaltet werden, dass sie mit Auf-Zu-Werkzeugen (Abschnitte 5.2 bis 5.5) hergestellt werden können, während wenige andere eine große funktionelle Vielfalt abbilden und sehr komplexe Werkzeuge erfordern. Der große Vorteil von Auf-Zu-Werkzeugen besteht darin, dass die Formnester nur den Platz - für orderid die Kavität - benötigen und so - recht transid eng nebeneinander _1D angeordnet -werden können. Das eröffnet die Möglichkeit, eine Vielzahl von Formnestern in einem Spritzgusswerkzeug zu integrieren. So können große Stückzahlen mit Mehrfach- und Vielfachwerkzeugen ohne großen Aufwand bei der Fertigung hergestellt werden. Wenn mehrere gleichartige Formteile aus einem Werkzeug produziert werden können, liegt die Idee nahe, auch mehrere unterschiedliche Einzelteile aus einer Form zu fertigen. Durch die geschickte Anwendung des Wissens über die Funktionsweise von Blockierungen kann man bereits die Einzelteilkonstruktion so anlegen, dass alle Einzelteile in einem Spritzgusswerkzeug nur durch die Anwendung von Blockierungen gefertigt werden können. Eine bekannte Anwendung, die diese Idee abbildet, sind Modellbauerzeugnisse (Bild 5.18). Bild 5.18 Anwendungsbeispiel für eine Fertigung aus Familienwerkzeugen

128 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 5.5 Becherförmige Teile 111 Spritzgießwerkzeuge, aus denen mehre unterschiedliche Einzelteile hergestellt werden können, bezeichnet man als Familienwerkzeuge. Alle Einzelteile werden in einem Produktionszyklus hergestellt. So können bei geschickter Auslegung die Einzelteile der gesamten Baugruppe in einem Schuss erzeugt werden. Das vermindert den logistischen Aufwand, weil nur ein Rohteil entsteht. In vielen Fällen ist die Endmontage beim Verbraucher möglich oder vielleicht sogar Bestandteil der Produktkonzeption, wie bei Spielzeugen zur Herstellung von Standmodellen oder Baukästen. Aber auch bei einer vorgesehenen industriellen Montage kann die Anwendung von Familienwerkzeugen sinnvoll sein, wenn die Teileseparation als Teilschritt eines automatisierten Montageprozesses realisiert werden kann oder wenn die Montage als Handarbeit im Billiglohnsektor vorgesehen ist. Dann kommen vor allem logistische Vorteile zum Tragen. Die Voraussetzung für die Herstellung in Familienwerkzeugen ist, dass die Einzelteile zumindest ähnliche Geometrie und Dimension haben. Eine weitere Besonderheit ist die Fertigung in sogenannten Etagenwerkzeugen, bei denen gleichzeitig mehrere Formteile in zwei hintereinander liegenden Trennebenen hergestellt werden orderid Becherförmige Teile - transid _1D Die Werkzeuganlage Viele technische Anwendungen erfordern becherförmige Werkzeuge. Für die dazu benötigten Werkzeuge wird ein Kern in die auswerferseitige Formplatte eingesetzt und die Düsenseite des Werkzeugs entsprechend ausgearbeitet (Bild 5.19). Weil Becher oder Eimer in der dritten Dimension hoch aufbauen, ist für Becherwerkzeuge eine große Werkzeugeinbauhöhe charakteristisch. Die Lage des Formteils wird so im Werkzeug gewählt, dass die inneren Flächen hauptsächlich durch die Kerne der Auswerferseite gebildet werden. Oft sind die Kerne hinreichend groß, so dass innen Kanäle eingebracht werden können, damit ein durchströmendes Medium eine effiziente Kühlung des Spritzgussteils bewirkt.

129 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Einsatz für Becher Bild 5.19 Becherwerkzeug mit Punktanguss geschlossen Auswerfen Damit die Formteile bei einem vollautomatischen Prozess frei auf ein Förderband unter dem Spritzgusswerkzeug fallen können, müssen die Auswerfer die Spritzgussteile über die Kerne streifen. Bei Werkzeugen für becherförmige Teile müssen daher lange Wege für die Auswerferbewegung vorgesehen werden. Die Werkzeuge haben eine große Werkzeugeinbauhöhe, das heißt, sie bauen in Maschinenlängsachse entsprechend groß auf (Obwohl es keine vertikale Dimension ist, spricht man von einer Höhe vielleicht weil einige der ersten Maschinen senkrecht ange ordnet waren). Für eine stabile Produktion ist das sichere Entformen zwingend erforderlich. Deshalb müssen bei der Werkzeugerstellung zur Produktion von becherförmigen Formteilen folgende konstruktive Besonderheiten beachtet werden: Hinterschneidungen in der Düsenseite müssen zwingend vermieden werden. Ausreichende Entformungsschrägen sind vorzusehen. Die Entformungsschräge der Außenwand des Bechers, die von der Düsenseite abgeformt wird, darf auf keinen Fall kleiner sein als die auf dem Werkzeugkern eingebrachte Entformungsschräge. Die Oberfläche des Kerns sollte rauer gestaltet werden als die düsenseitige Buchse.

130 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 5.5 Becherförmige Teile 113 Die Vorzugsrichtung beim Einbringen der Oberflächenstruktur ist auf dem Kern radial, senkrecht zur Entformungsrichtung, und in der Buchse der Düsenseite axial, senkrecht zur Entformungsrichtung, einzubringen. Kern hinreichend kühlen: Kern kälter temperieren als Düsenseite. Bild 5.20 Becherwerkzeug mit Punktanguss geöffnet Wenn die Form geöffnet ist und sich nach jedem Schuss die Spritzgussteile auf der Auswerferseite befinden, erfolgt die Entformung, indem das Spritzgussteil vom Kern abgestreift wird. Mit den in Bild 5.20 schematisch dargestellten Stiftauswerfern ist dies grundsätzlich möglich, die Aufgabe kann aber mit alternativen Konstruktionen effektiver erfüllt werden (vergleiche Bild 5.22 bis Bild 5.24). Das grundsätzliche Problem beim Entformen becherförmiger Teile besteht darin, dass 1. wegen des Aufschrumpfens des Spritzgussteils auf den Kern große Entformungskräfte auf das Formteil übertragen werden müssen und 2. beim Entformen der Becher im Inneren ein Vakuum erzeugt wird, das ausgeglichen werden muss. Die Übertragung großer Entformungskräfte erfordert den Einsatz von großflächig angreifenden Auswerfern. Die bisher verwendeten Stiftauswerfer kommen hier schnell an ihre Grenzen. Ihr Einsatz ist nur am Becherboden wirkungsvoll. Zu beachten ist, dass die Bohrungen für die Auswerferstifte nicht die Kühlkanäle berühren oder gar durchdringen dürfen. Das beschränkt die Dimension bei der Auswahl von Stiftdurchmessern.

131 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Die Alternative zu Stiftauswerfern stellt die Verwendung einer Abstreiferplatte zur Übertragung der Auswerferbewegung auf das Formteil dar (Bild 5.22 bis Bild 5.24). Wenn die Entformungsbewegung nicht auf die gesamte Formplatte übertragen werden kann, besteht die Möglichkeit, mit Ringauswerfern zu arbeiten oder unter dem Becherrand Flachauswerfer zu platzieren. Zur Unterlüftung von becherförmigen Teilen sollten ergänzend zu einer Abstreiferplatte Stiftauswerfer am Becherboden angreifen, die kurz hinter der konturbildenden Kreisfläche abgeflacht werden. So kann unmittelbar nach dem Vorfahren des Auswerferstifts durch den so gebildeten Kanal Luft nachströmen und das Vakuum unter dem Becher ausgleichen. Alternativ kann man auch mit Pilzauswerfern arbeiten oder mit Luftauswerfern aktiv den Becher belüften Besonderheiten Der in Bild 5.19 und Bild 5.20 dargestellte Punktanguss am Becherrand hat den Nachteil, dass die Schmelzefront um den Becher herum fließt und auf der dem Anschnitt gegenüberliegenden Seite zusammentrifft. Es wird eine Bindenaht ausgebildet, die eine Schwachstelle des Formteils darstellt. Sehr kritisch ist, wenn beim Füllen der Kavität an der Becherwand ein Lufteinschluss erfolgt. Weil der Verlauf der Störstelle in axiale Richtung geht, ist die Überlagerung mit der Betriebslast Behälter unter Innendruck oder das radiale Zusammendrücken des Formteiles beson- ders kritisch.?: Foto von der Schachtel der ferngesteuerten Panzer: Fließlinie Bild 5.21 Formteil mit Bindenaht gestörte Biegelinie Das Problem wird am besten ursächlich gelöst, indem man eine alternative Möglichkeit wählt, die Kavität mit Schmelze zu versorgen. Am besten geeignet ist ein Schmelze-Zufluss von der Mitte des Becherbodens aus. Dann erfolgt die Füllung der Kavität gleichmäßig um den Kern herum, ohne dass sich eine Bindenaht ausbildet. Die in der Kavität befindliche Luft wird von der Schmelzefront her zur Trennebene

132 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 5.5 Becherförmige Teile 115 gedrückt und kann zwischen den beiden Formplatten entweichen (Bild 5.22 bis Bild 5.24). Auswerferseitige Formplatte übernimmt die Funktion einer Abstreiferplatte zum Auswerfen der Formteile Angussverteiler in zusätzlicher, vorgelagerter Trennebene Bild 5.22 Dreiplatten-Becherwerkzeug mit Abstreiferplatte geschlossen Die technische Umsetzung des Anspritzens in der Mitte des Becherbodens wurde zunächst durch sogenannte Tauchdüsen realisiert. Hier ist aber nur die Fertigung mit einem Nest möglich. So entstanden Dreiplattenwerkzeuge, bei denen in einer zusätzlichen vorgelagerten Trennebene die Verteilung der Schmelze erfolgt. Das Werkzeug wird dann an beiden parallelen Ebenen zur Entformung des Formteils und des Angussverteilers geöffnet (Bild 5.22). Später verwendete man Isolierkanäle, in denen wegen des großen Querschnitts der durchströmten Kanäle ein Einfrieren der Schmelze bei laufender Produktion wegen der schlechten Wärmeleitung der Polymere umgangen wurde. Bei dieser Art von Werkzeugen erfolgte dann die Öffnung der Form in der Trennebene des Verteilerkanals lediglich nach Produktionsunterbrechungen. Schließlich entwickelte man zunächst von innen, später von außen beheizte Heißkanäle zur Versorgung der Kavität mit Schmelze. Heißkanäle können offen oder in Kombination mit einer Verschlussdüse verwendet werden.

133 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 5.23 Dreiplatten-Becherwerkzeug mit Abstreiferplatte geöffnet Unabhängig von der Lage des Anschnitts schrumpfen bei der Herstellung der Formteile die becherförmigen Spritzgussteile auf den Kern auf (siehe Bild 3.19). Nur, wenn der Formling beim Öffnen des Werkzeugs auf dem Kern aufgeschrumpft ist, kann die Entformung erfolgen. Sonst hat man ein ernstzunehmendes verfahrenstechnisches - orderid Problem, weil das Formteil - transid beim Öffnen _1D des Werkzeugs in der -Düsen- seite hängen bleibt. Bild 5.24 Dreiplatten-Becherwerkzeug mit Abstreiferplatte Ausstoßen

134 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 5.5 Becherförmige Teile 117 Die Schwierigkeiten des Spannungszustands im Bereich des Becherbodens wurde bereits in Abschnitt 3.5 diskutiert. Durch eine spezielle Gestaltung der Spritzgussteile am Bodenübergang lässt sich dieses Problem entschärfen. In Bild 5.25 ist links ein Becherboden ohne Ausgleichsmaßnahmen dargestellt. Die schwindungsbedingten Zugeigenspannungen der Becherwand führen zu einer Deformation, wie sie im Bild 5.25 links unten schematisch dargestellt ist. Rundet man den Übergang zwischen Becherboden und die Becherwand mit einem ausreichend großen Radius, wie in Bild 5.25 in der mittleren Darstellung gezeigt wird, bewirkt die Schwindung, dass eine eingebrachte Rundung nach dem Erkalten des Formteils von der idealen Kreisform abweicht. Scharfer Bodenübergang Abgerundeter Bodenübergang Hochgezogener Bodenübergang Bild 5.25 Unterschiedlicher Wand-Boden-Übergang bei becherförmigen Formteilen: obere Reihe: theoretische Form; untere Reihe: reale Form aufgrund der Wechselwirkung zwischen Wand und Boden bei Schwindung der Formteile Schließlich besteht die Möglichkeit, die Anbindung des Becherbodens an die Becherwand durch das Einsetzen einer Stufe aufzulösen. In Bild 5.25 wird dies in der rechten Darstellung schematisch gezeigt. Beim erkalteten Formteil wird die Deformation vor allem im Bereich dieser Stufe erkennbar. An den Funktionsdetails Becherboden und Becherwand sind nur geringe Eigenspannungen vorhanden. Die in Bild 5.25 rechts gezeigte Variante findet man vor allem bei Verpackungsbehältern, die Etiketten tragen. Die Werbe- und Informationsträger werden als Folien

135 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. in das geöffnete Spritzgießwerkzeug eingelegt und mit Schmelze unterfüttert. Die faltenfreie Applikation der Etiketten ist nur bei der in Bild 5.25 rechts gezeigten Variante möglich, weil nur hier die vom Zentrum des Bodens aus vordringende Schmelzefront die Folie an der äußeren Becherwand fixiert und in die beiden axialen Richtungssinne dehnt. Bei den anderen beiden Varianten (Bild 5.25, links und Mitte) würde die Schmelzefront die eingelegte Folie zuerst am Rand erreichen und scheren. Die Front würde dann die Folie vor sich her schieben und in Falten legen. Neben dem Übergangsbereich zwischen Boden und Wand ist der Rand becherförmiger Formteile eine kritische Stelle, an der sich Schäden bilden. Beim Zusammendrücken der Becher kommen hier die stärksten Spannungen vor. Zur Entformung der Spritzgussteile ist neben dem Ausschieben am Becherboden noch eine Krafteinleitung unmittelbar am Rand der Formteile wünschenswert, weil dann die Dehnung über die Wand des Bechers vermindert wird und so die Gefahr durchstoßender Auswerfer geringer ist. Die Prozesse sind dann technologisch stabiler und können mit kürzerer Zykluszeit gefahren werden. Auch von der Haptik der Teile beim Anfassen und Begreifen oder bei der Lippenberührung beim Trinken vermittelt ein stabiler Rand eines Bechers Wertigkeit und ist dem Konsumenten angenehm. Die Stabilisierung des Randes kann durch eine zusätzliche, lokal aufgebrachte Wand stärke erfolgen (Bild 5.26, links). Alternativ kann man auch eine kontinuierliche Änderung der Ausrichtung der Zylinderwand vorgeben und erhält so eine ähnliche - Geometrie orderid wie beim Umbördeln - transid von Blechen -(Bild _1D 5.26, rechts). Die -Abrun- dung des Randes kann durch Rippen stabilisiert werden. Angriffsfläche für Auswerfer Lokale Versteifung durch Rippen Bild 5.26 Stabilisierung am Rand eines Bechers Aus dem Thermoformen ist die Möglichkeit bekannt, bei sehr dünnwandigen Teilen die Becherwand in einem nachgelagerten Produktionsschritt umzulegen und auf diese Art eine Stabilisierung zu erreichen.

136 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 5.6 vorbehalten. Schieber- Keine und unerlaubte Backenwerkzeuge Weitergabe mit oder zusätzlichen Vervielfältigung. Trennebenen 119 Becherwerkzeuge erfordern große Werkzeugeinbauhöhen. Hersteller von Spritzgießmaschinen reagieren, indem sie Automaten mit verlängerten Holmen anbieten. Ansonsten können diese Art Werkzeuge recht kompakt gebaut werden. Weil um die Kavität herum keine seitlichen Anbauten notwendig sind, kann man sehr viele Form nester in einem Werkzeug realisieren. Die konturabformenden Bereiche der Trennebene werden gern in separaten Werkzeugeinsätzen in der Auswerfer-, aber auch in der Düsenseite abgeformt. Die werkzeugtechnische Feinabstimmung der einzelnen Formnester untereinander kann dann durch das Vor- und Zurücknehmen der einzelnen Einsätze erfolgen. Typische Anwendungen, die mit Hilfe von Becherwerkzeugen hergestellt werden, sind: schalenförmige Formteile becherförmige Formteile im Verpackungsbereich Eimer Deckel Schachteln Gehäuse Aufnahmen für technische oder elektrische Funktionsteile Erzeugnisse der Fluidtechnik Als funktionsintegrativer Ansatz ist beispielsweise die Fertigung einer Topf-Deckel- Kombination mit Filmscharnier zur Darstellung von Verschlüssen für Shampoooder Ketchup-Flaschen aus einem Kombiwerkzeug bekannt. 5.6 Schieber- und Backenwerkzeuge mit zusätzlichen Trennebenen Der Werkzeugaufbau Bei vielen Anwendungen können zusätzliche Funktionen in die Formteile integriert werden, wenn eine oder mehrere zusätzliche Entformungsrichtungen ermöglicht werden. Das erfordert die Verwendung eines seitlich beweglichen Werkzeugelements. Bei der Konstruktion der Formteile baut man die Funktionselemente des Spritzgussteils aus der Haupttrennebene und einer zusätzlichen Sekundärebene auf, die senkrecht zu der in Bild 5.2 und Bild 5.3 gezeigten y-z-ebene steht. Beachtet werden muss, dass der Aufbau der Funktionselemente von der Sekundärebene aus immer im selben Richtungssinn erfolgt, sonst wird das spätere Werkzeug aufwendiger.

137 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Man bezeichnet die seitlich entformenden Werkzeugelemente als Schieber (Bild 5.27 und 5.28). Sie werden beim Öffnen der Form durch Bewegungsumlenkung mit Hilfe von aus der Düsenseite herausragenden Schrägsäulen oder auch hydraulisch durch am Werkzeug montierte Zylinder betrieben. Mit einer in den Schieber eingreifenden Schrägsäule wird eine Querbewegung beim Öffnen und Schließen der Form verwirklicht, indem die Säule in ein im Schieber eingebrachtes Langloch fasst. Die Führung ist so gestaltet, dass die Schrägsäule beim Öffnen der Form den Schieber seitlich wegschiebt. Lange Fahrwege erfordern den teureren und technologisch aufwendigeren hydraulischen Antrieb, der die Öffnungsbewegung vor dem Ausstoßen der Formteile durch einen von der Maschine bereitgestellten Hydraulikstrom realisiert. Der technologische Ablauf muss hier genau beachtet werden, weil es sonst zu Zerstörungen am Formteil oder am Werkzeug kommt. Grundsätzlich ist auch ein elektrischer Antrieb für eine Schieberbewegung möglich. Schieber für eine zusätzliche Trennebene zur seitlichen Entformung Bild 5.27 Schematische Darstellung eines Schieberwerkzeugs geschlossen Als bewegliche Werkzeugteile erfordern Schieber besondere Präzision bei der Anfertigung der Formen. Beim Betrieb müssen die Prozesse intensiver überwacht werden, als es bei einfachen Auf-Zu-Werkzeugen erforderlich ist. Die Schieberleisten fixieren den beweglichen Schieber und können nachgestellt werden. Die Schließkraft wird über schräg zur Entformungsrichtung stehende Flächen übertragen.

138 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 5.6 vorbehalten. Schieber- Keine und unerlaubte Backenwerkzeuge Weitergabe mit oder zusätzlichen Vervielfältigung. Trennebenen 121 Wenn die Passungen beim Werkzeug nicht exakt eingehalten werden, ist eine qualitätsgerechte Produktion nicht möglich. Es dringt in offen gebliebene Spalten zwischen den beweglichen Werkzeugteilen Kunststoffschmelze ein und es entsteht Formteilgrat, der nicht nur ein Qualitätsproblem am Formteil darstellt. Auch die Beweglichkeit des Schiebers kann behindert werden, wenn abgelöste Gratpartikel wie ein Hemmschuh an den Schieberlaufbahnen wirken. Erhöhter Werkzeugverschleiß und technologische Probleme sind die Folge. Stehen die Schieber vor, dann konzentrieren sich die Zuhaltekräfte auf den viel zu kleinen schrägen Blockierflächen und es kommt zu einer Spannungskonzentration, die oft durch eine lokale Zerstörung am Werkzeug abgebaut wird. Eine tonnenförmige Deformation von zylindrischen Blockierelementen ist die Auswirkung von zu stark gepressten Schiebern. Meist hat man zum Austausch der betreffenden Werkzeugteile keine Alternative. Das exakte Anpassen der Schieber an den Einbauzustand des Werkzeugs bezeichnet man als Tuschieren, weil die Berührungsflächen mit Farbpaste versehen werden und man am sich ergebenden Abdruck nach dem Zusammenpressen der Form die Gebiete mit Druckstellen und Regionen ohne ausreichenden Kontakt zum Gegenstück erkennen kann. Bild 5.28 Schematische Darstellung eines Schieberwerkzeugs geöffnet

139 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Auswerfen Gegenüber den bisher behandelten Werkzeugtypen besteht bei Schieberwerkzeugen der Vorteil, dass an Teilen des Formteils kein Kontakt mehr zur Werkzeugwand besteht. Durch das Zurückfahren der Schieber während der Öffnungsbewegung wird an einigen Stellen bereits das Formteil vom Stahl der Form abgelöst. Kritisch ist die Gefahr, dass es bei einer falschen Position der Schieber zu einer Kollision mit den Auswerfern kommen kann. Bei der Bemusterung der Werkzeuge ist besondere Vorsicht notwendig. Mit technischen Maßnahmen wie einer Lageüberwachung der Schieber kann man diese Gefahr im Produktionsprozess vermindern Besonderheiten In einigen Regionen wird zwischen Schiebern und Backen unterschieden. Schieberwerkzeuge: formen eine Innenkontur ab bilden Durchbrüche aus oder formen innere Schalenflächen beispielsweise an Schlauchanschlussstutzen ab sind - orderid auf einer großen Oberfläche mit - transid Schmelze umgeben _1D - häufig kommen tuschierende Kerne zum Einsatz sind relativ klein und kompakt die Kühlung ist problematisch Backenwerkzeuge: formen eine Außenkontur ab werden zur Entformung von Hinterschneidungen an der Außenkontur eingesetzt sind voluminös und schwer die Schieberführung wird stark belastet wegen der hohen Masse sind die Geschwindigkeiten der Fahrbewegungen eingeschränkt Backen können besser gekühlt werden als Schieber Die Kühlung von Schiebern und Backen ist aber ein grundsätzliches Problem, weil es sich hier um einzelne, nicht mit dem Werkzeug fest verbaute Teile handelt. Das Kühlmedium muss in einem extra Kreislauf jedem einzelnen Schieber zugeführt werden. Problematisch ist die Abformung einer inneren Geometrie beispielsweise bei einem Schlauchanschlussstück. Hier sind lange, dünne Kerne erforderlich, die beim Herausziehen nicht über die Grenzen ihrer mechanischen Belastbarkeit bean-

140 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 5.6 vorbehalten. Schieber- Keine und unerlaubte Backenwerkzeuge Weitergabe mit oder zusätzlichen Vervielfältigung. Trennebenen 123 sprucht werden dürfen. Außerdem muss in diesem Fall die Wärme der Kunststoffmasse über große Flächen aufgenommen werden, für das Abführen der Wärme in die Stahlform hinein steht aber nur eine kleine Querschnittfläche zur Verfügung. Bei der Anlage von Schieberwerkzeugen muss besonderer Wert auf die Symmetrie der Form gelegt werden. Bei einem Verstoß gegen die Symmetriebedingung werden Kräfte außermittig in die Spritzgussform eingeleitet. Weil die auf das Werkzeug wirkenden Zuhaltekräfte beim Spritzgießen enorm sind, können Spannungsverschiebungen bei einer unsymmetrischen Kraftübertragung zu Zerstörungen der Form führen. In der Vergangenheit wurde dieser Grundsatz oft missachtet. Das hat eine unnötige Belastung der Form und erhöhten Verschleiß an der Maschine zur Folge. Unter Umständen müssen Werkzeuge aus Gründen der Symmetrie mit zwei Nestern ausgelegt werden, auch wenn für die benötigte Stückzahl ein Einfach-Werkzeug genügen würde. Spritzgussformen mit nur einem einzigen Schieber können nicht symmetrisch aufgebaut werden. Schieber- und Backenwerkzeuge benötigen viel mehr Volumen als Werkzeuge mit nur einer Trennebene. Nur für die grundlegende Werkzeuganlage kann auf Normalien zurückgegriffen werden. Sie verlangen einen viel größeren Aufwand bei der Anfertigung der Form. Die Werkzeuge sind teurer und brauchen längere Zeit bei der Herstellung als einfache Auf-Zu-Werkzeuge. Aufgrund der bewegten Teile sind erhöhter Bemusterungs- und später intensiver Wartungsaufwand nötig. Wurden die Werkzeuge - orderid zur Wartung demontiert, müssen - transid die Schieber _1D wieder einzeln eingepasst - werden und für die gesamte Form in der Haupttrennebene und für die einzelnen Schieberblockierungen Tuschierungen erfolgen. Der Aufwand wird umso größer, je mehr Schieber eine Form umfasst. Neben dem großen Platzbedarf in der Trennebene zur Unterbringung der Schieber begrenzt dieser Fakt die Anzahl der Formnester. Bei der Produktion von Massenteilen sollte überlegt werden, ob nicht mit einem Backenpaar mehrere Kavitäten entformt werden können. Bei der Herstellung von Zahnrädern oder Pumpenteilen mit Hinterschneidungen werden die Backen radial und sternenförmig angeordnet. Das erfordert einen großen Aufwand bei der Herstellung der Werkzeuge und bei der Anpassung, weil alle Backen eingepasst werden müssen. Das funktioniert am besten, wenn man die einzelnen Schieber paarweise tuschiert, setzt aber eine 4/8/16-Teilung, zumindest aber eine gerade Anzahl von Schiebern voraus. Problematisch sind Ausführungen mit ungerader Schieberanzahl, die für Lüftungsräder aus Gründen der Laufruhe häufig vorgesehen werden. Hier muss schon bei der Teilekonstruktion die Werkzeuganlage unbedingt berücksichtigt werden, um eine effektive Werkzeugherstellung und eine stabile Produktion zu sichern (Bild 5.29).

141 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Geschlossene Form offene Form Bild 5.29 Lüftungsrad mit Schieberwerkzeug hergestellt (links) und mit Blockierung (rechts) Grundsätzlich sind auch bogenförmige Auszugbewegungen der Schieber möglich (Bild 5.30). Der Antrieb würde dann über kreisbogenförmige Schieberleisten erfolgen oder mit Hilfe eines Kurbeltriebs. Bild 5.30 Werkzeug mit bogenförmig laufenden Schiebern [aus C. Hornig: Zweifach- Drehkernwerkzeug für einen Leitungskrümmer; Kunststoffe S. 97] In der Praxis wird man die einzelnen Funktionselemente eines Bauteils mit ganz unterschiedlichen Werkzeugelementen realisieren. Das Bild 5.31 zeigt ein Beispiel aus der Fluidtechnik, bei dem ein Ventilscheibenhalter dargestellt ist, der in einer zylindrischen Aufnahme montiert wird und durch die tangentialen Schlitze von einem Medium durchflossen wird.

142 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 5.7 Ausdreh-Werkzeuge Weitergabe oder Vervielfältigung. für innere Gewinde 125 Auswerfer in Rippenstruktur integriert Blockierender Kern Anbindung des Formteils Sekundäre Entformungsrichtung mit Backen Bild 5.31 Beispiel eines Formteils Die Ausbildung der Rasthaken könnte im gezeigten Beispiel grundsätzlich auch durch Blockierungen realisiert werden. Im vorgegebenen Anwendungsfall von Bild 5.31 ist jedoch die Toleranz des Maßes zwischen der Auflagefläche der Rasthaken und der Anlagefläche der Ventilscheibe so eng vorgegeben, dass die Maßbildung über die Trennebene mit Sicherheit zu Qualitätsproblemen geführt hätte. So wurde sich für ein Backenwerkzeug entschieden. 5.7 Ausdreh-Werkzeuge für innere Gewinde Die Werkzeuganlage Zur Abformung eines Innengewindes ist die Anfertigung eines Ausdrehmechanismus möglich. Sein Antrieb kann durch einen Klinkenzug beim Öffnen der Form realisiert werden, über den Hub des Auswerfersystems erfolgen oder durch einen externen Hydraulik- oder Elektromotor sichergestellt werden. Das Gewinde am Formteil wird durch einen spiralförmig beweglichen Werkzeugkern abgeformt (Bild 5.32). Wenn das Spritzgussteil erkaltet ist, wird der Werkzeugkern durch eine entsprechende Bewegung aus dem Gewinde ausgeschraubt beziehungsweise ausgedreht und gibt so die Hinterschneidung an den Gewindegängen frei (Bild 5.33). Man bezeichnet das Zurückfahren des Kerns auf einer spiralförmigen Bahn als Ausspindeln. Es erfolgt bei geöffnetem Werkzeug oder gleichzeitig mit der Öffnungsbewegung.

143 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Ausdrehkern Bild 5.32 Schematische Darstellung eines Werkzeugs mit Ausdrehkern geschlossen Auswerfen Weil die Hinterschneidung des Gewindes beim Öffnen der Form noch vom Kern gegengestützt wird, können die Spritzgussteile beim Entformen nicht auf der Düsenseite hängen bleiben. Bild 5.33 Schematische Darstellung eines Werkzeugs mit Ausdrehkern geöffnet mit zurückgezogenem Kern

144 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 5.7 Ausdreh-Werkzeuge Weitergabe oder Vervielfältigung. für innere Gewinde 127 Erst wenn der gewindeformende Werkzeugkern vollständig aus dem Gewinde des Spritzgussteils ausgefahren wurde, kann das Teil ausgeworfen werden (Bild 5.34). Wenn die komplette innere Geometrie des Formteils durch das Ausspindeln frei gefahren wurde, kann das Ausstoßen mit geringen Kräften erfolgen und ist vor allem auf die Entfernung des Angusses aus der Form hin auszurichten. Bild 5.34 Schematische Darstellung eines Werkzeugs mit Ausdrehkern Ausstoßen Besonderheiten Die Erfahrung zeigt, dass Gewinde in Kunststoff in einem Durchmesserbereich von finger- bis armdick gut funktionieren. Kleinere Gewinde können leicht überdreht werden, größere erfordern eine sehr große Gewindetiefe, um ein Überschnappen der Mutter zu vermeiden. Ausdrehwerkzeuge sind weniger voluminös als Schieber- oder Backenwerkzeuge. Sie brauchen aufgrund der Ausdrehmechanik aber relativ viel Einbauhöhe, mehr noch als Becherwerkzeuge. Die Einbaumechanismen benötigen relativ viel Platz, der aus dem Werkzeug ausgearbeitet werden muss. Das vermindert die mechanische Stabilität der Form. Viele Formteile, die Ausdrehmechanismen erfordern, haben Ähnlichkeit mit Bechern, beispielsweise Verschlusskappen von Getränkeflaschen. Auch bei Formteilen mit einer solchen Geometrie gewährleistet eine Anspritzung im Zentrum des Kappengrunds eine symmetrische Füllung der Kavität mit Schmelze und bringt verfahrenstechnische Vorteile. Allerdings wirkt die Angussmarkierung an dieser Stelle störend auf das ästhetische Gesamtempfinden des Produkts. Durch die Verwendung eines Heißkanals mit Nadelverschluss kann das Problem entschärft werden.

145 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Das mit dem Ausdrehmechanismus geformte Gewinde muss umlaufend sein und darf keine scharfen Kanten aufweisen. Eine gewisse Entformungsschräge ist ratsam, um die spannungsbedingte Verformung entsprechend Bild 5.25 links auszugleichen. Gewindeformen, die für Metalle angewendet werden, dürfen bei einer Materialsubstitution nicht einfach für Kunststoffteile übernommen werden. Gerade bei einem Massenprodukt, wie Verschlusskappen von Getränkeflaschen, sind viele Formnester üblich. Die Werkzeuge werden entsprechend groß und aufwendig gebaut. Die Verwendung von Heißkanalsystemen ist bei solchen Vielfachformen eine Notwendigkeit. Oft werden Verschlussdüsen eingesetzt, um das äußere Erscheinungsbild der Teile zu verbessern und um technologische Vorteile beim nachdruckfreien Spritzgießen erschließen zu können. Die Anwendung von Ausdrehmechanismen beschränkt sich nicht allein auf innere Gewinde. Das Bild 5.35 zeigt als Anwendungsbeispiel eine Konstruktion eines Spritz gießwerkzeugs für ein bogenförmig-schrägverzahntes Zahnrad. Durch eine spiralförmige Vorwärtsbewegung des Kerns, der die Verzahnung abbildet, kann die Hinterschneidung aufgrund der Schrägverzahnung zerstörungsfrei entformt werden. Bild 5.35 Kern zur Ausformung eines schräg verzahnten Zahnrads Die Mechanik des Ausdrehmechanismus ist anfällig und erfordert einen entsprechenden Wartungsaufwand. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Bemusterung der Werkzeuge, weil Fehler in der Ablaufsteuerung zu Werkzeugschäden führen können.

146 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 5.8 Keine Werkzeuge unerlaubte mit Weitergabe inneren oder Schiebern Vervielfältigung. und Einfallkernen Werkzeuge mit inneren Schiebern und Einfallkernen Das Werkzeugkonzept Die in Abschnitt 5.6 dargestellten Backen- und Schieberwerkzeuge sind nur zur Herstellung von Teilen geeignet, bei denen die Hinterschneidung vom Teil weg, nach außen hin entformt wird. Bei einigen Anwendungsfällen müssen aber Konturen, die eine leichte Hinterschneidung darstellen, an der Innenseite von Kästen oder Bechern angebracht werden. Hier muss man an der Form bewegliche Teile installieren, die eine zusätzliche Trennebene nach innen in den Kern hinein realisieren. Schräg laufender Innenschieber Geteilte Auswerferplatte Bild 5.36 Werkzeug zur Herstellung von Formteilen mit innerer Hinterschneidung geschlossen Die Entformung innerer Hinterschneidungen erfordern eine aufwendige Werkzeugtechnik und Erfahrungen bei der Umsetzung der Projekte. Die beweglichen Werkzeugteile sind sehr filigran. Wenn die Werkzeugkonstruktion die Verletzlichkeit der inneren Schieber nicht berücksichtigt, kommt es bei der Wirkung des enormen Spritzdrucks zu einer Zerstörung an den beweglichen Bauteilen. Die Anfertigung und die Einpassung der inneren Schieber in die Stammform erfordert höchste Präzision. Die Führungsbahnen der beweglichen Elemente müssen sehr präzise gefertigt werden, damit die Freigängigkeit gegeben ist. Andererseits muss gegen die Kavität hin abgedichtet werden, damit kein Kunststoffgrat den Lauf der inneren Schieber behindern kann. Bei unsachgemäßem Einbau und bei der Wartung können die filigranen Einbauteile Schaden nehmen.

147 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Vor der Entformung der Teile muss die Hinterschneidung frei gefahren werden. Dazu nutzt man unter Verwendung eines Klinkenzugs die Öffnungsbewegung der Form oder man baut eine geteilte Auswerferplatte und realisiert das Zurückziehen der inneren Schieber mit Hilfe der Auswerferbewegung der Form. Die Bilder 5.36 bis 5.39 stellen eine solche Variante schematisch dar. Bild 5.37 Werkzeug zur Herstellung von Formteilen mit innerer Hinterschneidung geöffnet Zur Gewährleistung der Freigängigkeit müssen die Kerne, die im Bild 5.36 und 5.37 den inneren Becher abformen, die Vorwärtsbewegung der inneren Schieber mit ausführen. Bild 5.38 Werkzeug zur Herstellung von Formteilen mit innerer Hinterschneidung freigefahren

148 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. 5.8 Keine Werkzeuge unerlaubte mit Weitergabe inneren oder Schiebern Vervielfältigung. und Einfallkernen Auswerfen Erst wenn die Hinterschneidung frei liegt, kann das Auswerfen der Formteile erfolgen. Das Prinzip einer geteilten Auswerferplatte ist in Bild 5.36 bis Bild 5.39 dargestellt. Die Vorwärtsbewegung der Innenschieber und der Kerne wird ab einem bestimmten Wegpunkt gestoppt (Bild 5.38). Danach fährt lediglich das Auswerferpaket weiter nach vorn (Bild 5.39). Das Freifahren der Hinterschneidung muss vollständig abgeschlossen sein, bevor das Formteil ausgeworfen werden kann. Weil die inneren Schieber meist nur in kleinen Dimensionen eingesetzt werden, ist die Verwendung einer elektronischen Positionsüberwachung unüblich. Das bringt Risiken bei der Teileproduktion mit sich. Bild 5.39 Werkzeug zur Herstellung von Formteilen mit innerer Hinterschneidung Auswerfen Besonderheiten Für umlaufende innere Hinterschneidungen kann man sogenannte Einfallkerne auch mit dem alternativen Begriff Faltkern bezeichnet nutzen. Diese werden als Normalien von namhaften Sortimentsherstellern oder von Spezialitätenproduzenten angeboten. Faltkerne sind meist rund und grundsätzlich unterteilt (meist 2 3 Segmente). Beim Vorfahren der Auswerfer fährt die eine Hälfte der Segmente mit, die anderen Segmente ver bleiben in ihrer Position. Einfallkerne sind so konstruiert, dass aufgrund dieser Vorfahrbewegung sich der Durchmesser des gesamten Kerns vermindert und so um laufende Hinterschneidungen frei gefahren werden (Bild 5.40).

149 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 5.40 Einfallkern im halb gezogenen Zustand Mit Hilfe von Einfallkernen können umlaufende oder unterbrochene Kanten für Verrastungen abgeformt werden. Bildet man ein Innengewinde ab, kann man die Gänge auch unterbrochen gestalten, um mehr Elastizität in die Gewindeausführung zu bekommen. Einfallkerne sind eine echte Alternative zu Ausdrehkernen. Damit die Segmente der Einfallkerne sicher dargestellt werden können, sollte ein Außendurchmesser von mindesten 30 mm vorgesehen werden. Im Einzelfall können noch - Durchmesser orderid - unter mm realisiert - transid werden. - Die _1D mögliche Hinterschneidung - beträgt 88 % und kann im Einzelfall auf 83 % des Innendurchmessers des Spritzgussteils gesteigert werden. Es wurden bereits einzelne Anwendungsbeispiele gezeigt, wo Hinterschneidungen bis zu ca. 70 % des Innendurchmessers entformt wurden. Einfallkerne sind in der Beschaffung kostenintensiv. Vorteilhaft ist, dass bei der Verwendung von Normalien der Abstimmungsaufwand bei der Werkzeuganfertigung überschaubar bleibt. Die werkzeugtechnische Umsetzung ist platzsparend, erfordert aber große Werkzeugeinbauhöhen und eine geteilte Auswerferplatte. Mit den gegebenen Platzverhältnissen ist die Herstellung von Massenartikeln aus Vielfachformen möglich. Bei sehr kleinen Hinterschneidungen verzichtet man auf die aufwendige Schwalbenschwanzführung der Innenschieber und nutzt federnde Systeme, die im geschlossenen Zustand der Form unter Vorspannung stehen. Beim Vorfahren des Kerns wird die Vorspannung aufgehoben, der Innenschieber federt zurück und gibt die Hinterschneidung frei.

150 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 5.9 Teile Weitergabe mit extremen oder Vervielfältigung. Hinterschneidungen 133 Bild 5.41 Federnder Schieber Federnde Schieber sind einfach aufgebaut und wartungsarm, können aber nur geringe Hinterschneidungswege realisieren. Sie benötigen nur einen geringen Einbauraum. So werden sie auch interessant als Alternative zu Backen, wenn man Spritzgussteile in Vielfachformen herstellen möchte (Bild 5.42). Bild 5.42 Federnd gelagerte Schieber zur Abformung gering ausgeprägter Hinterschneidungen 5.9 Teile mit extremen Hinterschneidungen Verfahrenstechnik und Werkzeugaufbau Wenn Hinterschneidungen so komplex sind, dass sie nicht durch bewegliche Werkzeugelemente abgeformt werden können, besteht die Möglichkeit, auf sogenannte Schmelzkerne zurückzugreifen. Der große Vorteil des Spritzgießverfahrens, aus unförmigen Granulat ein mehr oder weniger voll funktionsfähiges Formteil mit einem einzigen Produktionsschritt herzustellen, kann bei der Verwendung der Schmelzkerntechnik nicht mehr wirksam werden.

151 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Um die Hinterschneidungen mit Kunststoff abzuformen, müssen die inneren Konturen durch Kerne abgebildet werden, die aus einer schon bei geringen Temperaturen schmelzenden Metalllegierung bestehen. Die Ausschmelzkerne werden für jeden einzelnen Schuss geformt, in das Spritzgießwerkzeug als Einlegeteil eingebracht, mit dem Spritzgussteil entformt und in einem Nachbearbeitungsprozess aus dem Kunststoffrohling ausgeschmolzen. Das so wiedergewonnene Metall kann erneut verwendet werden, um die Rohlinge abzuformen. Der technologische Ablauf des Kernausschmelzverfahrens ist in Bild 5.43 dargestellt. Rohlinge vom Spritzguss Ausschmelzen der Kernlegierung Fertigteil Wärmezufuhr Spritzgießverarbeitung Einlegeteile aus Kernlegierung Barren Kernlegierung Bild 5.43 Technologische Abfolge des Kernausschmelzverfahrens Das Einlegen der metallischen Ausschmelzkerne erfolgt von Hand oder per Roboter. Die sichere Positionierung der Einlegeteile in der Form muss gegeben sein (Bild 5.44). Beim Schließen des Werkzeugs darf es auf keinen Fall zu einem Verrutschen des Kerns kommen. Weil die Einlegeteile eine große Dichte haben und so eine beachtliche Trägheit aufweisen, müssen die Fahrbewegungen der Werkzeuge entsprechend langsam erfolgen. Die so erhöhte Zykluszeit verteuert den Prozess.

152 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 5.9 Teile Weitergabe mit extremen oder Vervielfältigung. Hinterschneidungen 135 Ausschmelzbarer Kern Bild 5.44 Werkzeug mit eingelegten Ausschmelzkernen nach dem Schließen Nach dem Schließen der Form und der vollen Wirkung der Schließkraft erfolgt das Einspritzen der Kunststoffschmelze (Bild 5.45). Während bei den sonst im Werkzeugbau eingesetzten, mehrfach genutzten Kernen Deformationen unbedingt vermieden werden müssen, sind bei Ausschmelzkernen leichte Deformationen unkri- tisch. Problematisch sind hier vor allem Lageverschiebungen beim Schließen des Werkzeugs oder aufgrund der Wirkung der einströmenden Schmelze. Dann ist die gewünschte Geometrie des Formteils nicht mehr gegeben. Die Tolerierung von Bereichen des Formteils, die durch starke Hinterschneidungen abgeformt werden, muss das berücksichtigen und entsprechend großzügig ausgelegt werden. Bild 5.45 Werkzeug mit Ausschmelzkernen nach dem Formfüllen

153 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Eine leichte Deformation des Ausschmelzkernes beim Schließen der Form ist unproblematisch, wenn der Werkzeugstahl deutlich stabiler ist als die Legierung der Ausschmelzkerne. Ausschmelzkerne müssen ausreichend Volumen haben. Wenn sie zu wenig Raum ausfüllen, besteht die Gefahr, dass die durch die Kunststoffschmelze eingebrachte Wärme die Legierung schon in der Form schmelzen lässt. Eine Energiebilanzierung ist fehlerbehaftet, weil die genauen Berührungsflächen zwischen Kunststoff und den Metallen wegen der unklaren Abformung der Mikrostruktur nur schwer vorhergesagt werden können. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine leichte Deformation der Ausschmelzkerne beim Schließen des Werkzeugs sogar vorteilhaft, weil durch eine intensive Pressung des Kerns am Werkzeugstahl die Wärmeübertragung in die Stammform hinein verbessert wird. Eine spezielle Kühlung von Ausschmelzkernen ist wegen deren einmaliger Verwendung zu aufwendig und wird nicht praktiziert Auswerfen und Nachbearbeitung Beim Auswerfen werden die Kunststoffteile zusammen mit den metallischen Einlegeteilen - orderid aus dem - Spritzgießwerkzeug transid entfernt. Das _1D heißt, mit dem Spritzgussteil - werden auch die Ausschmelzkerne aus der Form gedrückt (Bild 5.46). Bild 5.46 Werkzeug mit Ausschmelzkernen nach dem Ausstoßen

154 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 5.9 Teile Weitergabe mit extremen oder Vervielfältigung. Hinterschneidungen 137 Zum anschließenden Ausschmelzen werden die Teile erwärmt. Das ist für die Kunststoffteile gleichbedeutend mit einem Temperprozess, bei dem abkühlungsbedingte Spannungen ausgeglichen werden. Die innere Geometrie der Teile muss so beschaffen sein, dass die Metalllegierung aus dem Formling ausfließen kann. Verbleibende Reste des Metalls im Formteil werden die Funktion des hergestellten Teils beeinflussen und bedeuten wirtschaftliche Verluste Besonderheiten Formteile, deren Herstellung Prozesse mit Ausschmelzkernen erfordert, sind wegen des hohen technologischen Aufwands besonders teuer. Die Notwendigkeit einer solchen Gestaltung muss gut begründet sein. Bekannte Anwendungen von Formteilen, die mit Ausschmelzkern hergestellt werden, sind: Saugrohre für Motoren Zyklopen in hydraulischen oder pneumatischen Systemen Maschinenbauteile mit innen liegenden Funktionselementen Kunststofffelgen für Sportfahrräder Teile mit inneren Hohlräumen Bypasskonstruktionen Teile mit mehrfach gebogenen Anschlussstutzen Bild 5.47 Formteil mit Ausschmelzkern

155 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Teile mit Hinterschneidungen, die Zwangsentformung zulassen Der grundsätzliche Werkzeugaufbau Bei Spritzgießwerkzeugen, die Gummiformteile herstellen, können Hinterschneidungen aufgrund der Elastizität des Materials auch ohne bewegliche Werkzeugelemente entformt werden. Das Bild 5.48 zeigt einen auswerferseitigen Werkzeugkern, auf dem ein Ventilpilz aus einem geschmeidigen Elastomer abgeformt wird. Der Kern ist ohne bewegliche Elemente ausgeführt. Die Entformung erfolgt über die im Bild mit dem Blockpfeil angedeutete Auszugsrichtung. Eine Produktionskraft entformt die Teile durch gefühlvollen Zug mit einer Pinzette, die an dem zentrischen Kegelstumpf angesetzt wird. Durch den Zug schnürt sich die Hinterschneidung ein und das Teil kann entnommen werden. Auszug zum Entformen Bild 5.48 Zwangsentformter Ventilpilz aus Gummi auf dem Werkzeugkern Die erfolgreiche Teileentnahme erfordert Geschick vom Konstrukteur und viel Gefühl von der Produktionskraft. Bei der Konstruktion müssen scharfe Kanten vermieden und besonders die lastaufnehmenden Kanten mit großen Radien versehen werden. Wenn die Entnahme durch eine ruckartige Bewegung erfolgt, kann die Verformung des Werkstoffs nicht mehr entropieelastisch erfolgen und das Gummiteil reißt ein. Bei der Auslegung solcher Werkzeuge ist viel Erfahrung notwendig und man muss mit zeitaufwendigen Anpassungsarbeiten rechnen. Auch Thermoplaste haben ein elastisches Verformungspotenzial. So wäre bei diesen Polymeren grundsätzlich auch eine Zwangsentformung möglich. Die Entformung kann aber nicht per Hand erfolgen, sondern muss durch das Auswerfersystem realisiert werden. Bei der geometrischen Gestaltung der Teile müssen bei einer geplanten Zwangsentformung einige Besonderheiten beachten werden (Bild 5.49).

156 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 5.10 vorbehalten. Teile mit Keine Hinterschneidungen, unerlaubte Weitergabe die oder Zwangsentformung Vervielfältigung. zulassen 139 Abgleitwinkel mindestens 45 D I D H Bild 5.49 Geometrische Gestaltung bei einer Zwangsentformung Das Verhältnis von D H zu D I (Bild 5.49) muss kleiner sein als die zulässige Dehnung des Formteils. Dann kann die Zwangsentformung durch eine elastische Deformation des Kunststoffs realisiert werden. Haben die Spritzgussteile noch eine relativ hohe Temperatur, ist das bei größeren Dehnungen möglich. Zur Entformungsgeschwindigkeit können keine Aussagen erfolgen. Einerseits bedingen sehr schnelle Deformationen eine weniger duktile, mehr spröde Deformation. Andererseits wurde beobachtet, dass zügig ausgeführte und damit auch wieder schnell zurückgestellte Deformationen weniger Schaden bewirken als allmähliche und lange Zeit anhaltende Dehnungen. Offensichtlich benötigen die Schadensmechanismen eine gewisse Zeit, um wirksam zu werden, welche bei einer sehr schnell ausgeführten - orderid Deformation nicht zur Verfügung - transid steht. - Somit _1D kommt das erwartete - Schadensbild bei einer sehr schnell ausgeführten und damit kurzzeitigen Belastung nicht zur Ausprägung. Hier besteht eine Ähnlichkeit zum Fügen von Rastverbindungen, die in den Abschnitten 8.2 und 8.3 noch behandelt werden. Damit der Kunststoff im Bereich der Hinterschneidung über den Werkzeugkern gehoben werden kann, muss die axial wirkende Entformungskraft in radiale Richtung umgelenkt werden. Dazu sind die Flankenwinkel mit einer Schräge von mindestens 45 zu wählen (Bild 5.49). Damit eine Rissbildung beim Entformen vermieden wird, sind alle Kantenübergänge durch Radien zu runden. Strukturen auf der Oberfläche eines Kerns, der Hinterschneidungen bildet, würden einen zusätzlichen Entformungswiderstand darstellen und sind zu vermeiden. Die Kerne, über die das Spritzgussteil beim Ausstoßen geschoben wird, sollten für einen reibungsarmen Ausstoßvorgang poliert sein. Unmittelbar vor dem Auswerfen dürfen die Konturen nur einseitig auf der Form abgestützt sein. Weil die Wandung des Spritzgussteils über den Kern mit Hinterschneidung gedrückt wird, muss im Ausstoßprozess entsprechender Platz vorhanden sein. Bei Rippenkonstruktionen kann das realisiert werden, indem man mit einer geteilten Auswerferplatte arbeitet und die eine Hälfte der Kerne ohne Hinterschneidungen beim Auswerfen in der hinteren Position stehen lässt, die Kerne mit Hinterschneidung einen Teil des Auswerferweges mit nach vorn fahren lässt. So

157 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. kann die Wand des Spritzgussteils durch Verformung die Hinterschneidung freigeben (vergleiche Bild 7.12) Auswerfer Auch bei der Anordnung der Auswerferstifte müssen bestimmte Besonderheiten berücksichtigt werden. Weil sie nicht absolut abschließend mit der Oberfläche der Kavität gefertigt werden können, fixieren sie das Formteil mehr oder weniger stark. Entweder dringen die Stahlstifte in das Volumen des Spritzgussteils vor oder polymeres Material steht bei zu kurz ausgeführten Stiften in den Auswerferbohrungen. Die Ausstoßkräfte am Rand eines becherförmigen Formteils sollte man durch eine Ausstreiferplatte oder durch einen Ringauswerfer in das Spritzgussteil einleiten. Durch die größere, wirksame Fläche können bei gleicher Spannung größere Kräfte übertragen werden, ohne dass die Wand des Spritzgussteils fixiert wird. Durch einen schräg gestalteten Rand eines Bechers wird das Freifahren mit der Ausstoßbewegung unterstützt. Gleichzeitig sollten auch am Becherboden Ausstoßkräfte eingeleitet werden. So wird ein Volumenelement an der Becherwand sowohl vom Becherboden aus gezogen, als auch vom Rand her geschoben. Eine weitere Verbesserung des (Zwangs-)Entformens becherförmiger - orderid Teile ist mit dem Einsatz - transid von druckluftunterstützten _1D Auswerfern - zu erwarten, weil dann ein becherförmiges Formteil beim Entformen über ein Luftkissen gleiten kann. Allerdings kommt es dann oft vor, dass die entformten Teile unberechenbar in der Fertigung umherspringen. Durch die Aufprallenergie kann es dann zur Teilebeschädigung kommen Besonderheiten Wenn man sich für eine Werkzeuganlage mit Zwangsentformung entscheidet, geht man ein nicht unerhebliches Risiko ein. Sollte die Entformung nicht wie geplant funktionieren, dann ist die Umstellung auf ein Werkzeug mit beweglichen Elementen in den meisten Fällen mit einer Neuanschaffung verbunden. Nicht nur die Investition für die Form war dann erfolglos. Neben den materiellen Aspekten droht der Vertrauensverlust beim Kunden, wenn Liefertermine nicht eingehalten werden können. Wenn ein Konzept mit Zwangsentformung vorgesehen ist, sollte man entweder hinreichende Erfahrungen mit ähnlichen Erzeugnissen haben oder sich mit einem Hilfs- oder einem Vorserienwerkzeug an die Problematik herantasten. Mit der Vorserienform sollte man einige Experimente mit unterschiedlichen Ausprägungen von Hinterschneidungen, deren Form, aber auch mit unterschiedlichen Spritzparame-

158 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 5.10 vorbehalten. Teile mit Keine Hinterschneidungen, unerlaubte Weitergabe die oder Zwangsentformung Vervielfältigung. zulassen 141 tern durchführen, um eventuell notwendige Anpassungen und Änderungen an den späteren Serienwerkzeugen mit Fakten aus der Vorserienfertigung begründen zu können. Die Auslegung von Hilfswerkzeugen muss diese Untersuchungen bei der Festlegung der Ausbringungsmenge berücksichtigen und darf nicht auf die vom Kunden georderte Teilezahl reduziert werden. Eine Möglichkeit, eine Form mit missglückter Zwangsentformung noch zu retten, besteht bei becherförmigen Teilen darin, am Spritzgussteil vom Rand aus in axialer Richtung Schlitze einzubringen, um die Steifigkeit aus der Geometrie herauszunehmen. Bild 5.50 Gewindekappe mit Zwangsentformung In Bild 5.50 ist als Beispiel für eine Zwangsentformung einer Gewindekappe schematisch dargestellt. Die Gewindegeometrie wird aus Kreissegmenten gebildet, die in radialer - Richtung orderid gleich weit vordringen. - transid Durch die Entformungsschräge _1D erreicht - man eine stetig zunehmende Gangtiefe. Das hat mehrere Vorteile: In Bodennähe wird eine geringere Deformation bei der Zwangsentformung notwendig. Damit trägt man dem stabilisierend wirkenden Bodensegment des Bechers Rechnung. Die Kraftumlenkung der Ausstoßbewegung aus der axialen in die radiale Richtung erfolgt an den bodennahen Gewindegängen durch den flachen Winkel besser als am Rand des Bechers. So können die Ausstoßkräfte von der Abstreiferplatte her auf die randnahen, stark ausgeprägten Gewindegänge voll wirken, während die in den Becherboden eingebrachten Ausstoßkräfte bei den geringen Übertragungsflächen von Stiftauswerfern eine geringere Wirksamkeit aufweisen. Die Herstellung des Kerns ist einfach. In einen zylindrischen Rohling werden die Gewindegänge alle gleichmäßig eingearbeitet. Danach wird der Rohling zu einem Kegel abgedreht und die Entformungsschräge eingebracht. So entsteht die in Bild 5.50 gezeigte Geometrie. Auch im Gegenstück der Schraubpaarung wird das Gewinde in der in Bild 5.50 gezeigten Form eingebracht. Nach dem Befüllen mit Medium können die Schraubverschlüsse durch axiales Aufpressen der Kappen maschinell montiert werden. Das spart Zeit beim Handling, ohne dass der Verbraucher auf seinen für das Produkt gewohnten Schraubmechanismus verzichten muss.

159 Carl Hanser 5 Entformbarkeit Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Formteile mit Zwangsentformungen sind einfach und mit preiswerten Werkzeugen herzustellen. Die Projekte erfordern jedoch eine besondere Erfahrung und viel Verständnis für das Material Kunststoff.

160 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 6 Konstante Wanddicken 6.1 Wanddicken an einem Erzeugnis Wanddicken und Leichtbau Eine Idee des Leichtbaus ist, Wandstärken belastungsgerecht auszuführen. Damit die Funktionen mit einem minimalen Materialaufwand erreicht werden, wäre es zielführend in den Bereichen, auf die starke Kräfte einwirken, größere Wanddicken vorzusehen, als in Regionen mit geringerer Belastung. Das Bild 6.1 zeigt dies am Beispiel eines Biegeträgers. In der Mitte ist die Belastung am stärksten, über den Auflagern am geringsten. Dem entsprechend wird die Wandstärke des Trägers über den Auflagern reduziert. Bild 6.1 Belastungsgerechte Wanddickenreduktion In der Praxis ist die Wanddickenreduktion nur eine von vielen Möglichkeiten, ein Bauteil belastungsgerecht auszulegen. Das Bild 6.2 zeigt in Vergleich zu Bild 6.1 eine Brückenkonstruktion. Hier wird das Leichtbauprinzip nicht durch die Veränderung der Wanddicke umgesetzt. Die wirkenden Kräfte werden durch die Bogenkonstruktion aufgenommen und in die Auflager geleitet. Das Leichtbauprinzip wird hier durch die Anpassung der Bogengeometrie und vor allem der eingesetzten Verstrebungen umgesetzt.

161 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 6.2 Prinzip einer belastungsgerechten Brückenkonstruktion Wanddicke und Verarbeitungsverfahren Es gibt die Vorstellung, dass bei Metallen Wanddickenunterschiede zulässig sind, bei Kunststoffen aber vermieden werden sollten. Das ist tendenziell nicht falsch, kann aber in dieser allgemeinen Formulierung nicht unkommentiert bleiben. Kunststoffe sind schlechte Wärmeleiter, sie zeigen bei der Abkühlung aus der Schmelze eine starke Volumenverminderung. Weil ihr Kristallisationsgrad von der Abkühlungsgeschwindigkeit abhängig ist, führen Wanddickenunterschiede im Teil aufgrund Dynamik der Abkühlungsprozesse zu unterschiedlichen Materialeigenschaften im Formteil. Das begründet den Wunsch nach gleichmäßig starker Wanddicke in einem Bauteil. Nicht nur bei Kunststoffen, auch bei Metallen können unterschiedlich starke Wanddicken problematisch sein. So verursachen unterschiedlich dicke Bereiche am Teil massive Probleme beim Härten. Die Teile verziehen sich und sind nach dem Härtevorgang mit starken Eigenspannungen belastet. Die Forderung nach konstanten Wandstärken ist also nicht grundsätzlich aus dem verwendeten Werkstoff abzuleiten. Vielmehr muss die Technologie zur Formteilerzeugung betrachtet werden. Weil bei der für Metalle oft angewendeten spanenden Bearbeitung verfahrensbedingt kaum Abkühlprozesse vorkommen, treten keine Probleme mit einer unterschiedlichen Längenausdehnung in den einzelnen Regionen des Formteils auf. Das ist ein Aspekt zur Erklärung für die eingangs dargestellte Meinung. Bei den spanabhebenden Technologien, mit denen meist die Metalle bearbeitet werden, sind die Wanddickenunterschiede weniger problematisch als beim Spritzgießverfahren oder der Extrusion von Kunststoffen. Welche Konsequenzen unterschiedliche Wanddicken haben, hängt nicht primär vom Werkstoff ab, aus dem das Erzeugnis besteht, sondern viel mehr vom Fertigungsverfahren, mit dem das Produkt hergestellt wird.

162 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 6.1 Wanddicken oder Vervielfältigung. an einem Erzeugnis 145 Einige Fertigungsverfahren bedingen grundsätzlich eine konstante Wandstärke. Ein Beispiel aus der Metallbearbeitung ist das Stanzen von Blechen (Bild 6.3, oben). Hier gibt es verfahrensbedingt keine Möglichkeit, unterschiedliche Wanddicken zu realisieren. Für Kunststoffe kann man als Beispiel das Rotationsformen auswählen, bei dem sich immer konstante Wanddicken ergeben (Bild 6.3, unten). Stanzen Technologisch bedingte konstante Wanddicke Rotationsformen Bild 6.3 Fertigungsverfahren, die konstante Wanddicke der Produkte bedingen Vor allem dann, wenn die Be- oder Verarbeitung bei Raumtemperatur vollzogen wird, können unterschiedliche Wanddicken meist ohne große Probleme realisiert werden. Das ist bei abtragenden Verfahren der Fall, unabhängig, ob Metalle oder Kunststoffe zerspant werden. In den folgenden Unterkapiteln werden einige Aussagen zu möglichen Wanddickenunterschieden getroffen und einzelne Verarbeitungstechnologien betrachtet. Zunächst sollen jedoch die physikalischen Zusammenhänge bei Abkühlungsprozessen von Kunststoffschmelzen dargestellt und so die Grundlagen für eine Vielzahl von anderen Bearbeitungsprozessen erarbeitet werden.

163 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 6.2 Grundlagen von technologischen Prozessen bei der Kunststoffverarbeitung Einordnung Ein großer Vorteil bei der Verarbeitung von Kunststoffen ist die relativ geringe Schmelztemperatur dieser Werkstoffgruppe. Für Eisenmetalle muss man Temperaturen über 1000 C erzeugen, um sie zu verflüssigen, beim Schmelzen von Aluminium immerhin noch über 700 C. Fast alle thermoplastischen Kunststoffe liegen bereits bei Temperaturen unter 300 C als hochviskose Schmelze vor, die in einem Urformverfahren in Form gebracht werden kann. Dass geringe Temperaturen zum Zustandswechsel in eine leicht formbare Phase erforderlich sind, ist ein entscheidender Vorteil beim Einsatz von thermoplastischen Kunststoffen. Die Verarbeitung ist mit überschaubarem energetischem Aufwand möglich. Die Polymerverarbeitung erfordert deutlich geringere Investitionen, als es das Schmelzen von Metallen erfordert. Die Fertigung von Kunststoffteilen kann in der gesamten Fertigungstiefe dezentral oder unmittelbar am Ort des Bedarfs ohne großen Flächenbedarf erfolgen. Obwohl Kunststoffe aus Kohlenwasserstoffen bestehen, wird man wegen des geringeren Schmelzpunktes für die Erzeugung und Verarbeitung von Erzeugnissen weniger Öläquivalent benötigen als beim Einsatz von Metallen. Vor allem die Energieverluste durch Wärmeabgabe an die Umgebung bei den notwenigen hohen Temperaturen stellen einen großen Nachteil bei der Metallerzeugung dar Betrachtungsweise Bei der Verarbeitung von Kunststoffen wird ein Masseelement betrachtet. Es ist mini mal klein und benötigt ein bestimmtes Volumen. Das Volumen, das eine Masseeinheit benötigt, bezeichnet man als spezifisches Volumen. Das Temperaturverhalten des betrachteten Masseelements muss untersucht werden. Mit zunehmender Temperatur benötigt das Masseelement mehr Volumen. Vermindert sich die Temperatur wieder, nimmt das betrachtete Masseelement weniger Volumen ein. Bei geringer Temperatur hat das Masseelement einen geringeren Platzbedarf als bei hohen Temperaturen (Bild 6.4).

164 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 6.2 Grundlagen Alle Rechte vorbehalten. von technologischen Keine unerlaubte Pro Weitergabe zessen bei oder der Vervielfältigung. Kunststoffverarbeitung 147 Spezifisches Volumen Schmelzezustand Zustandswechsel Fester Zustand Einsatztemperaturbereich Verarbeitungstemperaturbereich Temperatur Bild 6.4 Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Platzbedarf eines Masseelements Bei den meisten Verarbeitungsprozessen erfolgt eine Erwärmung auf Verarbeitungstemperatur - orderid und anschließend wieder eine - transid Abkühlung - der _1D Masse auf Einsatz- -oder Umgebungstemperatur (vergleiche Abschnitt und 1.1.2). Bei Kunststoffen besteht die Besonderheit, dass die Abkühlungsgeschwindigkeit der Masse den Platzbedarf des Masseelements mitbestimmt. Bei sehr langsamer Abkühlung können die bei hohen Temperaturen im Material gebildeten Mikro-Hohlräume besser geschlossen werden als bei schneller Temperaturminderung. Die Ursache ist in der eingeschränkten Beweglichkeit der Polymerketten zu sehen. Bei zunehmender Abkühlungsgeschwindigkeit verschiebt sich die Kurve in Richtung Volumenerhöhung (Bild 6.5). Der Einsatz der Kunststofferzeugnisse erfolgt im festen Zustand nahe der Raumtemperatur. Die Formgebung wird im Zustand einer hochviskosen Schmelze vorgenommen.

165 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Sehr schnelle Abkühlung Spezifisches Volumen Schnelle Abkühlung Sehr langsame Abkühlung Parameter Abkühlungsgeschwindigkeit Temperatur Bild 6.5 Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Platzbedarf eines Masseelements bei unterschiedlicher Abkühlungsgeschwindigkeit Zur Veranschaulichung der Zähigkeit der Polymerschmelze kann der Vergleich mit Honig - orderid oder Kuchenteig herangezogen - transid werden. Um - die _1D Masse in einen Werkzeughohlraum zu pressen und die Konturen genau abformen zu können, erfordert die - hohe Viskosität das Aufbringen eines hohen Drucks auf die Schmelze, um den Trans port der Schmelze zu ermöglichen. Bei zunehmendem Druck verschiebt sich die Kurve des spezifischen Volumens (Bild 6.4) in Richtung Volumenverminderung (Bild 6.6). Jede der in Bild 6.6 dargestellten Kurven bezeichnet man als Isobare, als eine Linie gleichen Drucks. Bei Urformverfahren wird die Masse ausgehend von der Umgebungstemperatur auf die Verarbeitungstemperatur erwärmt. Nach der Formgebung erfolgt die Abkühlung bis zur Entformungstemperatur. Die Umgebungstemperatur entspricht den Startbedingungen des Prozesses. Die Verarbeitungstemperatur, für den konkreten Prozess auch als Schmelzetemperatur bezeichnet, stellt eine Art Haltetemperatur dar, bei der die Schmelze bis zur endgültigen Formgebung bei den meisten Technologien homogenisiert wird, bei einigen wenigen Herstellungsverfahren auch ruht. Die Entformungstemperatur repräsentiert das Ziel des Verarbeitungsprozesses und kommt in vielen Fällen der Umgebungstemperatur nahe.

166 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 6.2 Grundlagen Alle Rechte vorbehalten. von technologischen Keine unerlaubte Pro Weitergabe zessen bei oder der Vervielfältigung. Kunststoffverarbeitung 149 Spezifisches Volumen Atmosphärischer Druck Formfüllen Kompression Parameter Druckniveau Einsatztemperaturbereich Verarbeitungstemperaturbereich Temperatur Bild 6.6 Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Platzbedarf eines Masseelements bei unterschiedlichem Druckniveau Im Bild 6.7 sind die relevanten Temperaturwerte in das Temperatur-Volumen-Diagramm eingetragen. Spezifisches Volumen Atmosphärischer Druck Druck zum Formfüllen Kompressionsdruck Entformungstemperatur Schmelzetemperatur Temperatur Bild 6.7 Prozesstemperaturen im Temperatur-Volumen-Diagramm

167 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Erwärmen der Schmelze Bei einem Verarbeitungsprozess erfolgt die Erwärmung der Schmelze von der Umgebungs- auf Verarbeitungstemperatur meist bei atmosphärischem Druck. Der Prozessverlauf startet auf der atmosphärischen Isobare bei Raumtemperatur. Dieses Temperaturniveau ist häufig mit der in Bild 6.8 bezeichneten Entformungstemperatur identisch. Der Prozessverlauf folgt der Isobare atmosphärischer Druck ( Linie 1, Bild 6.8) bis zum Erreichen der Verarbeitungstemperatur. Aufgrund der mit steigender Temperatur zunehmenden Beweglichkeit der Teilchen hat das betrachtete Masseelement nach der Erwärmung einen erhöhten Platzbedarf. Das spezifische Volumen nimmt zu. Bei der Abkühlung vermindert sich das benötigte Volumen des Masseelements dann entsprechend. Bei Kunststoffschmelzen liegen die realen Werte für den Volumenbedarf zwischen 6 % und 20 % mehr Volumen im Vergleich zum Platzbedarf bei Raumtemperatur. Amorphe Kunststoffe zeigen bei Erwärmung eine geringere Zunahme des spezifischen Volumens, teilkristalline Polymere eine höhere. Bei den meisten Technologien zur Erzeugung von Kunststoffprodukten wird die Masse eine gewisse Zeit auf der Verarbeitungstemperatur gehalten, damit sich durch aktives Mischen und Wärmeleitung ein homogenes Temperaturprofil einstellt Kompression zur Formgebung Zur Formgebung ist eine Kompression der Masse erforderlich, damit eine ent sprechende Verformung der Schmelze erfolgen kann. In Bild 6.8 bedingt die Kompression den Zustandswechsel (2) von der atmosphärischen Isobare auf die Isobare Kompressionsdruck. Die in der Masse bei thermischem Gleichgewicht vorhandenen Hohlräume werden beim Druckaufbau zusammengepresst. Weil die gesamte Masse im Zustand hochviskoser Schmelze vorliegt, kann man von ein und demselben Druckniveau für den gesamten Prozessraum ausgehen. Das spezifische Volumen eines Masseelements vermindert sich bei Kompression. Für das Spritzgießen liegen die realen Werte für die Volumenverminderung aufgrund der Kompression bei einer Größenordnung von 5 %. Diese Differenz des spezifischen Volumens wird beim Spritzgießen durch Zugabe von zusätzlicher Masse in den Prozessraum erreicht. Alternativ ist die Verkleinerung des Prozessraumes als Ausgleichsmaßnahme möglich. Der Zustandswechsel erfolgt nur dann bei unveränderlicher Temperatur, wenn die Kompression unendlich langsam erfolgt. Man spricht dann von isothermen Verhältnissen. Beim realen Spritzgießen wird der Druck in der Kunststoffmasse zügig aufgebaut. Gleichzeitig mit der Druckerhöhung nimmt die Temperatur aufgrund der Kompressionserwärmung zu. In der Realität verläuft also die Kurve in Bild 6.8 nicht

168 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 6.2 Grundlagen Alle Rechte vorbehalten. von technologischen Keine unerlaubte Pro Weitergabe zessen bei oder der Vervielfältigung. Kunststoffverarbeitung 151 senkrecht nach unten, sondern vom Startpunkt bei vorgegebener Temperatur auf der atmosphärischem Isobaren nach rechts unten bis zur Isobaren des Kompressionsdrucks (gestrichelte Linie 3, Bild 6.8). Beim Komprimieren im Spritzgießprozess liegen die real gemessenen Werte für die Kompressionserwärmung der Kunststoffschmelze bei einer Größenordnung von 15 K. Weil die Kompressionsprozesse sehr schnell erfolgen können, darf der Einfluss der Abkühlungsgeschwindigkeit nicht vernachlässigt werden. Die Quantifizierung dieses Effekts ist aber problematisch. Die Temperaturveränderungen laufen bei realen Prozessen so schnell ab, dass die Ermittlung konkreter Werte unter Laborbedingungen große Schwierigkeiten verursacht. Spezifisches Volumen Atmosphärischer Druck Druckabbau bei der Abkühlung 1 2 Formfüllen Kompression Schwindung 4 3 Druckaufbau beim Formfüllen Entformungstemperatur Schmelzetemperatur Temperatur Bild 6.8 Der Zusammenhang zwischen Temperatur und Platzbedarf eines Masseelements beim Verarbeitungsprozess Abkühlung unter Druckabbau Wenn die Formgebung erfolgte, muss die Masse wieder auf Umgebungs- bzw. Entformungstemperatur abgekühlt werden. Dabei erfolgt der Zustandswechsel zwischen hochviskoser Schmelze und fester Phase. In der festen Phase kann der Druck nicht mehr allseitig wirksam werden. Hier entstehen Spannungen, die über lange Zeit erhalten bleiben. Solange der Druck im Innern des Formteils größer ist als der Umgebungsdruck, wird das volle Volumen des Prozessraums vollständig ausgefüllt (vergleiche mit Abschnitt ).

169 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bei der Abkühlung von Kunststoffschmelzen gilt die Regel: Zuerst erfolgt Druckabbau auf Umgebungsniveau, erst danach kommt es zur Volumenverminderung. Weil die Abkühlprozesse am Rand des Formteils schneller ablaufen als innen, muss man von unterschiedlichen Abkühlungsgeschwindigkeiten ausgehen. Betrachtet man das Temperaturprofil zu einem bestimmten Zeitpunkt, liegen die einzelnen Masseelemente auf unterschiedlichen Temperaturniveaus, je nachdem, wie weit entfernt sie vom Rand des Prozessraums entfernt sind. Aufgrund der in Bild 6.5 gezeigten Abhängigkeit des spezifischen Volumens von der Abkühlgeschwindigkeit muss man auch bei identischen Druck und Temperatur werten unterschiedliche spezifische Volumen der Masseelemente im Innern und am Rand des Formteils erwarten. Umso schneller die Abkühlung vorgenommen wird, desto stärker sind die Effekte. Wegen der schlechten Wärmeleitung der Kunststoffe werden besagte Vorgänge viel deutlicher als bei Metallen. In diesem Abschnitt ist der Verlauf des Prozesses in der in Bild 6.8 gewählten Darstellung in sehr unterschiedlichen Möglichkeiten denkbar. In randnahen Schichten wird die Entformungstemperatur bei einem höheren Druckniveau erreicht, als in Regionen im Zentrum des Formteils Isobare Abkühlung bei atmosphärischem Druck Nachdem der Druck aufgrund der Abkühlung der Masse den Wert des Umgebungsdrucks erreicht hat, erfolgt die weitere Abkühlung isobar bei atmosphärischem Druck (Bild 6.8 Wegabschnitt 4). Der Temperaturwert, bei dem die atmosphärische Isobare im Prozessverlauf erreicht wird, bestimmt die lokale Schwindung des jeweils betrachteten Masseelementes. Elemente im Zentrum des Formteils schwinden stärker als Masseelemente, die am Rand viel schneller abkühlen (vergleiche mit Abschnitt ). Die unterschiedliche lokale Schwindung kann grundsätzlich zwei Wirkungen zeigen (vergleiche mit Abschnitt ). Einmal ist es möglich, dass die Randschicht flexibel ist und eine kissenförmige Verformung zulässt (Bild 6.9, oben). Zum anderen kann es sein, dass der erstarrte Rand des Formteils steif und stabil ist. Das Zusammenziehen der Masse im Innern des Formteils bewirkt dann die Bildung von Hohlräumen. Man bezeichnet diese als Lunker, in denen Vakuum herrscht oder die mit gasförmigen Ausdünstungen aus der polymeren Matrix gefüllt sind (Bild 6.9, Mitte). Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass beide Effekte gleichzeitig vorkommen, und sowohl eine kissenförmige Verzeichnung in Kombination mit Lunkern entweder

170 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 6.3 vorbehalten. Probleme, Keine die unerlaubte durch Wanddicken Weitergabe unterschiede oder Vervielfältigung. verursacht sind 153 über den ganzen Formling kombiniert auftreten oder an bestimmten Stellen ein Einfallen der Oberflächen vorkommt, in anderen Bereichen des Formteils aber Lunker auftreten (Bild 6.9, unten). Die Schwindung verursacht einen kissenförmigen Einzug paralleler Flächen Die Schwindung verursacht Lunkerbildung im Innern des Formteils Die Schwindung verursacht lokale Einfallstellen Bild 6.9 Mögliche Auswirkungen der abkühlungsbedingten Materialkontraktion Problematisch an Bildung von Lunkern ist, dass die genaue Lage der Hohlräume im Formteil nicht vorher bestimmt werden kann. Werden in der Praxis die Formteile in Serie hergestellt, findet man bei den einzelnen hergestellten Formteilen eine unterschiedliche Ausprägung, eine unterschiedliche Größe und eine nichtreproduzierbare Anordnung vor. Bei manchen Prozessen werden bei einigen Formteilen Lunker beobachtet, bei anderen nicht, obwohl die Fertigung unter identischen Prozessbedingungen ablief. 6.3 Probleme, die durch Wanddickenunterschiede verursacht sind Unterschiedliche Wanddicke bedeutet unterschiedliche Abkühlungsbedingungen, das heißt vor allem für teilkristalline Polymere ein unterschiedliches Gefüge im Formteil. Während man bei Metallen beispielsweise beim Aufkohlen, Nitrieren oder Einsatzhärten mit großer Mühe versucht, an der Oberfläche ein anderes Gefüge zu erreichen als im Formteilinneren, ergibt sich bei Polymeren aufgrund der verzögerten Phasenumwandlung ohne Aufwand an der Formteiloberfläche ein Gefüge, das für schnellere Abkühlung charakteristisch ist, im Inneren der Teile ein für eine langsame Abkühlung typische Strukturen.

171 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Geringe Wanddicke Heißer Kern Abkühlung Kalter Rand Große Wanddicke Bild 6.10 Die Abkühlung von dünnen und von dickwandigen Formteilen Formteile mit großen Wanddicken kühlen insgesamt langsamer ab als Formteile mit geringen Wandstärken. Das Abkühlungsverhalten der Randschicht der Formteile wird nur wenig von der Wanddicke des Formteils beeinflusst, das Abkühlungsverhalten zentraler Bereiche des Formkörpers wird deutlich von der gesamten Wandstärke des Erzeugnisses beeinflusst. Die insgesamt schnellere Abkühlung dünnwandiger Spritzlinge bedeutet wegen der in Bild 6.5 gezeigten Zusammenhänge ein größeres Volumen der Formteile, als es unter den Bedingungen des thermodynamischen Gleichgewichts der Fall wäre. Wenn nach dem Druckabbau die Schwindung im Innern des Formteils stärker zur Auswirkung kommt als in den Randschichten, neigen dickwandige Teile stärker zur Lunkerbildung als dünnwandige, weil die Randschicht die stärkere Verformung ab einem bestimmten Wert nicht mehr realisieren kann. Bevor Lunker entstehen und erst recht, wenn diese Hohlräume vorhanden sind, herrschen im Inneren des Formteils Zugeigenspannungen vor, die zum Zentrum hin gerichtet sind. Unmittelbar unter der schnell erkalteten Oberfläche der Formteile kommen Scherspannungen vor, weil die Masse direkt am Rand aufgrund der schnellen Erkaltung sich nicht so stark zusammenzieht wie im Inneren.

172 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 6.3 vorbehalten. Probleme, Keine die unerlaubte durch Wanddicken Weitergabe unterschiede oder Vervielfältigung. verursacht sind 155 Scherspannungen unter der Oberfläche Zugspannungen im Inneren Bild 6.11 Abkühlungsbedingte Spannungen am Formteil Extrem dünnwandige Formteile können wegen dominierender Scherspannungen unter der Oberfläche ihr Leichtbaupotenzial nicht voll entfalten. Die Eigenspannungen vermindern die Aufnahmefähigkeit für äußere Lasten Werden Formteile aus Kunststoff sehr dickwandig ausgelegt, tragen die inneren Regionen kaum Last, wenn dort Lunker vorliegen. Auf alle Fälle kann aber auch in diesem Fall das volle Leichtbaupotenzial des Werkstoffs wegen der Zugeigenspannungen im Inneren der Formteile nicht vollständig zur Wirkung kommen. Aus ökonomischen Gründen ist man an einer möglichst schnellen Herstellung der Kunststoffprodukte interessiert. Das bedeutet, dass die Masse sehr schnell abgekühlt werden muss. Genau dann muss man mit starken Eigenspannungen in den Formteilen rechnen. Es muss also ein Kompromiss zwischen kostenbewusster Fertigung und belastungsgerechten Anforderungen an das jeweilige Teil gefunden werden. Durch eine definierte Lagerung bei erhöhten Temperaturen wie beim Tempern, kann man eine gewisse Spannungsreduktion erreichen. Gute Ergebnisse gibt es vor allem für die Bereiche unmittelbar unter der Oberfläche. Die Scherspannungen werden hier durch Umlagerungsprozesse deutlich reduziert. Die Reduktion der Zugeigenspannungen im Inneren des Körpers ist meist mit dem Effekt eines kissenförmigen Verzugs des Formteils verbunden. Ziel sollte es sein, die Wandstärke so zu wählen, dass keiner der beiden in Bild 6.11 gezeigten Effekte überwiegt. In der Praxis haben sich für thermoplastische Kunststoffe Wandstärken zwischen einem und drei Millimeter bewährt, je nach Größe des Formteils.

173 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Der Konstrukteur hat das Problem, dass er sich schon in einer sehr frühen Phase des Entwicklungsprozesses auf eine bevorzugte Wanddicke für das betreffende Erzeugnis festlegen muss. Um einen sinnvollen Startwert zu finden, helfen vor allem Erfahrungen mit bereits existierenden Baugruppen für ähnliche Anwendungen. Die bevorzugte Wandstärke sollte möglichst für die gesamte Konstruktion angewendet werden. Nur in begründeten Ausnahmefällen sollte man über Abweichungen von dieser Regel nachdenken. Kommen an den Formteilen lokale Lastkonzentrationen an bestimmten Stellen vor, sollte bei der Konstruktion nicht die Zugabe von Wandstärke favorisiert werden (wie in Bild 6.1), sondern die Aufnahme der Lasten durch eine spezielle Geometrie erfolgen (Bild 6.2). Das Prinzip wird in Kapitel 7 aufgenommen und vertieft. Auch zusätzliche Duktilität kann durch geschickte geometrische Gestaltung mit gleichmäßiger Wanddicke realisiert werden. Zu diesem Themenkomplex werden in Kapitel 8 Aussagen getroffen. 6.4 Das Kantenproblem bei kastenartigen - orderid Strukturen transid _1D - Die Begründung für eine möglichst konstante Wanddicke bedeutet im Umkehrschluss, dass Materialanhäufungen vermieden werden sollen. Auch wenn man eine konstante Wanddicke annimmt, treten Materialanhäufungen vor allem an den Berührungslinien von Flächen auf. Bild 6.12 zeigt dies für zwei, drei und vier Flächen. Bereich einer Materialanhäufung 2 Flächen Berührung 3 Flächen Berührung 4 Flächen Berührung Bild 6.12 Materialanhäufungen an den Schnittlinien von Flächen des Formteils

174 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine 6.4 Das unerlaubte Kantenproblem Weitergabe oder bei kastenartigen Vervielfältigung. Strukturen 157 Das Kantenproblem ist durch die Berührung zweier Flächen in einer Linie charakterisiert. Bei der Konstruktion von Gehäusen aus Blechen haben solche Kantenberührungen einen technologischen Sinn, wenn man einzelne Bleche bis zur Fügekante führt, damit sie dort verschweißt werden können. Auch beim Falten von Kartonage sind solche scharfen Übergänge an Flächen technologisch begründet. Werden aber solche kantigen Gestaltungen auf die Formgebung von Kunststofferzeugnissen übertragen, sind Probleme vorprogrammiert. Problematisch ist die gleichmäßige Abkühlung der Kunststoffschmelze bei den Urformverfahren. Das Bild 6.13 erklärt die Abkühlungssituation eines zweiseitig gefassten Formlings beispielsweise in einem Spritzgießwerkzeuges. Gezeigt wird ein Detail, bei dem eine scharfe Kante am Formteil abgebildet wird Bild 6.13 Wärmeabgabe vom Formling an die Werkzeugwand An den geraden Flächen besteht ein gleichmäßiger Wärmestrom aus dem Formteil in die Werkzeugwand. An der inneren Werkzeugkante muss aber die Wärme aus zwei Volumenelementen des Formteils in das Werkzeug hineingeführt werden. Hier ist das Werkzeug lokal heißer als in der Umgebung. Das Element der äußeren Werkzeugkante leitet einen geringeren Wärmestrom ab als die Elemente an den geraden Flächen. An dieser Stelle ist die Form lokal kälter. Für das Formteil bedeutet dies, dass an der Innenseite der Kante die Abkühlung langsamer vor sich geht als in den Bereichen der ebenen Flächen des Formteils. An der Außenseite der Kante erfolgt die Abkühlung dementsprechend schneller (Bild 6.12). Damit ergeben sich an der Kante innen und außen unterschiedliche Massekontraktionen bei der Abkühlung des Formteils. Das bedingt Eigenspannungen an der Kante, die zum Verzug des gesamten Formteils führen. Das Bild 6.14 zeigt den Verzug einer kastenartigen Struktur am Detail einer senkrechten Kante schematisch.

175 Carl Hanser 6 Konstante Fachbuchverlag. Wanddicken Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Rand des Kastens Grund des Kastens Bild 6.14 Verzug einer kastenförmigen Struktur Der Verzug ist ein äußeres Merkmal für Eigenspannungen im Bereich der Kante. Eine Visualisierung für den Verzug durch Eigenspannungen erfolgte bereits in Bild Scharfe Kanten an Kunststoffteilen sind daher sehr kritisch in Bezug auf das Auftreten von Schäden. An dieser Stelle konzentrieren sich die Eigenspannungen und genau hier wirken die äußeren Belastungen mit Spannungsspitzen intensiv auf das Formteil ein. Für Kunststoffformteile, die mit einem Urformverfahren hergestellt werden, gilt daher: die beste Kante ist keine Kante. Häufig wird vom Marketing her vorgegeben, dass eine dem Kunden vertraute Geometrie auch nach einem Werkstoffwechsel beibehalten werden soll. Die technische Realität spricht aber genau gegen die Abbildung dieser Geometrie und mutet dem Endverbraucher ein unprofessionelles Produkt zu. Scharfe Kanten sollten folglich nur in Ausnahmefällen für Kunststoffteile eingesetzt werden. Bei der in Bild 3.15 dargestellten Anwendung liegt ein solcher Ausnahmefall vor. Hier wird der Verzug des Formteils einkalkuliert und stellt so das Verklemmen des Eckenschoners am Bilderrahmen sicher. Gleichzeitig wird deutlich, welches Ausmaß der Verzug an einer scharfen Kante haben kann. Das Bild 6.15 zeigt eine kunststoffgerechte Gestaltung für eine kastenartige Struktur. Hier sind alle Kanten verrundet. Der Radius, mit dem die Verrundung erfolgt, sollte größer als die fünffache Wanddicke gewählt werden. Zur besseren Standsicherheit sollte ein vollständiger Flächenkontakt als Auflage auf dem Boden vermieden werden. Das kann durch vier Standhilfen realisiert werden, die leicht aus der Grundfläche herausragen (Bild 6.15).

176 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine 6.4 Das unerlaubte Kantenproblem Weitergabe oder bei kastenartigen Vervielfältigung. Strukturen 159 r s r > 5 s Standhilfe für stabile Auflage Bild 6.15 Verrundungen gegen Einfall der Seitenwand an einer kastenartigen Geometrie Ein reales Anwendungsbeispiel für verrundete Kanten bei einer kastenartigen Geometrie zeigt Bild 6.16: Bild 6.16 Anwendungsbeispiel für die kunststoffgerechte Auslegung einer kastenartigen Geometrie

177 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung.

178 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 7 Geometrische Versteifung 7.1 Ausführungen einer geometrischen Versteifung Erhöhung der Steifigkeit Kunststoffe haben einen um etwa zwei bis drei Größenordnungen geringeren E-Modul als die meisten Metalle. Wirken auf Formteile aus Kunststoff Kräfte ein, verformt sich bei gleicher Geometrie ein Körper aus Kunststoff viel stärker als ein Bauteil aus Metall. Für manche Anwendungen ist dieses Verhalten vorteilhaft, für andere weniger. Materialwissenschaftler unternehmen große Anstrengungen, um die Werkstoffeigenschaften - orderid gezielt auf einen Anwendungsfall - transid hin zu designen _1D Aufgrund der immer - komplexer werdenden Formteile kann dieser Ansatz nur eine Variante sein, um die bestehenden technischen Herausforderungen zu lösen, er muss mit weiteren Lösungen ergänzt werden. Eine Möglichkeit für Kunststoffe, einen höheren E-Modul zu realisieren, ist der Einsatz von glasfaserverstärktem Material. Der E-Modul kann durch hohe Füllgrade etwa verdoppelt, bei teuren Fasern mit besonderer Funktion ungefähr verdreifacht werden. Die Steifigkeit von Stahl wird jedoch mit der Zugabe von Füllstoffen keinesfalls erreicht. Gerade bei einer komplexen Geometrie des Formteils müssen mehrere technische Aufgaben erfüllt werden, die oft entgegengesetzte Anforderungen stellen. So müssen die Teile bei einer Funktion Abdichten gegen Medienaustritt duktil genug sein, um nur minimale Spalte zwischen den Bauteilen zu belassen, aber auch hinreichend steif, damit ein sicherer Sitz der Teile aufeinander und eine sichere Positionierung zueinander gegeben ist. Geht man hier den Weg des optimalen Materials, muss man mehrere Einzelteile verwenden, die jeweils einzeln hergestellt und miteinander gefügt werden müssen. Man legt sich dann auf die Differentialbauweise fest. Sollen die Vorteile der Integralbauweise wenige sehr komplexe Teile mit insgesamt geringem Fertigungs- und Montageaufwand (vergleiche Abschnitt 4.2.3) zum Tragen kommen, muss man auf Möglichkeiten zurück greifen können, die es erlauben,

179 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. die gestellten technischen Aufgaben durch eine bestimmte geometrische Gestaltung zu erfüllen Varianten der geometrischen Versteifung Bekannt ist die Versteifung mit Rippen, die dem im Bild 7.2 dargestellten Prinzip folgt. Die Rippen werden hier als senkrecht auf der Funktionsfläche angebrachte Flä chen verstanden (Bild 7.1, oben). Weiterhin können mit schalenförmig gewölbten Strukturen Flächen geometrisch versteift werden. Die Motorhaube eines PKWs ist ein bekanntes Beispiel für solche Anwendungen (Bild 7.1, Mitte). Auch die vom Wellblech her bekannte Form bringt eine geometrische Versteifung (Bild 7.2, unten). Die Versteifung muss hier nicht wie beim aus dem Bauwesen bekannten Wellblech auf eine Vorzugsrichtung beschränkt sein. Von Schallschutzverkleidungen sind auch Ausführungen bekannt, bei denen die Versteifung der Platten in beiden Belastungsrichtungen gleichgewichtet ausgeführt ist. Versteifung durch Rippen Versteifung durch Wölbung Versteifung als Wellblech Bild 7.1 Prinzipien der geometrischen Versteifung Welches Prinzip sinnvoll eingesetzt wird, ist abhängig von: Der Grundgeometrie des Erzeugnisses. Den weiterhin zu erfüllenden Funktionen. Dem geplanten Verarbeitungsverfahren. Dem Niveau der ästhetischen Ansprüche für die betreffende Branche. Der Erfahrung des Konstrukteurs. Der zur Verfügung stehenden Zeit und der Risikobereitschaft bei der Ausführung der Konstruktion. Es ist durchaus möglich, dass zur Erfüllung ein und derselben technischen Aufgabe unterschiedliche Versteifungsprinzipien angewendet werden. Das Bild 7.2 zeigt eine Anwendung für ein solches Beispiel. Die Funktion des Formteils besteht darin, ein zylindrisches Funktionsteil in einem viereckigen Pappkarton so zu fixieren, dass kein Klappern des Inhalts in der Verpackung vorkommt. Im Beispiel handelt es sich um ein Spezialpapier, das um eine Papprolle gewickelt ausgeliefert wird. In Bild 7.2

180 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine 7.1 unerlaubte Ausführungen Weitergabe einer oder geometrischen Vervielfältigung. Versteifung 163 werden die Plastikteile abgebildet, die zur Fixierung der Papprolle dienen. In Bild 7.2 oben werden die der Außenseite der Schachtel zugewandten Seiten gezeigt. In Bild 7.2 unten sind die Flächen des selben Teils sichtbar, die zum Inneren der Schachtel zeigen. Die innen hohle Papierrolle wird mit der zylindrischen Geometrie des Formteils fixiert, die rechteckige Grundgeometrie stützt den Inhalt gegen die rechteckige Verpackung. Thermoformen: Versteifende Einzüge Spritzgießen: Versteifende Rippen Bild 7.2 Zwei unterschiedliche Versteifungsprinzipien bei einer Papierrollenfixierung Im linken Bereich von Bild 7.2 wurde am Formteil die Versteifung durch das Prinzip Wölbungen erreicht. Dieses Teil ist für das Tiefziehverfahren optimiert worden. Weil das Werkzeug beim Thermoformen das Formteil nur an einer Seite kontaktiert, kann die Abformung nur aus einer Ebene heraus mit einem relativ großen Entformungswinkel erfolgen. Die vom Spritzgießen bekannten kastenartigen Rippenanordnungen können so nicht realisiert werden. Das Bild 7.2 zeigt rechts ein spritzgegossenes Teil, hier bildet der umlaufende Rand eine Wölbung und wirkt versteifend. Zusätzlich wurden Rippen eingebracht, die beim Spritzgießen einfach zu entformen sind.

181 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 7.2 Versteifung mit Rippen Rippenversteifung an belasteten Flächen Bei vielen Anwendungen werden flächige Strukturen auf der Rückseite mit Rippen versteift. Bei dem in Bild 7.3 gezeigten Anwendungsbeispiel sind auf der Trittfläche rückseitig Rippen angebracht. So kann auf der gesamten Fläche Last aufgenommen werden, ohne dass die Wanddicken unverhältnismäßig groß dimensioniert werden müssen. Beim Belasten der Trittfläche verformt sich der Hocker nur moderat und ermöglicht dem Benutzer einen mehr oder weniger stabilen Stand. Versteifung durch Rippenstruktur Versteifung durch Schalenstruktur Bild 7.3 Anwendung einer Rippenstruktur bei einem Hocker aus Kunststoff Rippenkonstruktionen lässt man nur in Ausnahmefällen in die Gestaltung des Bauteils einfließen und versucht meist, sie am Bauteil verdeckt anzuordnen. Sollen Geometrieabschnitte das Erzeugnis nach außen hin optisch präsentieren, wählt man eine alternative geometrische Versteifung. Bei dem im Bild 7.3 gezeigten Anwendungsbeispiel wurde die Versteifung an den vier Beinen durch das Einziehen des Materials nach dem in Bild 7.1 genannten Prinzip Versteifung durch Wölbung realisiert. Die eingezogenen Rundungen im Bereich der vier Beine sind ein charakteristisches Gestaltungselement des Hockers mit Wiedererkennungswert Anordnung der Rippen Die im Beispiel von Bild 7.3 gezeigte kastenartige quadratische Anordnung der Rippe ist nur eine Variante von vielen Möglichkeiten. Weitere denkbare Anordnungen der Rippen sind in Bild 7.4 gezeigt:

182 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 7.2 Vervielfältigung. Versteifung mit Rippen 165 Kastenartige quadratische Rippen Dreieckige Rippenstruktur mit Knoten Versetzte rechteckige Rippen Versetzte dreieckige Rippen Bild 7.4 Einige symmetrische Anordnungen von Rippen Kastenartige Anordnungen der Rippen (Bild 7.4, links oben) haben den Nachteil, dass an den Berührungslinien vier Flächen aneinander stoßen und so eine starke Materialanhäufung besteht. Dafür können sie während der Konstruktion schnell erzeugt werden und sind einfach zu fertigen. Sie kommen in der Praxis sehr häufig zur Anwendung. Die Kraftleitung erfolgt in Richtung der Rippen. Diese Konstruktion ist so besonders biegesteif. Versetzte - orderid Rippen haben gegenüber kastenartigen - transid Anordnungen _1D den Vorteil -einer verminderten Materialanhäufung, weil nun nur drei Flächen in einer Berührungslinie aufeinander treffen (Bild 7.4, links unten). Der große Nachteil versetzter Rippen ist, dass die Kraftleitung an einigen Stellen senkrecht zur Rippe erfolgt. Damit ist die versteifende Wirkung gegenüber einer Biegebelastung stark vermindert. Es besteht die Gefahr einer Ausknickung. Die praktische Umsetzung in der Fertigung einer solchen Anordnung ist problemlos möglich. Alternativ zu einer quadratischen oder rechteckigen Grundgeometrie für Rippenstrukturen sind auch Dreiecke denkbar, wie sie im Bild 7.4 mit den rechten beiden Darstellungen gezeigt werden. Die Problematik der Flächenverbindung stellt sich hier noch deutlicher als bei kastenförmigen Rippenstrukturen, weil anstelle von vier nun sechs Flächen eine Berührungslinie bilden. Damit besteht bei der in Bild 7.4, rechts oben gezeigten Darstellung eine besonders stark ausgeprägte Materialanhäufung. Die in Bild 7.4, unten rechts dargestellten Anordnung der Rippen hat aber gegenüber den versetzt angeordneten rechteckigen Rippen den Vorteil, dass die Krafteinleitung nicht genau senkrecht auf die quer laufende Rippe erfolgt. Bei dreieckig angeordneten versetzten Rippen wird die eingeleitete Kraft vektoriell aufgeteilt. Mit einer beanspruchungsgerechten Gestaltung der Winkelstellung einzelner Rippen kann man sichern, dass die Querkräfte beherrschbar bleiben. Als guter Kompromiss zwischen kastenförmigen und dreieckigen Anordnungen der Rippen ist die wabenartige Struktur (Bild 7.5) aus der Natur bekannt.

183 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 7.5 Wabenartig angeordnete Rippen Mit wabenförmigen Rippen können die Verformungen relativ unabhängig von der angreifenden Kraftrichtung vermindert werden. Sie bieten sich daher besonders für die Versteifung von scheibenförmigen Strukturen ohne Verdrehsicherung an. Mit der Wabenstruktur wird eine vektorielle Aufteilung des Kraftstroms erreicht. So ist eine allein senkrecht auf die Rippen wirkende Kraft ausgeschlossen, wie sie bei rechteckigen Strukturen quer zu den Rippen möglich ist. Weil die Bearbeitungslinien immer wieder unterbrochen werden müssen, sind wabenförmige Strukturen nicht so einfach bei der Herstellung von Werkzeugen zu realisieren, wie kastenartige quadratische oder Rippen mit Dreiecksknoten Belastungsgerechte Anpassung der Rippen Die Rippen verbessern vor allem die Biegesteifigkeit der abgestützten Fläche. Die Belastung bei Biegung ist jedoch nicht über die gesamte Fläche gleichmäßig stark. So liegt die Forderung nahe, einer unterschiedlich starken Belastung an den ein zelnen Stellen der Grundfläche mit der Rippengeometrie gerecht zu werden. Um die Rippen belastungsgerecht auszuführen, bestehen zwei sinnvolle Möglichkeiten: 1. Die Rippentiefe variiert 2. Der Abstand der Rippen verändert sich Grundsätzlich wäre noch eine sich mit der Belastung ändernde Wanddicke der Rippen denkbar. Dies bringt jedoch bei der Verwendung von Kunststoffen die in Kapitel 6 beschriebenen Einschränkungen in Bezug auf den Wunsch, Wandstärken möglichst konstant zu halten. Das Bild 7.6 zeigt mögliche geometrische Umsetzungen: Oben eine veränderliche Rippengeometrie mit belastungsangepassten Rippenabständen und unten eine belastungsangepasste variable Rippentiefe.

184 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 7.2 Vervielfältigung. Versteifung mit Rippen 167 r Abstände der Rippen verändert s Tiefe der Rippen verändert Bild 7.6 Zwei Möglichkeiten, Rippen belastungsgerecht anzuordnen Weil die Rippen immer in einer überschaubaren Anzahl am Formteil vorliegen, ist die Veränderung des Rippenabstands nur diskontinuierlich möglich. Die Folge können lokale Spannungsüberhöhungen an den Stellen sein, wo der Rippenabstand in Bezug auf die wirkende Last unangemessen groß ist. Bei dünnen Wanddicken kann es unter Belastung zu Falzungen kommen, wie man es von Falten von Papier her kennt. Ein Vorteil ist, dass diskrete Rippenstrukturen gut mit Rechenmodellen beschrieben werden können. Wenn ausreichend Platz vorhanden ist, sollte die Tiefe der Rippen verändert werden. Bei unterschiedlich tiefen Rippen muss auf einen einigermaßen ausgeglichenen Wär mehaushalt in der Form geachtet werden. Die Düsenseite der Spritzgussform muss lediglich die Wärme aus der Grundfläche der Rippenkonstruktion aufnehmen (Bild 7.7, oben), die Auswerferseite dagegen Wärme aus der Grundfläche und aus den Rippen (Bild 7.7, unten). Werkzeug düsenseitig Wärmeströme aus der Grundfläche Wärmeströme aus der Rippenfläche Werkzeug auswerferseitig Bild 7.7 Abführung der Wärme bei der Abkühlung von Formteilen mit Rippen

185 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Die zweidimensionale Darstellung in Bild 7.7 vermittelt den falschen Eindruck, dass lediglich zwei Rippen einen Beitrag zum Wärmestrom leisten. Aufgrund der nicht dargestellten vorderen und hinteren Rippen einer rechteckigen Struktur liefern insgesamt vier Rippen und die Grundfläche einen Anteil zum Wärmestrom. Werden die Rippen unterschiedlich tief gestaltet, verändert sich natürlich auch der Wärmestrom in die Auswerferseite hinein. Tiefe Rippen geben mehr Wärme ab als flach ausgeführte. Bei der Auslegung der Kühlung der Form muss das berücksichtigt werden. Eine Veränderung der Rippentiefe lässt sich bei nachträglichen Änderungen an bestehenden Teilen viel einfacher realisieren als eine Veränderung der Rippengeometrie. Bei vielen Anwendungen können während der Konstruktion noch keine Aussagen über die konkreten Lasten und vor allem über die Lastverteilung getroffen werden. Auch in diesen Fällen möchte man natürlich den Materialeinsatz entsprechend der Belastung konzipieren. Die ist möglich, wenn das Bauteil zunächst mit einer flach gehaltenen Rippenstruktur versehen wird, die unter Umständen nur Rippenansätze abbildet. Nach der Bemusterung wird dieser erste Konstruktionsentwurf einer stetig zunehmenden Einsatzbelastung ausgesetzt. Genau an Stellen, an denen die Belastungen zu besonders starken Verformungen führen, werden in der folgenden Änderungsschleife die Rippen tiefer ausgeführt. So kann man mit einigen Änderungsschleifen, ähnlich wie die Pflanzen in der Natur, eine beanspruchungsgerechte Geometrie wachsen lassen. Bei der Anfertigung der Formen muss bei einer solchen Vorgehensweise beachtet werden, dass der Serienstand für die Kühlung erst nach der endgültigen Festlegung der Rippentiefe festgelegt und umgesetzt werden kann Anbindung der Rippen an die Grundstruktur Damit die Rippe ihre versteifende Funktion erfüllen kann, muss die Verbindung zwischen Grundfläche und diesem Versteifungselement voll gegeben sein. Beim Übergang zwischen Grundfläche und Rippe kommt es zu zwei entgegengesetzt wirksamen Problemen: Auf der einen Seite möchte man die beste Kraftübertragung sicherstellen. Besonders kritisch sind Spannungsspitzen im Rippengrund. Sie sind bei scharfkantigen Übergängen besonders ausgeprägt. Zur Verminderung der Spannungsspitzen im Rippengrund ist eine Verrundung der Geometrieübergänge mit möglichst großen Radien ein sicheres und erfolgreiches konstruktives Mittel. Auf der anderen Seite werden besonders hohe Anforderungen an die sichtbaren Oberflächen gestellt. Sind die Vorderseiten der Grundflächen Sichtflächen, fordert der Kunde einwandfreie Oberflächen und akzeptiert keine lokalen Einfallstellen. Aufgrund der Schwindung des Materials zeichnet sich die Anordnung der Rippen

186 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 7.2 Vervielfältigung. Versteifung mit Rippen 169 auf der Gegenfläche ab. Dies ist auch in der rechten Darstellung von Bild 7.3 an der Trittfläche des Hockers zu erahnen. Hier sind auf der Trittfläche des Hockers die Ansatzlinien der Rippen von der Rückseite ersichtlich. Dies mag für eine selten genutzte und geringwertige Anwendung gerade noch akzeptabel sein, ist aber beispielsweise für hochwertige Elektronikgeräte ein absolutes Ausschusskriterium. In Bild 7.8 ist die Problematik links oben dargestellt. An der Anbindung der Rippe an der Grundfläche kommt eine Materialanhäufung im Sinne von Bild 6.12 vor. Wenn zur Verminderung der Kerbwirkung extrem große Radien an der Übergangslinie zwischen Rippe und Grundfläche vorgesehen sind, liegt auch eine besonders starke Materialanhäufung vor (Bild 7.8, unten Mitte). Bei vielen technischen An wendungen, die dem Auge des Endverbrauchers normalerweise verborgen bleiben, ist dies nicht störend und kann gut akzeptiert werden. Allerdings muss vor allem bei unsymmetrisch angeordneten Rippen mit einem Verzug der Formteile aufgrund der Materialanhäufung gerechnet werden. Wenn aufgrund der Einsatzanforderungen Einfallstellen nicht akzeptabel sind, muss zu deren ursächlichen Vermeidung die Materialanhäufung reduziert werden. Dies ist am einfachsten möglich durch eine Reduktion der Wandstärke der Rippe, wie im Bild 7.8 in der mittleren Darstellung oben gezeigt wird. Wenn die Wanddicke der Rippe um ein Drittel bis zur Hälfte kleiner ist als die der Grundfläche, bekommt man gute Ergebnisse. Bei hochglanzpolierten, sichtbaren Oberflächen und bei Klavierlackoptik - orderid müssen - die Wanddicken der - transid Rippen in Bezug _1D auf die Dicke der Grundfläche noch dünner ausgeführt werden als oben - genannt. Einfallstellen Kerbwirkung Gegen Einfallstellen: Verminderung der Wandstärken der Rippen Lokale Minderung der Wandstärken: Entformungsproblem! Gegen Kerbwirkungen: 45 Bild 7.8 Zwei Probleme am Rippengrund Radien im Rippengrund Nur teilweise angesetzte Radien im Rippengrund

187 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. In der Darstellung von Bild 7.8 Mitte rechts ist in blassen Farben noch eine Möglichkeit dargestellt, die auch immer wieder in anwendungstechnischen Empfehlungen abgebildet wird. Die lokale Reduktion der Wanddicke am Rippengrund ist sehr problematisch bei der Entformung, weil in den meisten Fällen ein Werkzeugkonzept nach dem Auf-Zu-Prinzip Verwendung findet, wie es in Bild 7.7 skizziert wurde. Dann würde sich eine Hinterschneidung im Rippengrund ergeben. Es müssten zur Realisierung dieser Geometrie spezielle Werkzeugelemente eingesetzt werden. Ihre Herstellung ist aufwendig und bedingt eine längere Herstellungszeit der Form. Aufgrund der problematischen Kühlung wird sich die Zykluszeit verlängern. Zusätzlich zu den hohen Kosten für die Anfertigung der Werkzeuge steigen die Produktionskosten der Teile. Die beweglichen Teile im Werkzeug bedingen häufige notwendige Wartungen und das Risiko von Produktionsausfällen. (Vergleiche Abschnitt 5.8) Auf die in Bild 7.8 Mitte rechts dargestellte konstruktive Lösung sollte daher nur dann zurückgegriffen werden, wenn aufgrund anderer Funktionsanforderungen Hinterscheidungen an anderen Stellen der Rippen erforderlich sind. Beispielsweise werden bei einigen Anwendungen Rastfenster in den Rippen geformt, wenn später Teile montiert werden sollen. Die lokale Wanddickenverminderung im Rippengrund kann dann mit den für die zur Erfüllung der anderen Funktionsanforderungen vorgesehenen Innenschiebern mit abgeformt werden. Dabei kommt es auf den jeweiligen Anwendungszweck und die bereits gefundenen Erfahrungen - orderid an, ob - man zunächst die - Grundfläche transid mit _1D einer geringeren Wanddicke - auslegt oder zunächst die Rippen. Beim Entwicklungsprozess bietet es sich an, zunächst Teile mit geringen Wanddicken zu realisieren und zu erproben. In der folgenden Schleife des Ent wicklungsprozesses können dann mit abtragenden Verfahren am Werkzeug größere Wandstärken für das Teil recht einfach realisiert werden. Ein tragfähiger Kompromiss zwischen einer stabilen Anbindung der Rippen an der Grundfläche und möglichst geringen Materialanhäufungen ist in Bild 7.8 unten rechts dargestellt. Die Radien werden hier nicht voll ausgeführt, sondern nur angedeutet. Wählt man den Tangentenwinkel von 45, dann erreicht man die gleiche Wirkung in Bezug auf die Verminderung der Kerbwirkung wie bei einem voll ausgeprägten Radius. Die Materialanhäufung ist dabei aber geringer ausgeprägt als bei einer voll ausgeführten Verrundung wie im Bild 7.8 unten Mitte. Bei besonders hoher Funktionalität der Rippen sollte man zunächst Teile mit geringen Wanddicken und schwach ausgeprägten Radien am Rippengrund fertigen und deren Funktionserfüllung bewerten. Nach diesem Ergebnis kann man dann die Radien im Rippengrund vergrößern, die Wanddicke der Rippen stärker ausführen oder die Tiefe der Rippen vergrößern.

188 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 7.2 Vervielfältigung. Versteifung mit Rippen 171 Wenn hohe mechanische Anforderungen und strenge Vorgaben an das Aussehen der Formteile zusammen erfüllt werden müssen, gibt es grundsätzlich zwei Vorgehensweisen: Die erste Möglichkeit richtet sich an die ursächliche Lösung des Problems. Zunächst führt man die Grundfläche mit relativ geringer Wanddicke aus. Die Stärke der Rippen und deren mechanische Anbindung an die Grundfläche werden solange optimiert, bis die im Einsatz wirkenden Belastungen vom Formteil sicher aufgenommen werden können, erst einmal ohne Rücksicht auf Einfallstellen. Wenn das gegeben ist, vergrößert man die Wandstärke der Grundfläche solange, bis auch die optischen Anforderungen erfüllt werden und die Ursache für die lo kalen Einfallstellen auf der Rückseite der Rippen nicht mehr besteht. Die zweite Vorgehensweise versucht, nach erfolgreicher mechanischer Auslegung der Rippen und deren Anbindung an die Grundstruktur ein akzeptables Aussehen der Teile zu realisieren und die Wirkung der Einfallstellen zu mindern. Besonders deutlich erkennt man Einfallstellen auf polierten, glänzenden Oberflächen. Auch wenn diese zurzeit stark in Mode sind, sollte überprüft werden, ob auf eine angeraute Struktur zurückgegriffen werden kann. Mit einer rauen Struktur auf der gesamten Oberfläche können Einfallstellen überdeckt werden (Bild 7.9, oben Mitte). - orderid Einfallstellen - transid _1D - Raue Struktur auf der gesamten Fläche Raue Struktur nur über der Rippe Aussparung über der Rippe Zurücksetzen der Außenwand Bild 7.9 Möglichkeiten zur Überdeckung von Einfallstellen Alternativ zum gleichmäßigen Anrauen der gesamten Fläche kann eine partielle Strukturierung erfolgen (Bild 7.9, oben rechts). Diese Strukturierung sollte in das Design des Formteils einfließen. So kann neben der Überdeckung von Einfallstellen

189 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. auch eine Information an den Nutzer des Erzeugnisses oder ein Firmenlogo strukturiert werden. Das Muster der Rippen sollte dann von der Information aufgenommen werden oder Bestandteil dieser sein. So kann zum Beispiel ein Logo über einem Wabenmuster graviert werden, um das Unterbewusstsein des Konsumenten auf die besonders hohe Umweltverträglichkeit des Produkts hin zu aktivieren. Eine sehr wirksame Überdeckung von Einfallstellen wird durch eine Aussparung über der Rippe erreicht (Bild 7.9, unten Mitte), die vom Design aufgenommen wird. Damit keine Hinterschneidungen auftreten, ist diese Variante nur für Formteile geeignet, die in Richtung der Rippe entformt werden. Alternativ zu einer Aussparung könnte auch eine angedeutete Rippe aus der Grundfläche hervorstehen. Dies würde zwar den technischen Effekt einer Materialanhäufung verstärken, wird aber dann vom Verbraucher nicht mehr wahrgenommen. Schließlich besteht die Möglichkeit, die Grundfläche über den Rippen aufzubrechen und Teilflächen zurückzuziehen (Bild 7.9, unten rechts). Dies ist eine sehr effektive Möglichkeit, um Einfallstellen zu überdecken. Auch hier muss die Variation vom Design aufgenommen werden und das Gesamterscheinungsbild des Erzeugnisses auf die Maßnahme hin abgestimmt werden. Ob der Ansatz zur Beseitigung der Ursache für Einfallstellen gegangen wird, oder ob man sich auf die Verminderung der Wirkung von Einfallstellen stützen möchte, ist vom konkreten Einsatzgebiet des zu entwickelnden Teils und von den Erfahrungen des - Konstrukteurs orderid - abhängig transid _1D Werkzeugtechnische Umsetzung von Rippenstrukturen Rippenstrukturen sind vom Prinzip her aneinander gesetzte, dreieckige, kastenförmige oder sechseckige Becher. Auf die Gegebenheiten bei der Entformung von becherartigen Formteilen wurde in Abschnitt 5.5 eingegangen. Die dort getroffenen Aussagen gelten grundsätzlich auch für komplexe Rippenstrukturen. Während der Entformung wirken auf die Rippen sehr starke Scherkräfte. Diese dehnen die Rippe in Tiefenrichtung, ziehen sie also von der Grundfläche weg. Bei der Konzipierung der Rippen ist daher besonders auf eine hinreichende Entformungsschräge und vor allem auf eine geringe Reibung in Entformungsrichtung zu achten (Bild 7.10, oben). Eine Möglichkeit, Formteile mit Rippenstrukturen aus der Form zu bekommen, stellt die Verwendung von Flachauswerfen dar (Bild 7.10, unten rechts). Hier können die Auswerferkräfte direkt auf den Rippengrund eingeleitet werden. Allerdings sind Flachauswerfer nicht so gut verfügbar wie Stiftauswerfer und können schnell in Querrichtung ausknicken.

190 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 7.2 Vervielfältigung. Versteifung mit Rippen 173 Entformungswinkel an den Rippen Stiftauswerfer im Zwickel Flachauswerfer unter den Rippen Bild 7.10 Entformung von Rippenstrukturen Damit die verbreiteten Stiftauswerfer verwendet werden können, muss die Rippenstruktur entsprechend gestaltet werden. Bei kastenartigen Rippenstrukturen besteht die Möglichkeit, im Zwickel der Rippen einen einfachen Stiftauswerfer zu platzieren (Bild 7.10, unten links). Damit auch schmale Rippen prozesssicher entformt werden können, sieht man im Rippenzwickel einen Entformungszylinder mit einem Durchmesser vor, der bis zu etwa dem doppelten Wert der Wanddicke der Grundfläche entsprechen kann (Bild 7.11). Diese Materialanhäufung führt allerdings oft zu punktartigen Einfallstellen auf der Grundfläche. Dafür können gut die Auswerferkräfte auf die Rippenstruktur übertragen werden. Noch größere Werte für den Durchmesser der Entformungszylinder bedeuten überdeutliche Einfallstellen, verbessern aber das Entformungsverhalten nicht, weil beim Auswerfen die gesamte Struktur durch die Grundfläche hindurchgedrückt werden kann. Stiftauswerfer Zusätzlicher Entformungszapfen Bild 7.11 Entformung von Rippenstrukturen mit Stiftauswerfern Wird bei der Festlegung der Auswerfer nachlässig gearbeitet, kann eine Verformung der Rippe zunächst in Tiefenrichtung vorkommen. Das Kunststoffmaterial vor dem Auswerfer wird bei der Entformung gestaucht, in den Bereichen zwischen den Auswerfern entsteht ein Langziehen der Rippenstruktur (vergleiche Abschnitt ).

191 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Das kann bis zum lokalen Abriss von Kunststoff führen. Der nicht entformte Materialrest verklemmt im Werkzeug und blockiert an dieser Stelle den Formhohlraum. Die folgenden Teile werden so in den folgenden Produktionszyklen nicht mehr vollständig ausgespritzt. Das Werkzeug muss von der Maschine abgenommen, mühselig zerlegt und vom verbliebenen Kunststoff befreit werden. Die hergestellten Teile entsprechen nicht mehr den auf der Zeichnung festgelegten Forderungen und in der Folge den Ansprüchen der Qualitätssicherung. Diese Serie ist unverkäuflicher Ausschuss und darf nicht zum Kunden gelangen. Die Konstruktion sollte so angelegt werden, dass die Maße für die Tiefe der Rippen mit großzügigen Toleranzen versehen werden können. Beim Werkzeugbau muss auf eine glatte Oberflächenstruktur an den Rippen und auf hinreichende Entformungsschrägen besonderer Wert gelegt werden. Bei der Produktion der Teile muss vor allem auf die Wärmeführung in den Rippenstrukturen geachtet werden. Bei der Entformung müssen diese Strukturen hinreichend erstarrt sein, um Aufzug oder lokales Abreißen von Kunststoff zu vermeiden. Mit den von der Maschinensteuerung vorgesehenen Überwachungen muss sichergestellt werden, dass veränderte Füllvolumen erkannt werden. Die Wartung der Werkzeuge mit Rippenstrukturen muss mit besonderer Sorgfalt erfolgen. Weil die Rippen meist senkrecht zur Trennfläche liegen, ist die Behandlung - dieser orderid Bereiche problematisch. - Wenn transid es nach - dem _1D Abstellen der Werkzeuge - aber zu Korrosion im Bereich der Rippen kommt, ergeben diese oberflächlichen Defekte Hinterschneidungen. Diese zu beseitigen, ist kompliziert und aufwendig. Meist muss eine Neuanfertigung erfolgen. Bleiben die Defekte unerkannt, zerstört man bei der Wiederinbetriebnahme der Form auch noch den Auswerfermechanismus. Wenn die Wanddicken der Rippen gering gehalten oder die Rippen sehr tief geführt werden müssen, hat man Probleme, eine hinreichend große Entformungsschräge zu realisieren. Um auch in grenzwertigen Fällen Formteile herstellen zu können, muss ein erhöhter Aufwand bei der Herstellung des Werkzeugs betrieben werden. Bei der Entformung wird die Rippenstruktur in zwei Schritten freigesetzt. Zunächst fährt man nur die erste Hälfte der Becher frei. Hier stützen die mitfahrenden Kerne die Geometrie der Rippenstruktur. Die eigentliche Entformung erfolgt in einem zweiten Schritt, bei dem die Rippen von den verbliebenen Kernen abgestreift werden (Bild 7.12). So kann das polymere Material sich beim Auswerfen weitgehend zerstörungsfrei deformieren, wenn der Kunststoff von Kern gelöst wird. Es besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu der in Abschnitt 5.10 behandelten Zwangsentformung.

192 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder 7.2 Vervielfältigung. Versteifung mit Rippen 175 Bild 7.12 Freifahren der Kerne zur Entformung von Rippenstrukturen Funktionale Einbindung von Rippen Neben der Funktion Versteifung können Rippen auch zur Erfüllung anderer technischer Aufgaben angewendet werden. So kann mit Hilfe von Rippen eine Fixierung von Bauelementen im Inneren einer vom Design bestimmten Form eingesetzt werden. Das Bild 7.13 zeigt ein solches Anwendungsbeispiel bei einer Handbohrmaschine. Die äußere Geometrie bestimmt der Designer nach ergometrischen Gesichtspunkten und der Wiedererkennung beim Kunden. Die Einbauteile sind technische - Massenprodukte orderid und müssen von - transid dieser Geometrie _1D aufgenommen werden. - Mit Hilfe von Rippen werden die Distanzen zwischen Außenwand und Einbauteil überwunden und nach der Montage der beiden Gehäuse-Hälften wird eine Fixierung der Einbauteile sichergestellt. Bild 7.13 Versteifende Rippen mit Funktionskopplung: Versteifung des Gehäuses und Fixierung der Einbauteile

193 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 7.3 Versteifung mit Schalengeometrie Schalengeometrie als Art des fertigungsgerechten Konstruierens Die in Abschnitt 7.2 behandelten Rippen werden vor allem mit dem Verarbeitungsverfahren Spritzgießen hergestellt. Hier wird der Kunststoff bei der Formgebung beidseitig vom Werkzeug fixiert. Beim Blasformen oder beim Thermoformen wird vom Werkzeug nur eine Seite des Formteils vorgegeben (Bild 7.14). Beim Spritzgießen: beidseitige Formgebung Dreiflächenschnittlinie möglich Beim Thermoformen: einseitige Formgebung Nur Zweiflächenschnitttlinie möglich Bild 7.14 Einseitig und beidseitig abgeformte Kunststoffteile Wenn die Formteile nur einseitigen Werkzeugkontakt haben, ist die Realisierung einer Drei- oder Vierflächenberührung (Bild 7.12) unmöglich. Ungeachtet dessen sollten auch thermo- oder blasgeformte Teile versteift werden. Die ersten Kunststoffflaschen, bei denen die von den Glasverpackungen bekannte glatte Form übernommen wurde, entleerten ihren Inhalt bereits beim ersten Zufassen, weil die dünne und nicht versteifte Kunststoffhaut beim festen Griff auswich. Heute ist das Problem durch umlaufende Einzüge unter dem Flaschenhals und über und unter dem Bereich des Etiketts gelöst. Eine praktische Umsetzung für eine geometrische Versteifung mit lediglich zwei Berührungsflächen zeigt Bild Hier wurde die Grundfläche eines Pflanzgefäßes durch Anordnung von Teilflächen in einer zweiten Ebene versteift.

194 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 7.3 Versteifung oder Vervielfältigung. mit Schalengeometrie 177 Bild 7.15 Versteifung im Bodenbereich eines Pflanzgefäßes Zur konstruktiven Umsetzung Weil das Thermoformen sehr dünne Materialstärken verwendet, wurden besonders viele Erfahrungen zur geometrischen Versteifung an Erzeugnissen gesammelt, die mit diesem Verfahren hergestellt wurden. Gerade bei so produzierten Verpackungen ist geringer Materialeinsatz und hohe Stabilität wichtig. Weil die Kaufentscheidung mehr oder weniger über die Verpackung der Produkte getroffen wird, ist ein ansprechendes - orderid Erscheinungsbild entscheidend. - transid Hier ist _1D es unerlässlich, technisch - erforderliche geometrische Versteifungen vom Designkonzept aufzunehmen und in das Gesamterscheinungsbild des Produkts zu integrieren. Mit schalenartigen Versteifungen wird eine optische Gefälligkeit erreicht. Das Bild 7.16 zeigt ein entsprechendes Anwendungsbeispiel aus dem Spielzeugbereich. Tief ausgeführte Wölbung des Stiels gegen Ausknicken Bild 7.16 Versteifung an einer Kinderschaufel Bei entsprechenden Konkurrenzprodukten ohne geometrische Versteifung gibt es eine Schwachstelle am Geometrieübergang zwischen Schaufelblatt und Stiel. Hier knicken bei starker Belastung die anderen Kinderschaufeln ab. Bei dem hier gezeigten Erzeugnis wurde der Stiel schon tief im Schaufelblatt angebunden und mit einer tiefen Wölbung versehen. So ergibt sich eine deutliche Funktionsverbesserung.

195 Carl Hanser 7 Geometrische Fachbuchverlag. Versteifung Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Auch bei Produkten aus Metall-Blech wendet man geometrische Versteifungen durch Sicken an (Bild 7.17). Im Gegensatz zu Kunststoffprodukten können bei Blecherzeugnissen die Sicken nicht problemlos beim Urformen erzeugt werden, sondern müssen in einem nachträglichen Arbeitsschritt eingedrückt werden. Materialeinzug als versteifendes Element Bild 7.17 Funktionale Versteifung an einem Locher 7.4 Anwendung des Prinzips Wellblech Was bei Verpackungsartikeln Kunden anspricht, sollte auch bei Gebrauchsgegenständen funktionieren. In Bild 7.18 ist ein Kunststoffkoffer gezeigt, bei dem der Deckel mit schalenartigen geometrischen Versteifungen im Sinne eines dreidimensionalen Wellblechs (Bild 7.1, unten) geometrischen versteift wurde. Das Erzeugnis kombiniert eine gewisse Elastizität, um Stoßbelastungen, zum Beispiel beim Verladen auf dem Flughafen, abzufedern mit einer hinreichenden Steifigkeit, um die Inhalte entsprechend formstabil zu fixieren. Der Endverbraucher bekommt so ein leichtes, stabiles und ansprechendes Erzeugnis mit hoher Wertigkeit. Bild 7.18 Versteifungselemente als Designelement bei einem Koffer

196 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte 7.5 vorbehalten. Kombination Keine der unerlaubte Möglichkeiten Weitergabe zur oder geometrischen Vervielfältigung. Versteifung Kombination der Möglichkeiten zur geometrischen Versteifung Bei der Gestaltung von Kunststofferzeugnissen muss man sich nicht auf die Anwendung eines einzigen Mechanismus zur geometrischen Versteifung beschränken, sondern kann gut auf eine Kombination mehrerer Möglichkeiten setzen. Das Bild 7.19 zeigt eine schematische Darstellung für die Umsetzung einer solchen Vorgehensweise. Ein vorgegebener Einbauraum wird von einem Gehäuse umgeben. Die Oberflächen werden zur äußeren Versteifung des Erzeugnisses zurückgezogen. Damit entfernt man sich im äußeren Design von einer rein technischen Funktionalität eines Kastens. Eine zusätzliche Versteifung erreicht man durch innen angesetzte Rippen. Wegen der zurückgesetzten Flächen kommen keine Einfallstellen vor das entspricht der in Bild 7.9 unten rechts gegebenen Empfehlung. Die geometrische Auslegung der Rippen erfolgt so, dass genau der notwendige Freiraum für die Einbauteile gegeben ist und diese so im Montagezustand fixiert sind. Das entspricht dem in Bild 7.13 dargestelltem Prinzip. Nutz- und Einbauraum Bild 7.19 Skizze für eine Anwendung mit zurückgesetzten Rippen In Bild 7.20 wird eine praktische Anwendung gezeigt, die das in Bild 7.19 vor gestellte Prinzip praktisch umgesetzt hat. Bild 7.20 Geometrische Versteifungen an einem Batterieladegerät als Kombination von Verrippung und Sicken

197 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung.

198 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 8 Konstruktive Duktilität 8.1 Duktilität als Konstruktionsforderung Metalle sind unnachgiebig, steif und wirken kalt. Bei vielen Anwendungen sind genau diese Eigenschaften erwünscht, bei anderen weniger. Als industriell hergestellte Polymere noch nicht bekannt waren, konnte man bei Anwendungen, die eine Flexibilität im System erforderten, auf nur wenige Werkstoffe zurückgreifen. Mit den natürlichen Materialien, wie Textilien oder Leder, ließen sich solche Produkte erzeugen, die in zweidimensionalen Ausprägungen für flächig geformte Applikationen zur Verfügung standen. Für dreidimensionale Anwen dungen wurden Wachse oder natürliche Polymere wie Birkenrindenteer, aus Milch gewonnenes Kunsthorn oder Hartgummi verwendet, deren Langzeiteigenschaften - orderid sehr bescheiden ausfielen. - transid _1D - Bereits in der Vergangenheit bestand die Aufgabe, bei Erzeugnissen aus einem unnachgiebigen Werkstoff eine gewisse Flexibilität sicher zu stellen. Die Ritter des Mittelalters waren mit ihren eisernen Rüstungen und Kettenhemden lange Zeit gut gerüstet und geschützt, besonders repräsentativ, aber auch unbeweglich und sicher nicht zu überhören. Duktile Eigenschaften der Erzeugnisse sind beispielsweise bei Fluiddichtungen wichtig. Hier sind Kunststoffe für den modernen Maschinenbau unablässig. Bei den ersten Dampfmaschinen, bei deren Herstellung noch keine synthetischen Polymere zur Verfügung standen, wurde die Abdichtung mit in die Gewindegänge eingelegtem Hanf versucht. Metallisch dichtende Verbindungen erfordern höchste Fertigungspräzision und sind entsprechend aufwendig, vor allem bei Heißdampfanwendungen. Im Kunststoffmaschinenbau werden metallische Dichtungen sehr erfolgreich angewendet, um gegen die pastöse Kunststoffschmelze zu dichten. Die hohe Viskosität der Thermoplastschmelze erlaubt eine viel größere kritische Spaltbreite im Dichtbereich als bei den erwähnten Heißdampfanwendungen. Abgesehen von wenigen Anwendungen, wie beim Hochtemperatureinsatz, kommt heute zur Lösung von Abdichtaufgaben ein Verzicht auf Kunststoffe nicht mehr in Frage.

199 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Der Wunsch nach duktilen Eigenschaften bei bestimmten Erzeugnissen kann heute mit der Verwendung von Kunststoffen bestens erfüllt werden. Durch sehr genau einstellbare Kettenlängen, Verzweigungsarchitekturen und Vernetzungsgrade, beziehungsweise mit der definierten Zugabe von Füllstoffen oder Weichmachern, können die Materialeigenschaften gezielt eingestellt werden. Während die E-Module der vielen verschiedenen Metalle sich im Wesentlichen nur über eine Größenordnung erstrecken, können mit Kunststoffen mehr als drei Größenordnungen für die Steifigkeit abgebildet werden. Eine weitere Anwendung, bei der duktiles Werkstoffverhalten erwünscht ist, resultiert aus der Mensch-Technik-Kommunikation. Wir empfinden es als angenehm, wenn wir nachgiebige Materialien berühren, die sich ungefähr so wie der menschliche Körper anfühlen. Das hat sich zunächst bei der Gestaltung von Spielzeugen durchgesetzt. Das Bild 8.1 zeigt eine Puppe, deren Kopf entsprechend nachgiebig gestaltet wurde. Auch wenn Sammler für Puppen mit Porzellanköpfen mitunter hohe Preise zahlen, werden von den Kindern die Kunststoff-Nachbildungen nachfragt, die dem Originalkörper vor allem beim Anfassen sehr ähnlich sind. Bild 8.1 Kinder mögen nachgiebige Materialien bei ihrem Spielzeug Bei Handwerkzeugen bestanden die Gehäuse vor etwa fünfzig Jahren noch komplett aus Metall. Wenn man mit diesen Geräten arbeitete, fühlten sie sich schwer und kalt an. Später ersetzte man Aluminium- durch Kunststoffgehäuse. Man begriff schnell, dass diese einiges leichter sind, sich angenehm anfühlen und schnell die Tem pe ratur der Hand annehmen. Eine noch angenehmere Haptik und bessere Schwingungsdämpfung erreicht man heute durch elastomere Einlagen in den Haltegriffen. Der Trend zu Soft-Touch-Flächen, die sich allein aus der Schnittstelle Mensch-Technik definieren, ist von der Zahnbürste über das Hundegeschirr bis hin zum Kugelschreiber nicht mehr wegzudenken.

200 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 8.1 Weitergabe Duktilität oder als Vervielfältigung. Konstruktionsforderung 183 Einige technische Systeme funktionieren nur über duktiles Werkstoffverhalten. Wir reisen bequem, weil wir über Luftbereifung aus Elastomer verfügen. Bereits im Ersten Weltkrieg, als eine große Rohstoffknappheit vorherrschte, wurden heute lächerlich anmutende Versuche unternommen, für die Luftbereifung einen Ersatz zu finden. Weitere technische Anwendungen, bei der duktile Lösungen Vorteile bringen, zeigen Bild 8.2 und Bild 8.3. Bei den Schwimmflossen in Bild 8.2 wird die Duktilität so gewählt, dass eine sanfte, wellenförmige Bewegung beim Schwimmen realisiert wird. Bild 8.2 Duktile Schwimmer-Flossen bringen Vortrieb Das Bild 8.3 stellt Metallbügel und Henkel in Kunststoffausführung gegenüber. Gegen eine statische Zugbelastung sind Metallbügel die beste Wahl. Wenn man aber einen schweren - orderid Eimer - längere Zeit tragen - transid muss, schneidet _1D sich der relativ dünne - Draht sehr unangenehm in die Hand ein. Diesen Nachteil kann man noch mit einer zylindrischen Tragehilfe aus Holz oder Kunststoff ausgleichen. Trifft man beim Vorwärtsschwung auf ein Hindernis, ist der Metallbügel so starr, dass dem Träger der Eimer mit seiner Ladung aus der Hand gerissen wird, weil die Fügestelle zwischen Kunststoffeimer und metallischen Bügel versagt. Wird ein Kunststoffbügel verwendet, federt dieser aufgrund seiner Duktilität den Stoß ab. Bild 8.3 Henkel von Eimern in Metall- und Kunststoffausführung

201 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 8.2 Rasthaken Vorteile von Rasthaken Die Verwendung von Rasthaken bei Formteilen aus einem Polymer bietet enorme Vorteile. Mit einer Rastverbindung können Kunststoffteile sicher und preiswert zusammengefügt werden, daher ist diese Verbindungstechnik das am häufigsten angewendete Fügeverfahren für Kunststoffteile. Eine weitere Bezeichnung für diese Fügetechnik ist Schnappverbindung beziehungsweise Schnapphaken. Die Voraussetzung für eine Rastverbindung ist eine gewisse Duktilität des Werkstoffs, damit die Schnapphaken eine entsprechende Montagebewegung schadensarm ausführen können. Weil Metalle diese Voraussetzung nur sehr bedingt erfüllen (siehe Ausführungen in Kapitel 4 und Abschnitt 7.1), bleiben solche Verbindungen vorwiegend Kunststoffteilen vorbehalten. Eine typische Rastverbindung zeigt Bild 8.4, bei der die Rasthaken des weißen unteren Teils durch einen Formschluss im oberen Aufsatz die Fixierung der Einzelteile realisieren. Bild 8.4 Rasthaken als Montageelemente Montagestrategien Es sind lösbare und nicht lösbare Verbindungen möglich. Weiterhin können die Montagestellen nach offensichtlichen oder nicht erkennbaren Verbindungen unterschieden werden. Nur bei einigen speziellen Anwendungen werden die Rastverbindungen direkt vom Kunden vor Ort vorgenommen. Beispielsweise werden Fangkörbe von Rasenmähern in zwei Schalen konfektioniert. Der Endverbraucher findet die beiden Schalen im Karton als Abdeckung des Mähwagens. So kann Verpackungsvolumen klein gehalten werden. Die Verbindung ist offensichtlich und lösbar. Sie muss ohne Montage-

202 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 8.2 Rasthaken 185 vorrichtung, ohne Werkzeuge und bei sehr geringem Kraftaufwand realisiert werden können. Die Konstruktion der Verbindungsstelle muss narrensicher ausgeführt werden. In den meisten Fällen werden aber die Einzelteile beim Produzenten gerastet. Die Schalen werden in speziell angefertigten Aufnahmen fixiert, mit Einbauteilen komplettiert, die obere Schale aufgesetzt und mit einer einfachen Pressvorrichtung zusammengefügt. In der einfachsten Variante werden die Teile von Hand eingelegt und mit einer einfachen Handhebelpresse gerastet (Bild 8.5, links). Bei der Übertragung der Rotation in eine geradlinige Bewegung können die Wege sehr genau eingestellt werden und aufgrund der Hebelwirkung beachtliche Kräfte wirken. Die Dosierung der Kräfte ist vom Bediener abhängig und wenig reproduzierbar. Die einfache Tätigkeit wird oft in Heimarbeit, in Behindertenwertstätten oder im Ausland ausgeführt. Auf eine Handmontage greift man vor allem bei übersichtlichen Serien oder häufig wechselenden Einbauteilen zurück. Auch wenn ein automatisiertes Erfassen von weichen und wenig formstabilen Einbauteilen nur sehr schwer zu realisieren ist, setzt man die Montage von Hand unabhängig von der Stückzahl ein. Hebelpresse Bild 8.5 Weg- und druckgesteuerte Montagekonzepte Kolbenpresse Die automatisierte Montage verwendet man vor allem bei Massenfertigung. Die Einzelteile werden unabhängig vom Montagevorgang erzeugt. Beim Zusammenbau erfolgt zunächst die Separierung und Vereinzelung der Teile. Die Einzelstücke werden in der Montagevorrichtung fixiert, mit Einbauteilen komplettiert und schließlich mit dem Gegenstück zusammengefügt. Der Fügeprozess wird oft mit hydraulisch betriebenen Pressen ausgeführt (Bild 8.5, rechts). Bei dieser Montageeinrichtung kann man sehr genau die Fügekräfte dosieren. Zur Wegbestimmung ist aufwendige Mess-

203 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. technik zur exakten Lagebestimmung der Maschinenteile notwendig. Alternativ zu direkt wirkenden hydraulischen Pressen können auch automatisch betriebene Hebelmechanismen angewendet werden. Neben der Komplettierung sind während des Montageprozesses auch bestimmte Nacharbeiten an den Teilen möglich. So können beispielsweise Durchbrüche gebohrt oder bereits beim Spritzgießen erzeugte Kaliber durch das Hindurchpressen einer Kugel auf ein präzises Endmaß gebracht werden. Bei einer automatisierten Produktion wird die aufwendige Handarbeit reduziert. Es treten aber gegenüber der handwerklichen Fertigung andere Kostenfaktoren in den Vordergrund. Nicht zu unterschätzende Kosten bei einer automatisierten Produktion entstehen durch die Logistik. Der Transport der jeweiligen Einzelteile von der Produktionsstätte in das Lager, die Lagerung selbst und der Transport vom Lager zur Montageeinrichtung sind, gemessen am eigentlichen, formverändernden Produktionsschritt, viel aufwendiger als bei einer Handmontage. Hinzu kommen Aufwendungen für die Qualitätssicherung. Wenn aber die Produktions- und Montageprozesse räumlich und zeitlich miteinander verknüpft werden können, ist eine enorme Reduktion des logistischen Aufwands möglich. Eine integrierte Montage ist oftmals unmittelbar an den Fertigungsprozess angekoppelt. Das Separieren der jeweiligen Einzelteile reduziert sich auf eine Übernahme vom Fertigungsprozess. Im einfachsten Fall beginnt die Nachbearbeitung der Teile - mit orderid (Roboter-)Entnahme aus - transid der Spritzgießmaschine _1D Die entnommenen - Teile haben dann definierte Konditionierungsbedingungen. Darin liegt ein bedeutender technischer Vorteil einer integrierten Montage, weil bei zwischengelagerten Einzelteilen unterschiedliche Temperaturen oder Feuchtegehalte der jeweiligen Lagerpositionen die Materialeigenschaften zusätzlich beeinflussen. Mit den verfüg baren zahlreichen Sonderverfahren des Spritzgießens können viele Montageprozesse in den Verarbeitungsprozess integriert werden. Die höheren Investitionskosten für die Maschinen und Anlagen müssen durch weniger Aufwand für die Nachbearbeitung und die Montage gerechtfertigt sein. Die Anlagen bei einer integrierten Montage sind für das jeweilige Erzeugnis sehr spezifisch. Große Fertigungslose oder zumindest große Stückzahlen für einander ähnliche Teile sind Voraussetzung für eine effiziente integrierte Montage. Weitere Ausführungen folgen in Kapitel 10 speziell in Abschnitt Varianten der Rastverbindungen Um Rastverbindungen erfolgreich zu gestalten, muss man wissen, welche Montagekonzeption vorgesehen ist. In einigen Fällen werden auch Änderungsschleifen sinnvoll sein, die den jeweils aktuellen Sachstand berücksichtigen.

204 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 8.2 Rasthaken 187 Die für die Realisierung der Rastverbindungen notwendigen Deformationen können nach einer Zug-, Biege- oder Torsionsbelastung erreicht werden (Bild 8.6). Beanspruchung auf Zug Beanspruchung auf Biegung Beanspruchung auf Torsion Bild 8.6 Mögliche Belastungen beim Fügen von Rastverbindungen Zugbelastungen werden vor allem auf runde, zylinderartige Teile aufgebracht, wenn eine Dehnung über den Umfang erfolgt (Bild 8.6, links). Biegebelastungen (Bild 8.6, Mitte) kommen an balkenförmigen Rasthaken in der Art der in Bild 8.4 gezeigten Rastverbindung vor. Bei hauptsächlicher Torsionsbelastung (Bild 8.6, rechts) wird weniger der eigentliche Rasthaken, sondern vor allem dessen Anbindung zum Formteil deformiert. Durch ausgeprägte Radien an den Übergängen der Geometrie muss der Kerbwirkung entgegengewirkt werden. Die in Bild 8.6 gezeigten Belastungen stellen Modellvorstellungen dar. In der Realität kommen komplexe, sich überlagernde Belastungen vor. So ist beispielsweise die in Bild 8.6 rechts gezeigte Torsion mit einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Biegung des Rasthakens verbunden. Der Konstrukteur kann mit einer geometrischen Versteifung der Biegung des Rasthakens bewusst entgegenwirken (Kapitel 7) oder durch eine entsprechende lange und dünne Gestalt des Hakens bewusst die geometrische Duktilität des Systems erhöhen. Welchen Einfluss bereits eine geringe geometrische Abweichung auf die Duktilität eines Systems hat, zeigt das in Bild 8.7 skizzierte Beispiel. Besonders bei zylindrischen Einzelteilen kommt es bei dem Ineinanderschieben von Zylindern auf die Passung der Einzelteile an. Bei einer Spielpassung überwiegt eine Verformung der äußeren Schale zur Ellipse. Dann ist eine Biegebelastung charakteristisch für diese Art Verformung. Die Fügekräfte sind überschaubar. Erst wenn sich die innere und äußere Schale berühren, wechselt der Lastangriff von Biegung nach Zug und es

205 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. kommt zu einer Dehnung der äußeren Schale aufgrund einer Zugbelastung. Nun nehmen die Fügekräfte deutlich zu. Biegung zum Oval bis zur Anlage der Oberflächen Inneres Teil Rasthaken Äußeres Teil Zugdehnung über den Umfang ab der Anlage der Oberflächen Bild 8.7 Wechsel der Verformungsmechanismen beim Montieren von Zylinderschalen Wie das Beispiel in Bild 8.7 zeigt, muss die Gültigkeit des angenommenen Modells stets hinterfragt werden. In vielen Fällen muss im Betrieb sichergestellt werden, dass eine Demontage der Teile ausgeschlossen ist. Die Kräfte für eine Demontage müssen entsprechend groß ausgelegt werden. Für den in Bild 8.7 gezeigten Wechsel von Lastverhältnissen folgt die Forderung, dass im montierten Zustand der Lastfall mit den größeren Demontagekräften für alle denkbaren Toleranzlagen sichergestellt sein muss. Wegen der kunststofftypischen Fertigungsungenauigkeiten müssen meist konstruktive Maßnahmen ergriffen werden, um eine unbeabsichtigte Demontage zu vermeiden. In Bild 8.8 ist dazu ein Ausführungsbeispiel gezeigt. Bei der Montage der Kappe erfolgt zunächst eine Deformation der Kappe nach dem in Bild 8.7 links gezeigten Prinzip. Die Kappe wird durch die Biegebelastung zur Ellipse verformt. Die Montagekräfte sind gering. Am Ende des Fügeweges läuft die Kappe auf den umlaufenden Ring des Gehäuses auf. Der Lastangriff erfolgt nun als tangentialer Zug in der Kappe. Die Fügekräfte werden so erst am Ende des Fügeweges stärker. Zwischen der Kappe und dem Gehäuse tritt erst am Ende des Fügeweges starke Reibung auf. Der Montageprozess kann so mit wenig Energie ausgeführt werden. Wenn die geometrischen Voraussetzungen gegeben sind, könnte man die Montagekraft am Ende des Fügeweges aus der Trägheit der beweglichen Teile der Montagevorrichtung realisieren.

206 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 8.2 Rasthaken 189 Presssitz des Deckels wird durch umlaufenden Ring sicher gestellt Bild 8.8 Ein umlaufender Ring am Ende des Fügeweges sichert den positionsgenauen Sitz der Einzelteile Bei der in Bild 8.8 gezeigten Anwendung ist eine ungewollte Demontage kaum möglich, weil die montierte Kappe auf dem umlaufenden Ring des Gehäuses aufgepresst ist. Man müsste mit einem Werkzeug unter die Kappe greifen können, um die Verbindung durch Dehnung des aufgesetzten Einzelteils zerstörungsfrei zu lösen. Mit einer entsprechenden - orderid - Gestaltung kann das - transid Ansetzen eines _1D Werkzeugs ausgeschlossen oder auch bewusst zugelassen und vielleicht noch mit optischen Hinweisen un- - terstützt werden. Wäre der umlaufende Rand am Gehäuse in Bild 8.8 nicht vorhanden, könnte die Kappe auch nach der Montage zur Ellipse verformt und bewusst oder unbewusst demontiert werden. Bei der Verwendung von Kunststoffen ist es nicht einfach, Passungen für das Funktionselement und Toleranzen für die Einzelteile festzulegen. Schon wegen der bei den Kunststoffverarbeitungsverfahren relativ großen, technologisch notwendigen Toleranzen für die Einzelteile, kann nur in Ausnahmefällen mit dem ersten Entwurf die funktionsgerechte Passung gefunden werden. Um komplexe Verformungsmechanismen mit einem einfach zu variierenden Detail abzustimmen, können sich ändernde Last-Zustände bewusst ausgenutzt werden. So erfolgt eine preiswerte Feinabstimmung auf die tatsächliche Toleranzlage der Einzelteile und andere Eigenschaften des Erzeugnisses und die tatsächlichen und aktuellen Bedingungen des Prozesses. Das Bild 8.9 zeigt eine Möglichkeit, die Fügekräfte beim Ineinanderschieben von Zylinderschalen abzustimmen. Mit einem Schlitz in der äußeren Schale wird die vorher geschlossene Geometrie unterbrochen. Während bei geschlossener Geometrie eine Zugbelastung zur Dehnung der Schale vorherrschte, überwiegt bei einer

207 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. geschlitzten Schale eine Biegebelastung. Mit der Tiefe des Schlitzes in der äußeren Schale kann die notwendige Fügekraft und die im Teil vorkommende lokale Deformation des Teils angepasst werden. In Abschnitt wird der Gedanke, das Verformungsverhalten eines Bauteils durch ein mit wenig Aufwand veränderbares geometrisches Detail einstellbar auszuführen, aufgegriffen und vertieft. Inneres Teil Rasthaken Äußeres Teil Lokaler Schlitz am Außendurchmesser Bild 8.9 Mit einer geschlitzten Zylinderschale können die Fügekräfte reduziert werden Nachdem die ersten Teile gespritzt wurden, kann man die ersten Baugruppen zusammenbauen. Damit bestimmt man die Füge- und die Demontagekräfte. Entsprechend der dabei gewonnenen Erkenntnisse erfolgen nun Änderungen an dem betreffenden Detail. Im Beispiel von Bild 8.9 wird die Tiefe des Schlitzes angepasst. Im Werkzeugbau ist diese Änderung sehr viel einfacher, preiswerter und schneller umsetzbar als die Feinabstimmung des Innendurchmessers der Kappe oder des Außendurchmessers der Kappenaufnahme am Gehäuse. Weil die Verbindung nur dann ihre Funktion erfüllt, wenn die Rasthaken in die vorgesehenen Rastfenster eingreifen, muss die korrekte Positionierung der Einzelteile gegeneinander sichergestellt werden. Mit einer Rippe, die vom Gehäuse aus in einen Schlitz in der Kappe greift, ist eine Fehlmontage ausgeschlossen. So werden offene Schlitze und entsprechende Rippen in beziehungsweise an zylinderschalenartigen Fügepartnern zur Sicherstellung der korrekten Position der Teile zueinander genutzt. Wenn ein offener Schlitz unerwünscht ist, kann die Rippenführung auch in geschlossener Form ausgeführt werden. Dann fährt die Rippe nicht mehr in einen offe nen Schlitz, sondern in eine dementsprechend ausgeführte Faltung ein (vergleiche Abschnitt 8.6.4).

208 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 8.3 oder Montagebruch Vervielfältigung. an Rasthaken Montagebruch an Rasthaken Grundsätzliche Lösungsansätze Bei Serienanläufen muss immer wieder festgestellt werden, dass Rasthaken abbrechen. Im Vorfeld ausgeführte Simulationen vermindern das Risiko, können aber einen solchen Fehler nicht ausschließen. Neben dem langwierigen Berechnungsaufwand, der im Vorfeld in die Konstruktion investiert wird, muss ein Entwickler für Abstimmungsaufwand zur endgültigen Auslegung von Rastverbindungen am Teil ebenfalls Zeitreserven einplanen. Wichtig ist, dass mehrere Maßnahmen eingeplant werden, um die Schäden an der Rastverbindung abzustellen. Zur Vermeidung des Brechens der Rasthaken sind technologische und konstruktive Lösungsansätze möglich. Im Serienanlauf sollte man konstruktive Maßnahmen bevorzugen, bei laufender Serie technologische Schritte. Bevor aber bei Problemen mit Montagebruch bei Rasthalten an der Baugruppe konstruktive Veränderungen vorgenommen werden, muss eine technologische Ursache für das Problem ausgeschlossen werden. Ansatzpunkte für technologische Maßnahmen sind in Bild 8.10 dargestellt, denkbare konstruktive Maßnahmen in Bild Technologische Maßnahmen gegen den Montagebruch von Rasthaken Zur Vorgehensweise Kommt es bei Rastverbindungen zum Montagebruch, muss der Fehler nachhaltig abgestellt werden. Dazu ist ein systematisches Vorgehen notwendig. Große Pro bleme bereiten nicht erkannte technologische Ursachen, die nur zeitweise auftreten. Wird den Auswirkungen dieser technologischen Ursachen mit konstruktiven Änderungen begegnet, besteht die Gefahr, dass bei einer Änderung der technologischen Bedingungen die eingebrachten konstruktiven Korrekturen nun eine sichere Montage verhindern. Aus diesem Grund müssen zunächst technologische Ursachen für einen Montagebruch ausgeschlossen werden. Bei der Fehlersuche muss die gesamte technologische Kette betrachtet werden (Bild 8.10, nächste Seite).

209 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Mögliche technologische Lösungsansätze: Sicherstellung der korrekten Materialqualität durch den Wareneingang Materialschädigungen im Herstellungsprozess ausschließen Masse darf nicht zu heiß verarbeitet sein: Massezylinder Heißkanal Zu große lokale Scherung im Werkzeug Feuchteschäden ausschließen Anpassung des Fügeprozesses Fügepartner vorwärmen Fügegeschwindigkeit abstimmen Bild 8.10 Ansatzpunkte für technologische Maßnahmen zur Beseitigung des Montagebruchs von Rasthaken Wenn bei der Bemusterung der Baugruppen die Herstellungs- und Montageprozesse gründlich untersucht werden, hat man bei auftretenden Problemen eine gute Grundlage, schnell kritische Stellen in der technologischen Abfolge zu erkennen. Sollte während - orderid Produktion einmal ein Montagebruch - transid vorkommen, _1D werden genau - diese Stellen der technologischen Abfolge genau untersucht, um die Fehlerursache einzugrenzen Eingangsgrößen für den Prozess Die Sicherstellung der korrekten Materialqualität muss vor allem im Serienanlauf hinterfragt werden, wenn für das Erzeugnis speziell aufbereitete Werkstoffe eingesetzt werden. Während bei den in großen Tonnagen hergestellten Produkten der chemischen Konzerne so gut wie keine Chargenunterschiede mehr vorkommen, ist dies für die in kleinen und mittleren Mengen eingesetzten Aufbereitungs- und Modifizierungstechnologien nicht immer selbstverständlich. Gerade wenn für die Modifizierung des für das Erzeugnis vorgesehenen Werkstoffs die Prozesse neu eingefahren werden müssen, ordert man für die Bemusterung der Werkzeuge Kleinmengen an Material, die nicht dem späteren Serienstand entsprechen. So werden beispielsweise Farbmittel nicht homogen in das Material eingemischt, sondern die Partikel des Granulats oberflächlich mit Pigmenten benetzt. Man spricht hierbei von aufgetrommeltem Farbmittel. Bevor man beginnt, ganze Konstruktionen umzuarbeiten, sollten die Eigenschaften des Ausgangsmaterials hinterfragt werden, vor allem dann, wenn in der Bemusterungsphase auch im Wareneingang die Spezifikation für die durchzuführenden Prüfungen abgeglichen werden müssen.

210 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 8.3 oder Montagebruch Vervielfältigung. an Rasthaken Betrachtung des Herstellungsprozesses für die Bauteile Wenn sichergestellt ist, dass der tatsächlich eingesetzte Werkstoff voll und ganz den Anforderungen entspricht, muss hinterfragt werden, ob während des Verarbeitungsprozesses keine unzulässige Materialveränderung vorkommen kann. Wegen der in Kapitel 1 dargestellten Temperaturempfindlichkeit der Kunststoffe muss eine Überhitzung der Schmelze ausgeschlossen werden. Im Spritzzylinder darf das Material nicht über die maximal zulässige Massetemperatur erhitzt werden. Fehlerursachen sind hier oft falsche oder ungenaue Kalibrierungen des Temperaturmesssystems, stark unterschiedliche lokale Temperaturfelder oder beispielsweise eine zu lange Verweilzeit der Masse im Zylinder. Häufiger als im Aggregat der Spritzgießmaschine kommen lokale Überhitzungen in einem Heißkanal vor. Hier sind fehlerhafte Kalibrierungen keine Ausnahme. Sie werden mit einem Einfrierversuch erkannt. Dazu wird die Temperatur des Heißkanals solange reduziert, bis die Fließfähigkeit, der Durchfluss der Masse, erkennbar eingeschränkt ist. Die beim Einfrieren angezeigte Temperatur sollte in der Größenordnung der Untergrenze des Verarbeitungstemperaturbereiches liegen. Man muss wissen, dass es fertigungstechnisch aufwendig ist, in einem Heißkanal einen strömungstechnisch optimierten Kanal einzubringen. Bei einigen Heißkanälen kommen sogenannte Tot-Räume vor. Das sind Gebiete, in denen das Material kaum bewegt wird und von Schuss zu Schuss ausgetauscht wird. Wegen der langen Verweilzeit - orderid kommt es - zu einer thermischen - transid Schädigung _1D der stehenden Schmelze. - Entdecken kann man die Tot-Räume, wenn man einen Farbwechsel ausführt und lange Zeit noch die alte Einfärbung nachgezogen wird. Schwer nachweisbar sind lokale Überhitzungen durch eine zu starke lokale Scherung. Ist die verwendete Schmelze opak oder farblos, kann man häufig aufgrund der Überhitzung lokale Verfärbungen erkennen. Weitere Informationen können die Verfahrenstechniker aus einer Füllstudie ablesen. Ähnliche Auswirkungen wie eine lokale Überhitzung kann unzureichend getrocknetes Material haben. Besonders bei hydrophilen Thermoplasten, wie Polyamid oder Polybutylenterephthalat, muss auf hinreichende Vortrocknung über die empfohlene Zeit und Dauer geachtet werden. Kritisch ist immer, wenn das Granulat über lange Zeit im Materialtrichter verbleibt und aus der Luft Wasser aufnehmen kann oder wenn Mindermengen des Materials nach einer Unterwassergranulierung nicht ausreichend getrocknet wurden. Für eine Bemusterung sind aber gerade geringe Materialmengen typisch und es kommt häufig zu Produktionsunterbrechungen. Eine nicht immer zuverlässige, aber einfache Möglichkeit zum Erkennen einer nicht ausreichenden Trocknung ist die Beobachtung des Schmelzstrangs beim Abspritzen der Masse, wenn das Aggregat nicht am Werkzeug anliegt. Kann man im Schmelzekuchen Bläschen oder gar Dampfwolken erkennen, liegt der Verdacht auf ungenügende Trocknung nahe. Auch Kondenswasser im Bereich des Materialeinzugs deutet auf feuchtes Material hin.

211 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Betrachtung des Montageprozesses Nicht nur für das Spritzgießen der Einzelteile müssen beim Auftreten von Montagebruch die Prozessparameter an den Rastelementen überprüft werden. Auch beim Montageprozess selbst können Einflussgrößen verändert werden, um das Ausbrechen der Verbindungselemente zu verhindern. Mit einem Vorwärmen der Teile wird erreicht, dass sich die Werkstoffeigenschaften der Kunststoffteile zu duktilerem Verhalten hin verändern. Wenn Montagebruch vorkommt, sollte daher überprüft werden, ob die montierten Teile in einer sehr kalten Umgebung gefügt wurden. Akute Probleme in der Serienfertigung können durch das Vorwärmen der Fügepartner auf höhere Temperaturen entschärft werden. Wenn das Vorwärmen einen zusätzlichen Arbeitsschritt darstellt, erhöhen sich die Produktionskosten. So sollte das Vorwärmen der Fügepartner in der Serienproduktion nur auf die Vermeidung akuter Lieferprobleme abzielen. Ein planmäßiges Vorwärmen der Teile ist nur dann sinnvoll, wenn der Montageprozess mit einem anderweitig notwendigen Arbeitsschritt kombiniert wird, der von sich aus eine Temperaturerhöhung verfahrenstechnisch bedingt, wie es beim Tempern oder Konditionieren der Fall ist. Die Veränderung der Fügegeschwindigkeit erfordert keinen zusätzlichen Arbeitsschritt und ist so mehr oder weniger kostenneutral. Erfolgt der Fügeprozess langsamer, wird die Verglasung der Kunststoffe bei hoher Beanspruchungsgeschwindigkeit - umgangen. orderid Man hat so gute Chancen, - transid mit geringerer _1D Fügegeschwindigkeit - den Montagebruch zu vermeiden. In der Praxis werden aber auch gute Ergebnisse bei einer erhöhten Fügegeschwindigkeit beobachtet. Das widerspricht zwar der Überlegung, dass die amorphen Materialanteile der Kunststoffe bei schneller Beanspruchung verglasen, ist aber der Tatsache geschuldet, dass die Verformung schneller erfolgt, als die Schädigungsmechanismen ablaufen. Um den Montagebruch durch den Prozessparameter Fügegeschwindigkeit zu vermeiden, sollte somit der Effekt sowohl eines schnelleren, als auch eines langsameren Bewegungsablaufes untersucht werden Grundsätzliche konstruktive Möglichkeiten zur Vermeidung des Montagebruchs von Rasthaken Wenn die technologischen Ursachen für den Montagebruch an den Rasthaken ausgeschlossen wurden, kann man konstruktive Lösungsansätze diskutieren. Das Bild 8.11 gibt einen Überblick über sinnvolle Lösungsansätze. Die einzelnen Lösungsansätze sind gleichberechtigt. Welcher am besten geeignet ist, bestimmt die jeweilige Anwendung und das jeweilige Umfeld. Im Folgenden werden die einzelnen Maßnahmen diskutiert.

212 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 8.3 oder Montagebruch Vervielfältigung. an Rasthaken 195 Mögliche konstruktive Lösungsansätze: Kerbwirkungen beseitigen Länge des Biegebalkens vergrößern Höhe des Biegebalkens vermindern Reduktion der Durchbiegung Problem: Rasthaken brechen bei der Montage Lösungsansatz Zusätzlichen Verformungsmechanismus zulassen Technische Lösung nach einem alternativen Verformungsmodell Kombination aus mehreren Mechanismen Bild 8.11 Mögliche konstruktive Maßnahmen zur Vermeidung des Montagebruchs von Biegerasthaken Beseitigung der Kerbwirkung Oft brechen Rasthaken, weil die Anbindung des Rastelements an die Grundstruktur des Kunststoffteils scharfkantig und ohne Geometrieübergänge erfolgte. Im Bereich dieser Anbindung entstehen dann beim Montagevorgang Spannungsspitzen. Durch das Einbringen eines Radius oder einer Fase können diese vermindert oder beseitigt werden. Ästhetisch ansprechend und gleichzeitig funktionell ist die Ausführung in einem Viertelkreis oder einer 45 -Fase, wie es in Bild 8.12 in der Mitte dargestellt ist. Allerdings ist in vielen Fällen die Ausprägung des Radius begrenzt. In Bild 8.12 werden für Verrundungen über eine Bogenlänge von 90 und von 45 die realisierbaren Radien gezeigt. Es wird deutlich, dass die über 45 tangential angebundenen Radien eine stärkere ausgeprägte Rundung realisieren können (Bild 8.12, rechts) als Verrundungen über eine Bogenlänge von 90. Damit erfüllen sie nicht nur einen ästhetischen Anspruch, sondern sind auch funktionell zur Reduktion der Spannungsspitzen besser geeignet.

213 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Problem: Rasthaken brechen bei der Montage Lösungsansatz: Spannungsspitzen beseitigen Vierteilkreis-Radius oder 45 -Fase setzen Achtelkreis-Radius oder 22,5 -Fase setzen Bild 8.12 Besser geeignete Geometrieübergänge zur Vermeidung des Montagebruchs von Biegerasthaken Eine Fase kann mit geringerem Fertigungsaufwand eingebracht werden als ein Radius. - Allerdings orderid hat - das Formteil dann - transid eine leicht höhere _1D Masse und weist -Kanten auf, an denen erneut Spannungsspitzen, wenn auch mit geringerem Niveau, auftreten werden. Die mit 22,5 angebundene Fase hat in Bezug auf die Vermeidung von Spannungen an der Übergangsgeometrie einen deutlichen Vorteil gegenüber der 45 -Fase Vergrößerung der Biegelänge Ein Montagebruch von Rasthaken kann auch durch die Verlängerung der Biegelänge verhindert werden (Bild 8.13). Zum einen besteht die Möglichkeit, den Rasthaken länger aus dem Gehäuse heraus wachsen zu lassen (Bild 8.13, Mitte). Dann muss aber ebenfalls das Rastfenster am Montagepartner verschoben werden. So müssen zwei Werkzeuge geändert werden. Alternativ kann man die Biegelänge des Rasthakens verlängern, indem man den Haken in die Grundstruktur des Kunststoffteils einsenkt, wie in Bild 8.13 rechts gezeigt. Zur Vermeidung von Spannungsspitzen kann man am Grund der Schlitzung entsprechende großzügig angelegte Radien setzen.

214 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 8.3 oder Montagebruch Vervielfältigung. an Rasthaken 197 Lösung: Rasthaken verlängern Lösung: Gehäuse schlitzen Problem: Rasthaken brechen bei der Montage Lösungsansatz: Mehr Balkenlänge geben Bild 8.13 Verlängerung des Rasthaken zur Vermeidung des Montagebruchs Eine praktische Umsetzung dieser Idee zeigt Bild 8.14, bei dem die Schlitze auch durch die Körperkanten hindurch geführt wurden. Bild 8.14 Rasthaken folgen der Geometrie über Kanten hinweg Veränderungen am Querschnitt des Rasthakens Ein dicker Biegebalken lässt eine geringere Deformation als ein dünner zu. In vielen Fällen wünscht man eine steife Konstruktion und wählt hinreichende Wandstärken, Doppel-T-Profile oder greift auf eine Sandwichkonstruktion zurück. Um den Montagebruch abzustellen, kommt es darauf an, eine zusätzliche Durchbiegung zu realisieren. Hier darf Wanddicke nicht aufgetragen werden, sie muss sogar reduziert werden, um das Abbrechen der Rasthaken zu vermeiden (Bild 8.15, Mitte).

215 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Lösung: Rasthaken schmaler Lösung: Rasthaken verjüngen Problem: Rasthaken brechen bei der Montage Lösungsansatz: Weniger Balkendicke geben Bild 8.15 Reduzierung der Balkendicke zur Vermeidung des Montagebruchs von Biegerasthaken Die bloße Reduktion der Dicke des Rasthakens ist wegen anderer Funktionen, die vom Rasthaken erfüllt werden müssen, nur bis zu einem bestimmten Wert möglich. Beispielsweise darf im montierten Zustand und im Betrieb eine bestimmte Abzugskraft für die Kappe nicht unterschritten werden, damit die Baugruppe funktioniert. Wird - nur orderid die Wanddicke des Rasthakens - transid reduziert und _1D am Gehäuse keine Veränderung vorgenommen, kommt es an der Anbindung des Rasthakens zu Spannungs- - spitzen, die erneut ein Schädigungspotenzial haben. Eine oft gesehene Möglichkeit ist die Verschlankung des Rasthakens ausgehend vom Gehäuse mit der Verjüngung zum Hinterschnitt hin. So bleibt die Anbindung am Gehäuse in unveränderter Wanddicke erhalten, die schädigungsfreie Durchbiegung des Rasthakens wird aufgrund der Verjüngung vergrößert. Zur Vermeidung des Abbrechens eines dünnwandigen Rasthakens an der Anbindung am Gehäuse wäre prinzipiell auch eine gleichmäßige Reduktion der Wanddicke zusammen mit einer überarbeiteten Anbindung des Rastelements am Gehäuse entsprechend Bild 8.12 möglich Verminderung der Durchbiegung Eine weitere Möglichkeit, den Montagebruch bei Rasthaken zu vermeiden, ist die konstruktive Reduzierung der Durchbiegung. Möglich wird das bei einer verminderten Hinterschneidung beim Einrasten. Dazu wird die Länge der Rastnase gekürzt. Die in Bild 8.16 Mitte gezeigte Variante, bei der die Rastnase in Balkenrichtung zurückgesetzt wird, ist ungünstig, weil in diesem Fall auch an der Kappe das Rastfenster versetzt werden muss.

216 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 8.3 oder Montagebruch Vervielfältigung. an Rasthaken 199 Lösung: Hinterschnitt des Rasthakens einkürzen Lösung: Hinterschnitt des Rasthakens schmaler Problem: Rasthaken brechen bei der Montage Lösungsansatz: Durchbiegung reduzieren Bild 8.16 Reduzierung der Durchbiegung zur Vermeidung des Montagebruchs von Biegerasthaken Einfacher ist es, die Position der Rastnase unverändert zu lassen und sie in der Tiefe zurückzunehmen (Bild 8.16, rechts). Mit dieser Art Änderung wird dem Montagebruch der Rasthaken entgegen gewirkt, ohne dass die Konstruktion der Kappe überarbeitet - werden orderid muss transid _1D Zusätzliche, alternative Verformungsmechanismen Wenn es nicht ausreicht, unter den für das jeweilige Erzeugnis vorgegebenen Randbedingungen die Biegung durch Variation der einflussnehmenden geometrischen Variablen so zu beeinflussen, dass kein Montagebruch mehr vorkommt, müssen andere Alternativen gefunden werden. Ein Ansatz ist, zusätzlich zur Biegung eine weitere Verformung zuzulassen. Für diesen Lösungsansatz sind in Bild 8.17 zwei Ausführungsbeispiele gezeigt. In der mittleren Darstellung von Bild 8.17 wird die ursprünglich freie Biegung durch eine fixierte Biegung ersetzt. Der hinter dem Rasthaken angesetzte Werkzeugdorn gibt dem Rasthaken eine gewisse Fixierung. So kann eine zu starke Auslenkung des Rasthakens am Übergang zum Gehäuse vermieden werden. Neben der Biegung wird durch den Dorn noch eine Zugbelastung auf den Rasthaken übertragen. Die Idee, die Verformung mit einem zusätzlichen Lastfall aufzunehmen, ist in Bild 8.17 rechts umgesetzt. Hier wurde im Gehäuse unterhalb des Rasthakens eine Aussparung blockiert. Ergänzend zur Biegung des Rasthakens kann so zusätzlich eine Torsion in der Wandung des Gehäuses zwischen Rasthaken und Aussparung erfolgen.

217 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Lösung: Zugöse für Montage Lösung: Torsion im Balkengrund Problem: Rasthaken brechen bei der Montage Lösungsansatz: Zusätzlicher Verformungsmechanismus Bild 8.17 Zulassen weiterer Verformungsmechanismen zur Vermeidung des Montagebruchs von Biegerasthaken Alternatives Konstruktionsprinzip für die Rastverbindung Wenn die genannten Möglichkeiten zur konstruktiven Vermeidung des Montagebruchs immer noch nicht ausreichen, sollte über eine grundsätzliche Neukonstruktion nachgedacht werden. Die Rasthaken können gut dimensioniert und nachgerechnet werden, wenn sie als einfacher gestreckter Biegebalken ausgeführt sind. Andere geometrische Formen erfüllen aber die gewünschte Funktion vielleicht besser. Das Bild 8.18 zeigt hierzu ein Beispiel, bei dem der Rasthaken nicht mehr linear, sondern bogenförmig ausgeführt wurde. Lösung: Geschwungene Rasthaken realisieren mehr Verformung Problem: Rasthaken brechen bei der Montage Lösungsansatz: Alternatives Verformungsmodell Bild 8.18 Zur Vermeidung des Montagebruchs von Biegerasthaken werden mit alternativen Konstruktionen andere Belastungsmechanismen ausgewählt

218 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 8.4 Alle Rechte Vermeidung vorbehalten. einer Keine unbeabsichtigten unerlaubte Weitergabe Demontage oder Vervielfältigung. von Rastverbindungen 201 Eine in Bild 8.18 gezeigte Geometrie ist gut geeignet, um einen Toleranzausgleich zu realisieren. Weil die Berührungsebene zwischen Rasthaken und Auflagefläche schräg gelegt ist, können leichte Längenunterschiede des Rasthakens ausgeglichen werden. Allerdings ist bei einer solchen Art der Konstruktion die notwendige Abzugskraft für die Kappe geringer als bei der Verwendung von gerade ausgeführten Biegebalken. Wird ein umlaufender Ring am Gehäuse angebracht, der einen Presssitz zur Kappe nach dem in Bild 8.8 gezeigten Prinzip realisiert, kann die notwendige Abzugskraft der Kappe erhöht werden. Wird dieser Gedanke konsequent weitergeführt, könnte man auch die Verbindung zwischen Gehäuse und Kappe allein durch Zapfen realisieren. 8.4 Vermeidung einer unbeabsichtigten Demontage von Rastverbindungen Allgemein stellt neben dem Brechen der Rasthaken bei der Montage eine ungewollte Demontage der Kappe ein häufiges Problem beim Fügen mit Rastverbindungen dar, auch wenn gestreckte Rasthaken verwendet werden. Neben der in Bild 8.8 gezeigten Möglichkeit gibt es natürlich noch weitere konstruktive Varianten, die eine unbeabsichtigte Demontage verhindern. In Bild 8.19 wird eine sehr wirksame Möglichkeit gezeigt, die das Ausbiegen der Rastnase aus dem Rastfenster vermeidet. Der am Gehäuse fixierte Rasthaken wird durch einen an der Kappe angebundenen Blockierungssporn fest im Rastfenster gehalten. So wird ein Lösen der Rastverbindung durch das Zurückbiegen des Rasthakens sicher verhindert. Allerdings ist diese Art der Verbindung in der Regel nach der Montage nicht mehr lösbar. Durch die Anwendung des Blockierungssporns muss mit erhöhten Montagekräften gerechnet werden. Die Demontagekräfte sind meist so groß, dass es zu einem Versagen eines der beiden Fügepartner in einem Bereich außerhalb der Fügeverbindung kommen würde. Wenn eine Demontage aber erwünscht sein sollte, darf man den Blockierungssporn nur rudimentär ausbilden oder man muss die Verwendung von Demontagewerkzeugen vorsehen. Diese kann man auch ganz bewusst sehr exotisch gestalten, um nur einem autorisierten Fachmann zerstörungsfrei den Zugang zum Inneren der Baugruppe zu gewähren. Das ist beispielsweise bei spannungsführenden Elektroartikeln sinnvoll.

219 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Lösung: Blockierungssporn setzen Problem: Rasthaken öffnen nach der Montage Lösungsansatz: Öffnungsbewegung verhindern Bild 8.19 Gegen ein unbeabsichtigtes Öffnen der Rasthaken greift ein Blockiersporn an Wenn die genannten Möglichkeiten nicht zum Erfolg führen, um ein unbeabsichtigtes Lösen der Verbindung sicher zu vermeiden, muss über eine alternative Grundkonstruktion nachgedacht werden. Eine naheliegende Lösung zeigt Bild Die Rasthaken greifen hier von Innen in die - Rastfenster. orderid So - wird ein Abbrechen - transid durch äußere _1D (Fehl-)Beanspruchung - im Betrieb nahezu ausgeschlossen. Als weitere Maßnahme werden im Bild 8.20 auch Sporne zum Fixieren der Rasthaken gesetzt. So wird die Demontage der Kappe vom Gehäuse durch nicht autorisierte Benutzer verhindert. Lösung: Gehäuse schützt Rasthaken Problem: Rasthaken öffnen nach der Montage Lösungsansatz: Bemerkung: Rasthaken werden unzugänglich Kombination mit Blockierungssporn bietet sich an Bild 8.20 Gegen ein unbeabsichtigtes Öffnen der Rasthaken werden kritische Bereiche ins Innere der Baugruppe verlagert

220 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 8.5 Weitere Weitergabe duktile oder Vervielfältigung. Konstruktionselemente 203 Auch eine Konstruktion entsprechend Bild 8.18 kann durch die Verwendung von Blockierungen für die Rasthaken vor einem nicht autorisierten Öffnen der Baugruppe geschützt werden. Die Fügeverbindungen mit den oben diskutierten Rasthaken funktionieren wegen der elastischen Eigenschaften des Kunststoffs. Die Biegebalken der Rasthaken aus Kunststoff lassen sich stärker deformieren als eine geometrisch identische Metallkonstruktion. Neben der Verbindung von Einzelteilen durch Rasten lassen die elastischen Eigenschaften von Kunststoffen aber noch weitere Funktionen zu, die so mit anderen Werkstoffen nicht realisiert werden können. 8.5 Weitere duktile Konstruktionselemente Ein Beispiel für die Funktion eines federnden Kunststoffelements zeigt Bild 8.21, das einen Verschluss eines Tablettenröhrchens darstellt. Die Hauptfunktion des Bauteils ist der sichere Verschluss des Behältnisses. Als zusätzliche Funktion realisiert das angespritzte federnde Element die Lagefixierung der Tabletten und verhindert so das Abschlagen von Material aus den Tabletten beim Aneinanderschlagen sowie ein Klappern der Ware auf dem Weg zum und beim Kunden. Alternativ könnte - diese orderid Funktion - durch ein Teil aus - transid weichem Material _1D erfüllt werden, das - auf die Tabletten aufgelegt wird. Bild 8.21 Kunststofffeder gegen Klappergeräusche in Tablettenröhrchen

221 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 8.6 Möglichkeiten zur Verbesserung der Duktilität Überblick Federelemente aus Metall sind meist eigenständige Bauteile, die montiert werden müssen und vor allem eine duktile Funktion erfüllen. Kunststofffedern werden als Konstruktionselement an ein Bauteil angefügt. Die Kunststoffbauteile mit Federelementen haben neben der Duktilität noch eine ganze Reihe weiterer Funktionen. Diese Gestaltungen entsprechen einer integralen Bauweise. Die Duktilität der federnden Elemente aus Kunststoff kann durch: eine besonders duktile Materialkomponente, die an das Grundteil zum Beispiel im Mehrkomponentenverfahren angespritzt wurde, Schlitzen des Grundteils oder Faltungen am Grundteil realisiert werden. Im Gegensatz zu Metallfedern sollten federnde Elemente aus Kunststoff nicht ständig belastet werden Anspritzen einer weichen Komponente Das Anspritzen einer duktilen Komponente ist teuer, weil es zusätzlichen technologischen Aufwand und aufwendigere Maschinentechnik erfordert (Bild 8.22). Die Anfertigung von geeigneten Werkzeugen setzt einen kompetenten Partner für den Formenbau voraus. Auch wenn die weiche Komponente am Grundteil fixiert ist und damit die logistischen Anforderungen geringer sind als bei Metallkonstruktionen in Differentialbauweise, setzt diese Lösung die Idee der Bauteilintegration nur teilweise um. Eine konstruktive Herausforderung ist die Gestaltung der Geometrie am Werkstoffübergang. Am Übergang von hartem und weichem Material müssen Spannungsspitzen vermutet werden, die zum Ablösen der Komponenten führen können. Wie bei Klebebändern sollten kehlende Belastungen vermieden werden. Druckbelastungen auf die weiche Komponente werden vom System am besten verkraftet, Scherbelastungen sind jedoch möglich, ein Zug an der weichen Komponente führt zur Ablösung. Weitere Ausführungen zum Mehrkomponentenspritzgießen, mit dem diese Hart- Weich-Verbindungen hergestellt werden, erfolgt in Kapitel 10 in Abschnitt

222 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine 8.6 unerlaubte Möglichkeiten Weitergabe zur oder Verbesserung Vervielfältigung. der Duktilität 205 Problem: Kappe muss duktiler werden Lösungsansatz: Duktile Komponente anspritzen Bild 8.22 Erhöhung der Duktilität durch Einsatz einer duktilen Materialkomponente Schlitze an becherartigen Formteilen Wesentlich eleganter, einfacher und kostengünstiger ist die Realisierung der Duktilität der - orderid Baugruppe - durch eine geometrische - transid Modifikation _1D Dann kann man -sich nur auf ein echtes Einzelteil beschränken, hat weniger logistischen Aufwand bei der Materialhaltung und kann eine robuste Fertigung entweder automatisieren oder lohnkostenoptimiert verorten. Grundsätzlich kann die geometrische Duktilität einer Baugruppe durch Schlitzen (Bild 8.9 und Bild 8.23) oder durch Falten (Bild 8.24) realisiert sein. Das Einbringen von Schlitzen in die Geometrie ist fertigungstechnisch einfach zu realisieren. Die Schlitze können senkrecht zur oder in Entformungsrichtung beim Öffnen der Form frei gefahren werden. Das Schlitzen einer Geometrie eignet sich gut zur nachträglichen Abstimmung und zum Feinabgleich der geometrischen Duktilität einer Baugruppe. Dann bietet es sich an, bei der Herstellung der Werkzeuge die Kerne für die Schlitzgeometrie als Einsatz auszuführen, um eine zügige Anpassung zu ermöglichen. Damit können gut Schlitze zu Feinabstimmung der Elastizität einer Geometrie abgeglichen werden (vergleiche Bild 8.9). Die Schlitze sollten nicht zu schmal gewählt werden, um die Stabilität der Kerne zu gewährleisten. Die Breite sollte größer als die Höhe sein.

223 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Problem: Kappe muss duktiler werden Lösungsansatz: Gehäuse schlitzen Bild 8.23 Verbesserung der Duktilität einer Kappe durch Schlitzen der umlaufenden Struktur Am Ende der Schlitze können Spannungsspitzen auftreten. Die Übergänge sollten immer gerundet werden. Unter Umständen kann auch der Durchmesser der Rundung größer gewählt werden als die Breite des Schlitzes und eine Gestaltung wie in Bild 8.13 gezeigt gewählt werden. Aufgrund - orderid im Formteil vorhandenen - transid Eigengenspannungen _1D muss man -entlang des Schlitzes mit einer unterschiedlichen Breite rechnen. Häufig kommt ein Verzug der Teile im Bereich der Schlitze vor. Oftmals wird mit den Schlitzen das äußere Erscheinungsbild der Erzeugnisse nachteilig beeinflusst. Mitunter gelingt es, Schlitze als Elemente des Designs zu nutzen Faltungen an Schalenelementen In einigen Fällen können Schlitze nicht angewendet werden, beispielsweise, wenn im Inneren der Baugruppe Einbauteile von Umgebungseinflüssen geschützt werden sollen. Dann kann man zur Erhöhung der Duktilität der Baugruppe auf eine Faltung zurückgreifen (Bild 8.24). Im Gegensatz zu Schlitzen kann eine Faltung nur in eine Richtung entformt werden. Die Gestaltungsfreiräume sind hier also geringer. Wegen der Elastizität der Geometrie kann aber auch über eine Zwangsentformung nachgedacht werden (vergleiche Abschnitt 5.10). Vorteilhaft bei einer Faltung ist, dass die Baugruppe geschlossen ausgeführt wird und Einbauten so vor Umwelteinflüssen geschützt sind. Beim Design der Erzeugnisse können Faltungen besser abgebildet werden als Schlitze und besser in das äußere Erscheinungsbild einbezogen werden.

224 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 8.7 Zur Modifikationen oder Vervielfältigung. von Gehäusen 207 Problem: Kappe muss duktiler werden Lösungsansatz: Gehäuse auffalten Bild 8.24 Verbesserung der Duktilität einer Kappe durch Auffaltung 8.7 Zur Modifikationen von Gehäusen Die Prinzipien Schlitzen und Faltung können auch angewendet werden, um spezielle Funktionselemente zusätzlich an einem Bauteil zu integrieren. Als Beispiel soll ein Gehäuse für ein Elektroerzeugnis dienen. Eine wichtige Funktion ist hier die Betätigung eines Tasters. Das Schaltelement ist auf einer Platine fixiert und befindet sich in kurzem Abstand hinter dem Gehäuse. Aus dem Alltag kennt man solche Funktionen von Fernbedienungen oder einer Taschenlampe. Bei klassischen Konstruktionen wird im Gehäuse ein Einbauraum frei gelassen und ein zum Gehäuse passendes Tastelement auf den Mikroschalter aufgesetzt. Durch Integration kann die Anzahl der Einzelteile reduziert und das Erzeugnis qualitativ hochwertiger und moderner umgesetzt werden. Das Bild 8.25 zeigt einen in das Gehäuse integrierten Taster, der aufgrund der ausgearbeiteten Schlitze ausreichend Elastizität aufweist, um den Mikroschalter zu betätigen. Mit der Länge der Schlitze kann die Duktilität abgestimmt werden. Die aufgebrachten erhabenen Noppen in Form von Kugelschnitten haben hier die Funktion, dass der Bediener die Schaltfunktion ertasten kann. Der Nachteil bei dieser in Bild 8.25 gezeigten Ausführung ist, dass Staub, Feuchtigkeit und Nässe durch den Schlitz hindurch an die Platine gelangen können.

225 Carl Hanser 8 Konstruktive Fachbuchverlag. Duktilität Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Funktionstaster Schlitz, um Duktilität zu realisieren Platine mit Funktionselementen Funktionstaster Bild 8.25 Ins Gehäuse integrierte Taster geschlitzt Das Bild 8.26 zeigt eine Ausführung, die das Prinzip der Faltung anwendet, um die geometrische Duktilität für die sichere Realisierung der Tastfunktion zu steigern. Äußerlich sind konzentrische Kreise wahrnehmbar, die die Aufmerksamkeit des Bedieners erregen und ihm die Schaltfunktion suggerieren. Weil das Gehäuse geschlossen bleibt, werden die Umweltmedien von der Platine ferngehalten. Eine Abstimmung der Duktilität kann durch eine Variation der Wanddicke im Bereich der Faltung erfolgen. Die Duktilität des Funktionselements Taster kann durch das Einbringen einer zusätzlichen konzentrischen Faltung weiter gesteigert werden.

226 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 8.7 Zur Modifikationen oder Vervielfältigung. von Gehäusen 209 Funktionstaster Wanddicke lokal vermindert, um Duktilität zu realisieren Platine mit Funktionselementen Funktionstaster Bild 8.26 Taster ins Gehäuse integriert geschlossene Ausführung

227 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung.

228 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 9 Veränderliche Geometrie 9.1 Begriffsbestimmung Entsteht eine Konstruktion am PC oder früher am Reißbrett ist sie statisch und unbeweglich. Sehr viele Einsatzgebiete verlangen aber die Veränderung der Geometrie. Im wahrsten Sinne des Wortes kann man das begreifen, wenn man ein neu erworbenes technisches Gerät auspackt. Um einen effektiven Transport zu ermöglichen, werden die wenigsten technischen Erzeugnisse im einsatzfähigen Zustand ausgeliefert. Beim Kunden wird die Lieferung dann für den eigentlichen Einsatzzweck verändert, das Gerät wird aus der Transportgeometrie in die Einsatzgeometrie überführt. Das Grundprinzip einer veränderlichen Geometrie zeigt Bild 9.1 an einem Beispiel. Die Gestalt - orderid des hier gebauten Spielzeugautos - transid lässt sich - durch _1D eine Veränderung - des Winkels der Stützstreben im Bereich des Fahrerhauses unkompliziert verändern. Bild 9.1 Unterschiedliche äußere Gestalten durch eine einfache Veränderung der Geometrie Aufgrund der Anordnung der Streben und deren gegenseitiger Befestigung mit Freiheitsgraden kann die Gestaltänderung ohne Demontage ausgeführt werden. Das Bild 9.2 zeigt ein weiteres Beispiel aus dem Spielzeugbereich.

229 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 9.2 Spielzeug mit veränderlicher Geometrie In der linken Darstellung von Bild 9.2 ist das Plastikspielzeug verpackungs- und lagerfreundlich zusammengefaltet. Zieht man die gegenüber liegenden Elemente voneinander weg, faltet sich der Gegenstand zu einem kugelförmigen Gebilde auf (Bild 9.2, rechts). Das Ganze ist reversibel, das heißt, werden gegenüberliegende Sterne aufeinander zu gedrückt, faltet sich das Spielzeug wieder zusammen. Die Anwendung verdeutlicht in sehr eindrucksvoller Weise, wie eine veränderliche Geometrie funktionieren kann. Das Funktionsprinzip der veränderlichen Geometrie erfährt der Kunde beim Möbelkauf mit Selbstmontage. In dieser Industrie herrscht ein starker Wettbewerb und die Transportkosten beeinflussen den Preis stark. Mit der Idee, vorgefertigte Bretter zu verkaufen, die der Kunde zu Hause selbst zu einem Möbelstück zusammenfügt, sicherte sich vor einigen Jahrzehnten ein bekanntes schwedisches Möbelhaus enorme Marktanteile. Wenn im gezeigten Beispiel Möbelkauf durch eine geschickte Gestaltung der Baugruppe und mit einer Veränderung der Geometrie Wettbewerbsvorteile gesichert werden können, sollte nach einer Verallgemeinerung des Prinzips gesucht werden. Das Bild 9.3 gibt dazu eine schematische Übersicht. Unterscheiden muss man zwischen einer veränderlichen Geometrie bei unterschiedlichen Abschnitten des Produktlebenszyklus und einer veränderlichen Geometrie zur Sicherstellung einer bestimmten Funktion. Das erwähnte Beispiel Möbelkauf, bei dem der Kunde Bretter zum Regal zusammenbauen soll, wendet eine veränderliche Geometrie in unterschiedlichen Phasen des Produktlebenszyklus an. Hier wird für den Transport und die Lagerung der Ware eine andere Geometrie gewählt als bei der Nutzung als Möbelstück. Grundsätzlich sind bei allen Übergängen zwischen den Abschnitten des Produktlebenszyklus oder zwischen einzelnen Nutzungsphasen Geometrieänderungen mög lich. Häufig werden voluminöse Anlagen beim Hersteller aufgebaut, getestet,

230 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 9.1 Begriffsbestimmung 213 wieder abgebaut, zum Kunden transportiert und dort einsatzfähig errichtet. Bei der Gestaltung muss die Veränderung der Geometrie für die jeweiligen Nutzungsphasen natürlich berücksichtigt werden. Auch die Reparaturfreundlichkeit eines Produkts kann durch die Anwendung einer veränderlichen Geometrie verbessert werden. Veränderliche Geometrie In unterschiedlichen Poduktlebenssphasen Veränderliche Geometrie als funktionales Merkmal Herstellung Transport Testung Nutzungsphase Nachnutzung Recycling Funktional genau zwei alternative Zustände Funktional zwei Zustände mit zulässiger Zwischenstellung Funktionaler Zustandswechsel zwischen zwei Endpunkten Bild 9.3 Schema zum Begriff Veränderliche Geometrie Ist das Ende der Nutzung des Produkts im ursprünglichen Anwendungsfall erreicht, kann eine Veränderung der Gestalt sinnvoll sein, wenn so die Entsorgung des betreffenden Erzeugnisses hinausgezögert oder das Recycling des Produkts erleichtert wird. Beispielsweise können viele Tetrapacks nach der Nutzung flach zusammengefaltet werden, um das Entsorgungsvolumen zu minimieren. Andere Kunststoffverpackungen aus dem Lebensmittelbereich können als Aufbewahrungsbehälter nachgenutzt werden. Eine Brotdose ist ein Beispiel für eine veränderliche Geometrie als funktionales Merkmal. Nur durch die Möglichkeit des Öffnens uns Schließens ist die Funktion gegeben. Auch zur Ausführung von Schaltvorgängen bei elektrischen oder hydraulischen Anlagen sind Änderungen der Geometrie der Baugruppe funktional erforderlich.

231 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 9.2 Veränderliche Geometrie als Nutzungsmerkmal bei Kunststoffprodukten Mögliche Mechanismen Zur Realisierung einer veränderlichen Geometrie können mehrere Mechanismen angewendet werden. Bekannt ist aus der Metallverarbeitung die Verwendung von Lagern, Gelenken und Scharnieren, um die Erzeugnisse an bestimmten Stellen flexibel auszustatten. Auch das in Bild 9.2 gezeigte Spielzeug nutzt diese Elemente, um die Größe der Kugelgestalt zu verändern. Beim Einsatz von Kunststoffen ist es naheliegend, das hohe Dehnpotenzial des Materials zu nutzen, um eine veränderliche Geometrie wesentlich einfacher zu realisieren als beim Einsatz von Metallen. Der Wunsch nach einer einfachen Änderung der Geometrie, so wie sie bei Stoffbahnen oder Leder möglich ist, war eine wesentliche Motivation bei der Entwicklung von Kunststoffen vor über hundert Jahren. Bei Folien oder Bahnen und den Erzeugnissen hieraus wird das Prinzip der veränderlichen Geometrie angewendet. Schon weil der Transport der Produkte auf Ballen oder Rollen erfolgt und die Nutzung als flächiges Erzeugnis, liegt eine veränderliche Geometrie - orderid in unterschiedlichen Produktlebensabschnitten - transid _1D vor. Beim Kauf -von Gemüse oder Obst entnehmen wir die Verpackung einer Rolle, öffnen die Tüte und geben unsere Ware hinein. Die Nutzung von Kunststoffverpackungen beim alltäglichen Einkauf bringt uns die Bedeutung des Prinzips der veränderlichen Geometrie kaum zu Bewusstsein. Der Transport von kleinteiligen Produkten stellt aber eine entscheidende Etappe bei der Entwicklung des Menschen dar. Wichtiger noch als die Nutzung des Feuers war es, auch kleinteilige Nahrung in größeren Mengen zur Lager- und damit zur potenziellen Feuerstätte hin zu transportieren. So wurde das Prinzip der veränderlichen Geometrie in unterschiedlichen Produktlebensabschnitten und als funktionelles Merkmal schon sehr früh abgebildet. Die Duktilität des Werkstoffs als Möglichkeit zu nutzen, eine veränderliche Geometrie zu realisieren, ist naheliegend, aber lange nicht die einzige Möglichkeit, die Gestalt eines Produkts zu beeinflussen. Bei der Überlegung, welche Mechanismen genutzt werden können, werden die ersten vier Grundregeln abgearbeitet. Das Bild 9.4 zeigt ein Beispiel für eine Anwendung einer veränderlichen Geometrie als funktionelles Merkmal. Es geht um die Fixierung eines stoßempfindlichen Produkts in einer Pappröhre. Der in Bild 9.4 gezeigte Deckel wird beim Aufsetzten aufgrund der faltenbalgartigen Gestaltung so verformt, das der Inhalt der Packung sich in der Röhre nicht hin und her bewegen kann. Durch die Eleastizität des Deckels

232 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.2 Alle Veränderliche Rechte vorbehalten. Geometrie Keine unerlaubte als Nutzungs Weitergabe merkmal oder Vervielfältigung. bei Kunststoffprodukten 215 werden Größenunterschiede des Produkts ausgeglichen. Mit dieser Konstruktionsart wird die Verwendung einer Art von Verpackung für viele ähnliche Produkte ermöglicht. Bild 9.4 Verschluss mit Funktion Fixierung des Inhalts in einem Verpackungszylinder Temperatureinfluss Eine Temperaturerhöhung bewirkt bei Kunststoffen eine deutlich stärkere Volumenausdehnung als bei Metallen. Eine Schwindung der Werkstoffe stellt bei der Verarbeitung eine Herausforderung dar, kann beim Einsatz der Produkte allerdings teilweise auch - orderid funktionell - umgesetzt werden. - transid _1D - Aus der Metalltechnik ist das Bimetall bekannt, das als Temperaturschalter beispielsweise bei Bügeleisen eingesetzt wird. Hier wird die unterschiedliche Längenausdehnung von metallischen Werkstoffen ausgenutzt. Das Prinzip kann sicher auch auf Kunststoffe übertragen werden. So könnten zum Beispiel in Fluidsystemen Drosselelemente realisiert werden, die temperaturbedingte Viskositätsunterschiede der verwendeten Medien ausgleichen, in dem sich der freigegebene Strömungsquerschnitt in Abhängigkeit von der Temperatur einstellt. Für den klassisch ausgebildeten Maschinenbauer ist es nur schwer vorstellbar, dass auch ein Phasenwechsel des verwendeten Werkstoffs ausgenutzt werden kann, um eine technische Funktion zu erfüllen. Darunter darf man nicht nur den Zustandswechsel von fest nach flüssig verstehen, wie man ihn bei einer Schmelzsicherung in der Elektrotechnik anwendet. Bei Polymeren kommen auch im erstarrten Zustand Phasenwechsel vor, die ausgenutzt werden können. Unterhalb eines bestimmten Temperaturwerts wechselt ein Elastomer vom enthalpieelastischen in den energieelastischen Zustand. Es wird plötzlich spröde. Mit dem veränderten Deformationsund Dämpfungsverhalten ergeben sich nicht nur andere geometrische Verhältnisse bei Wechselbeanspruchungen, auch die funktionellen Eigenschaften ändern sich. Beispielsweise zeigt das Dämpfungsverhalten des Erzeugnisses einen anderen Charakter, wenn die Glastemperatur unter- oder überschritten wird.

233 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. In den letzten Jahren wurden sogenannte Shape-Memory-Effekte wissenschaftlich intensiv untersucht. Bei diesen Werkstoffen mit Formgedächtnis werden mit einer Änderung der kristallinen Struktur (Eigen-)Spannungen freigesetzt, die eine Verformung des Körpers bewirken. Bei Stahl wird dieser Effekt beispielsweise beim Übergang von Austenit zu Martensit beobachtet. Ein unerwünschter Effekt ist der Verzug beim Härten eines Erzeugnisses. Mit technischem Geschick lässt sich die Phasenumwandlung der Metalle im festen Zustand zur Erfüllung einer anwendungstechnischen Funktion im Sinne einer veränderlichen Geometrie verwenden. Die Wirkung ist, bedingt durch unterschiedliche Mechanismen, grundsätzlich auch bei Kunststoffen möglich. Hier sind einmalige, aber auch mehrmalige Veränderungen der Geometrie bekannt. Einige Polymere zeigen aufgrund ihres Shape-Memory-Verhaltens Form-Gedächtnis-Effekte. Die Geometrie der Produkte muss ein definiertes Eigenspannungsbild aufweisen, das mit einer Verformung bei einer genau definierten Temperatur eingebracht wird. Als Schaltereignis wirkt die Überschreitung einer bestimmten Temperatur. Dann werden die eingebrachten Eigenspannungen aufgrund des Phasenwechsels im festen Material freigesetzt. Die Rückverformung beim Freisetzen der Eigenspannungen bewirkt eine Veränderung der Geometrie des Erzeugnisses. Als Schalteffekt kann neben einer bestimmten Schalttemperatur auch die Bestrahlung mit einer definierten Wellenlänge fungieren. Für Polymere gibt es Bemühungen, eine - mehrmalige orderid Veränderung der Geometrie - transid nicht - nur _1D wissenschaftlich zu - untersuchen, sondern auch technisch zu beherrschen Medienaufnahme und Medienabgabe Die Aufnahme sowie die Abgabe eines Mediums durch das Polymer sind stets mit einer Veränderung des Volumens und damit mit einer Veränderung der Geometrie verbunden. Bei vielen technischen Erzeugnissen ist die Quellung unerwünscht. Es gibt aber Anwendungen, für die funktional eine solche Quellung der Polymere erforderlich ist. So wurden für den Hygienebereich gezielt spezielle Polymere entwickelt, die große Mengen an Wasser aufnehmen können. Bei Babywindeln und anderen Hygieneartikeln sichert die hohe Wasseraufnahmefähigkeit bestimmter Polymere eine einmalige Funktionalität. In der Biotechnik werden häufig Membranen eingesetzt, durch die nur bestimmte Substanzen hindurch diffundieren, andere Stoffe können nicht passieren. Durch die Aufnahme eines bestimmten Mediums kann die Durchlassdichte beeinflusst werden. Auf diesem Prinzip sind auch Folien für die Landwirtschaft denkbar, die abhängig von der Konzentration eines bestimmten Stoffes im Boden ein Düngerdepot freigeben.

234 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.2 Alle Veränderliche Rechte vorbehalten. Geometrie Keine unerlaubte als Nutzungs Weitergabe merkmal oder Vervielfältigung. bei Kunststoffprodukten 217 Auch in der Fluidtechnik können Aufgabenstellungen durch den Einsatz eines quellfähigen Materials erfüllt werden. Beispielsweise kann eine Art Ventil im trockenen Zustand in geöffneter Stellung den Druckausgleich eines Tanks erfüllen und beim Einfüllen des Mediums in geöffneter Stellung eine Entlüftungsfunktion übernehmen. Wenn der Tank gefüllt ist, nimmt das Ventil Medium auf, und durch die Quellung würde die Öffnung am Tank verschlossen. Wenn das Medium im Tank verbraucht ist, würde das Ventil wieder öffnen und die Entlüftung für eine neue Füllung ermöglichen Freisetzen von Spannungen Ein anderes Grundprinzip zur Realisierung einer veränderlichen Geometrie wird bei Schrumpffolien angewendet. Mit eingefrorenen Spannungen kann hier das Zusammenziehen der Folien beim Erwärmen erfolgen. Dazu wurde die Folienbahn bei ihrer Herstellung während der Abkühlung biaxial gereckt. Auf dem gleichen Prinzip beruhen sogenannten Schrumpfhülsen, mit denen in der Elektrotechnik blanke Kabel abgedeckt und gesichert werden. Beim Erhitzen schrumpfen die Hülsen auf die Kabelenden auf und isolieren. Schrumpfhülsen werden spritzgegossen und unmittelbar nach dem Herstellungsprozess kalt gereckt. Bei der Erwärmung am Einsatzort stellen sich die beim Recken eingebrachten Spannungen zurück und die Hülse schrumpft fest auf das Kabelende auf. Auch Fasern, Fäden oder Stäbe weisen aufgrund der Herstellungstechnologie meist in Längsrichtung eingefrorene Spannungen auf, die beim Erwärmen unter Verkürzung des Fadens abgebaut werden. Diesen Effekt kann man ausnutzen, um Fäden straff zu spannen Verformungsverhalten Typisch für Kunststoffe ist Möglichkeit, große Verformung schadensfrei zu realisieren. Mit dieser Eigenschaft können Funktionen erfüllt werden, die eine veränderliche Geometrie erfordern. Schon in Abschnitt wurden bereits Folien und Bahnen angesprochenen, die zum Transport auf eine Rolle gewickelt und für die Anwendung wieder flach appliziert werden. Bei den Elastomeren ist die Möglichkeit besonders stark ausgeprägt, ohne Materialschädigung große Verformungen ausführen zu können. Eine allseits bekannte Anwendung ist bei Dichtungsringen gegeben. Das Einzelteil wird als O-Ring oder auch als Rundring bezeichnet. Hergestellt wird dieser Torus (Ringfläche) mit kreisrundem Querschnitt. Im vormontierten Zustand wird er in der Nut vorgedehnt. Die Dichtfunktion ist aufgrund einer Deformation des O-Rings gegeben. Wenn im montierten Zustand das Gegenstück aufsitzt, wird der O-Ring abgeplattet.

235 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. O-Ring ohne Deformation als Einzelteil O-Ring gedehnt im vormontiertem Zustand Bild 9.5 Veränderliche Geometrie am Beispiel eines O-Rings O-Ring gedehnt und abgeplattet im montiertem Zustand Durch den Einsatz eines O-Rings besteht die Möglichkeit, funktionsbedingt oder toleranzbedingt unterschiedlich breite Spalte mediendicht zu bedecken (Radialdichtung) oder abzudecken (Flanschdichtung). Bei - vielen orderid weiteren - Anwendungen von - transid Elastomeren _1D wird das ausgezeichnete - Verformungsverhalten zur Realisierung einer veränderlichen Geometrie genutzt. Das bezieht sich auf technische Artikel wie Faltenbälge aber auch auf ganz profane Einsatzgebiete wie Luftballons. (Vergleiche auch Abschnitt ) 9.3 Veränderliche Geometrie für unterschiedliche Abschnitte des Produktlebenszyklus Motivation Die Herstellung von Produkten erfolgt zum Zwecke der Konsumtion, wobei die Übersetzung des Begriffs Konsumtion mit Verbrauch oder Verzehr nicht den Kern unserer Motivation trifft. Besser geeignet ist im Zusammenhang mit der technischen Herstellung von Erzeugnissen die Umschreibung mit Nutzen im Sinne einer mittelbaren oder unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung des Konsumenten. Die Schöpfung der Produkte sollte mit minimalem Aufwand erfolgen, um den bestmöglichen Nutzen zu sichern.

236 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.3 Veränderliche Alle Rechte Geometrie vorbehalten. für Keine unterschiedliche unerlaubte Weitergabe Abschnitte oder des Vervielfältigung. Produktlebenszyklus 219 Die Festlegung der Geometrie erfolgt beim Herstellungsprozess. Auf den ersten Blick erscheint es effektiv, wenn die Geometrieübertragung auf das Erzeugnis in einem Prozessschritt erfolgen kann. Mitunter ist es aber durchaus sinnvoll, die Geometrieveränderung in mehreren Stufen vorzunehmen, um die Warenschöpfung effektiv zu ermöglichen. Das Bild 9.6 zeigt ein Beispiel für ein solches Prinzip. Eine Volumenkugel für den Hobbybereich aus geschäumtem Polystyrol wird in zwei Hälften hergestellt. Beide Hälften werden, wie in Bild 9.6 dargestellt, mit einem Klebebändchen miteinander verbunden dem Kunden ausgeliefert. Bei Transport und Lagerung stapelt man die Produkte platzsparend übereinander. Der Nutzer fügt nach dem Kauf der Ware erst vor dem eigentlichen Einsatz beide Hälften zusammen und kann anschließend seine Bastelkugel dekorieren und beispielsweise zu Weihnachtsbaumschmuck verschönern. Bild 9.6 Volumenkugel aus zwei Hälften gefertigt Im Gegensatz zu einer integrierten und stark automatisierten Industrieproduktion mit hohen Stückzahlen kann bei einer handwerklichen Fertigung die Reihenfolge der einzelnen Produktionsschritte recht einfach auf das jeweilige Produkt abgestimmt werden. So sind Nacharbeiten, Anpassungen beim Kunden vor Ort oder die Montage von Einzelteilen am Einsatzort normalerweise problemlos möglich. Die Geometriefestlegung der Produkte kann bei der handwerklichen Produktionsweise meist ohne Probleme in mehreren Abschnitten des Produktionsprozesses erfolgen (vergleiche Abschnitt 4.2). Bei der Industrieproduktion hat man lange für das Ziel gekämpft, die gewünschte Geometrie in einem Prozessabschnitt der Warenschöpfung zu konzentrieren. Man wünscht Produkte, die mit hoher Kompetenz beim Hersteller gefertigt werden und beim Kunden sofort eingesetzt und benutzt werden können. Ein Produkt wird aber meist bei mehr als einem Erzeuger hergestellt und von vielen Verbrauchern konsumiert. Auch der Austausch beschränkt sich nicht allein auf Produzent und Konsument. Gehandelt werden technische Erzeugnisse auch zwischen einzelnen Produzenten. Dabei treten unabhängige Wirtschaftsunternehmen als externe Partner in eine Wirtschaftsbeziehung oder es findet eine interne Austauschbeziehung zwischen Struktureinheiten ein und desselben Unternehmens statt. Unter dem technischen Aspekt steht hier neben der wirtschaftlichen Tätigkeit und der

237 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Gewinnerzielung die Verantwortlichkeit für bestimmte Eigenschaften des Produkts und die Zusicherung von definierten Qualitätsmerkmalen im Fokus. In der Praxis der Kunststoffverarbeitung wird die Geometrie des Erzeugnisses beim Spritzgießen festgelegt. Eine ergänzende Geometrieänderung während eines nachgelagerten Prozessabschnitts verursacht zusätzliche Kosten. Deshalb versucht man mit dem Spritzgießprozess, ein möglichst verkaufsfähiges Produkt zu schaffen und sich daran anschließende Nacharbeiten auf ein Minimum zu reduzieren. Wegen ihres hohen Integrationspotenzials ist bei der Produktion von Kunststoffteilen die Geometrieübertragung auf wenige technologische Abschnitte konzentriert. Eine veränderliche Geometrie im Sinne der hier angestellten Überlegungen beschreibt einen bewussten Wechsel der geometrischen Eigenschaften eines Erzeugnisses außerhalb des eigentlichen technologischen Prozessabschnitts der Formgebung Allmähliche Veränderung der Geometrie im Herstellungsprozess und beim Gebrauch Bei der Verarbeitung von Metallen ist man gewohnt, dass die eingebrachte Geometrie - auch orderid über lange Zeit am Erzeugnis - transid unverändert _1D bleibt. Diese Erfahrung - kann nicht auf Kunststoffprodukte übertragen werden (Bild 9.7). Am Beispiel der Folienanwendungen wurde schnell verständlich, dass sich die Geometrie der Erzeugnisse bei der Herstellung und bei der Anwendung voneinander unterscheiden wird. Gleiches gilt bei komplexen technischen Erzeugnissen. Auch wenn keine unmittelbare Bearbeitung erfolgt, kann während eines Produktionsschritts eine bewusste oder eine nicht unmittelbar beabsichtigte Veränderung der Geometrie erfolgen (Bild 9.7). Was in der Fertigung noch naheliegend und verständlich ist, stellt für die Konstruktion eine Herausforderung dar. Entwickelt werden ja eigentlich Erzeugnisse, die eine bestimmte Funktion erfüllen sollen. Der Konstrukteur bezieht sich so primär auf die Geometrie am Fertigprodukt. Wegen der Veränderlichkeit der Geometrie steht er nun vor der Aufgabe, aus dem Datensatz des Fertigprodukts und einer Portion Prozesswissen die Geometrie des Halbzeugs abzuleiten. Das bezieht sich auf die Angabe von Sollmaßen nach bestimmten Fertigungsschritten und schließt die Festlegung der Passungen der Baugruppen und die Angabe von Toleranzen für die Einzelteile mit ein. Beim Spritzgießen wird die Geometrie des Formteils durch die Abmaße des Spritzgusswerkzeugs bestimmt.

238 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.3 Veränderliche Alle Rechte Geometrie vorbehalten. für Keine unterschiedliche unerlaubte Weitergabe Abschnitte oder des Vervielfältigung. Produktlebenszyklus 221 Formteilabmaß Technologische Beeinflussung des Pozesses Abmaß des Werkzeugs bei voller Kompression Abmaß des kalten Werkzeugs Schwindung im Werkzeug Entformungsverzug Zeitintervall zur Vermessung Maß im Einsatz Zeichnungsmaße Maßänderung durch Quellung oder Spannungsabbau Herstellung Lagerung Einsatz Zeit in logarithmischer Darstellung Bild 9.7 Änderung der Formteilmaße eines spritzgegossenen Kunststoffprodukts über die Zeit Auch wenn der Formenbau mit höchster Präzision erfolgt, verursacht die verfahrenstypische Kompression der Formmasse eine Aufweitung und eine elastische Deformation im Bereich der Werkzeugkavität. Die Ausprägung der Aufweitung und der elastischen Deformation ist von den technologischen Prozessparametern abhängig und beeinflussbar. Während der Abkühlung der Masse in der Form wird zunächst die elastische Werkzeugdeformation zurückgestellt und gleichzeitig erfolgt die Schwindung der Masse im Werkzeug. Beide Effekte bewirken eine Verminderung der Abmessungen des Formteils. Im Bild 9.7 wurde diese Phase der Herstellung des Spritzgusserzeugnisses im linken Abschnitt des Kurvenverlaufs dargestellt. Die Herstellung des Formteils endet mit der Entformung des Spritzlings. Hier ändert sich das Spannungsbild augenblicklich und es kommt zum Entformungsverzug. Im Bild 9.7 wurde eine sprunghafte Verminderung der Abmaße aufgrund des Entformungsverzugs dargestellt (vergleiche Abschnitt mit Bild 3.19 und Bild 3.20). Die Verminderung entspricht in den meisten Fällen der Realität, grundsätzlich wäre bei einem umgekehrt ausgerichteten Eigenspannungsbild auch eine Vergrößerung des betrachteten Formteilmaßes denkbar. Unmittelbar nach der Entformung wird das Erzeugnis aber nicht sofort an den Konsumenten übergeben, es erfolgt eine Lagerung des Produkts. Die Lagerung ist nicht unbedingt als logistischer Begriff zu verstehen. Sie charakterisiert eine Phase, bei der das Erzeugnis nach der Herstellung zunächst unbenutzt und unbelastet verbleibt. Das schließt Transportprozesse ein. Wichtig ist, dass in dieser Phase keine

239 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. thermischen, medialen oder andere Belastungen auf das Erzeugnis ungewollt einwirken. Im Gegensatz zu Metallen oder Keramiken verändern sich die Formteilmaße von Kunststoffen während der Lagerung. Aufgrund der makromolekularen Struktur erfolgt bei Kunststoffen eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Umordnung der Molekülketten, die den Effekt der Nachschwindung bedingen. Im Bild 9.7 wird der Abschnitt Lagerung im mittleren Kurvenabschnitt dargestellt. In vielen Fällen ist das Erzeugnis zwischen dem ursprünglichen Formgebungsprozess wie beispielsweise dem Spritzgießen und einem folgenden geometrieverändernden Fertigungsabschnitt bereits ein- oder mehrmals verkauft worden. Zur Charakterisierung der Geometrie des Erzeugnisses ist die Bestimmung der Maße erforderlich. Die Qualitätssicherung nach der Fertigung erfolgt beim Lieferanten und im Rahmen des Wareneingangs beim Abnehmer. Dabei kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten, weil beide in ihren Dokumentationen voneinander abweichende Maße liefern. Das Bild 9.7 veranschaulicht, dass sich bei Kunststoffteilen Formteilmaße über die Zeit verändern können. Über die Frage, wer bei einer nachträglichen Bearbeitung der Geometrie die Kosten trägt, wird in der Lieferantenkette sehr hart verhandelt. Auch größere Mittelständler kamen aufgrund ungeplanter Nacharbeit in wirtschaftliche oder gar existenzielle Schwierigkeiten. Besonders starke Konsequenzen hat eine ungeplante Nacharbeit für Automobilzulieferer Allmähliche anwendungsbedingte Veränderung der Geometrie Nach der Produktion und Lagerung erfolgt die Nutzung des Formteils im Einsatz. Hier kommen unterschiedliche Beanspruchungen vor. Natürlich wirkt die Nachschwindung weiterhin. Ihre Konsequenzen sind aber nun geringer als kurz nach der Entformung des Spritzlings. In Bild 9.7 ist die Phase der Nutzung des Produkts mit dem Begriff Einsatz bezeichnet und im Kurvenverlauf ganz rechts dargestellt. Das Produkt wird im Einsatz bei Wärme oder bei Kälte belastet und ändert aufgrund der bei Kunststoffen stark ausgeprägten thermischen Ausdehnung seine Abmaße. Mediale Belastungen bewirken bei Aufnahme eines Mediums die Zunahme des Volumens. Wird eine Substanz aus dem polymeren Werkstoff ausgetragen, vermindert sich das Volumen und damit vermindern sich die Abmaße. Beachtet werden muss die Aufnahme von Wasser durch die Matrix hydrophiler Kunststoffe, die zu einer Quellung der Produkte führt. Verändern sich die auf das Erzeugnis wirkenden Spannungen, werden aufgrund des geringen E-Moduls der Kunststoffe Verformungen messbar. Ein großer Teil der Deformation wird nach der Entlastung abgebaut.

240 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess 223 Allerdings wirken neben elastischen Deformationen auch nichtelastische, die bewirken, dass bei gleichgerichteten Belastungsintervallen Kunststoffteile ihre Gestalt in geringem Maße verändern. Betrachtet man ein sehr großes Zeitintervall, kann man ein Kriechen unter Last feststellen. In vielen Fällen ist die Einsatzdauer deutlich geringer als das benannte Zeitintervall. Oft wirken die Belastungen in den Raumrichtungen über lange Zeit betrachtet symmetrisch auf das Bauteil ein. Das Kriechen von Kunststoffen ist so keine allgemeingültige Erscheinung und erfolgt in sehr geringer Ausprägung über lange Zeitintervalle. Die von der Schwindung verursachte Maßänderung von Spritzgussteilen, die Quellung oder das Kriechen unter Last sind sehr langsam ablaufende, kontinuierliche Vorgänge. Sie führen auch zu einer sehr langsam vonstattengehenden Veränderung der Maße. Sie müssen natürlich vom Konstrukteur berücksichtigt werden, beschreiben aber keine plötzliche Geometrieveränderung. Die veränderliche Geometrie stellt ein eigenständiges, sich nach dem ursprünglichen Formgebungsprozess änderndes Qualitätsmerkmal dar. Die Konstruktion muss sicherstellen, dass für den betreffenden Artikel mindestens zwei Zeichnungen vorliegen. Eine für den Zustand vor und eine nach der Veränderung der Geometrie. 9.4 Diskontinuierliche, schnelle Veränderung der Geometrie im Herstellungsprozess Begriffserklärung Im Sinne des Diagramms nach Bild 9.7 stellt sich eine veränderliche Geometrie durch einen Sprung in der Darstellung der Abmaße über die Zeit dar (Bild 9.8). Sie werden vor allem im Zeitintervall der Lagerung vorgesehen. Der Entformungsverzug (Bild 9.7 und Bild 9.8) beim Ausstoßen der Spritzlinge ist verfahrenstypisch für das Spritzgießen (vergleiche Abschnitt ). Diese Erscheinung ist so dem Produktionsabschnitt Spritzgießen zuzuordnen, bei dem die eigentliche Geometrieübertragung erfolgt. Weil es sich hier nicht um einen nachgelagerten technologischen Abschnitt handelt, wird der Entformungsverzug jedoch nicht als Veränderung der Geometrie im hier betrachteten Sinne bewertet.

241 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Formteilabmaß Einsatz-Maß nach der Veränderung Veränderung der Geometrie Maß vor der Veränderung Zeichnungsmaß 1 Zeichnungsmaß 2 Herstellung Lagerung Einsatz Zeit in logarithmischer Darstellung Bild 9.8 Änderung der Abmaße bei Vorliegen einer veränderlichen Geometrie Beispiele für eine veränderliche Geometrie während unterschiedlicher Phasen des Produktlebenszyklus sind: Verwendung einer Spannvorrichtung nach der Entformung Entfernung von Formteilgrat Kalibrierung der Durchmesser von Durchbrüchen oder Bohrungen Einbringen von Bohrungen oder Durchbrüchen in einem nachgelagerten Produktionsabschnitt Vor- oder Einspannen eines Formteils bei der Montage Deformation beim Montieren von Formteilen zu Baugruppen Demontage von Baugruppen vor dem Einsatz Umbau von Baugruppen nach der ersten Nutzungsphase, um eine weitere Nutzung zu ermöglichen Rückbau von Baugruppen nach der Nutzung Spannvorrichtungen Bei der Verwendung einer Spannvorrichtung kommt es beim Einspannen und bei der Entnahme zu einer Veränderung der Geometrie, wenn die Formteile (nicht mehr) durch die Spannpratzen deformiert werden (Bild 9.9). Mit einer Spannvorrichtung

242 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess 225 kann man zwar nicht die Volumenschwindung insgesamt beeinflussen, wohl aber ihre Ausprägung in den einzelnen Raumrichtungen. In Bild 9.9 wird in der oberen Reihe eine Schwindung ohne die Verwendung einer Spannvorrichtung, in der unteren die Schwindung mit einer Spannvorrichtung dargestellt. Ohne Spannvorrichtung erfolgt die Schwindung gleichmäßig über den Umfang des Bechers. Durch den Einsatz einer Spannvorrichtung (Bild 9.9, unten) erfolgt die Schwindung aufgrund der Abkühlung unter Belastung in einer Vorzugsrichtung. Freie Lagerung bedeutet freie Nachschwindung Spannen in einer Vorzugsrichtung Schwindung in einer Vorzugsrichtung Verzug beim Entspannen Bild 9.9 Veränderung der Geometrie nach der Verwendung einer Spannvorrichtung Das in Bild 9.9 gezeigte Anwendungsbeispiel, bei dem ein Kreis zu einer Ellipse verzogen wird, ist als Anschauungsbild zur Verdeutlichung des Prinzips einer Spannvorrichtung gut geeignet. In der Praxis würde bei einer in Bild 9.9 gewünschten Geometrie die elliptische Form durch die entsprechende Gestaltung der Werkzeugkerne abgebildet werden. Ein häufiges Einsatzgebiet der Spannvorrichtungen stellen Verzugsprobleme (vergleiche Bild 3.15, Bild 3.19 und 3.20) dar: Wenn es nicht gelingt, eine Zeichnungsforderung nach kreisrundem Querschnitt zu erfüllen, wenn beispielsweise die Forde rung nach konstanten Wanddicken nicht eingehalten werden konnte oder Funk tionselemente unsymmetrisch an einer zylinderförmigen Schale angebracht sind.

243 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Der Einsatz von Spannvorrichtungen ist teuer, weil die Anwendung sehr langwierig ist und nur selten mit einem anderen Arbeitsschritt verknüpft werden kann. Die Einspannung der Formteile muss sich unmittelbar an den Spritzgießprozess anschließen, damit reproduzierbare Schwindungsverhältnisse vorliegen. Oft müssen sehr viele Teile gleichzeitig in den Vorrichtungen verbleiben. Die Zykluszeit beim Spritzgießen beträgt bei Präzisionsteilen etwa 6 bis 60 Sekunden. Damit das Spannen der Teile einen sinnvollen Effekt bringt, sollten die Spritzlinge über mehrere Stunden in den Spannvorrichtungen verbleiben. Man muss also viele solche Vorrichtungen vorrätig haben. Die Herstellungskosten summieren sich entsprechend hoch und der Platzbedarf ist immens. Das stellt die Fertigung vor oft nur schwer lösbare Probleme. Wenn an Formteilen Probleme mit einem Verzug vorkommen, sollten diese ursächlich gelöst werden, in dem die Grundregel der konstanten Wanddicken eingehalten wird und im Spritzgusswerkzeuge eine hinreichende Kühlung aller von Schmelze umgebenen Kerne sichergestellt wird. Mit Hilfe einer an einer entsprechenden Stelle des Formteils eingebrachten konstruktiven Duktilität kann der Verlauf der Spannungen im Formteil so beeinflusst werden, dass an der entscheidenden Geometrie der Verzug nicht mehr zur Wirkung kommt. Das Bild 9.10 zeigt ein typisches Beispiel, bei dem gerne Spannvorrichtungen angewendet werden, um die Forderung nach Rundheit im Bereich der flachen Dose zu erreichen. Problem: Unzureichende Rundheit im Bereich der Dose Bild 9.10 Unzureichende Rundheit an einer angebundenen Dose Um die hohen finanziellen Aufwendungen und den enormen Bedarf an Produktionsfläche für die Verwendung einer Spannvorrichtung zu vermeiden, sollte über eine Veränderung der Konstruktion nachgedacht werden. Die unzureichende Rundheit

244 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess 227 an der in Bild 9.10 skizzierten Dose wird durch die starre Anbindung des zylindrischen Bereiches an der Rohrstruktur verursacht. In diesem Bereich kommen große Wanddicken vor, die eine starke und lang anhaltende Schwindung bewirken. Hier liegt die Ursache für die unzureichende Rundheit des Formteils. Eine konstruktive Veränderung, die versucht, die Ursache des Verzugs zu beseitigen, zeigt Bild Hier wurde die Anbindung der Dose am Hohlzylinder überarbeitet. Durch die Rippenkonstruktion können konstante Wanddicken an den Teilen realisiert werden. Damit der Verzug minimiert wird, sind die Wanddicken der einzelnen Rippen gegenüber denen der Funktionsgeometrie im Bereich der Dose und des Hohlzylinders entsprechend zu reduzieren. Materialanhäufung durch Rippenverbindung aufgelöst Bild 9.11 Konstruktive Trennung von Dose und Hohlzylinder zur Verbesserung der Rundheit Die in Bild 9.11 gezeigte Lösung benötigt einen etwas größeren Einbauraum als die in Bild 9.10 gezeigte ursprüngliche Variante. In einigen Fällen kann dieser Wunsch nicht realisiert werden. Dann kann nach einer konstruktiven Lösung gesucht werden, die zwar nicht die Ursache des Verzugs beseitigen kann, aber dessen Wirkung abschwächt. Das Bild 9.12 zeigt eine solche Variante. Im Bereich der Dose wurde umlaufend die Wanddicke reduziert. So können vor allem in diesem Bereich Spannungen durch Verformungen abgebaut werden. Im Gegensatz zu den konstruktiven Lösungen ist eine Spannvorrichtung nur dazu geeignet, der äußerlichen Erscheinung eines Verzugs entgegenzuwirken. Wegen der allmählichen Rückstellung der Deformation nach der Entnahme aus der Spannvorrichtung wird sich das Formteil entsprechend Bild 9.7 weiterhin mehr oder weniger stark deformieren.

245 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bereich dünner Wanddicke wandelt Spannungen in lokale Verformung Bild 9.12 Verformungsausgleich durch eine lokal reduzierte Wanddicke im Bereich der Dose Der Einsatz von Spannvorrichtungen ist nicht dazu geeignet, die Präzision von Form teilmaßen zu verbessern, um ein geringes Toleranzband zu erfüllen. Bevor man den Aufwand in Kauf nimmt und die Vorrichtungen zum nachträglichen Spannen - orderid eines Formteils anschafft, sollte - transid überlegt werden, _1D ob es nicht sinnvoll - wäre, die Formteile unmittelbar nach der Entnahme aus der Spritzgussmaschine zu montieren. Dann können die Montagepartner die Aufgaben der Spannvorrichtung übernehmen. In vielen Fällen kann so noch eine zusätzliche Steigerung der Effektivität von Produktionsprozessen erreicht werden, weil dann komplette Baugruppen die Fertigung verlassen und so die Kosten für die Lagerung von vielen Einzelteilen wegfallen. Spannvorrichtungen sind teuer und können nur bei Problemen mit Verzug sinnvoll angewendet werden. Die besten Spannvorrichtungen sind keine Spannvorrichtungen. Bei Neukonstruktionen sollte durch entsprechende kunststoffgerechte Gestaltung der Verzug minimiert werden. Wegen des hohen Aufwands von Spannvorrichtungen während der Produktion sollte auch bei bestehenden Fertigungslinien geprüft werden, ob es Alternativen zur Spannvorrichtung gibt Vorrichtungen zum nachträglichen Kalibrieren In einigen Fällen können bestimmte geometrische Eigenschaften bei der eigentlichen Formgebung nicht präzise genug eingebracht werden. Dann muss eine Präzisierung in einem nachgelagerten Produktionsschritt erfolgen.

246 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess 229 Eine Motivation für eine nachträgliche Kalibrierung ist die Sicherstellung für ein extrem eng toleriertes Zeichnungsmaß. Der Durchbruch wird beim Spritzgießen nicht mit abgeformt Der Durchbruch wird durch nachträgliches Bohren eingebracht So wird die Geometrie vollig gratfrei realisiert Bild 9.13 Nachträgliche Kalibrierung eines durchströmten Kanals Das nachträgliche Kalibrieren stellt einen eigenständigen Produktionsschritt dar, der zusätzlichen Aufwand erfordert und somit zusätzliche Kosten verursacht. Wenn es möglich ist, sollte auf diesen Schritt verzichtet werden. Eine Motivation für eine nachträgliche Kalibrierung ist die Sicherstellung für ein extrem eng toleriertes Zeichnungsmaß. Hier greift man gezwungenermaßen auf eine nachträgliche Kalibrierung zurück, wenn bestimmte Zeichnungsforderungen allein mit Spritzgießen nicht erfüllt werden können. Bevor man sich aber für einen solchen zusätzlichen teuren Produktionsschritt entscheidet, sollten die Konsequenzen beim Verbau von fehlerhaften Teile ermittelt werden. Gerade bei unausgewogenen Lieferant-Kundenbeziehungen, wie sie in der Automobilindustrie und ihren Zulieferern vorherrschen, werden oft die während der Konstruktionsphase aufgestellten Zeichnungsforderungen nicht hinterfragt und keine Tests mit Grenzmustern durchgeführt. So verzichtet man aus Ignoranz auf Einsparpotenziale für Lieferant und Kunden. Wenn es nicht möglich ist, auf eine Kalibrierung zu verzichten, sollte überlegt werden, wie der Kalibrierungsprozess sinnvoll in den technologischen Ablauf integriert werden kann. Erhebliche Kosteneinsparungen sind zu erwarten, wenn die Kalibrierung beispielsweise in einen automatisierten Montageprozess eingebunden werden kann.

247 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Nachträgliche Bearbeitung eines Bauteils Ein großer Vorteil des Spritzgießens ist die Tatsache, dass die Einzelteile ohne nennenswerte Nacharbeit verbaut werden können. Trotzdem kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, dass bewusst eine bestimmte Nacharbeit in Kauf genommen wird. Das Bild 9.14 zeigt ein Beispiel hierfür. Das Erzeugnis entspricht der Anwendung in Bild Bei dem hier betrachteten Teil wurde beim Spritzgießen auf das Einbringen der Durchbrüche an der kritischen Stelle verzichtet. So kann die Spritzgussform einfacher gestaltet werden und im Produktionsalltag ist weniger Aufwand für die Wartung des Werkzeugs zu erwarten. Der Strömungskanal wird nach dem Spritzgießen durch einen Fräsprozess eingebracht. Blockierungen sind oft nicht vollständig gratfrei Durch die Bohrung hindurch wir eine Kugel gepresst Das Durchpressen sichert den hindernisfreien Durchfluss Bild 9.14 Nachträgliches Fräsen eines Durchbruchs an einem Bauteil Eine nachträgliche Geometriebearbeitung macht Sinn, wenn ein eigenständiger Kalibierschritt (Bild 9.13) durch eine Nacharbeit (Bild 9.14) abgelöst werden kann. Über eine nachträgliche Bearbeitung sollte auch bei sehr komplex ausgearbeiteten Einzelteilen nachgedacht werden, deren komplette Herstellung viele Entformungsrichtungen erfordern würde und die in anschließenden Prozessschritten mit Anbauteilen zu einer Baugruppe vervollständigt werden. Dann kann man das Spritzgusswerkzeug einfacher gestalten. Vielleicht wird so die Fertigung aus mehreren Formnestern möglich. In die nachfolgenden Montageprozesse sollten die Nachbearbeitungsschritte sicher und kostengünstig integriert werden können. Analog zu den hier gezeigten Fräsprozessen ist die nachträgliche Kennzeichnung von Formteilen zu sehen. Vor langer Zeit unternahm man große Anstrengungen, um Zählwerke in Spritzgusswerkzeuge zu integrieren. In den letzten Jahren ist ein deutlicher Trend hin zu einer nachträglichen Kennzeichnung der hergestellten Bauteile erkennbar.

248 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess Einspannen des Bauteils für die Montage Metallische Werkstücke können kaum verformt werden. Diese Vorstellung ist bei den meisten Technikern so tief im Bewusstsein verwurzelt, dass es schwer fällt, die Duktilität von Kunststoffen wirklichkeitsnah zu beurteilen. Die Verformbarkeit von Kunststoffteilen hat zwei Ursachen: 1. Den geringen E-Modul des Materials. 2. Die meist sehr dünnwandige Struktur der Bauteile. Der Wert des Moduls der einzelnen Kunststoffe ist mindestens eine Zehnerpotenz unter dem Wert von Metallen angesiedelt. Es ist offensichtlich, dass bei von außen einwirkenden Spannungen die Verformungsprozesse bei Kunststoffspritzlingen stär ker ausgeprägt sind als bei der Belastung eines Metallteils mit ähnlicher Geometrie. Die dünnwandige Struktur der Bauteile folgt aus der favorisierten Technologie. Werden Metallteile durch spanende Verarbeitung gefertigt, wird man nur Konturen entfernen, die für die Funktion wichtig sind, um effektiv zu produzieren. Zu dünne Wanddicken werden vermieden, weil an einem vibrierenden Teil keine präzisen Maße realisiert werden können. Bei einem spritzgegossenem Teil aus Kunststoff lässt man nur dort eine Wand gleichmäßiger Dicke stehen, wo es die Funktion erfordert. Kunststoffteile haben so eher Ähnlichkeit zu Blechformteilen als zu Frästeilen. Die Geometrie mit geringen Wanddicken bei spritzgegossenen Kunststofftei- len bedingt eine höhere Verformbarkeit als bei gefrästen Metallteilen (vergleiche Kapitel 6). Bei der Weiterverarbeitung von Einzelteilen zu Baugruppen muss oft an bestimmten Stellen das Formteil gestützt werden, damit bei der Einwirkung der Montagekräfte auch wirklich der Fügeprozess realisiert wird und eine seitliche Ausformung oder ein Wegknicken vermieden wird. Hier kommen Stützvorrichtungen zum Einsatz, die den Kunststoffbauteilen kurzzeitig Halt geben. Mit dem Greifen des Teils durch die Stützvorrichtung erfolgt eine Deformation, die im Sinne einer veränderlichen Geometrie wirksam wird. Im Gegensatz zu Spannvorrichtungen (Bild 9.9), in denen die Bauteile über lange Zeit bei erhöhten Temperaturen verbleiben, wird die Ursprungsgeometrie der Formteile nach einer Entnahme aus der Stützvorrichtung im nichtmontierten Zustand wieder eingenommen. Die Geometrie des Bauteils ist vor der Aufnahme in der Stützvorrichtung eine andere als während der Abstützung. Besonders bei der Realisierung von Montagevorgängen muss dies berücksichtigt werden. Entscheidend für die Funktion der Verbindung sind die Maße im abgestützten Zustand.

249 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Die Veränderung der Geometrie bei Anwendung einer Stützvorrichtung bedeutet für den Konstrukteur, dass er zwei Zeichnungssätze erstellen muss, einen für das Bauteil ohne Abstützung und einen weiteren, der die geometrischen Anforderungen in der Stützvorrichtung definiert. Das hat besondere Bedeutung bei Schweißverbindungen (Bild 9.15). Hier bestehen besonders hohe Anforderungen an die Rundheit der Einzelteile, damit durch einen gleichmäßigen Materialabtrag eine stabile Schweißnaht sicher entstehen kann. Die Rundheit der gespritzten Einzelteile ist hierbei nicht die entscheidende Größe. Die Qualität der Verschweißung wird von den geometrischen Eigenschaften des Bauteils in der Stützaufnahme bestimmt. Betrachtetes Funktionsmaß Spritzgussteil mit Funktionsmaß am Schweißprofil Eingespanntes Einzelteil zur Montage Bild 9.15 Veränderung der Geometrie durch die Nutzung einer Stützvorrichtung Montierte Baugruppe Sollen becherförmige Bauteile mit einem Durchmesser über etwa 30 mm miteinander verschweißt werden, gelingt es mit der Technologie Spritzgießen nicht mehr, die für die Verschweißung notwendige Rundheit am nichtmontierten Einzelteil sicherzustellen. Erst in der Stützvorrichtung erreicht man die notwendige Präzision. Ohne Stützvorrichtung wäre eine prozesssichere Verschweißung unmöglich, weil am Kunststoffteil Vibrationen auftreten. Die Abstützung der Formteile für einen Montageprozess muss immer so erfolgen, dass sich nach der Entlastung die gefügten Teile aufeinander zu entspannen und nicht voneinander weg.

250 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess 233 Die Notwendigkeit von zwei Zeichnungssätzen zur Beurteilung der Geometrie wird in der Praxis immer noch unterschätzt. Erfolgt die Bewertung der Teilegeometrie dann anhand der Maße für den nichtabgestützten Zustand, vergleicht man Äpfel und Birnen. Die Folge ist eine zu große Materialüberdeckung in der Schweißnaht und vollkommen unnötig strenge Anforderungen an die Rundheit des betreffenden Schweißpartners. So verursacht man im Bereich der Verschweißung funktionelle Probleme. Die unnötigen Qualitätsforderungen nach Rundheit und die enge Toleranz für den Durchmesser im Bereich der Schweißnaht erfordern große technologische Anstrengungen, die erhöhte Kosten verursachen. So sind Beispiele bekannt, bei denen Formteile ohne Notwendigkeit in Spannvorrichtungen auf Zeichnungsmaß gebracht wurden Demontage von Baugruppen vor dem Einsatz Das Demontieren eines technischen Systems vor seinem Einsatz ist aus dem Maschinen- und Anlagenbau bekannt. Hier werden die Systeme nach der Herstellung beim Produzenten zusammengebaut, getestet und solange verbessert, bis die vereinbarten Anforderungen erfüllt werden. Dann wird die Anlage wieder demontiert, zum Kunden transportiert und vor Ort wieder zusammengebaut. Bei der Konstruktion muss festgelegt werden, an welcher Stelle des technischen Systems Demontagemöglichkeiten - orderid vorgesehen werden. - transid _1D - Im Bereich von Massenprodukten ist dieses Prinzip kaum anzutreffen. Denkbar wäre ein Zusammenbau beim Lieferanten allein zum Zwecke eines Funktionstests, wenn die Baugruppe funktionell erst beim Kunden komplettiert wird. So könnten bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen wenige ausgesuchte Einbauteile zur Individualsierung beim Kunden in die Baugruppe eingefügt werden. Für den Nachweis der technischen Funktion wird aber eine Vorabmontage verlangt. Um die Prozesse beim Kunden effektiv zu gestalten, erfolgt die Anlieferung aber wieder im demontierten Zustand nach einem entsprechenden Rückbau. Es müssen in diesem Fall drei Zeichnungssätze erstellt werden. Abzubilden ist der Zustand vor der Montage, nach der Montage und nach der Demontage für die Auslieferung an den Kunden, um die geometrischen Eigenschaften in allen Phasen des Produktionsprozesses zu beschreiben.

251 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung Umbau von Baugruppen nach der ersten Nutzungsphase, um eine weitere Nutzung zu ermöglichen Für technische Baugruppen beispielsweise im Bereich des Automobilbaus kommt diese Art der Geometrieänderung zwischen Nutzungsphasen kaum zu Anwendung. Denkbar wäre aber im Bereich von Verpackungen die Nutzung als Tragetasche und eine anschließende Funktion als Müllbeutel. Hierzu könnte eine Tragetasche mit einem zusätzlichen Zugband unter den Trageschlaufen versehen werden. Diskutieren könnte man auch eine Folgenutzung eines batteriebetriebenen Scheinwerfers für Fahrräder als Taschenlampe. Die Befestigungselemente für den Scheinwerfer werden für die funktionelle Folgenutzung als Taschenlampe in dieser Form nicht benötigt. Es bietet sich an, die Befestigungselemente mit einem neuen Nutzen zu versehen, beispielsweise, indem eine Handschlaufe hindurch geführt wird. Alternativ besteht die Option, bestimmte Anbauteile des Funktionselements einfach abzubrechen, um die Folgefunktion ungestört zu ermöglichen. Nicht nur im Kinderzimmer erfüllen Baukastensysteme den Wunsch nach einer Weiternutzung nach dem Einsatz. Spritzgusswerkzeuge werden aus Normalien aufgebaut, die vor allem bei Auf-Zu-Werkzeugen im Sinne von Abschnitt 5.2 bis 5.4 als Stammform, und bei komplexen Werkzeugen in Form von Einzelteilen für Folgeprojekte genutzt werden können. Auch im Vorrichtungsbau greift man auf Profilelemente - orderid aus Aluminium zurück, die - durch transid viele Anbauelemente _1D zu einem umfangreichen Baukastensystem ergänzt werden. Nach der Nutzung erfolgt der Rückbau - und viele Einzelelemente können weiter genutzt werden. Neben der Rückgewinnung von einzelnen Komponenten nach der Nutzung ist ein großer Vorteil von Baukastenlösungen, dass die Kosten zur Herstellung von Werkzeugen und Vorrichtungen für die Bauelemente auf viele Einzelerzeugnisse umgelegt werden können. Unter dem Vorzeichen der Diversifizierung von Erzeugnissen und dem Wunsch nach Individualisierung können Baukastenlösungen durch die Kombination weniger Einzelteile eine Vielzahl von Erzeugnissen preisgünstig abdecken Rückbau von Baugruppen nach der Nutzung Die Zeiten, als ein Produkt nach der Nutzung aus dem Verkehr gezogen und deponiert wurde, sind vorbei. Nach der Nutzung müssen die Erzeugnisse aufbereitet und fachgerecht entsorgt werden. Auch wenn die gesetzlichen Regelungen mitunter einen gewissen Auslegungsspielraum lassen, sollte es für jeden Konstrukteur eine Selbstverständlichkeit sein, ein ökologisch sinnvolles Recyclingkonzept für seine Produkte sicherzustellen.

252 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess 235 Das Feld der veränderlichen Geometrie muss sicherlich weit abgesteckt werden, wenn die werkstoffliche, rohstoffliche oder gar energetische Nutzung des Ressourcen-Potenzials der Erzeugnisse unter diesem Begriff diskutiert werden soll. Bei der grundlegenden Auslegung von Produkten können aber auch andere Wege des Recyclings ausgewählt werden, die einen engeren Nachnutzungskreis gestatten. In den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Thema Recycling sehr intensiv diskutiert. Bei der Kreislaufführung von Werk- und Wertstoffen sind mehrere Möglichkeiten gegeben, von denen zwei mit Pfeilkreisen in Bild 9.16 dargestellt werden. Energie- und Rohstoffgewinnung Rohstoffaufbereitung Werkstofferzeugung Werkstoffveredlung Halbzeugherstellung Energetische Restnutzung rohstoffliche Verwertung werkstoffliche Verwertung Einzelteilherstellung - orderid Funktionsteilmontage transid Wiederverwendung _1D - Gebrauchsphase Reparatur Ende der Nutzung Entsorgung Bild 9.16 Mögliche Kreislaufführung von Produkten Aufbereitung Die einfachste und naheliegendste Kreislaufführung ist die Reparatur der Erzeugnisse (Bild 9.16, kleiner Pfeilkreis links). Bei der Konstruktion muss die Reparaturfreundlichkeit der Produkte betrachtet werden. Grundsätzlich sollte eine gute Reparaturfreundlichkeit angestrebt werden. Das ist bei Erzeugnissen, die in geringen Stückzahlen hergestellt werden, sicher einfacher zu realisieren als bei Massenprodukten. So ist im industrienahen Maschinen- und Anlagenbau mit den dort üblichen überschaubaren Stückzahlen die Reparaturfreundlichkeit der Produkte ein wich tiges Verkaufsargument. Bei Massenprodukten, die im Einzelhandel an die Konsumenten vertrieben werden, muss der Sinn einer Reparatur hinterfragt werden. Bei vielen Erzeugnissen ist die Herstellung so effektiv, dass die Vertriebs- und Logistikkosten gegenüber den Aufwendungen für die Rohstoffe und die Herstellung überwiegen. Im Zeitalter der Glo-

253 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. balisierung erscheint eine Reparatur beim Produzenten wegen der großen Transportwege wenig sinnvoll. So sollte die Instandsetzung möglichst nahe am Nutzer erfolgen können, am besten durch den Benutzer selbst. Neue Medien ermöglichen den ständigen Zugriff auf Reparaturanleitungen nicht nur in Form einer Textbeschreibung. Die in der Vergangenheit favorisierten Systeme, bei denen ein Monteur vor Ort erschien oder die Erzeugnisse zu speziellen zentralen Servicepartnern versandt wurden, erscheinen heute aufgrund hoher Personalkosten wenig zweckmäßig. Die Konstrukteure sind gefordert, die Erzeugnisse so zu gestalten, dass auch ein Laie mit einer mehr oder weniger ausgeprägten technischen Begabung Reparaturen vornehmen kann. Die Demontierbarkeit der Produkte muss sichergestellt werden. Dazu werden bestimmte Demontagestellen am Erzeugnis definiert. Dort kommen lösbare Verbindungen zum Einsatz. Stellen, die bei der Montage gefügt wurden, aber nicht zur Demontage vorgesehen sind, werden als nichtlösbare Verbindung ausgeführt. Die Demontagestellen sollten intuitiv vom Konsumenten gefunden werden. Unterstützt werden kann dies durch eine Kennzeichnung der entsprechenden Stellen am Produkt und oder einer Anleitung, die in einer klassischen Beschreibung oder auf neuen Medien hinterlegt ist. Allerdings sind nicht in allen Fällen Reparaturen durch den Konsumenten erwünscht. Ein Instandsetzungsversuch an mittelspannungsführenden Teilen kann tödlich - orderid enden. Für - Baugruppen, die - bei transid einer laienhaften _1D Demontage zu - einer Gefährdung des Benutzers oder der Umwelt führen können, sind Ansatzpunkte für eine Demontage zu vermeiden. Der Konstrukteur muss in solchen Fällen Verbindungskonzepte wählen, bei denen eine Demontage zur Beschädigung oder Zer störung des Produkts führt. Dafür sind Schweißverbindungen geeignet. Kostengünstiger können solche Konzeptionen aber auch mit Rasthaken ausgeführt werden (Abschnitt 8.2). Auch hier wäre eine entsprechende Kennzeichnung der Erzeugnisse wünschenswert, die ein Demontageverbot zum Ausdruck bringt. Können oder sollen Produkte nicht effektiv repariert werden, muss der Recyclingkreis größer und weiter gefasst werden (Bild 9.16, rechter Pfeilkreis) Das größte Problem bei der werkstofflichen Verwertung von Kunststoffen ist nicht die Wiedergewinnung des Materials, sondern der Absatz der Sekundärwerkstoffe. Eine werkstoffliche Kreislaufführung kann nur dann funktionieren, wenn Konstrukteure auch dem Einsatz von Recyclatmaterial positiv gegenüber stehen und dessen Verwendung für ihre Produkte in Erwägung ziehen. Auch bei sehr anspruchsvollen technischen Baugruppen kommen meist bestimmte Einzelteile vor, deren Anforderungsprofil die Verwendung von Sekundärware gestattet. Hierbei sollten bei ökonomischen Überlegungen auch Aspekte einer grünen Vermarktung einfließen. Bei der Konstruktion muss berücksichtigt werden, dass bei Teilen aus Recyclatmaterial größere Toleranzen für Formteilmaße und die Materialeigenschaften vorgesehen werden müssen.

254 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. 9.4 Diskontinuierliche, Alle Rechte vorbehalten. schnelle Keine Veränderung unerlaubte Weitergabe der Geometrie oder Vervielfältigung. im Herstellungsprozess 237 Um eine sinnvolle werkstoffliche Verwertung zu realisieren, sollten Demontageeinheiten möglichst aus ein und demselben Material bestehen. Wenn die Funktion eine Deformation am Formteil erfordert, sollte dies vornehmlich durch die Gestaltung in Form einer konstruktiven Duktilität am entsprechenden Funktionselement sichergestellt werden (vergleiche Kapitel 8). Erst wenn dies nicht funktioniert, beginnt man über den Einsatz eines alternativen Materials nachzudenken. Auch Versteifungen können mit den in Kapitel 8 genannten Möglichkeiten erreicht werden, ohne dass ein weiterer Werkstoff oder ein zusätzliches Teil verwendet werden muss. Kann ein Werkstoffverbund in einer Baugruppe nicht umgangen werden, dann muss eine einfache Demontage von sortenreinen Untergruppen ermöglicht werden. Im Gegensatz zur Reparaturfreundlichkeit ist hier die Erhaltung der Funktion der Baugruppe nicht notwendig. Demontagegrenzen können so ohne große Zwänge festgelegt werden. Das Bild 9.17 zeigt ein Beispiel, bei dem durch vorgesehene Sollbruchstellen entlang der eingebrachten Einkerbungen eine schnelle Materialgewinnung mit einem Hammerschlag oder dem Zerdrücken mit einem zangenähnlichen Werkzeug erfolgen kann. Gehäuse aus recyclingwürdigem Material Einbauteile - nicht recyclingwürdig Sollbruchstellen am Gehäuse für materialreine Demontage Bild 9.17 Sollbruchstellen im Gehäuse zur einfachen Materialgewinnung bei der Demontage Die abgesplitterten Teile des Gehäuses können als sortenreines Material einer werkstofflichen Verwertung zugeführt werden. Die in Bild 9.17 mit einer Marmortextur dargestellten Einbauteile werden danach mit einer weiter gezogenen Kreislaufführung recycelt.

255 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 9.5Funktionsbedingte veränderliche Geometrie Erprobte Einsatzgebiete Die Präsenz der Produkte benötigen wir eigentlich nur dann, wenn ihre Nutzung erforderlich ist. Hier setzt eine Motivation für den Wunsch nach einer veränderlichen Geometrie an, die in einer ganzen Reihe von Produkten als wesentliches Funktionsmerkmal zum Tragen kommt. Ein Regenschirm wird aktiv bei Niederschlag benutzt. Neben dieser Schutzfunktion ist aber die Möglichkeit, den Schirm zusammenklappen zu können, der entscheidende Nutzen dieses Erzeugnisses. Ähnliche Anforderungen haben wir an unser Zelt oder den Wasserball der Kinder. Beispiele für mit dem Einsatz von Polymeren ganz neu erschlossene Anwendungsgebiete sind aufblasbare Gegenstände. Das beginnt bei der Luftmatratze, geht über das Schlauchboot und den Basketball bis zum Diaphragma, einer sehr elastischen Gummischicht, die man auch beim Imprägnieren von Gewebe mit Harz benutzt, um mit Hilfe von Vakuum die Haut so auf das Harz zu pressen, dass die flüssige Komponente zwischen die Verstärkungsfasern gelangt. Diese - Anwendungen orderid - für das Konstruktionsprinzip - transid Veränderliche _1D Geometrie - haben vor allem im Bereich des Konsums völlig neue Felder erschlossen. Es ist nur logisch, dass man versucht, dieses Funktionsprinzip bewusst auf technische Anwendungen zu übertragen. Eine der möglichen Systematisierungen für Skelett-Haut-Systeme wird nach starr, halbstarr und flexibel vorgenommen. Ein solches Vorgehen ist aus der Klassifizierung von Luftschiffen her bekannt. Hier unterscheidet man Starr-, halbstarr- und Prallluftschiffe. Bei Prallluftschiffen formt allein die Hülle die Geometrie des Luftfahrzeugs ab, während bei Starrluftschiffen ein Skelett im Inneren die Haut fixiert und Geometrie vorgibt. Bei halbstarren Luftschiffen wird die äußere Gestalt sowohl von dem inneren Skelett als auch vom Zuschnitt der Haut bestimmt. Auch für das Erzeugnis Boot kann man eine Systematisierung vom vollflexiblen Badeboot, unterschiedlichen Arten von Schlauchbooten, Faltbooten, sogenannten Klappbooten, bis hin zum klassisch aufgebauten massiven Booten vornehmen. Bei Badebooten, wie sie Kinder am Strand zum spielen nutzen, wird die Geometrie des Bootes allein durch den Zuschnitt der PVC-Hülle bestimmt. Sie wird fast kompressionslos aufgeblasen. Wenn man die Luft ablässt, kann die Hülle des Boots zusammengelegt und verstaut werden. Für eine große Fahrt auf Flüssen und Seen sind solche Boote natürlich nicht geeignet. Der Nutzen dieser Anwendung besteht vor

256 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 9.5 Funktionsbedingte Weitergabe oder Vervielfältigung. veränderliche Geometrie 239 allem in der Möglichkeit, die Geometrie des Bootes in einen badetaschentaugleichen PVC-Packen zu verändern. Faltboote haben ein auf- und abbaubares Gerüst aus Holz, über das eine flexible Haut gestreift wird. Sie liegen starr im Wasser und können so stabile Fahreigenschaften erbringen. Der Auf- oder Abbau benötigt viele Handgriffe und erfordert einen entsprechenden Zeitbedarf. Dafür können die Einzelteile verpackt und platzsparend im Keller oder der Garage eingelagert werden. Die Kombination von zwei Bootssektionen mit Scharnieren, die schnell zusammenklappbar sind und problemlos auf PKW-Anhängern transportiert werden können, ist eine Möglichkeit, die Änderung der Geometrie mit wenigen Handgriffen zu vollziehen. Die Mehrzahl der Boote ist nicht demontierbar. Eine Vielzahl von Bauweisen ist bekannt. Klassische Holzboote verwenden Spanten und Stinger, über die eine starre Bootshaut aus Sperrholz beplankt wird. Kunststoffboote sind fast unverwüstlich, wenn sie aus Polyethylen geblasen oder rotationsgeformt wurden. Hier wird sogar ganz auf ein Skelett verzichtet und die Haut übernimmt vollständig die Rolle des tragenden Elements. Technische Systeme können aber in vielen Fällen nicht in einem Skelett-Haut- Modell sinnvoll beschrieben werden. Die Systematisierung für die Möglichkeiten zur Umsetzung einer veränderlichen Geometrie soll folgendermaßen erfolgen: Gelenklose Anwendungen, die Duktilität nutzen Anwendungen mit lokalen Gelenken Faltbare Anwendungen Lokale Flexibilität Hochelastische Anwendungen Gelenklose Anwendungen, die Duktilität nutzen Im Verpackungsbereich sind für Flüssigkeiten Anwendungen bekannt, bei denen an einem Deckel, bei dem die Öffnung vom Verbraucher frei geschnitten wird, nach Gebrauch mit einem an den Verschluss angespritzten Konstruktionselement das Auslaufen des Inhalts verhindert werden kann. Das Bild 9.18 skizziert eine solche Anwendung, wie sie beispielsweise für Flaschen zur Aufbewahrung von Fahrradöl bekannt ist. Beim ersten Gebrauch öffnet der Verbraucher den Flaschenabschluss mit einem Schnitt, entnimmt die gewünschte Flüssigkeitsmenge und verschließt anschließend den Behälter, indem er die aufsteckbare Verschlusskappe aufsetzt. Weil die Anbindung der Verschlusskappe an den Grundkörper der Flasche aus einem hinreichend

257 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. duktilem Material besteht, liegt ausreichendes Deformationspotenzial vor, um die Veränderung der Geometrie von der in Bild 9.18 gezeigten Lage hin zum Verschluss der Öffnung zu ermöglichen, ohne dass die Anbindung der Kappe zerstört wird. So bleibt die Verschlusskappe über die Anbindung immer fest mit der Flaschenabdeckung verbunden und kann im Haushalt nicht verloren gehen. Aufsteckbare Verschlusskappe Abgeschnittenes Teil Flüssigkeitsvolumen Anbindung der Verschlusskappe Bild 9.18 An einem Flaschenabschluss integriertes Verschlusselement Das Bild 9.19 zeigt eine Anwendung aus dem Spielzeugbereich, die in großen Mengen billig hergestellt und verkauft wird. Das Produkt wird vom Endkunden zusammengebaut und bedient den Nutzenaspekt Spannung. Aus marktstrategischen Gründen muss die Verpackung des Erzeugnisses in einem definierten und somit begrenzten Volumen erflogen. Mast und Segelbaum werden aus einem Werkzeug hergestellt und sind über elastische Verbindungselemente miteinander verbunden. Für die Montage beim Endkunden werden die beiden Mastteile zusammengefügt und der Segelbaum wird in die am Mast an der Stelle eines Lümmellagers vorgesehene Aufnahme gesteckt. Die Duktilität der elastischen Verbindungselemente ermöglicht die einfache Montage der Teile. Nach dem Zusammenbau verbleiben die elastischen Verbindungselemente am Erzeugnis. Löst sich beim Spielen eine Verbindung, können sich die Einzelteile nicht separieren. So geht kein Einzelstück verloren und die Gefahr des Verschluckens von Kleinteilen durch die Kinder ist vermindert.

258 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 9.5 Funktionsbedingte Weitergabe oder Vervielfältigung. veränderliche Geometrie 241 Elastische Verbindungselemente Bild 9.19 Flexible Verbindungselemente bei einem Anwendungsbeispiel Lokale Gelenke Gelenke sind wichtige Funktionselemente im Maschinenbau. Bei klassischen Metallkonstruktionen werden sie am einfachsten durch den Einsatz von Scharnieren oder Gelenken erfüllt. Beim Einsatz von Kunststoffen besteht die Möglichkeit, auf ein sogenanntes Filmscharnier zurück zu greifen. Das Bild 9.20 zeigt die typischen technischen Lösungen für Metall und für Kunststoff in einer Darstellung. Bild 9.20 Klassisches Scharnier für Metalle und Filmscharnier für Kunststoffteile

259 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Das klassische Scharnier aus Metallen besteht aus mehreren Einzelteilen, die an die zu verbindenden Teile montiert werden (Bild 9.20 zeigt im Vordergrund ein Klavierband). Bei Kunststoffanwendungen kann man auf Filmscharniere zurück greifen und die Erzeugnisse nach dem Prinzip der integralen Bauweise aus einem einzigen Einzelteil herstellen. Die in Bild 9.20 im Hintergrund gezeigte Pausenbrotdose wird in einem Stück im Werkzeug geformt. Die Funktion Lokale Gelenke erreicht man durch örtliche Verminderung der Wandstärke in einem Konstruktionselement (Bild 9.21). Bild 9.21 Lokale Verminderung der Wandstärke, um eine Gelenkfunktion zu realisieren Bei einer stabförmigen Anwendung realisiert man die Gelenkfunktion über eine Verminderung des Stabradius. So erreicht man eine Funktionalität mit den Freiheitsgraden eines Kugelgelenks (Bild 9.21, oben). Flächige Konstruktionselemente realisieren Filmscharniere. Sie erhalten durch eine Verminderung der Wandstärke längs einer Biegelinie ähnlich flexible Eigenschaften wie beim Einbau eines klassischen Scharniers (Bild 9.21, unten). Bei Filmscharnieren muss die lokale Wanddicke so stark vermindert werden, dass mit den gegebenen duktilen Eigenschaften des Werkstoffes das Öffnen und Schließen eines angebundenen Deckels schadensfrei gegeben ist. Andererseits muss die Wandstärke im Filmscharnier ausreichend dick sein, dass beim Formfüllen die Schmelze aus der einen Schale über das Filmscharnier in die zweite Schale prozesssicher gedrückt werden kann. Die Wanddicke muss weiterhin stark genug ausgelegt werden, dass bei einer Zugbelastung an den beiden Schalen ein Abtrennen der Verbindung vermieden wird. Mit der Konstruktion des betreffenden Kunststoffteils muss man sich zwischen der funktionstechnischen und der technologischen Begrenzungen bewegen. Die konstruktive Auslegung eines Filmscharniers bringt in vielen Fällen auch dann noch Erfolg, wenn die kritische Dehnung des Materials überschritten wird. Eine

260 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 9.5 Funktionsbedingte Weitergabe oder Vervielfältigung. veränderliche Geometrie 243 Belastung im Filmbereich bewirkt eine lokale Streckung des Materials. Für die Funktion von Nutzen ist, wenn die Kaltverstreckung eine Vorzugsorientierung der Molekülketten in Tiefenrichtung des Filmbereiches bewirkt. Dann nimmt aufgrund der Zugbelastung der Abstand zwischen den beiden Schalen zu. Die Höhe des Filmbereiches also die lokale Wanddicke im Bereich des Filmscharniers nimmt entsprechend ab. Wenn nur wenig Erfahrungen für das eingesetzte Material und die beabsichtigte Dimension für das Filmscharnier vorliegen, muss sich der Konstrukteur an die endgültige Geometrie herantasten. Weil hier sehr große Verformungen erfolgen, die bei den anderen Anwendungen bedeuten, dass das Bauteil unbrauchbar ist, kann man sich von den Berechnungen auf der Basis finiter Elemente nur wenig Erfolg versprechen. Die experimentellen Untersuchungen sind nur dann zuverlässig, wenn sie an werkzeugfallenden Teilen vorgenommen werden, weil die Orientierung der Makromoleküle im Filmbereich einen entscheidenden Einfluss auf das Streckverhalten des Materials hat. Ist die Flexibilität des Verbindungsfilms nicht ausreichend, um die Scharnierfunktion zu gewährleisten, besteht einerseits die Möglichkeit, den Verbindungsfilm noch dünner auszulegen. Zum anderen kann man die wirksame Scharniertiefe vergrößern (Bild 9.22). Eine bessere Flexibilität des Filmscharniers erreicht man: Durch eine Verminderung der Scharnierdicke Durch eine Vergrößerung der Scharniertiefe Bild 9.22 Möglichkeiten, die Flexibilität eines Filmscharniers zu erhöhen Eine Verminderung der Scharnierdicke hat den Nachteil, dass beim Formfüllen das Durchfließen der Filmgeometrie mit Schmelze stark behindert wird. So treten bei der Unterschreitung einer bestimmten Filmdicke technologische Probleme auf. Bei zu geringer Wanddicke im Filmbereich kann der Druck zur Füllung der Kavität hinter dem Filmbereich nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Diese Schale kann so nicht mehr vollständig mit Schmelze versorgt werden. So können keine brauchbaren Erzeugnisse hergestellt werden.

261 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Der Vorteil bei der Reduzierung der Filmdicke ist, dass sie werkzeugtechnisch einfach realisierbar ist, wenn ein axial verschiebbarer Kern im Werkzeug zumindest die eine Seite der Filmgeometrie abformt. Dann kann nach Fertigstellung der Werkzeuge mit wenig Aufwand die Feinabstimmung des Filmscharniers erfolgen (Bild 9.23). Axial verschiebbarer Kern Bild 9.23 Verschiebbarer Kern im Werkzeug zur Feinabstimmung der Dicke des Filmscharniers Die Vergrößerung der Scharniertiefe ist werkzeugtechnisch sehr schwer umsetzbar. Auf diese Maßnahme sollte vor allem dann zurückgegriffen werden, wenn die Untersuchungen - orderid an einem Vorserienwerkzeug - transid vorgenommen _1D werden und der Bau - der Serienwerkzeuge noch aussteht Faltbare Anwendungen Faltbare Anwendungen sind aus dem Bereich der Kartonagen bekannt. Anwendungen für Erzeugnisse, die mit Falttechniken hergestellt werden, beschränken sich keineswegs auf den Verpackungsbereich oder auf das Material Pappe. Bei Kunststoffplatten können im Heißprägeverfahren Knicklinien (Falz) eingebracht werden, entlang derer die Platten gefaltet werden. Die Funktionsweise der Faltung erfolgt in Analogie zum Filmscharnier. Das Bild 9.24 zeigt eine entsprechende Überlegung bei einem realen Formteil, für das zur Demonstration dieser Funktionsweise ein Werkzeug angefertigt wurde. Mit Hilfe von kleinen Rasthaken werden die Flächen nach der Faltung in der Würfelform fixiert.

262 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 9.5 Funktionsbedingte Weitergabe oder Vervielfältigung. veränderliche Geometrie 245 Bild 9.24 Anwendung eines Faltwürfels für ein Gehäuse in der Elektrotechnik An die Flächen können unterschiedliche Funktionselemente geformt werden. So können Schalterelemente aufgenommen oder integriert und Leiterplatten am Gehäuse fixiert werden. Gelingt es, die Ausformung der Funktionselemente in Entformungsrichtung zu legen, können die Spritzgussformen sehr einfach und funktionell gestaltet werden (Auf-Zu-Werkzeuge, vergleiche Abschnitt 5.2 bis 5.4). Durch die Verwendung von Wechseleinsätzen in den Spritzgussformen kann mit einem Stammwerkzeug eine Vielzahl von Erzeugnissen nach dem Baukastenprinzip hergestellt werden. Ein Nachteil bei den aufgefalteten Erzeugnissen besteht darin, dass an den Ecken der Kanten - orderid Medien ungehindert ins Innere - transid der Quader - eindringen _1D können. - Die Falzkanten müssen nicht zwangsweise Linien in Form einer Gerade sein. Leichte Bögen sind ebenso möglich (Bild 9.25). Vorgeprägte Pfalzkanten Vor der Faltung Bild 9.25 Faltanwendung mit nichtgeraden Falzkanten Nach der Faltung

263 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Nach der Faltung des in Bild 9.25 gezeigten Anwendungsbeispiels bildet sich ein stabiler, schalenförmiger Boden aus. So kann auf einfache Art und Weise das Prinzip der geometrischen Versteifung nach dem in Abschnitt 7.3 vorgestelltem Prinzip umgesetzt werden Lokale Flexibilität und Hochelastische Anwendungen Realisierung mit einer weichen Materialkomponente Wird an einem Erzeugnis in einem bestimmten Bereich weiches Material eingebracht, entsteht eine lokale Flexibilität. Mit den Technologien des Mehrkomponentenspritzgießens (siehe Abschnitt 8.6.2) kann dies auch in Integralbauweise vor lie gen. Flexible Elemente werden in der Fluidtechnik vor allem zum Ausgleich von Spalten zwischen den Bauteilen verwendet. Klassisches Beispiel für das Abdichten von Spalten zwischen Bauelementen sind O-Ringe (Bild 9.5). Das Problem bei der Verwendung von O-Ringen ist, dass bei einer vorgegebenen Schnurstärke nur Spalte bis zu einer bestimmten Breite überdeckt werden können. Mit Profilringen können größere Spalte überdeckt werden. Die Montage der Elastomerteile muss aber sehr sorgfältig erfolgen, weil ein in sich verdrehter Profilring die Dichtfunktion nicht mehr erfüllt. Angespritzte - orderid Dichtungen haben vor - allem transid prozesstechnische _1D und logistische - Vorteile. Im Mehrkomponenten-Spritzgussverfahren werden weiche Dichtungselemente auf eine harte Schale aufgespritzt. Beide Materialien werden mit einem Fertigungsschritt geformt und fest miteinander verbunden. So wird an eine harte Thermolast- Schale ein weiches Dichtungselement aus einem thermoplastischen Elastomer aufgespritzt. Für die Haltbarkeit des Verbundes ist die Verträglichkeit der beiden kombinierten Materialien wichtig. Es ist vorteilhaft, wenn thermoplastisches Elastomer und die Hartkomponente aus dem gleichen Grundpolymer bestehen. Die Rohstoffanbieter haben sich bei der Verbesserung der Verträglichkeit der beiden Komponenten einen Erfahrungsschatz erarbeitet, auf dem die Konstrukteure aufbauen können. Ungeachtet dessen gibt es einige grundlegende konstruktive Regeln beim Einsatz von Hart- Weich-Verbindungen zu beachten. Bei Fluidsystemen ist eine häufige Forderung, zwei Einzelteile gegeneinander abzudichten, um einen Verlust oder den Austritt des Mediums zu verhindern. Wird für die Dichtung eine im Mehrkomponentenspritzgießen realisierte Hart-Weich-Verbindung vorgesehen, dann sollte eine stirnseitige Flanschdichtung favorisiert werden. So wirkt im Betrieb auf den Materialverbund eine Druckbelastung (Bild 9.26). Beim Einsatz werden die beiden Materialien der Baugruppe zusammengepresst und können sich nicht voneinander lösen. Die Verträglichkeit der Komponenten untereinander muss dann hinreichend sein, um die Haltbarkeit während Transport und

264 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 9.5 Funktionsbedingte Weitergabe oder Vervielfältigung. veränderliche Geometrie 247 Lagerung der Dichtungspartner vor der Montage zu gewährleisten. Wenn im Betrieb auf den Materialverbund Zug- oder Scherbelastung wirkt, müssen große Anstrengungen unternommen werden, um die Haltbarkeit des Verbunds durch eine hohe Verträglichkeit der Komponenten zu gewährleisten. Das erfordert hohen technischen Aufwand, der die Herstellungskosten des Erzeugnisses verteuert und birgt das Risiko eines vorzeitigen Versagens. Im Mehrkomponentenspritzgießen hergestellte Hart-Weich-Verbindungen müssen also völlig neu konstruiert werden. Während klassische Dichtungen eine radiale Abdichtfunktion aufweisen (Bild 9.5), sollten bei angespritzten Dichtungen im Betrieb die beiden Dichtpartner wie bei einer Flanschdichtung aufeinander gepresst werden. Es steht außer Frage, dass für die Haltbarkeit der Materialkombination die Verträglichkeit der Komponenten eine sehr wichtige Einflussgröße ist. Aber auch der Konstrukteur hat neben der Gestaltung der Lasteinwirkung weitere Möglichkeiten, die Funktionalität des Verbunds zu beeinflussen. So ist die Geometrie der Berührungsfläche von großer Bedeutung für die Haltbarkeit der Materialverbindung (Bild 9.26). Erfolgt eine stumpfe Berührung der beiden Komponenten durch eine ebene Fläche (Bild 9.26, - orderid links), ist - die Anordnung empfindlich - transid gegen _1D Zug und Scherbelastung. - Die Haltbarkeit der Werkstoffkombination muss durch eine entsprechende Verträglichkeit der Materialien gegeben sein. Von dieser Gestaltung können während des Trans ports und der Lagerung nur geringe Lasten aufgenommen werden. Beim Zusammenpressen des Verbundes unter Betriebslast besteht die Gefahr, dass die elastomere Komponente über die Breite des Verbundes eine Kriechneigung zeigt und die Dichtwirkung mit der Zeit nachlässt. Durch eine beidseitig schräge Berührungsfläche (Bild 9.26, oben Mitte) kann vom Werkstoffverbund eine Scherbelastung besser aufgenommen werden, weil dann eine Vektorkomponente der Last die Materialien gegeneinander presst. Mit einer Anordnung vieler kleinerer Prismen (Bild 9.26, unten Mitte) kann die wirksame Fläche noch vergrößert werden. Dann besteht aber nach wie vor die Gefahr, dass die Elastomerkomponente unter Last kriecht. Die schräg gestellten Flächen in Bild 9.26, oben Mitte, wirken dem entgegen. Schließlich besteht die Möglichkeit, beide Materialien durch einen Formschluss miteinander zu verbinden (Bild 9.26, rechts). Im Spritzgusswerkzeug muss eine Blockie rung beim Spritzen der harten Komponente die lokalen Durchbrüche für das weiche Material realisieren. Das erfordert zusätzlichen technischen Aufwand, bringt aber den großen Vorteil, dass selbst bei vollkommener Unverträglichkeit der beiden Komponenten für Transport- und Lagerprozesse eine ausreichende Fixierung gegeben ist.

265 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Stumpfe Berührung der Komponenten Dichtflächen großflächige Berührung der Komponenten Formschlüssige Berührung der Komponenten Elastomer Elastomer Elastomer Harte Komponente Harte Komponente Harte Komponente Elastomer Harte Komponente Anfällig gegen Zug und Scherung Anfällig gegen Zug; schräge Berührungsflächen stabilisieren gegen Scherung Stabilisiert gegen Zug und gegen Scherung Bild 9.26 Mögliche Geometrie der Übergangsflächen bei Hart-Weich-Verbindungen Realisierung mit konstruktiver Duktilität Der Wunsch liegt nahe, eine Dichtungsfunktion ohne elastomere Komponente zu realisieren. Mit den Überlegungen zur konstruktiven Duktilität ist das Handwerkszeug für eine dementsprechende konstruktive Lösung vorhanden. Das Bild 9.27 zeigt eine Skizze einer solchen Umsetzung. Über einen Schlauchstutzen wird eine Hülse gezogen, in die zum Beispiel ein Ventil eingebaut ist. Klassisch werden zwei Bauteile mit einem kurzem Stück Schlauch oder Rohr untereinander verbunden. Hier wurde dieses zusätzliche Verbindungsstück eingespart und dessen Funktion in das Spritzgussteil integriert. Die Abdichtfunktion wird mit einer verminderten Wandstärke in dem Bereich des aufgeschobenen Teils realisiert, der auf den Dichtkanten aufliegt. Dort kann eine tangentiale Dehnung auch über den Wert der angegebenen kritischen Dehnung hinaus erfolgen, ohne dass die Funktion der Baugruppe eingeschränkt wird. Der umlaufende Ring am aufgeschobenen Teil in Bild 9.27 links stabilisiert die röhrenförmige Struktur und verhindert ein Einreißen vom Rand her. Für den Montageprozess kann man hinter dem Ring mit einem Werkzeug greifen, um die Fügekräfte in das Teil einzuleiten. Die Übergänge der Wanddicken müssen sowohl zum umlaufenden Ring (Bild 9.27, links) als auch zur Rohrstruktur (Bild 9.27, rechts) hin allmählich gestaltet werden, um Spannungsspitzen zu vermeiden.

266 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 9.5 Funktionsbedingte Weitergabe oder Vervielfältigung. veränderliche Geometrie 249 Mit zwei hintereinander liegenden Dichtkanten sichert man die Robustheit der Dicht funktion. Die konische Form der Anordnung ermöglicht eine beschädigungsfreie Montage. 2. Dichtung 1. Dichtung Montagerichtung Stutzen aus dem Gehäuse Aufgeschobenes Anbauteil Blockierrippe als Anschlag Bild 9.27 Dichtsystem ohne elastomere Konstruktionselemente Günstig ist es, wenn das Material des aufgeschobenen Teils eine etwas geringere Steifigkeit aufweist, als der Werkstoff, aus dem der Stutzen besteht. Die E-Module beider Werkstoffe sollten sich etwa um Faktor 2 unterscheiden. Das kann durch die Verwendung von gefülltem oder verstärktem Material für den Stutzen realisiert werden Reversibles Beulen Um alternative Schalterstellungen mit klassischen Mitteln zu realisieren, muss man mehrere Teile verwenden und zur Sicherstellung der Funktion an den Einzelteilen und für den Zusammenbau einen nicht unerheblichen konstruktiven Aufwand betreiben. Ein aus anderen Bereichen bekanntes Funktionsprinzip, mit dem sich ebenso eine Schaltfunktion realisieren ließe, zeigt Bild Bei diesem Spielzeug, einem sogenannten Knackfrosch, wurde mit einem ebenen Blech aus Federstahl ein schwach ausgeprägter Dom geformt. Bei einer geeigneten Deformation des Bleches klappt der Dom um und die Ausprägung stellt sich genau im entgegengesetzten Richtungssinn dar.

267 Carl Hanser 9 Veränderliche Fachbuchverlag. Geometrie Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Bild 9.28 Umklappen einer Deformation am Beispiel eines Kinderspielzeugs Knackfrosch In der Funktion des Kinderspielzeugs erfreut man sich vor allem an dem Knackgeräusch beim Umklappen des Federstahls. Man hat den Dom im Federstahlblech so ausgelegt, dass sich die Beulung wieder zurückstellt, wenn man keine Kraft mehr auf das Blechteil wirken lässt. Es handelt sich hier um einen Wechsel von einem stabilen in einen metastabilen Zustand. Das Prinzip des Knackfroschs kann auch für bistabile Systeme umgesetzt werden. Bei bistabilen Systemen erfolgt nach der Wegnahme der Spannung keine Rückstellung der Beulung des Doms. Für einen erneuten Zustandswechsel muss eine im entgegengesetzten Richtungssinn wirkende Spannung auf das System einwirken ähnlich wie beim Ausbeulen eines Autokarosserieteils. Eine bekannte technische Anwendung für die metastabile Anwendung des Prinzips Knackfrosch erfolgt bei Verschlüssen von Konserven. Deren Blechdeckel ist leicht ballig ausgeführt. Im Stabilen Zustand hat der Dosendeckel eine konvexe Form. Solange in der Konserve ein Unterdruck vorherrscht, befindet sich das System im metastabilen Zustand und der Deckel weist eine konkave Ausprägung auf. So ist äußerlich erkennbar, ob in der Konserve noch ein hinreichender Unterdruck vorherrscht. Sollte der Deckel nach außen gebeult sein, erfolgte ein Drucklausgleich mit der Umgebung und das Verpackungsgut muss als verdorben betrachtet werden. Ein weiteres Anwendungsbeispiel sind Plättchen als Auslöser in Latent-Wärmekissen. Bei der Deformation des Plättchens wird durch die Wirkung der Schockwellen der thermodynamischen Zustandswechsel des Wärmeträgermediums initiiert. Bei der Übertragung dieses Funktionsprinzips auf die Kunststofftechnik sind sowohl Anwendungen für metastabile als auch für stabile Systeme möglich. So könnten Schalterelemente, die in einem Kunststoffgehäuse integriert sind (Bild 9.26), sowohl die Funktion eines Tasters als auch die eines Umschalters erfüllen, je nachdem, ob ein stabiles oder ein metastabiles System gewählt wird. Eine sehr profane Anwendung zeigt Bild Die dort abgebildete Haarbürste kann zusammengeklappt leicht transportiert werden. Soll sie der Verschönerung dienen,

268 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 9.5 Funktionsbedingte Weitergabe oder Vervielfältigung. veränderliche Geometrie 251 werden die Zinken mit einem leichten Druck auf die der Gummischeibe durch deren Umklappen in entsprechende Position gebracht. Soll die Bürste wieder verstaut werden, erfolgt durch einen leichten Druck auf die Zinken eine erneute Veränderung der Geometrie in den Transportzustand. Bild 9.29 Anwendung für ein funktionales Umklappen eines Konstruktionselements

269 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung.

270 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. 10 Funktionsintegration 10.1 Der Begriff Funktionsintegration Der Begriff Funktionsintegration bringt das Einbeziehen von zusätzlichen funktionellen Eigenschaften in ein Erzeugnis zum Ausdruck. Die produktorientierte Überlegung ist aber nur ein Teil dieses Komplexes. Gerade bei der Verarbeitung von Kunststoffen ist auch der technologische Ablauf in den Blick zu nehmen, also sind prozesstechnische Aspekte zu berücksichtigen. Aufgrund der Massenproduktion werden sehr komplexe Fertigungsverfahren angewendet. Bei hohen Stückzahlen ist es besonders lohnenswert, zu überlegen, ob bei einzelnen Fertigungsschritten zusätzliche technologische Aufgaben ausgeführt werden können, um sie an anderer Stelle einzusparen. Die Funktionsintegration - orderid hat also eine - konstruktive transid und _1D eine verarbeitungstechnische Seite. Beide Trends sind einerseits entgegengesetzt, andererseits beeinflussen - sie sich gegenseitig. An einem historischen Beispiel soll die Wirkung der Funktionsintegration dargestellt werden. Zur Zeit des Absolutismus kamen Orangerien in Mode und später im 19. Jahrhundert suchten mehr oder weniger wissenschaftlich motivierte Botaniker im europäischen Klima nach Überwinterungsmöglichkeiten für tropische Pflanzen, wie beispielsweise die Ananas. Die technische Aufgabe bestand darin, große, lichtdurchlässige Flächen in Bauwerke zu integrieren. Als Lösung wurden zunächst gemauerte Gebäude mit großen Fensterflächen gebaut. Später ermöglichten gusseiserne Fachwerkstrukturen, die mit Glasscheiben ausgekleidet wurden, lichtdurchflutete und beheizbare Räume. So konnten auch tropische Pflanzen ohne Vegetationspause trotz des europäischen Winters im Mutterland wachsen. Die technologische Funktionsintegration ist durch die Fortschritte bei der Herstellung und Verarbeitung der Halbzeuge gekennzeichnet. Durch die industrielle Produktion konnten preiswerte, großfläche und spannungsarme Flachgläser angeboten werden. Die so zugänglichen, großflächigen Scheiben mit geringem Flächengewicht erlaubten den Bau von weniger massiven und weniger teuren Orangerien, bis hin zu repräsentativen Kristallpalästen. Schließlich wurde der Bau von preiswerten Gewächshäusern in Ständerbauweise möglich. Weitere

271 Carl Hanser 10 Funktionsintegration Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. technologische Funktionsintegrationen ergaben sich vor allem durch die Entwicklung der Kunststoffmaterialien. Diese Alternative zum Glas ermöglichte durchsichtige, gewölbte, aber auch flexible Strukturen. Gewächshäuser müssen nun nicht mehr zwangsweise eine Immobilie darstellen, sondern können auch als zeltähnliche Systeme gestaltet werden. Diese sind für die industrielle Landwirtschaft genau so geeignet, wie für die individuelle Pflanzenzucht auf dem Balkon. Ähnliche Effekte wie im Gewächshaus lassen sich erzielen, wenn eine durchsichtige Folie direkt auf dem Boden ausgelegt wird. Die Wirkung auf das Pflanzenwachstum ist ähnlich wie bei einem Folienzelt, das Erzeugnis Bodenfolie ist aber viel einfacher herstellbar als eine Zeltkonstruktion. Problematisch ist die Zuführung der ausgelegten Folien zur Entsorgung. Verbleiben Reste im Boden, verrotten sie nicht. Mit dem Einsatz von biologisch abbaubaren Kunststoffen für solche Anwendungen in der Landwirtschaft kann dieses Problem umgangen werden. Die Landwirte müssen aber den höheren Preis der abbaubaren Folien als Zukunftsinvestition zur Bodenerhaltung akzeptieren. Es bietet sich an, den Abbaumechanismus der Folie so zu steuern, dass eine Harmonie zum natürlichen Pflanzenwachstum vorliegt. Zukünftig könnten in den abbaubaren Folien bereits die Pflanzensamen entsprechend portioniert und positioniert enthalten sein. Auch kleine Düngemitteldepots sind denkbar, für die ein auf das Pflanzenwachstum abgestimmter Zersetzungsgrad der Folie wirksam wird. Die konstruktive Funktionsintegration führte über einige Zwischenschritte zu unseren heutigen Hochhäusern mit Stahlgerüst und Glasfassade. In Gegenden mit rauem Klima sind Wintergärten für den Siedlungsbau eine willkommene Bereicherung der Wohnkultur und werden in die bestehenden Wohngebäude integriert. Derzeitig gibt es Überlegungen, in heißen Gegenden die Kondensations wärme des Wassers bei gleichzeitig gezielter Verdunstung in einem offenen Kreislauf zur Klimatisierung der Gebäude zu nutzen. Speist man das System mit Salzwasser, kann bei diesem Vorgang das Kondenswasser aufgefangen werden, das dann zur Bewässerung oder als Trinkwasser zur Verfügung steht. Wendet man die Funktionsintegration bewusst bei der Erzeugnisentwicklung an, kann man sich aus dem dargestellten Beispiel solarthermische Systeme ableiten. Die großen, durchscheinenden Flächen an und auf den Gebäuden können als zusätzliche Funktion ein Wärmeträgermedium bei Sonneneinstrahlung speisen. So würde die Kollektorfunktion und die Funktion Wärmeisolation des Bauwerks in einem einzigen Erzeugnis aus Kunststoff umgesetzt werden. Die konstruktive Funktionsintegration führt zu immer leistungsfähigeren und auf den Kunden zugeschnittenen Produkten. Ein sehr verständliches Beispiel ist die Entwicklung unserer Mobiltelefone von Anrufmaschinen bis hin zu komplexen elektronischen Begleitern in den letzten Jahren, welche neben vielen nützlichen Dingen auch ungeliebte Möglichkeiten mit sich bringen. Die technologische Funktionsintegration führt tendenziell zu einfacheren und robusteren Produkten, die sehr kostengünstig hergestellt werden können. Ein Anwen-

272 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe 10.1 Der oder Begriff Vervielfältigung. Funktionsintegration 255 dungsbeispiel hierfür ist die nicht immer populäre Plastiktüte, in welcher wir unsere Einkäufe aus dem Shoppingcenter nach Hause transportieren. Durch fortlaufende technologische Optimierung ist das Produkt so preiswert geworden, dass mit dem Gegenwert der auf der Tüte abgebildeten Werbebotschaft die Herstellungskosten abgedeckt werden können. Die Beispiele des Mobiltelefons und der Plastiktüte zeigen, dass neben den technischen Aspekten vor allem auch gesellschaftliche Perspektiven den Umgang mit einem Produkt bestimmen. Für das Mobiltelefon wurden neben der ursprünglichen Funktion des ortsunabhängigen Telefonierens immer mehr Möglichkeiten für Anwendungen erschlossen. Was mit dem Versand von SMS begann, setzte sich über integrierte Fotoapparate und MP3-Player mit Radioempfang fort. Die Smartphones eröffnen uns nun eine nahezu unübersichtliche Anzahl von Möglichkeiten, die nicht immer und unbedingt zum Vorteil des Konsumenten sein müssen. Aus dem in Mobilfunknetzen nachvollziehbaren Kommunikationsverhalten des Einzelnen lassen sich Rückschlüsse auf sein Verhalten in der Gesellschaft im weitesten Sinne gewinnen. Bei geschäftlichen Besprechungen werden hier und da die Mobiltelefone eingesammelt und in Blechdosen zwischengelagert, um ein Mithören zu vermeiden. Bei der Entwicklung von Mobiltelefonen ist es durchaus denkbar, dass bestimmte Bewegungen bewusst Applikationen vorantreiben, die vom Konsumenten ungewollt Informationen abfragen. Hier muss der Verbraucher über diese Möglichkeiten und deren Konsequenzen informiert werden. Die Rückbesinnung auf die ursprüngliche Idee des Mobilfunks, nur eine ortsunabhängige Fernsprechverbindung zu ermöglichen, erscheint aber nicht vom Verbraucher gewollt zu sein. Somit bestehen nun die technischen Herausforderungen darin, die volle Leistungsfähigkeit der gewohnten mobilen Kommunikation zu ermöglichen und daneben die bereits nachgewiesenen und potenziellen Nachteile einer unzureichenden Datensicherheit zu umgehen. Nachdem der Konsum von Plastiktüten über lange Jahre vorbehaltlos betrieben worden ist, haben Verbraucher nun Bedenken bezüglich der Umweltverträglichkeit ihrer Verpackungen. Problematisch ist, dass die gesamte Verkaufskultur der westlichen Welt auf den Konsum von Verpackungsmitteln ausgerichtet wurde. Heute reicht beispielsweise kein Verbraucher mehr ein Schraubglas über den Ladentisch und lässt sich zwei saure Gurken aus dem Fass geben. Ohne die Einzelverpackung der Lebensmittel bräche unsere gesamte Konsumkultur zusammen. Parallel zum Durchsetzen der Kunststoffverpackungen in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg ist die Erdbevölkerung auf ein Vielfaches angewachsen. Schon aus humanistischen Gründen ist eine Umkehr auf den technologischen Stand von vor drei oder vier Generationen nicht mehr möglich.

273 Carl Hanser 10 Funktionsintegration Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Funktionsintegration ist eine Einbahnstraße. Wendet man das Prinzip der Funktionsintegration an, muss man sich über die Unumkehrbarkeit ihrer Folgen im Klaren sein und verantwortungsbewusst handeln. Bei der Anwendung von Plastiktüten greift der offene Markt in voller Härte an. Die Konkurrenzsituation brachte immer preiswertere Produkte hervor, ohne die Entsorgungsproblematik zu berücksichtigen. Als sich in den neunzehnhundertneunziger Jahren breite Kreise der Gesellschaft für Umweltaspekte zu interessieren begannen, verursachte die umweltgerechte Entsorgung der Verpackungen höhere Kosten, als für deren Herstellung erforderlich waren. Staatliche Maßnahmen konnten bestenfalls die Auswirkungen der großen Verbreitung von Kunststoffverpackungen etwas abschwächen. Ein globaler Markt kann in seiner Gesamtheit nicht durch national begrenzte gesetzliche Regelungen beeinflusst werden. Die technische Aufgabe besteht nun darin, für die Verpackungsartikel mehrere nacheinander folgende Nutzungsmöglichkeiten zu erschließen. Dosenartige Verpackungen könnten nach der Entnahme des Inhalts weiterhin als Vorratsbehälter genutzt werden, die Einkaufstüten wären nach ihrer ersten Nutzung als Müllbeutel weiterverwendbar. Dazu muss eine technische Lösung ermöglicht und gleichzeitig beim Verbraucher ein entsprechendes Bewusstsein erzeugt werden. So könnten beispielsweise die Plastiktüten mit einer vom Verbraucher verstandenen dementsprechenden - orderid Botschaft versehen werden und - transid mit einem Zugband _1D analog dem eines - Müllbeutels ausgestattet sein. Auch die weitere Entwicklung von bestimmten Kunststoffen, die sich in den biologischen Kreislauf mehr oder weniger gut integrieren, trägt zur Lösung dieser Aufgabenstellung bei. Die Funktionsintegration ist ein geeignetes Mittel, das technische Niveau vorhandener Produkte zu steigern und umgekehrt: Man muss bei einer beabsichtigten Weiterentwicklung von Erzeugnissen die Funktionsintegration anwenden. Um eine effiziente Integration von Funktionen zu ermöglichen, wird die Systematisierung nach Bild 10.1 angewendet und im Folgenden diskutiert.

274 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 10.2 Weitergabe Die konstruktive oder Vervielfältigung. Funktionsintegration 257 Funktionsintegration Konstruktive Funktionsintegration Technologische Funktionsintegration Funktionelle Mehrfachnutzung der Geometrie Zusätzliche Ausbildung einer Geometrie am Funktionsteil Kombination und Zusammenlegen technologischer Einzelschritte Einsatz von speziellen Sonderverfahren Mehrfachnutzung in der gleichen Phase des Produktlebenszyklus Mehrfachnutzung in nacheinander folgenden Phasen des Produktlebenszyklus Bild 10.1 Übersichtsschema zur Funktionsintegration Mehrkomponentenspritzgießen Folienhinterspritzen Dekorhinterspritzen Integralschäumverfahren 10.2 Die konstruktive Funktionsintegration Das Wesen der konstruktiven Funktionsintegration Ein großer Vorteil von Spritzgusserzeugnissen ist die Möglichkeit, eine sehr komplexe Geometrie in einem einzigen Produktionsschritt zu erzeugen. Das ermöglicht es, eine Vielzahl von Funktionselementen in ein Erzeugnis einzubinden. Diesen Vorteil nutzen die Konstrukteure gern und entwerfen sehr komplexe Formteile zur multivalenten Funktionserfüllung. Das Bild 10.2 zeigt eine Anwendung aus dem Automobilbau, die normalerweise für den Nutzer nicht sichtbar ist. Um bei dem Fahrzeugtank das Risiko eines Kraftstoffaustritts gering zu halten, möchte man die Medien- und Informationsübergabe aus diesem Teilsystem mit möglichst nur einer Öffnung bewerkstelligen. Mit dem Tankflansch, der diese Öffnung verschließt, muss eine große Anzahl von Funktionen erfüllt werden.

275 Carl Hanser 10 Funktionsintegration Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Demontagehilfe Kraftstoffentnahme für Motor Kraftstoffentnahme für Standheizung Signalstecker für Füllstandsanzeige Aufnahme für Hebelgeber Bild 10.2 Mehrere Funktionen am Verschlussflansch eines Kraftstoffbehälters Durch einen angeformten Schlauchstutzen auf der Außenseite wird der für den Betrieb des Fahrzeuges notwendige Kraftstoff dem Fahrzeugmotor zugeführt. Auf der in Bild 10.2 nicht zu erkennenden Innenseite des Flansches wird ein Aufnahmestutzen für ein Ventil vorgesehen, das ein Auslaufen von Kraftstoff verhindert, wenn die Verbindungsleitung zwischen Tank und Motor bei einem Unfall abgerissen wird. Für den Betrieb einer später eingebauten Standheizung steht ein vorbereiteter Stutzen zur Verfügung, der bei Bedarf eröffnet werden kann und die entsprechenden Einbauteile aufnimmt. So wird die Kraftstoffversorgung für die Standheizung sichergestellt und das Teilsystem Kraftstoffbehälter auch nach einem nachträglichen Ein- bau durch ein zusätzlich montiertes Bauteil wieder verschlossen. Über einen an den Flansch angespritzen Stecker erfolgen die Signalübertragung und die Stromversorgung. Im Innern des Tanks wird die Kraftstoffpumpe mit einer elektrischen Spannung versorgt. Die Signale des Hebelgebers werden über den Stecker aus dem Tankinneren der Steuerungseinheit zugeführt, damit dem Fahrer der Füllstand angezeigt werden kann. Die Toleranzen für die Maße des Steckers müssen exakt eingehalten werden, damit die funktionsentscheidenden Passungen der Steckverbindung gegeben sind. Ein Demontagebügel stellt die einfache Entnahme des Flansches im Service sicher. Aufgrund der außermittigen Aufnahme genügt beim Ausbau der Einheit eine maßvolle Kraft. Die Anbindung des Bügels an den Schlauchdom minimiert den Materialverbrauch und stabilisiert das System. Mit dem Tankflansch werden also mehrere Funktionen erfüllt, bei diesem Erzeugnis vor allem durch getrennte Bereiche. Nur am Demontagebügel erfolgt eine teilweise funktionelle Mehrfachnutzung der Geometrie zusammen mit dem Dom für die Aufnahme des Schlauchstutzens. Die an diesem Beispiel erklärte multiple Funktionserfüllung an einem Erzeugnis kann verallgemeinert werden. Gerade für spritzgegossene Kunststofferzeugnisse ist die Erfüllung von mehreren unterschiedlichen Funktionen charakteristisch.

276 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 10.2 Weitergabe Die konstruktive oder Vervielfältigung. Funktionsintegration Das Prinzip Funktionelle Mehrfachnutzung Die funktionelle Mehrfachnutzung der Geometrie ist das Erfüllen von mehreren Funktionen eines geometrischen Bereiches eines Formteils. Eine funktionelle Mehrfachnutzung ist in nacheinander folgenden Nutzungsabschnitten möglich oder sie erfolgt durch das Erfüllen mehrerer Funktionen gleichzeitig. Der Vorteil einer funktionellen Mehrfachnutzung besteht darin, dass ein großer Umfang zu erfüllender Funktionen mit wenig Materialeinsatz möglich ist. Dafür ist der Entwicklungsaufwand sehr hoch, weil sich die Funktionsgebiete gegenseitig beeinflussen. Fällt eine Funktion aus, ist das gesamte System gefährdet. Integrierte Schaltkreise und programmierbare Systeme sind ein Beispiel für eine konsequente Umsetzung der Idee funktionelle Mehrfachnutzung. Die Alternative zur funktionellen Mehrfachnutzung ist das Hinzufügen einer zusätzlichen Geometrie am Formteil, um eine weitere Funktion zu erfüllen. Das Bild 10.3 zeigt als typisches Beispiel für ein solches Vorgehen einen Flaschenöffner und -verschließer, den ein Kunststoffhersteller als Werbeträger nutzt. Hier sind Korkenzieher - und orderid Flaschenöffner an die Flaschenverschließer - transid _1D angefügt worden. Sie -sind aus dem stabilen Kunststoffmaterial gefertigt, das beworben werden soll. Bild 10.3 Werbeartikel Flaschenverschluss mit Korkenzieher und Flaschenöffner Im Beispiel von Bild 10.3 wurde für eine zusätzliche Funktion ein eigenes Einzelteil angefügt. Zu übermitteln, dass die Funktionsteile aus dem beworbenen Material bestehen, stellt die Hauptaufgabe Werbung des Erzeugnisses dar. Das Teil hat sicher noch Verbesserungspotenzial in Bezug auf die Funktionalität. So könnten beispielsweise mit Auf- und Anlageflächen der beiden Flaschenöffner ungünstige Hebel verhältnisse und Spannungsspitzen umgangen werden. Das in Bild 10.3 konkret gewählte Design und die farbliche Gestaltung ist gut geeignet, die Aufmerksamkeit des

277 Carl Hanser 10 Funktionsintegration Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Nutzers auf die beiden Funktionselemente zum Flaschenöffnen zu konzentrieren. Mechanisch sollte das Teil so ausgelegt werden, dass eine Schädigung oder Zerstörung immer am Trägerteil auftreten wird. Der Fachmann, auf den die Reklame abzielt, weiß genau, dass hier ein Material eingesetzt wird, dass außerhalb des Sortiments der werbenden Firma liegt. Die Werbebotschaft wird durch entsprechende Aufdrucke und Kennzeichnung auf der im Bild 10.3 nicht dargestellten Rückseite unterstrichen. Somit ist die Mehrfachnutzung des Erzeugnisses durch die Werbebotschaft gegeben, die durch die Funktion des Flaschenöffnens und -verschließens ergänzt wird Das Prinzip zusätzliche Geometrie zur Gewährleistung einer weiteren Funktion Die Ausbildung einer zusätzlichen Geometrie zur Gewährleistung einer weiteren Funktion am Erzeugnis kennzeichnet lokal am Erzeugnis vorgenommene Veränderungen, die von anderen Funktionselementen unabhängig sind. Ein klassisches Beispiel für die zusätzliche Ausbildung einer Geometrie, um die Funktionalität eines Erzeugnisses zu erhöhen, ist in Bild 10.4 dargestellt. Dazu wird an einem Kaffeebecher eine zusätzliche Geometrie in Form eines Henkels angebracht, so dass er sich wie eine Tasse handhaben lässt. Bild 10.4 Gefäße für Heißgetränke Becher und Tasse Der Henkel der Tasse wurde so gestaltet, dass die Erzeugnisse problemlos stapelbar sind und somit bei Transport und Lagerung nur ein geringes Volumen beanspruchen. Das Prinzip der funktionellen Mehrfachnutzung wäre grundsätzlich für einen Becher anwendbar, wenn man anstelle des zusätzlichen Henkels die Becherwandung handgerecht gestalten würde. Die würde bei Kaltgetränken einen festen Halt er-

278 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 10.2 Weitergabe Die konstruktive oder Vervielfältigung. Funktionsintegration 261 möglichen. Bei Heißgetränken liegt es im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand, dass diese Lösung ungeeignet ist. Außerdem können so gestaltete Produkte nicht gestapelt werden. Sie benötigen ein viel zu großes Volumen bei Lagerung und Transport. Ein Beispiel für das Prinzip der funktionellen Mehrfachnutzung bei Volumenverpackungen wird in Bild 10.5 gezeigt. Bei solchen blasgeformten Flaschen kann die Funktion des Henkels in die flüssigkeitsumgebende Wandung integriert werden Vergleich der beiden Prinzipien Bild 10.5 Blasgeformte Flasche mit Füllvolumen auch im Henkel Eine Übertragung der beiden Prinzipien Zusätzliche Ausbildung einer Geometrie und funktionelle Mehrfachnutzung der Geometrie wird in Bild 10.6 in Bezug auf die Kabelfixierung in der Elektrotechnik dargestellt. In der linken Darstellung von Bild 10.6 wird eine einfache Modifikation am Gehäuse vorgenommen. Dies entspricht weitgehend dem Prinzip der funktionellen Mehrfachnutzung des Gehäuses, das zum Schutz des Inhalts und zur Kabelfixierung dient. Die eingebrachten drei Schlitze sind so gestaltet, dass bei der Montage des Kabels der Strang in die Schlitze eingeflochten wird. Wirkt von außen am Kabel eine Zuglast, überträgt sich die Belastung auf das Gehäuse. An der Fügestelle des Kabels auf der Platine im Innern des Gehäuses wirkt so keine Zugbelastung. In der rechten Darstellung in Bild 10.6 wurde für die Kabelführung eine zusätzliche Geometrie an das Gehäuse angeformt. Bei der Montage der Zuleitung wird der Kabelstrang um diese Kabelfixierung geschlungen und anschließend festgezogen. Auch mit diesem Prinzip kann die Zugentlastung der Fügestelle im Innern des Gehäuses voll und ganz sichergestellt werden.

279 Carl Hanser 10 Funktionsintegration Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Weitergabe oder Vervielfältigung. Zugentlastung des Kabels durch eine einfache Modifikation der Geometrie an der Gehäuseschale Zugentlastung des Kabels durch Anbringen einer zusätzlichen Geometrie an der Gehäuseschale Bild 10.6 Zugentlastung eines Kabels Der Vorteil der funktionellen Mehrfachnutzung ist, dass bei der technischen Umsetzung - orderid kaum Mehrkosten entstehen - transid und die einfache _1D Geometrie des Gehäuses - weitgehend beibehalten werden kann. Nachteilig ist, dass aufgrund der Modifi kation sich die Funktionselemente gegenseitig beeinflussen können. So könnte bei der Wirkung einer Zugebelastung die Gehäusewand vor allem im Bereich der Stege zwischen den Einschnitten so deformiert werden, dass der Schutz des Inhaltes nicht mehr gegeben ist. Genau entgegengesetzt verhalten sich Erzeugnisse, die nach dem Prinzip zusätzliche Geometrie gestaltet wurden (Bild 10.6, rechts). Die erkennbare Anformung der Kabelfixierung erfordert eine zusätzliche Trennebene für die zur Herstellung der Formteile benötigten Werkzeuge. Das bedeutet hohe Kosten für die Investition des Werkzeuges und für die Fertigung der Formteile. Durch die räumliche Trennung der jeweiligen funktionserfüllenden Geometrie ist die Beeinflussung der Bereiche bei Funktionserfüllung weniger ausgeprägt als bei einer funktionellen Mehrfachnutzung. Nicht in allen Bereichen ist bisher eine sinnvolle Funktionsintegration gelungen. So stellen Ganzjahresreifen immer nur einen Kompromiss aus Wintertauglichkeit und Abrieb dar, der an das Eigenschaftsniveau von Sommer- und Winterreifen nicht heranreicht. Der Vorteil, dass kein saisonaler Reifenwechsel erfolgen muss und auf die Einlagerung des nicht benötigten Reifenpaares verzichtet werden kann, überzeugt jedoch einige Verbraucher.

280 2014 Carl Hanser Fachbuchverlag. Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte 10.2 Weitergabe Die konstruktive oder Vervielfältigung. Funktionsintegration Beispiele für eine konstruktive Funktionsintegration Einige Beispiele für eine gelungene konstruktive Funktionsintegration zeigt Bild Bild 10.7 Beispiele für eine konstruktive Funktionsintegration aus unterschiedlichen Anwendungsgebieten Links oben in Bild 10.7 ist die praktische Umsetzung einer Kabelfixierung gezeigt, hier an einer Aufnahme für einen Elektromotor in fotografischer Darstellung. Damit wird verhindert, dass die Zuleitungen in die beweglichen Teile der Baugruppe gelangen können. Diese Lösung ist die Alternative zur früher angewendeten Fixierung der elektrischen Leitungen mit Kabelschellen oder Kabelbindern. Mit der neuen Ausführung benötigt man weniger Teile und reduziert so den Aufwand für Logistik und Montage. Außerdem mussten vorher in der Wandung der Motoraufnahme Durchbrüche vorgesehen werden, damit die Montageelemente für die Kabel an diesem Teil fixiert werden konnten. Das erforderte oft eine zusätzliche Trennebene für das betreffende Werkzeug. In Bild 10.7 rechts oben ist ein in die Armlehne der Rücksitzbank eines Kraftfahrzeugs integrierter Becherhalter dargestellt. Die Funktion wird durch eine zusätzliche Geometrie erfüllt. Der Becherhalter kann in die Armlehne versenkt werden. So erreicht man beim Konsumenten auf der Rückbank des Fahrzeuges die Überzeugung, dass er sich in einem Fahrzeug mit hohem technischem Niveau befindet. Das Aus- und Einfahren des Becherhalters kann man von der Stellung der Armlehne abhängig machen, um eine Fehlbedienung zu vermeiden. Grundsätzlich könnte die

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