Einführung in das Thema Mobilität älterer Menschen
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- Anneliese Bergmann
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1 Einführung in das Thema Mobilität älterer Menschen von Wilfried Echterhoff Ziel und Vorgehen Für die inhaltliche Gliederung und für die Auswahl der Autoren des vorliegenden Einführungsbands wurde ein deduktives Vorgehen gewählt, um die Absicht der Eugen-Otto-Butz-Stiftung zu realisieren, ein Programm für die Forschung und Entwicklung zur Thematik Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen spezifiziert aufbauen zu können. Der Einführungsband ist so aufgebaut, dass Bereiche suboptimaler Lösungen und Desiderata einschließlich zukunftsfähiger Perspektiven bevorzugt analysiert und beschrieben werden. Für die meisten Beiträge wurden zwei Autoren gesucht, um das jeweilige Thema aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. So kann z.b. der Themenkomplex Raum- und Siedlungsplanung sowohl aus technischer, als auch aus gestalterischer Sicht betrachtet werden. Die Themen der einzelnen Kapitel stellen sich wie folgt dar: 1. Einführung in das Thema 2. Humanressourcen von älteren Verkehrsteilnehmern 3. Mobilität von älteren Menschen 4. Abbau von Mobilitätsbarrieren zugunsten älterer Verkehrsteilnehmer 5. Barrierefreie Gestaltung von Fahrzeugen 6. Fahrerassistenzsysteme 7. Planung des Verkehrsraums unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen 8. Raum- und Siedlungsplanung unter Berücksichtigung der Mobilität älterer Menschen 9. Tourismus und Mehrfachwohnsitze älterer Menschen: Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten und Anforderungen an die Infrastruktur 10. Konsequenzen aus den Buchbeiträgen Das deduktive Vorgehen orientiert sich inhaltlich an folgenden politischen und verkehrswissenschaftlichen Konzepten: 13
2 Politischer Rahmen Die derzeitigen politischen Strömungen in der Europäischen Union (EU- Weißbuch, 2001) und in der Bundesrepublik Deutschland (Altenberichte) lassen erkennen, dass älteren Menschen die eigenverantwortliche Bewältigung des Lebens erleichtert werden soll, dass die selbstständige Mobilität älterer Menschen so lange wie möglich erhalten werden soll und dass die Lebensfreude älterer Menschen gefördert werden soll. Durch die Verwirklichung dieser Ziele erhofft man sich offenbar, dass zugleich eine Entlastung der gesellschaftlichen Dienstleistungen (vor allem des sozialen Netzes) eintritt (s. 2. Altenbericht, 1998). Verwendete verkehrswissenschaftliche Konzepte Mobilitätsangebote sollen nach Möglichkeit keine Probleme für den Nutzer aufwerfen und vor allem älteren Menschen keine Schwierigkeiten bereiten. Dies soll für die ökologische Wirkung auf den Lebensraum älterer Menschen und auch für die Nutzbarkeit von Mobilitätssystemen durch ältere Menschen gelten. Es ist daher eine möglichst große Passung (Affordanz) zwischen den Ressourcen älterer Menschen und dem Mobilitätssystem zu erzeugen. Das Konzept der Affordanz (s. Heine, 1998) wird somit über die Nutzbarkeit auch auf die ökologische Wirkung ausgedehnt. Zur ökologischen Wirkung von Mobilitätssystemen gehören u.a.: Belastungen älterer Menschen durch Emissionen verschiedener Art, wie chemischer oder akustischer Art, Belastungen älterer Menschen durch räumliche Einschränkungen des Lebensraums, Belastungen älterer Menschen durch ästhetische Einschränkungen des Handlungsraums, Förderung älterer Menschen durch eine qualitative Verbesserung des Wohnumfelds oder eine Erweiterung des Handlungsraums durch neue Mobilitätsangebote (z.b. durch eine geeignete Siedlungsstruktur), aber auch Steigerung der Lebensqualität älterer Menschen durch ästhetisch gelungene Gestaltung von Verkehrsführungen, -wegen und -anlagen. 14
3 Der Grad der Nutzbarkeit eines Mobilitätssystems ergibt sich aus der Art der geschaffenen Mobilitätskette. In der Praxis soll eine möglichst kontinuierliche Mobilitätskette entstehen, die u.a. aus folgenden Komponenten besteht: aus einer kontinuierlichen Transportkette, aus einer kontinuierlichen Informationskette, aus einer kontinuierlichen Servicekette, aus einer kontinuierlichen Emotionskette. (Echterhoff, 1999) Sofern das Kontinuum einer der Komponenten gestört ist, ist die Mobilitätskette gestört. Eine kontinuierliche Transportkette besteht für ältere Menschen aus einer unterbrechungslosen physischen Beförderungsmöglichkeit. Jedes Beförderungsglied geht räumlich, technisch und zeitlich nahtlos in das nächste über. Die physische Beförderung wird von einer nahtlosen Informationskette begleitet. Informationen dienen der kontinuierlichen Unterstützung, der Entscheidungsfindung in Übergangsbereichen und der Warnung vor Gefahren. Solche Informationen werden gemessen an den Bedürfnissen älterer Menschen räumlich und zeitlich korrekt positioniert. Eine kontinuierliche Servicekette dient ebenfalls an den Bedürfnissen älterer Menschen gemessen dem Erhalt und der Förderung des Wohlbefindens (z.b. durch Nahrungsmittelangebote) sowie der Unterstützung bei Änderungen von Routenentscheidungen (z.b. durch Kommunikationsmöglichkeiten mit Servicepersonal) und der Hilfe bei Störungen im Mobilitätssystem (z.b. durch Abhilfemöglichkeiten bei aggressiven Mitreisenden oder durch Bereitstellung von alternativen Beförderungsmöglichkeiten). Die positive psychische Befindlichkeit ist kontinuierlich zu unterstützen, z.b. durch eine angenehme Gestaltung des Fahrgastraums, durch freundliches und hilfsbereites Personal, durch ansprechende und komfortable Wege sowie Bereiche in Verkehrsbauten und in deren Umgebungen. Als Beispiel für eine Mobilitätskette wird im Folgenden exemplarisch die kontinuierliche Transportkette ( physische Mobilitätskette ) dargestellt (Abbildung 1). Zu jeder der anderen Komponenten lässt sich eine analoge Mobilitätskette beschreiben. Die Reihe direkt des deutschen Bundesverkehrsministeriums (BMVBW) beschreibt und erklärt für die Praxis die Art und Weise der Gestaltung 15
4 Abb. 1: Physische Mobilitätskette mit Bewältigungs- und Störungsmöglichkeiten. Physische Zugänglichkeit eines Ziels. Nach dem Grundmodell von Echterhoff,
5 einer bürgerfreundlichen und behindertengerechten Mobilitätswelt. Der inhaltliche Ansatz dieser Reihe erweist sich als die Sicht des Nutzers, einschließlich älterer Menschen; er ist systemorientiert, da die entsprechenden Empfehlungen und Handreichungen dieser Reihe den Grundgedanken der kontinuierlichen Mobilitätskette verfolgen. Die Reihe direkt begründet eine Mobilitätskultur, die sich am Nutzer und weniger als bisher am Verkehrsträger oder am Mobilitätsanbieter orientiert. Die Vorschläge der Reihe direkt verzichten auf Sonderlösungen für bestimmte Nutzergruppen, z.b. auf technologische Sonderlösungen zum Ausgleich einzelner Verhaltensbeeinträchtigungen, und dienen somit der Integration aller Nutzer in Mobilitätssysteme. Ausgehend von diesen Vorarbeiten ist das Ziel des vorliegenden Buchs eine Qualitätsverbesserung von Mobilitätssystemen für ältere Menschen und somit für alle Nutzer. Für die Umsetzung von Grundgedanken (z.b. politische Forderungen, verhaltenswissenschaftliche Modelle, technische Konzeptionen) in die Praxis ist eine Differenzierung für den Planer und Praktiker erforderlich. Die dafür erforderliche Überleitung von Grundgedanken in das praktische Handeln vorzubereiten ist eine wichtige Aufgabe des vorliegenden Buchs. Dies geschieht in Form von Kontingenzketten, mit denen die aufeinander folgenden Entscheidungen, Kriterien, Planungen, Entwürfe und Maße für diejenigen Personen beschrieben werden, die ein konzeptionelles, individuelles, politisches oder fachliches Interesse an der Mobilität älterer Menschen haben. In die Kontingenzketten werden ebenfalls die noch zu leistenden Aufgaben in der Wissenschaft, vor allem die der empirischen Forschung, aufgenommen werden. Die Kontingenzketten mit den darin enthaltenen Überleitungen werden im Abschlusskapitel auf der Grundlage der Beiträge des vorliegenden Buches beschrieben. Literatur Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Reihe direkt. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. BMVBW ed., Berlin. Echterhoff W (1999) Qualitätsstandards im ÖPNV. Was wünschen die Kunden? Wuppertal: Universität GH Wuppertal, Fachgruppe Psychologie. Unveröffentlichter Vortrag auf der Veranstaltung der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr Berlin / IVU Traffic Technologies AG Nahverkehrsplan Berlin 99. Berlin 16. November
6 Europäische Kommision (2001) Weissbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010 Weichenstellung für die Zukunft. Brüssel: Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Ratsdokument 11923/01. Deutscher Bundestag (1998) Zweiter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Wohnen im Alter und Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Sachverständigenkommission. Bonn: Deutscher Bundestag: Drucksache 13/9750. Heine W-D (1998) Mobilitätspsychologie Psychologie für ein situationsangepaßtes Mobilitätsverhalten. Zeitschrift für Verkehrswissenschaft 1:
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