Fachkongress Neue Wege für Familienzentren in Nordrhein-Westfalen am
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- Sven Kaufman
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1 Fachkongress Neue Wege für Familienzentren in Nordrhein-Westfalen am Forum 3: Familienzentren Lebensbildung für Eltern und Kinder Input: Nina Sandleben (PädQUIS Berlin);I Livia Daveri (Landeskoordinierungsstelle der Kommunalen Intergrationszentren NRW, Essen); Dr. Remi Stork (Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.v., Münster) Moderation: Birgit Schröder Dokumentation Handout Nina Sandleben Um ein Kind zu erziehen, bedarf es eines ganzen Dorfes. (Afrikanisches Sprichwort) Bezogen auf unsere Lebensverhältnisse bedeutet dieses afrikanische Sprichwort, dass der gesamte kindliche Lebenskontext (Familie, Umfeld, Einrichtung) an der Entwicklung, Bildung und Förderung von Kindern beteiligt und mit verantwortlich ist. Es geht also darum, nicht nur Kitas als Einrichtungen qualitativ gut zu gestalten, sondern die gesamte Lebenswelt von Kindern aktiv in die pädagogische Arbeit und Förderung zu integrieren, insbesondere die Familien der Kinder, aber auch alle sonstigen an der Lebenswelt von Kindern beteiligten Unterstützungsangebote. Familienzentren betrachten daher nicht nur Kinder sondern deren Familien wie auch ihr soziales Umfeld mit seinen verschiedenartigen Angeboten als Adressaten und Kooperationspartner. Sie stellen sich der Aufgabe durch bedürfnisorientierte Beratungs- und Bildungsangebote zusammen mit kulturellen sowie freizeitgestaltenden Aktivitäten zu einem unterstützenden Lebensraum für die gesamte Familie zu werden. Die Herausforderung besteht darin, insbesondere die Eltern in diesen erweiterten Lebensraum Familienzentrum einzubinden. Dafür muss sich die Arbeit nicht nur auf den allgemeinen Bedarf im Sozialraum, sondern im Besonderen auch auf die individuellen Interessen und Bedürfnisse einzelner Kinder und Eltern ausrichten. Wichtig bleibt dabei, das Angebot an wechselnde Bedingungen anzupassen. In einem teilnehmerbezogenen Austausch wollen wir u.a. folgende Fragen nachgehen: - Welche Bedarfe haben unterschiedliche Sozialräume und wie erfasst/erkennt - man diese? - Welche Angebote brauchen Kinder und Familien in welchem Sozialraum und - wie können diese organisiert werden? - Wie können verschiedene Unterstützungsangebote zusammengebracht - werden? - Wie kann das pädagogische Team darauf vorbereitet und wie können möglichst - alle Mitarbeiter/ innen in die Familienzentrumsarbeit mit einbezogen werden? - Welche strukturellen Voraussetzungen sind für eine gemeinsame erfolgreiche 1
2 - Arbeit notwendig? - Wie weit können Familienzentren dem Anspruch der Lebensbildung gerecht werden? Wo stoßen sie an ihre Grenzen? 2
3 Handout Livia Daveri Der Lernerfolg an deutschen Schulen ist noch immer stark vom sozialen Status der Eltern abhängig. Entgegenwirken kann man nur, wenn man sich der Rolle der Eltern bewusst wird und sie als aktive Akteure im Bildungsprozess mit einbezieht. Eltern sind wichtige Wegbereiter und nehmen mit ihrem Bildungsniveau wesentlichen Einfluss auf die Bildungschancen ihrer Kinder. Für die Integration aller Kinder ist die Bedeutung des Elementarbereichs besonders groß. Hier ist der Ort, an dem Kinder und ihre Familien mit den unterschiedlichsten kulturellen und sozialen Hintergründen im Gemeinwesen direkt zusammenkommen, hier werden entscheidende Grundlagen für Bildung, Sprache und Sozialverhalten gelegt. Für das Gelingen eines Dialoges und einer kontinuierlichen und partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den ErzieherInnen und den Eltern mit dem Ziel der Förderung von Kindern ist eine Begegnung auf gleicher Augenhöhe unabdingbare Voraussetzung, dazu gehört von Anfang an, miteinander kommunizieren zu können. Eine Kita ist nicht automatisch interkulturell, wenn Einzelaktionen mit zugewanderten Eltern organisiert werden: Die Gefahr dabei ist, dass interkulturelle Angebote eine Vielfalt unterstellen, die im Alltagsbetrieb kaum gelebt wird. Wenn es tatsächlich das Ziel von Institutionen ist, individuelle, ganzheitliche und bedarfsorientierte Angebote zu schaffen, dann müssen Organisationen, Einrichtungen und Fachkräfte lernen, sich ernsthaft für Eltern zu öffnen. Für viele Familien mit Migrationshintergrund ist oft die Kita die erste Bildungseinrichtung, in der sie mit Bildungsansätzen und Erziehungskonzepten einer deutschen Institution in Kontakt kommen. Die Kita kann ein Türöffner zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sein und Zugang zum Gemeinwesen schaffen, indem sie in ihrer eigenen Einrichtung Verständnis für das Anliegen der interkulturellen Öffnung aufbaut und diese als einen Aspekt der eigenen Profession versteht. Rucksack KiTa Die Ziele von Rucksack KiTa gehen über normale Maßnahmen zur Zusammenarbeit mit Eltern oder zur Sprachförderung mit Fokus auf die Erweiterung der Deutschkentnisse hinaus. Unbestritten sind Deutschkenntnisse eine zentrale Voraussetzung für die Integration. Andererseits dürfen sprachliche und kulturelle Kompetenzen der Zugewanderten nicht verloren gehen. Rucksack ist ein besonderes Programm, weil hier nicht nur Einzelaspekte berücksichtigt werden, sondern es sich um ein Programm handelt, das alles anbietet, was für die kindliche Bildung und Förderung in der Familie und in der Kita wichtig ist: 1. INDIVIDUELLE Förderung des Kindes in der Entwicklung seiner Persönlichkeit, 2. sprachliche Bildung SOWOHL in der Herkunftssprache ALS AUCH in Deutsch, 3. Zusammenarbeit mit Eltern, insbesondere auch in Fragen der Bildung und Erziehung, 4. interkulturelle Öffnung der Kindertageseinrichtung, 5. Fortbildungsangebote für das pädagogische Personal und 6. Qualifizierung von MigrantInnen Fast alle Rucksack-Übungen, die die Eltern mit den Kindern durchführen, eignen sich dazu, Fähigkeiten und Techniken zu üben, die Kinder mit Eintritt in die Schule beherrschen müssen, um erfolgreich am Unterricht teilnehmen zu können. Der Kita stehen auch Aktivitäten für die parallelisierte Förderung zur Verfügung, die die Kriterien für DaZ und die Kleinkindpädagogik berücksichtigen. Im Fall von Rucksack ist wirklich einzigartig, dass die Eltern nicht nur für Einzelaktionen der Kita angesprochen werden, sondern eine echte Möglichkeit der Mitgestaltung haben. Rucksack lebt von dieser Interaktion auf verschiedenen Ebenen. Darüber hinaus bildet die Rucksack-Gruppe einen vertrauensvollen geschützten Raum, in dem die Eltern familien- und erziehungsrelevante Fragen ansprechen können und Informationen erhalten. Jedes Rucksackthema bietet die Möglichkeit, konkrete Erziehungsthemen aufzugreifen und zu vertiefen. Mit Rucksack schaffen wir eine effektive und nachhaltige sprachliche Bildung, die auch die Mehrsprachigkeit der Kinder berücksichtigt. 3
4 Oft stehen zu Beginn des Programmes Vorbehalte, v.a. bzgl. des zusätzlichen Zeitaufwandes für die pädagogischen Fachkräfte. Diese werden jedoch schnell auf Grund der positiven Veränderungen bei Kindern und Eltern ausgeräumt, denn die aktivierende und partnerschaftliche Arbeit mit Eltern trägt langfristig nicht nur zu einer Erleichterung der pädagogischen Arbeit in der Kita bei, sondern auch zu mehr Verständnis und Zufriedenheit auf allen Seiten und somit zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Interesse aller Kinder. Kurzprofil Livia Daveri, geboren in Florenz, Italien 1995: Studium der Sozialarbeit / Scuola di Servizio Sociale, Universität Florenz 2004: Studium der Romanistik (MA: Italienisch/Spanisch), Universität Duisburg-Essen 2012: Beraterin für sprachliche Bildung, Deutsch als Zweitsprache, Universität Hamburg, Institut für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft Seit 2009: Leiterin des Referates Frühkindliche Bildung und Interkulturelle Entwicklung im Elementarbereich, Landeskoordinierungsstelle der Kommunalen Integrationszentren in Nordrhein-Westfalen Seit 2011: Lehrauftrag an der Hochschule Niederrhein - University of Applied Sciences, Mönchengladbach, FB: Sozialwesen, Studiengang: Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit, Lehrveranstaltung: Sprache/Medien der Sprachförderung Institution Landesweite Koordinierungsstelle (LaKI) der Kommunalen Integrationszentren in NRW, vormals Hauptstelle RAA NRW. Die Handlungsfelder der Kommunalen Integrationszentren in NRW orientieren sich entlang der biografiebegleitenden Bildungskette und verstehen dabei Integration als Querschnittsaufgabe. 4
5 Handout Dr. Remi Stork 1. Lebensbildung ein schöner Begriff, der zugleich Orientierung für die Bildungsangebote in Familienzentren geben könnte. Leider aber stützt das Landesprogramm zu sehr andere Bildungsorientierungen. 2. In Aufbau und Entwicklung des Leistungsbereichs Förderung von Familienbildung und Erziehungspartnerschaft haben die Familienzentren in NRW viel Zeit und Tatkraft investiert. Sie haben tragfähige Kooperationen mit der Familienbildung und eigenständige Elterncafés gemeinsam mit Eltern aufgebaut. Die Zertifizierungsvorgaben haben teilweise dazu beigetragen, den Blick in Bezug auf neue Zielgruppen (z.b. Väter und Eltern mit Zuwanderungsgeschichte) und Bildungsmethoden (z.b. Lernen durch Hospitationen) zu intensivieren bzw. zu erweitern. 3. Im Zuge dessen wurden viele Bildungsangebote ausprobiert. Dabei war mancherorts eine zu enggeführte Fokussierung auf die Verbesserung der Erziehungskompetenz von Eltern festzustellen. Reine Erziehungskompetenzkurse wurden allerdings auf Dauer meist von den Eltern abgewählt. 4. Erfolgsmodelle waren und sind Angebote der Elternbildung, die einem weiteren Bildungsverständnis im Sinne einer Lebensbildung folgen. Dies können alltagsorientierte Elternkurse (z.b. FuN) ebenso sein, wie Rucksackprojekte etc. die berücksichtigen, dass Erziehung dann gut gelingt, wenn Eltern an den Entwicklungsaufgaben arbeiten können, die dran sind. Es muss dabei nicht um erzieherische Kompetenzen im engeren Sinne gehen. Viel mehr kann es auch das Lernen einer Sprache, das Finden von Gemeinschaft oder die Suche einer Arbeitsgelegenheit sein. 5. In der Zukunft sollte es gelingen, Familienzentren noch stärker zu Räumen der Lebensbildung für Eltern und Kinder weiterzuentwickeln. Das bedeutet: - Empowerment durch Partizipation: Wenn Eltern Gemeinschaft und aktive Mitgliedschaft im Familienzentrum erleben können, wird Lebensbildung leicht gemacht. Ihre Themen kommen dann von alleine zur Sprache und zur Entfaltung. - Vernetzung im Sozialraum: Lebensbildung gelingt leichter, wenn unterschiedlichste Organisationen der Zivilgesellschaft als starke Partner attraktive Angebote machen und Eltern sich gemeinsam im Sozialraum begegnen und engagieren können. - Erfahrungsmöglichkeiten gelingender Erziehung und Entwicklung für Eltern und Kinder zu schaffen: Eltern beobachten erfolgreiches erzieherisches Verhalten im Alltag, in Hospitationen und gemeinsamen Eltern-Kind-Fachkräften Projekten. - Gemeinsames Lernen der Eltern untereinander und der Eltern mit Fachkräften fördern. Hierzu lassen sich bestehende Formate wie Elterncafés und Elternabende, Projekttage, Eltern-Kind-Wochenenden etc. gut nutzen. Statt hierarchischer Beziehungen und behavioristscher Konzepte sollten erlebnisorientierte und dialogische Ansätze stark gemacht werden. - Orientierung an den Stärken und den Verschiedenheiten der Eltern: niemand kann nicht erziehen ; alle Eltern können etwas einbringen. Mehr Geschlechter- und Milieusensibilität ist erforderlich, um Eltern zu erreichen, die sich bisher im Familienzentrum nicht angesprochen fühlen. 5
6 Profil Remi Stork Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe; Diplom-Pädagoge, Dr. phil, Referent für Grundsatzfragen der Jugendhilfe und Familienpolitik, Geschäftsführer der Evangelischen Aktionsgemeinschaft für Familienfragen in Westfalen-Lippe, Mitglied im Kronberger Kreis für Dialogische Qualitätsentwicklung 6
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