Wie lassen sich psychische Krankheiten des Kindesalters verhindern?

Transkript

1 Wie lassen sich psychische Krankheiten des Kindesalters verhindern? F. Resch Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Universitätsklinikum Heidelberg Heidelberg, 2014

2 Prävention

3 Prävention bei Kindern Generalprävention Schulbasiert Risikoprävention Kinder psychisch kranker Eltern Indizierte Prävention Expansive Störungen Emotionale Störungen

4 GENERALPRÄVENTION SCHULBASIERT

5 Generalprävention Schulbasiert

6 RISIKOPRÄVENTION SELEKTIVE GRUPPEN

7 Risikoprävention Kinder kranker Eltern Genetisch Kinder psychisch kranker Eltern Erhöhtes Risiko einer eigenen psychischen Erkrankung Familienklima

8 Risiko von Kindern psychisch kranker Eltern Schizophrenie: 13% (über 40% wenn beide Eltern psych. krank) Depression: 24% Diagnoseübergreifend: 3-7fach erhöhte Störungsrate (Wiegand-Grefe, 2012)

9 Subjektive Belastungen Elterliche Erkrankung Wissen über Erkrankung ( ich auch? ) Tabuisierung Isolierung und Kommunikationsverbot Rücksichtnahme Alltagsstress / Traumatisierung Parentifizierung / Vernachlässigung Schuld und Loyalitätskonflikte (nach Wiegand-Grefe, 2012)

10 Destruktive Parentifizierung Elternfunktion aufgehoben Eltern missbrauchen Kinder für ihre Bedürfnisse Grenzüberschreitungen Kind übernimmt Verantwortung Kind ordnet eigene Bedürfnisse den Eltern unter Kind erhält dafür keine Anerkennung (nach Wiegand-Grefe, 2012)

11 Balance-Projekt in Heidelberg Mutter Elternbeziehung Vater Beziehungsqualität Erziehungsqualität Kind

12 Elternverhalten Nicht die Diagnose macht Unterschiede der mütterlichen Sensitivität bei psych. Krankheiten Symptom-Belastung und gesellschaftliches Funktionieren sind relevant! (Mowbray & Khang, 2000)

13 genetische Belastung psychisch kranker Elternteil Kind Vulnerabilität psychosoziale Belastungen gesunder Elternteil Helfersystem

14 INDIZIERTE PRÄVENTION TEMPERAMENT

15 Risikoprävention Temperament? kindliches Temperament Erhöhtes Risiko einer psychischen Störung?

16 Behaviorales Aktivierungs-System (BAS) Antizipatorisches Interesse Neugierverhalten Belohnungsgesteuert Positive Emotionen Dopaminerge Systeme (Gray, 1982; Cloninger, 1994; Rothbart & Posner,

17 Behaviorales Inhibitions-System (BIS) Neuheit Vermeidungsverhalten Bestrafung/Nicht-belohnung Angststimulatoren Amygdala Serotoninerge Systeme (Gray, 1982; Cloninger, 1994; Kagan, 1997; Rothbart & Posner, 2006)

18 Difficult Temperament negative Emotionalität (Bates, 1989) (Thomas & Chess, 1963) Reaktion auf Unbekanntes distress to novelty Frustrationsintoleranz irritability to limitation/frustration Einstellungen der Bezugsperson labeling (Rothbart & Posner, 2006)

19 Temperament und Psychopathologie Irritabilität + behav. Inhibition Angst vor Neuem Angst Depression Irritabilität + behav. Aktivierung Ärger über Grenzen Aggressivität (Petermann & Resch, 2008)

20 Temperamentänderungen Irritabilität / Frustration Ç Risiko für Psychopathologie Ängstlichkeit persistiert Æ Risiko für internalisierende Störungen Temperamentänderungen zwischen J. prädizieren psychische Störungen zwischen J Jugendlichen (11-25 J.), TRAILS-Studie (Laceuille et al., 2014)

21 Temperament und Borderlinestörung (Kaess et al., 2013)

22 INDIZIERTE PRÄVENTION EXPANSIVE STÖRUNGEN

23 Entwicklungsmodell für expansive Störungen somatische Risikofaktoren Genetik psychosoziale Risikofaktoren ( Bindung ) Entwicklungsaufgaben Vulnerabilität Emotionsregulation Impulskontrolle Mentalisierung Prosoziale Einstellung Lebensereignisse Schule Familie Integration Verhaltensauffälligkeit Nachbarschaft Freunde positive emotionale Beziehungen

24 Evidenzbasierte präventive Interventionen: Aggressives Verhalten The Incredible Years (IY) Schule/Familie (Gardner et al., 2006; Scott 2005; Webster-Stratton, 1981) Families and Schools Together (FAST) Schule, Gruppeninterventionen für Eltern (Kratochwill et al.,2006) Promoting Alternative Thinking Strategies (PATHS) Schule, Lehrer trainieren Kinder (Greenberg, 1998) (Bachmann et al., 2010)

25 Gewalt Ausgrenzung Demütigung

26 INDIZIERTE PRÄVENTION EMOTIONALE STÖRUNGEN

27 Soziale Angststörung (SAD) = Soziale Phobie Lebenszeitprävalenz: 13.3% (5% - 15%) dritthäufigste psychiatrische Störung (nach Depression und Alkoholabhängigkeit) (Heimberg et al, 2000; Kessler et al, 1994; Wittchen et al, 1999)

28 Vulnerabilität der SAD shared vulnerability SAD Major Depression negative affect generelle Angstdisposition

29 Behaviorale Inhibition 10-15% aller Kinder zeigen mit 14 Monaten ein stark vermeidendes Verhalten gegenüber unbekannten Stimuli (Kagan et al., 1988)

30 Folgen: Diese Kinder sind mit 4 und 7,5 Jahren signifikant sozialängstlicher (Biedermann et al., 2001)

31 Spätfolgen: In der Adoleszenz und im frühen Erwachsenenalter haben sie ein höheres Risiko eine Angst- oder Panikstörung zu entwickeln (Schwartz et al., 2001, Hirshfeld-Becker et al., 2003) Auch besteht ein erhöhtes Risiko für Major Depression (Biederman et al., 2000)

32 Entwicklungspsychopathologie der SAD: Kindheit Eltern Angststörung Panikstörung Depression Erziehungsstil Behaviorale Inhibition Schüchternheit Negativer Affekt Childhood Illness Chronische Krankheiten Lieb et al, 2000 Kagan, 1994 Chronis-Tuscano, 2009 Hayward et al, 2008

33 Entwicklungspsychopathologie der SAD: Adoleszenz Verstärkung von Vermeidung und Rückzug Persistierende Sozialangst Peer Rejection Loneliness Prior et al, 2000 Beidel & Turner, 1998 Alfano et al, 2009

34 Entwicklungspsychopathologie der SAD: Adoleszenz Verstärkung von Vermeidung und Rückzug Persistierende Sozialangst Peer Rejection Loneliness Prior et al, 2000 Beidel & Turner, 1998 Alfano et al, 2009

35 Conclusio SAD ist ein relevantes Entwicklungsproblem der Adoleszenz SAD ist mit anderen Symptomen und Risikoverhaltensweisen verknüpft Teufelskreis einer sich selbst verstärkenden Entwicklung von Angst und Depressivität

36 Angst Depression Vermeidung Rückzug

37 Risikoverhalten und Depression in der Adoleszenz Ergebnisse des SEYLE Projektes in HD: Schulabsentismus: OR = 3,57 Zigarettenkonsum: OR = 2,51 Riskanter Alkoholkonsum: OR = 2,1 Körperliche Inaktivität: OR = 1, Jugendliche, Alter 14,7 J., 52,2 % Mädchen (Heger et al. 2014)

38 Indizierte Prävention Ergebnisse des SEYLE-Projektes europaweit: Screening nach Risikoverhalten lässt mehr Jugendliche mit psychischen Störungen entdecken als Screening nach psychiatrischen Symptomen. Jugendliche berichten Symptome nicht. Risikoverhalten ist sensitiver Marker für Früherkennung.

39 Risiko-Status Multi-Kausalität Multi-Finalität

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41 Alles Gute zum 70er DANKE