Zwischen Lebensqualität und Lebenslauf: Autonomie und Allokation im Gesundheitswesen
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- Heiko Beutel
- vor 7 Jahren
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1 Michael Quante Zwischen Lebensqualität und Lebenslauf: Autonomie und Allokation im Gesundheitswesen 0. Vorbemerkung Ziel des Vortrags: Skizze eines Forschungsvorhabens Aufbau des Vortrags: Situation, normativer Rahmen, inhaltliche Füllung 1. Die Situation 1.1 Druck auf die sozialen Systeme durch Europäisierung durch Globalisierung durch demographische Veränderungen Fazit: Die Knappheit ist nicht nur kurzfristiger Natur, sondern als langfristiger Rahmen anzusehen, der unter realistischen Voraussetzungen auch durch Wirtschaftswachstum nur bedingt außer Kraft gesetzt werden kann. Vor allem in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Altersabsicherung müssen die bestehenden Systeme grundlegend umgebaut werden. 1.2 Tradierte Vorerwartungen Unser Sozialstaat als Gewährleistungs- und Wohlfahrtsstaat hat bisher bestimmte soziale Funktionen übernommen und bestimmte Sphären des Sozialsystems mehr oder weniger verbindlich geregelt.
2 Dies führt zum einen dazu, dass die Individuen die bisher erbrachten Leistungen als etwas ansehen, worauf sie einen gleichsam natürlichen Anspruch haben. Zum anderen wird die Abnahme von Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten als Entlastung erlebt, die Schaffung solcher Freiräume dagegen als Verunsicherung und Zumutung. 1.3 Die Lage Nicht zu behebende Knappheit erfordert Verteilungs- oder auch Umverteilungsregeln und der Umbau bestehender Sozialsysteme tangiert eingespielte normative Regelungen und Erwartungen. Daher ist ein verantwortliches Handeln nur möglich, wenn der bestehende normative Rahmen (ethisch, nicht rechtlich) beachtet, gegebenenfalls aber auch im Hinblick auf die gegenwärtigen Herausforderungen modifiziert wird. Um die ethischen Rahmenbedingungen für dieses Handeln zu ermitteln, muss erstens der bestehende normative Rahmen expliziert werden. Zweitens müssen die zentralen normativen Prinzipien und Werte so konkretisiert werden, dass die Herausforderungen in ethisch akzeptabler Weise gemeistert werden können. Dazu sind drittens geeignete komplexe Konzepte zu entwickeln, die sowohl empirisch gehaltvoll wie auch normativ an unsere grundlegenden Prinzipien und Werte anschlussfähig sind.
3 2. Unser normativer Rahmen 2.1 unser (impliziter oder expliziter Grundkonsens) Flexibel Kontextspezifisch Bereichspezifisch Unter- aber nicht unbestimmt 2.2 Die drei Grundsäulen (i) personale Autonomie (weiter Begriff, der soziale Inklusion einschließt) Recht auf Selbstbestimmung, Pflicht zur Selbstgestaltung und vorsorge Individuelle Lebensführung und läufe Pluralität von Wert- und Zielvorstellungen (ii) distributive Gerechtigkeit ( Nachhaltigkeit ) intrapersonal (Vorsorge für eigene Zukunft) interpersonal zwischen Individuen interpersonal zwischen gleichzeitig existierenden Altersgruppen interpersonal in Bezug auf zukünftige, noch nicht existierende Individuen Nebenbemerkung: Es sind zum einen bereichsspezifische Eigentümlichkeiten zu beachten (die Besonderheiten der zu verteilenden Güter kann Einfluss auf die Gerechtigkeitskonzeption haben; z.b. transplantable Organe).
4 Zum anderen sind in allen Bereichen unterschiedliche Ebenen der Allokation zu unterscheiden (im Bereich der Medizin ist etwa die Frage, wie viel Geld überhaupt in den Gesundheitssektor fließen soll, zu unterscheiden von der Frage, welcher Patient welches Gut erhält oder welche Maßnahme ein bestimmter Patient bekommen sollte). Es ist damit zu rechnen, dass die Gerechtigkeitskriterien auf den unterschiedlichen Ebenen variieren. (iii) der soziale Staat Die Funktion und die Aufgaben des Staates im Sozialwesen sind Grundsicherung (minimaler Gewährleistungsstaat) Bereitstellung von Rahmenbedingungen für autonome Lebensführung (capability approach) Investition in Fähigkeiten der Individuen zur Ausübung der Autonomie ( human capital ) Unter den normativen Prämissen von personaler Autonomie und distributiver Gerechtigkeit ist es notwendig, den Sozialstaat als einen enabling welfare state zu begreifen, dessen primäres Ziel nicht darin besteht, Grundversorgung oder Kompensation zu garantieren, sondern darin, die Individuen in die Lage zu versetzen, ihre Fähigkeiten zur autonomen Lebensführung zu entwickeln und einzusetzen. Nebenbemerkung: Die Rolle des Staates in diesen Bereichen wird zumeist unter ideologischen Vorbehalten diskutiert. Es ist zu beachten, dass aus der Annahme, der Staat müsse für X garantieren, nicht folgt, der Staat müsse selbst X anbieten. Wie der
5 Staat die ihm zugeschriebenen Funktionen erfüllt, muss unter Effizienz- und weiteren, normativen Gesichtspunkten entschieden werden. Wichtig: Nicht jede Effizienzerwägung darf als Utilitarismus verunglimpft werden; wenn die Ziele und die zur Verfügung stehenden Mittel feststehen, dann gilt das Effizienzgebot unabhängig von utilitaristischen metaethischen Prämissen. Weitere normative Gesichtspunkte sind z.b., dass solche Maßnahmen zu bevorzugen sind, die entweder die individuelle Autonomie fördern oder aber zumindest stärker beachten als mögliche Alternativen. 3. Lebensqualität und Lebenslauf Um von diesen allgemeinen normativen Rahmenbedingungen auf bereichs- und / oder kontextspezifische Problemlösungsvorschläge kommen zu können, ist es notwendig, empirisch anreicherbare und überprüfbare Konzepte zu entwickeln. Diese müssen einerseits mit den hier kurz skizzierten ethischen Prinzipien und Werten zusammenpassen, und andererseits an verschiedene empirische Disziplinen anschlussfähig sein, da die Philosophie hier naturgemäß ihre Spezialkompetenz nur noch in einem interdisziplinären Verbund einbringen kann. Ich möchte daher die beiden Begriffe abschließend kurz erläutern, die meines Erachtens dazu geeignet sind, diesen Brückenschlag über die Disziplinen hinweg und in die Wirklichkeit hinein zu leisten.
6 3.1 Der life-course approach Allgemeine und individuelle sowie gruppenspezifische Lebensläufe als grundlegendes Muster für den capabilities approach, die Umsetzung von Gerechtigkeit und die Garantie für Flexibilität und Nachhaltigkeit. Mit diesem Modell lässt sich erstens der Begriff der personalen Autonomie mit Inhalt füllen, da Muster von Lebensverläufen ermittelt werden (Lebensphasen etc.). Zweitens lassen sich auf dieser Grundlage auch Bereiche ermitteln, in denen das Recht auf individuelle Lebensgestaltung dadurch respektiert wird, dass individuelle Wahlmöglichkeiten, Bereiche der Selbstgestaltung und der Selbstvorsorge in die sozialen Systeme eingefügt werden. Und drittens kann mit diesem Modell den verschiedenen Aspekten der Gerechtigkeit (intrapersonal innerhalt eines Lebenslaufs, interpersonell zwischen ko-existierenden Altersgruppen; interpersonell zwischen sozialen Gruppen) bereichsspezifisch Rechnung getragen werden. 3.2 Lebensqualität Dieses Konzept ist unverzichtbar, weil: Lebensqualitätsbewertung implizit immer schon Standard der normativen Bewertung von Verteilungsentscheidungen. Verschiedene Standards unterscheiden Autonomieaspekt (via subjektiver Standard) Verlängerbar in Kontexte ohne aktuale Autonomie (via intersubjektiver Standard)
7 3.3 Ausblick (i) Erarbeitung einer umfassenden Gerechtigkeitskonzeption, die dem Kontext Gesundheitswesen einerseits und dem allgemeinen normativen Rahmen gerecht wird. (ii) Ausarbeitung einer material reichhaltigen Konzeption personaler Autonomie, die über das verkürzte Verständnis von informed consent hinausgeht. (iii) Entwicklung eines philosophischen & deskriptiven Konstrukts der Lebensqualität, welches an einem exemplarischen Beispiel im Gesundheitsbereich auf seine Leistungsfähigkeit als Kriterium distributiver Gerechtigkeit hin überprüft wird.
8 Unser normativer Rahmen Flexibel Kontextspezifisch Bereichspezifisch Unter- aber nicht unbestimmt
9 Drei Grundsäulen Personale Autonomie Distributive Gerechtigkeit Sozialer Staat
10 Personale Autonomie Recht auf Selbstbestimmung Pflicht zur Selbstgestaltung und vorsorge Individuelle Lebensführung und läufe Pluralität von Wert- und Zielvorstellungen
11 Distributive Gerechtigkeit Intrapersonal: Vorsorge für die eigene Zukunft Interpersonal: zwischen aktualen Individuen zwischen gleichzeitig existierenden Altersgruppen in Bezug auf zukünftige Individuen
12 Sozialer Staat Grundsicherung des Wohls Bereitstellung von Rahmenbedingungen für personale Autonomie Investition in Fähigkeiten der Individuen
13 Life-course approach Allgemeine, gruppenspezifische und individuelle Lebensläufe als grundlegendes Muster für die Ausbildung der Fähigkeiten zur personalen Autonomie die Umsetzung von Gerechtigkeit die Garantie von Flexibilität & Nachhaltigkeit.
14 Lebensqualität Unverzichtbar, weil Lebensqualitätsbewertung implizit immer schon Standard der normativen Bewertung von Verteilungsentscheidungen ist. Verschiedene Standards unterscheidbar sind. Autonomieaspekt (via subjektiver Standard) integriert ist Verlängerung in Kontexte ohne aktuale Autonomie (via intersubjektiver Standard) möglich ist.
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