Kapitalmarktstrafrecht Was droht? Wie schützen?
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1 Kapitalmarktstrafrecht Was droht? Wie schützen? 7. Jahrestagung Kapitalmarktrecht StB. Dr. Caroline Kindl 22. März 2012
2 Überblick 1. Strafrechtliche Haftung relevante Tatbestände im Kapitalmarktstrafrecht 2. Ermittlungsmaßnahmen bei Kapitalmarktdelikten 3. Interne Organisation & strafrechtliche Verantwortung 4. Vermeidung von Compliance-Brüchen 2
3 1Strafrechtliche Haftung 3
4 Kapitalmarktstrafrecht Untreue ( 153 StGB) Insiderhandel ( 48b BörseG) Kapitalmarktstrafrecht Prospektfälschung ( 15 KMG ua) Betrug ( 146 StGB) Bilanzfälschung ( 255 AktG ua) 4
5 Untreue ( 153 StGB)? Wer Befugnis hat, über fremdes Vermögen zu verfügen (Gesetz, behördlicher Auftrag oder Rechtsgeschäft) diese Befugnis missbrauchen und zwar wissentlich dadurch Vermögensnachteil bei Befugnisgeber Täter hält diesen für möglich und findet sich damit ab Freiheitsstrafe < Euro: bis zu sechs Monaten Euro: bis zu drei Jahre > Euro: von einem bis zu zehn Jahren 5
6 Beispiel Untreue Genehmigtes Kapital Eine Satzungsänderung ermächtigt den Vorstand für fünf Jahre, das Grundkapital bis zu einem Betrag von 1 Mio Euro durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlage zu erhöhen. Die Untergrenze für den Ausgabebetrag wurde bei 90 Euro pro Aktie festgelegt a) Im Jahr 02 lag der Kurs der Aktie bei 100; im Jahr 04 löst der Vorstand das genehmigte Kapital zu einem Wert von 80 pro Aktie ein. b) Der Vorstand übt die Befugnis gar nicht aus, sondern nimmt stattdessen Fremdkapital auf. 6
7 Untreue ( 153 StGB)? Wissentlicher Befugnismissbrauch bei a) Ermächtigungsüberschreitung => formeller Befugnismissbrauch bei b) Nichtausübung => materielle Prüfung Jeder Machthaber ist grundsätzlich verpflichtet, seinem Machtgeber größtmöglichen Nutzen zu verschaffen (vgl auch 1009, 1013 ABGB) Pflichtwidriges Ermessen (anhand subjektiver Informationslage) Achtung: kann aber nicht soweit gehen, dass Fehlschlagen unternehmerischer Entscheidungen an sich Missbrauch wäre! Ex Ante Betrachtung! 7
8 Untreue ( 153 StGB)? Vermögensnachteil bei Befugnisgeber Nachteil bei Befugnisgeber bei a) Ermächtigungsüberschreitung => genehmigtes Kapital auf Nennkapital => allenfalls Verfässerung bei b) Nichtausübung => Günstigkeitsrechnung (FK oder EK günstiger?) 8
9 Betrug ( 146 StGB) Wer Täuschung über Tatsachen dadurch zu Handlung, Duldung oder Unterlassung verleiten Bereicherungsvorsatz dadurch Vermögensschaden bei Getäuschten Freiheitsstrafe < Euro: bis zu sechs Monaten Euro (und 147 Abs 1 und 1a) bis zu drei Jahre > Euro: von einem bis zu zehn Jahren 9
10 Beispiel Betrug Libor zu hoch? Banken schließen sich zusammen und halten den Libor künstlich zu hoch, um die Basis für die Kreditvergabe gegenüber Kunden zu erhöhen. Banken erhalten dadurch höhere Zinsgewinne 10
11 Betrug ( 146 StGB)? Täuschung über Libor Preis durch wettbewerbswidrige Abrede entstanden Täuschung, dass durch freien und lauteren Wettbewerb entstanden sei Bereicherungsvorsatz liegt vor Vermögensschaden bei Getäuschten liegt vor durch Täuschung Kredit abgeschlossen? Das Täuschungsverhalten muss Irrtum hervorrufen Würde Getäuschte jedenfalls verfügen (auch bei höheren Zinsen) Kausalzusammenhang fehlt allenfalls => nur versuchter Betrug 11
12 Bilanzfälschung 255 AktG, 122 GmbHG; 64 SE-Gesetz; 41 PSG; 89 GenG; 43 ORF Gesetz Wer Als Vorstand, AR, Beauftragter oder Abwickler in Berichten, Darstellungen, Vorträgen, siehe Z 1 bis 5 Verhältnisse der Gesellschaft oder erhebliche Umstände unrichtig wiedergibt, verschleiert oder verschweigt Freiheitsstrafe Geldstrafe bis zu einem Jahr bis zu 360 TS 12
13 Beispiel Bilanzfälschung Namensaktien mit Put-Option Ein Unternehmen begibt Namensaktien, gleichzeitig wird den Aktionären ein Kredit für den Kauf gewährt. Die Aktionäre haben eine Put-Option gegenüber der Mutter des Unternehmens. Kann das Unternehmen durch die Namensaktien ihr Eigenkapital erhöhen? Aktionäre Put-Option Mutter SARINI Geld f Aktien Kredit Tochter Forderung 100 Bilanz Namensaktien
14 Bilanzfälschung unrichtiger Ausweis in Bilanz Eigenkapital = erheblicher Umstand Wesentlichkeit Put-Option gegen Mutter -> Aktien jedoch nach wie vor im Umlauf somit Eigenkapital Anders wenn: Put-Option gegen Unternehmen 14
15 Prospektfälschung 15 KMG, 189 InvFondG; 37 ImmoFondG Wer Wertpapiere oder Veranlagungen ohne Prospekt anbietet (Z 1) In einem veröffentlichten Prospekt unrichtige Angaben macht (Z 2) Keinen Rechenschaftsbericht veröffentlicht (Z 3) In einem veröffentlichten Rechenschaftsbericht unrichtige Angaben macht (Z4) Freiheitsstrafe Geldstrafe bis zu zwei Jahren bis zu 360 TS 15
16 Beispiel Prospektfälschung Solarbeteiligung ohne Prospekt Photovoltaik-Anlagen werden an Dächern von Bauern angebracht und in Energiekreislauf zu fixem Abnahmepreis eingespeist. Zur Finanzierung gibt Betreiber Beteiligungen an der KG aus und garantiert Renditen. Beteiligen kann sich jeder; Werbung wird nicht gemacht (keine Homepage); tatsächlich beteiligen sich schlussendlich 60 Personen. 16
17 Beispiel Prospektfälschung Keine Veröffentlichungspflicht Wenn ein Wertpapierangebot, das sich an weniger als 100 natürliche oder juristische Personen pro Mitgliedstaat richtet (nicht qualifizierte Anleger) Ermittlungsmaßnahme, um Kreis der Personen zu ermitteln Wertpapier oder Veranlagung Anteile an Personengesellschaften fallen darunter 17
18 Insiderhandel ( 48b BörseG) Wer als Insider eine Insider-Infomation ausnützt durch den Erwerb von Insiderpapieren, die Veräußerung von Insiderpapieren Kauf- oder Verkaufsempfehlung von Insiderpapieren an Dritte die Weitergabe von Insiderinformationen mit Bereicherungsabsicht (Abs 1) ohne (Abs 3) Freiheitsstrafe Euro: bis zu drei Jahren Monaten > Euro: von sechs Monaten bis zu fünf Jahren 18
19 2Ermittlungsmaßnahmen 19
20 Warum? Gründe für Ermittlungsmaßnahmen Behördenbericht Anzeige Verdacht Ermittlungsverfahren Zeitungsberichte Sonstige Hinweise 20
21 Organisation im Ermittlungsverfahren FMA Staatsanwalt Kriminalpolizei 21
22 Ermittlungsmaßnahmen Wie wird ermittelt: Vernehmungen ( 153 StPO) Hausdurchsuchungen ( 119 StPO) Sicherstellung, Beschlagnahme ( 110 StPO) Auskunft über Bankkonten ( 116 StPO) Sachverständige ( 126 ff StPO) Telefonüberwachung ( 136 ff StPO) Observation von Personen ( 136 ff StPO) Auskunft über Vorratsdaten ( 135 StPO) 22
23 WKStA - Organisation OGH GProk BMJ OLG OStA Wien OStA Graz OStA Linz OStA Ibk WKStA LG Steyr LGSt Wien StA Krems StA Klgft StA Wels StA Ibk 23
24 Wirtschaftsdelikte Teil 1 (ab ) Untreue Veruntreuung Betrug & betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch Betrügerische Krida Förderungsmissbrauch (Verwendung), Bilanzdelikte + Prospektfälschung Insiderhandel mutmaßlicher Schaden > 5 Mio Euro Grundkapital > 5 Mio oder Beschäftigte >
25 Wirtschaftsdelikte Teil 2 (ab ) Betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz > 5 Mio Euro Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen > 5 Mio Euro oder viele Menschen Ketten- und Pyramidenspiele, wenn viele Menschen geschädigt Finanzstraftaten > 5 Mio Euro Einschlägige Geldwäsche & Organisationsdelike 25
26 3 Strafrechtliche Verantwortung 26
27 Strafrechtliche Verantwortung Strafrechtlich verantwortlich können sein: Natürliche Personen Juristische Personen (VbVG) 27
28 Anwendungsbereich VbVG VbVG unterliegende Gesellschaften GmbH, AG, Vereine, Stiftungen OG, KG, EWIV Kirchen, Religionsgesellschaften außer Seelsorge ausländische Gesellschaften NICHT: Staat und Beliehene in Hoheitsverwaltung GesBR 28
29 Zurechnung Verband kann strafbar sein für Taten I. von Entscheidungsträgern Anlasstat muss rechtswidrig und schuldhaft begangen werden Er muss als solcher in Leitungsfunktion handeln II. von Mitarbeitern Tat muss Mitarbeiter nicht vorwerfbar sein (Kein Verschulden) Organisationsverschulden 29
30 Organisationsverschulden Organisationsverschulden ( 3 Abs 3 VbVG) Verband für Mitarbeiter einzustehen, wenn der Mitarbeiter rechtswidrig das Tatbild verwirklicht hat und die Tat durch die Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt ermöglicht oder wesentlich erleichtert wurde indem der Verband es unterlassen hat, wesentliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung dieser Taten zu ergreifen 30
31 Organisationsverschulden Die notwendigen Vorkehrungen sind im Gesetz nicht geregelt; im Einzelfall abhängig von Größe und Struktur Tätigkeit, von welcher Gefahren ausgehen Ausbildungsstand und Verlässlichkeit der Mitarbeiter (usw.) 31
32 Folgen der Verurteilung nach VbVG Verbandsgeldbuße Verfahrenskosten Zivilrechtliche Haftung Strafregistereintrag Nachteile bei Auftragsvergaben Negative Berichterstattung 32
33 4 Vermeidung - Compliance-Brüche 33
34 Prävention Ausrichtung primär als Vorbeugemaßnahme zur Vermeidung von Straftaten durch Compliance-Programme und Risikomanagement Information und Schulung von Mitarbeitern Interne Überwachungs- und Kontrollsysteme Förderung des Problembewusstseins Compliance Officer Code of Conduct (Wohlverhaltensregeln) 34
35 Comliance Systeme Phase I: Risk assessment Bewertung der Risken Identifizierung der Risiko-Eigner Phase II Richtlinie Schulungen Phase III Implementierung Chief Compliance Officer Laufender Betrieb (events & requests) Fortlaufende Audits und Zertifizierungen 35
36 Conclusio Aus all dem folgt Compliance ist auf allen Führungsebenen wichtig. Risikomanagement und Einhaltung der Unternehmens-Compliance ist Teil der Sorgfaltspflicht aller Führungskräfte in ihrem Bereich. Tone from the top! 36
37 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! StB. Dr. Caroline Kindl Baker & McKenzie Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH Schottenring 25, 1010 Wien Tel: Fax: Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH ist ein Mitglied von Baker & McKenzie International, einem Verein nach dem Recht der Schweiz mit weltweiten Baker & McKenzie-Anwaltsgesellschaften. Der allgemeinen Übung von Beratungsunternehmen folgend, bezeichnen wir als "Partner" einen Freiberufler, der als Gesellschafter oder in vergleichbarer Funktion für ein Mitglied von Baker & McKenzie International tätig ist. Als "Büros" bezeichnen wir die Kanzleistandorte der Mitglieder von Baker & McKenzie International.
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