Situationsbeschreibung der Amphibienwanderung an der nördlichen Velmannstraße im Entersweiler Tal in Kaiserslautern
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- Jobst Junge
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1 Situationsbeschreibung der Amphibienwanderung an der nördlichen Velmannstraße im Entersweiler Tal in Kaiserslautern Zustandsbeschreibung und Beschreibung von Verbesserungsmaßnahmen August 2010 Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Kreisgruppe Kaiserslautern Bergmolch Kaiserslautern Trippstadterstraße 25 Mobil: BUND, Seite 1
2 Historische Betrachtung / Lagebeschreibung Das Entersweiler Tal im östlichen Stadtteil von Kaiserslautern ist seit jeher ein Laichgewässer für unterschiedliche Amphibienarten. In der Vergangenheit wurde in ein Waldgrundstück im Entersweiler Tal nördlich der Lauter in dieses Biotop die Beilsteinschule (Förderschule) gebaut. Ebenso wurde das Forstamt Kaiserslautern in der östlichen Verlängerung der Velmannstraße im Biotop angesiedelt. Bei der Ansiedlung der Beilsteinschule und des Forstamts wurde durch die angelegte Straße (Velmannstraße, Verlauf in Ost-West-Richtung) der Wanderkorridor der Amphibien vom Lebensraum Wald zum Laichgewässer an der Lauter zerschnitten (Abb. 1). Abb. 1a: Lage der Beilsteinschule und des Forstamts (Luftbild aus GOOGLE) Abb. 1c: Zufahrt zum Forstamt Abb. 1b: Straße zur Beilsteinschule BUND, Seite 2
3 Heutige Situation Der Bau der Velmannstraße stellt für viele der wandernden Amphibien zum einen eine starke, teilweise unüberwindbare Barriere dar und zum anderen sind die wandernden Amphibien, insbesondere Molche, auf der Straße den Fahrzeugen und hungrigen Vögeln schutzlos ausgesetzt. Alle vorgefundenen Molcharten gelten als besonders geschützte Art und sind in der Warnliste der Roten Liste aufgeführt. Durch den zeitweise starken Verkehr in der Velmannstraße werden nach unseren Erkenntnissen nicht unerhebliche Mengen der Gesamtpopulation der Molche direkt oder indirekt Opfer des Straßenverkehrs. Da es sich bei der Velmannstraße in diesem Abschnitt nicht um eine Durchgangsstraße handelt, ist es umso erschreckender, wie viele Amphibien hier überfahren werden. Die Nutzung der Straße erfolgt durch An- und Abfahren von Bussen, von Lehrkräften und Angestellte der Beilsteinschule, Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen beziehungsweise abholen, Mitarbeiter und Besucher des Forstamtes, Wanderer, Jogger und Hundeausführer die im Wendehammer parken und abendliche Besucher der Sporthalle und des Schwimmbads in der Beilsteinschule. Zudem wird vermutet, dass sich nachts Jugendliche im Bereich des Wendehammers zu kleinen Partys treffen. Der gefundene Müll und eine Grillstelle deuten darauf hin. Abb. 2a-d: Bilder Beilsteinschule, Velmannstraße mit / ohne Autos BUND, Seite 3
4 Abb. 3a, b: Bilder Parkplatz Wendehammer Abendparker für Spothallen- / Schwimmbadnutzung Abb. 4a-c: Bilder Müll, Grillstelle BUND, Seite 4
5 Die Barrierewirkung der Bordsteine stellt außerdem insbesondere für die Molche ein Hindernis dar, das sie unter hohem Energieaufwand zu überwinden versuchen und somit (wenn überhaupt) stark geschwächt am Laichgewässer ankommen. Die Leitwirkung der Bordsteine birgt noch eine zusätzliche Gefahr: die 16 Gullys stellen sich als tödliche Fallen heraus, in denen die Amphibien verhungern, vertrocknen oder ertrinken. Abb. 5a, b: Bilder Molch am Bordstein Vorgehensweise / Untersuchungen / Datenerhebung Im März 2007 wurde von uns zufällig bemerkt, dass im nördlichen Teil der Velmannstraße Molche über die Straße wandern. Am 11. März 2007 wurden z.b. 55 überfahrene Molche gezählt. Im Februar 2008 wurde der Bereich von uns erneut etwas genauer hinsichtlich wandernder Amphibien beobachtet. Bei der systematischen Suche in den Rinnsteinen wurden weitere Molche entdeckt, die offensichtlich durch den Bordstein in ihrer Wanderung behindert wurden. Sie versuchten, sich in den Ritzen zwischen den Bordsteinen oder in kleinen Laubansammlungen zu verstecken. Zudem wurden auf der Straße zahlreiche überfahrene Molche festgestellt. Da wir die Leitwirkung der Bordsteine und die Gullys als potentielle Todes-/Gefahrenquelle erkannten, haben wir alle talwärts liegenden Gullys untersucht. Die Gullydeckel wurden abgenommen, die Sandfangeimer entnommen, geleert und die Schächte auf gefangene Amphibien kontrolliert. BUND, Seite 5
6 In den folgenden Wochen der Wanderperiode wurde diese Prozedur, zumeist am Wochenende, wiederholt. Die dabei geretteten 59 Molche wurden talwärts wieder in den Wald gesetzt. Mindestens 33 Tiere wurden Opfer des Straßenverkehrs. Für den beschriebenen Bereich an der Beilsteinschule beziffert das Gutachten vom durch Dr. Guido Pfalzer im Auftrag der Stadt Kaiserslautern (siehe Anlage als Datei) die Opferzahl auf mindestens 110 Individuen. Abb. 6a-d: Bilder Molche aus dem Gullyschacht BUND, Seite 6
7 Abb. 7: Bild Kröte im Gullyschacht Erste-Hilfe-Maßnahmen Wir unterrichteten das Umweltamt der Stadt über die Gefahrensituation für die wandernden Amphibien. Das Umweltamt veranlasste im Sommer 2008 an einigen Stellen eine Absenkung der Bordsteine um den Molchen die Überwindung des Hindernisses zu erleichtern. Für an die Lauter anwandernde Tiere wurde der Bordstein im Süden an 4 Stellen im Abstand von Metern (aus Richtung Salingstraße) abgesenkt. Für abwandernde Tiere zum Wald im Norden wurde der Bordstein an 3 Stellen im gleichen Abstand abgesenkt. Eine vierte Absenkung auf der Waldseite erübrigte sich durch den einmündenden Waldweg. Zusätzlich wurde im Wendehammer talwärts noch eine Absenkung vorgenommen. Frühjahr 2009: Trotz der abgesenkten Bordsteine wurden von uns am in den Gullyschächten 62 lebende Molche gefunden!!! Als Sofortmaßnahme für die Sicherheit der anwandernden Molche wurden durch uns in Abstimmung mit dem Umweltamt die Gullys mit engmaschigen Kunststoffnetzen überspannt um ein Hineinfallen von Tieren zu verhindern. Die Stadtreinigung wurde vom Umweltamt informiert, in der Wanderzeit die Reinigung des Rinnsteins durch Kehrmaschinen zu unterlassen. Abb. 8: Bild Gully mit Netz BUND, Seite 7
8 Begleitend wurden an den Wochenenden und an Feiertagen die Netze, die Rinnsteine und die Straße kontrolliert und die gefundenen Tiere (sowohl tote als auch lebende) kartiert und dokumentiert. Abb. 9: Beispiel Zählformular vom Als Bezeichnung für einzelne Straßenabschnitte wurden die Gullys als Bereichsgrenzen verwendet. Die Gullys 1 bis 8 (von West nach Ost) liegen auf der Talseite, die Gullys 9 bis 16 (von Ost nach West) auf der Waldseite. Die komplette Datenerhebung und die einzelnen Tagesauswertungen befinden sich im Anhang. Für die Wandersaison 2010 wurde die gleiche Vorgehensweise unternommen. Diesmal wurden zusätzlich kleine Laubhaufen im Abstand von etwa 8-12 Metern im Rinnstein angehäuft. Diese wurden von vielen Molchen als Versteck genutzt und retteten sicherlich viele vor den Krähen und der Gefahr des Austrocknens. BUND, Seite 8
9 Abb. 10a, b: Bilder Laubhaufen im Rinnstein Ergebnisse In 2009 wurden insgesamt 115 lebende Amphibien, davon 111 Molche an 12 Tagen gefunden. Zusätzlich wurden 23 tote Amphibien registriert. In 2010 wurden insgesamt 255 lebende Amphibien, davon 250 Molche an 15 Tagen gefunden. Zusätzlich wurden 130 tote Amphibien registriert. Tabelle Summen 2009, lebende Individuen: 115 Tiere Molch (unbestimmt) im Gully Molch (unbestimmt) im Rinnstein Bergmolch Teichmolch Fadenmolch Kammmolch Erdkröte Tot 63 lebend 13 lebend 15 lebend 15 lebend 5 lebend 0 lebend 4 lebend 23 (=überfahren / dehydriert) Tabelle Summen 2010, lebende Individuen: 255 Tiere Molch (unbestimmt) im Gully Molch (unbestimmt) im Rinnstein Bergmolch Teichmolch Fadenmolch Kammmolch Erdkröte Tot 0 lebend 0 lebend 36 lebend 129 lebend 85 lebend 0 lebend 5 lebend 130 (=überfahren / dehydriert) BUND, Seite 9
10 Diagramm 2009 Diagramm 2010 BUND, Seite 10
11 Der aus Sicht der Molche besonders gefährliche Bereich liegt zwischen der Kreuzung Salingstraße und dem auf die Velmannstraße einmündenden Waldweg westlich der Beilsteinschule. Jedoch sind auch zahlreiche Funde zwischen dem Waldweg und dem Wendehammer gemacht worden. Vermutlich wandern die Tiere, die aus dem Waldweg kommen in südöstliche Richtung, Diagramm Summe Die Daten aus 2009 und 2010 zeigen, dass trotz der Absenkung der Bordsteine noch immer viele Molche die Barriere Straße und Rinnstein nicht überleben beziehungsweise große Probleme mit der Überwindung dieser Barriere haben. Sie werden entweder weiterhin Opfer des Straßenverkehrs oder, statt ihre Wanderung in den wenige Meter weiter liegenden Waldund Gebüsch-Bereich fortzusetzen, suchen sie Schutz in den kleinen Laubhaufen. Die Zahl der Opfer liegt mit Sicherheit um ein Vielfaches höher, da sich unsere Kontrollen und Erhebungen im Wesentlichen auf Wochenenden und Feiertage beschränken und Opfer während der Arbeitswoche von den Autoreifen zermahlen oder von Krähen gefressen werden. BUND, Seite 11
12 Abb. 11a, b: Bilder überfahrene Molche Abb. 12: Bild Krähen beim Suchen nach toten Molchen Wie stark sich die Wanderung der Molche auf kurze Zeiträume eingrenzt und wie hoch die Verluste sind zeigte sich am Wochenende Samstag/Sontag, 21./ (siehe auch Abb. 13). Bei der Kontrolle am Samstagabend um 19 Uhr (Dämmerung) wurden keine lebenden oder toten Molche gefunden. Am Sonntagmorgen um 7 Uhr (kurz nach Sonnenaufgang) wurden 100 lebende und 53 tote Amphibien in dem nur etwa 400 Meter kurzen Abschnitt gezählt. Die hohe Anzahl an überfahrenen Opfern während der Dunkelheit können wir uns nur durch nächtliche Besuche zum Partyfeiern und durch Fahrten der Anwohner und Besucher zum / vom Forsthaus erklären (siehe auch Abb. 2-4). BUND, Seite 12
13 Abb. 13: Zählformular vom Abb. 14: Bild Einige der geretteten Molche am (zumeist aus den Laubhaufen im Rinnstein) BUND, Seite 13
14 Szenarien bei Nicht-Aktivität / Handlungsbedarf Die derzeitige Restpopulation erleidet bei der momentanen Situation jährlich erhebliche Verluste. Es steht zu befürchten, dass die noch vorhandenen Molche diese Verluste nicht ausgleichen können und die Population vernichtet wird. Daher besteht aus unserer Sicht hier akuter Handlungsbedarf, der noch vorhandenen Population mittels geeigneter Maßnahmen die Querung der Velmannstraße zu ermöglichen. Langfristig sind Maßnahmen zu ergreifen, die das Überleben der Population auch ohne menschliche Unterstützung sichert. Mögliche Verbesserungsmaßnahmen Zur Sicherung der Molchpopulation schlagen wir folgende Maßnahmen vor: Errichtung eines Amphibienschutzzauns auf der nördlichen Seite der Velmannstraße vom Kreuzungsbereich Salingstraße / Velmannstraße bis zum Waldweg und etwa 100 Meter nach Norden entlang des Waldweges (siehe Abb. 15). Der Amphibienzaun muss insbesondere an die Zielart Molch angepasst sein, da diese auch durch engste Ritzen hindurch kommen. Die Fangeimer müssen ebenfalls sehr sorgfältig eingegraben werden. Eventuell können auch speziell entwickelte Fangkästen eingesetzt werden. Die Leerung der Fanggefäße muss mindestens zwei Mal täglich (morgens und abends) erfolgen. Ersetzen der Leiteinrichtung Bordstein durch ein Rinnensystem (siehe Abb. 16), das den Molchen eine ungehinderte Wanderung ermöglicht (zum Beispiel gepflastert oder aus Schottischem Brechkies (Glensander)). Dauerhafte Abdeckung der Gullys ( Molchsicher ). Einpassung von überfahrbaren Kleintunneln in die Velmannstraße mit entsprechender dauerhafter Leiteinrichtung nördlich und südlich der in Ost-West- Richtung verlaufenden Velmannstraße (siehe Abb. 17 oder z.b. MAmS, ). Neuanlage von Ersatz-Laichgewässern süd-östlich der Beilsteinschule (siehe Gutachten vom durch Dr. Guido Pfalzer bzw. Abb. 18). BUND, Seite 14
15 Abb. 15: Bereich für Amphibienschutzzaun Abb. 16: Rinnensystem BUND, Seite 15
16 Abb. 17: Kleintunnelsystem Abb. 18: Ersatz-Laichgewässer Quellen: Gutachten vom durch Dr. Guido Pfalzer im Auftrag der Stadt Kaiserslautern, Referat Umweltschutz MAmS (Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen) Anhänge (als separate Dateien): I: Tabellen, Auswertungen des BUND II: Datenblätter der Amphibienerfassungen des BUND III: Gutachten vom durch Dr. Guido Pfalzer im Auftrag der Stadt Kaiserslautern BUND, Seite 16
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