Inhalt. Sommerlied oder Josy Geben und Nehmen Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe Die Zeit geht nicht...

Transkript

1 Inhalt F r ü h l i n g Frühling Zauber des Anfangs Empfänglich für das Schöne Schneeglöckchen Älter gleich erfinderischer leben Perlen des Alters Von der Zeit Du Erinnerungen und Visionen Alter ist Anfang S o m m e r Sommerlied oder Josy Geben und Nehmen Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe Die Zeit geht nicht

2 Es gibt mehr als die Eltern Augenmensch Leben in einer neuen Zeit Schon wieder ein Jahr vorbei In die Wolken schauen Schönsein im Alter? Jugend »Ich ging im Walde so für mich hin...« H e r b s t Herbst Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte Vom Älterwerden und Erinnern Erinnerungen genießen, wiederkäuen, daraus Kraft schöpfen Die Vergangenheit bewältigen mich mit mir selbst versöhnen Mit staunenden Augen Alt werden: neugierig bleiben und Neues werden lassen.. 82 Das Zeitliche segnen Ars moriendi Todesübung

3 W i n t e r Winter im Frühling Gelassenheit Von den Mühen des Älterwerdens Von den Freuden des Älterwerdens Sprechen wir über ein Tabu: Reden wir über Geld! Von Täuschungen und Enttäuschungen Der alte Spatz lehrt den jungen Würde und Bürde Training Wunderbare Weisheit Verheißung Textnachweis

4

5 Frühling Frühling lässt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist s! Dich hab ich vernommen! eduard mörike f r ü h l i n g 1 1

6 Zauber des Anfangs Im Frühling zwitschert mir der Zauber aus tausend Vogelkehlen entgegen. Nur beim Menschen können Anfänge auch quer zu den Jahreszeiten geschehen oder völlig ausbleiben, auch wenn noch so viele Fastenzeiten ins Land ziehen. Der Mensch lebt dann dumpf vor sich hin, Jahr für Jahr, immer das Gleiche. Wunschlos unglücklich. Für mich ist das eine Horrorvorstellung. Nichts mehr vom Leben erwarten, keine Wünsche mehr haben, keine verrückten Ideen, die enttäuscht werden könnten. Statt dessen Status quo. So will ich mich denn wappnen gegen die Warnungen derer, die Erstarrung für einen Namen Gottes halten und den Heiligen Geist für einen Vogel aus Gips. Ich will auf die Stimme meiner unbändigen Sehnsucht hören, der Gnade des Anfangs vertrauen und meine Angst vor dem Scheitern Gott als Fastenopfer darbringen. silv ia k atharina becker 1 2 f r ü h l i n g

7 Sommerlied O Sommerfrühe blau und hold! Es trieft der Wald von Sonnengold, In Blumen steht die Wiese; Die Rosen blühen rot und weiß Und durch die Felder wandelt leis Ein Hauch vom Paradiese. Die ganze Welt ist Glanz und Freud, Und bist du jung, so liebe heut Und Rosen brich mit Wonnen! Und wardst du alt, vergiss der Pein Und lerne dich am Wiederschein Des Glücks der Jugend sonnen. emanuel geibel s o m m e r 3 5

8 ... oder Josy Josy ist ungefähr 80 eine Seniorin, wie man sie heute oft antrifft, fit und aktiv, und dennoch: Sie geht am Stock. Zur Sicherheit, wie sie sagt. Das hindert sie nicht daran, täglich im Hallenbad ihre Runden zu schwimmen, nahe am Beckenrand. Dabei begrüßt sie freundlich alle, die gleichzeitig am Schwimmen sind und den Kopf aus dem Wasser strecken. Sie selbst taucht ihn kaum mehr unter, ihre Bewegungen sind langsamer geworden, aber es ist ihr nicht mehr wichtig, schnell zu sein.»jeden Tag hierher kommen zu können das genügt«, sagt sie,»mehr braucht es nicht.«o ja, sie habe Recht, hört sie zur Antwort, obwohl jene, die es sagen, doch noch einiges mehr vom Leben erwarten. Josy kümmert das wenig. Sie ist dankbar für die Kraft, die ausreicht, sich täglich anzuziehen und aus dem Haus zu gehen, ins Bad zu kommen und zu schwimmen. Am nächsten Morgen ist sie wieder da.»wie schön es heute ist!«, ruft sie einer jungen Frau zu, die eben ins Schwimmbecken steigt. Sie sagt es, als hätte sie es nicht gestern schon genossen, als wäre sie noch nie in diesem Hallenbad gewesen. Am folgenden Tag begrüßt sie jenen Mann, der regelmäßig am 3 6 s o m m e r

9 Herbst Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält. r ainer maria rilke h e r b s t 6 9

10 Wenn ich mein Leben nochmals leben könnte Ich würde wagen, nächstes Mal mehr Fehler zu machen. Ich würde alles lockerer und entspannter anpacken. Ich würde törichter sein, als ich es auf dieser Reise war. Ich würde weniger Dinge ernst nehmen. Ich würde mehr Gelegenheiten ergreifen. Ich würde mehr Berge besteigen und mehr Flüsse durchschwimmen. Ich würde mehr Eiscreme essen und weniger Bohnen. Ich hätte wahrscheinlich mehr wirkliche Probleme, aber ich würde mir weniger Probleme einbilden. Du siehst, ich bin einer jener Menschen, die vernünftig und gesund leben, Stunde um Stunde, Tag für Tag. Oh, ich hatte meine Momente, und wenn ich es nochmals tun könnte, ich hätte noch viel mehr davon. 7 0 h e r b s t

11 Winter im Frühling Wieder kam der Lenz ins Land, Wieder grünen Wald und Au, Alles wechselt das Gewand, Nur mein Bart und Haar bleibt grau. Doch ein Plätzchen gibt s, das bleibt Auch im strengsten Winter grün, Hier mein Herz, wo s luftig treibt Und die Liederblumen blühn. armin werherr w i n t e r 9 9

12 Gelassenheit Wozu ist Gelassenheit gut? Die Bibel sagt es mit einem Wort aus dem Buch der Sprüche so:»ein gelassenes Herz ist Lebenskraft für den Leib«(Spr 14,30). Wenn sie»leib«sagt, meint sie den ganzen Menschen. Sie meint: Ein gelassenes Herz macht den Geist kräftig und leistungsfähig, gibt der Seele Kraft zu tragen, was sie zu tragen hat. Und nicht zuletzt: Auch der Leib bleibt gesünder, bleibt länger schön und lebendig, wo das Herz»gelassen«ist. Jesus deutet es an, wenn er sich eine Weile mit einem an Leib oder Seele kranken Menschen beschäftigt hat. Da sagt er, wenn er ihn wieder auf den Weg schickt:»geh in Frieden!«Geh und mach dir keine Sorgen. Geh und lass dich nicht von deinem Weg abbringen. Geh und vertraue darauf, dass du geführt bist. So, im Frieden, seinen Weg gehen, das würde sich lohnen. Das müsste man erreichen. Ich will ein wenig einschränken. Ungestörte Gelassenheit kann wohl eher ein Ziel sein für uns Ältere als für die Jungen. Ein junger Mensch muss sich stören lassen, er muss sich empören können, streiten, kämpfen, wenn er die Welt so übernehmen soll, wie die Alten sie ihm hinterlassen. Er muss sich w i n t e r