Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht FS 16
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- Agnes Hofmann
- vor 7 Jahren
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1 Tutorate im Handels- und Wirtschaftsrecht FS 16 Fall Nr. 1 - Personengesellschaftsrecht MLaw Carlo Egle, Assistent Lst. Sethe Seite 1
2 Lernziele Sie können einen komplexen Sachverhalt «prüfungsorientiert» lesen Sie können eine Frage strukturiert lösen Sie können Ihre Lösung mit fundierten Begründungen untermauern Sie verlieren die Fassung nicht, wenn Sie «den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen» oder gar kein «Land in Sicht» ist Titel der Präsentation, Autor Seite 2
3 Sachverhalt Titel der Präsentation, Autor Seite 3
4 Sachverhalt Herbert H Lisa L CHF CHF Reparaturvertrag «Fitness Herbert H.» Richard R HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 4
5 Falllösung Frage A.I.: Muss Lisa L die Reparaturkosten an Richard R bezahlen? Titel der Präsentation, Autor Seite 5
6 A.I. Anspruch R gegen L auf Bezahlung der Reparaturkosten 1. Vertragliche Grundlage Werkvertrag gem. OR 363 ff. (Anspruch aus OR 363 i.v.m. 372) 2. Passivlegitimation der L L als Gesellschaftern der «Fitness Herbert H.»? Qualifikation des Vertrages durch Auslegung der Willenserklärungen der Gesellschafter. Achtung: Parteibezeichnung nicht relevant (OR 18 I) a) Kollektivgesellschaft gem. OR 552 ff.? i) Personenmehrheit ii) Vertragsmässige Bindung iii) Gemeinsamer Zweck & gemeinsame Zweckverfolgung Achtung: Bildung einer Kollektivgesellschaft setzt voraus, dass das Wesen der Gesellschaft als Personenzusammenschluss von Dritten wahrgenommen werden kann (ZK-OR N 21 ff.) I.c. wollten H und L gegen aussen nicht offenlegen, dass sie eine Gesellschaft darstellen (Bezeichnung als «Fitness Herbert H.», Aussenauftritt allein durch H, Handeln des H in eigenem Namen, alleiniger Kontoinhaber) Gegenteilige Ansicht vertretbar! HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 6
7 A.I. Anspruch R gegen L auf Bezahlung der Reparaturkosten Sofern gemeinsamer Zweck der Kollektivgesellschaft bejaht wird: iv) Betrieb eines nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes Gewerbe: «eine selbstständige, auf dauernden Erwerb gerichtete wirtschaftliche Tätigkeit» (HRegV 2 lit. b) kaufmännische Art: «Unternehmen, welche aufgrund ihres Umfangs eine Geschäftsführung nach kaufmännischen Grundsätzen erfordern» ungenügende Indizien im SV! Aufgrund des hohen Gewinnes (CHF /Jahr) eher anzunehmen. wenn bejaht: keine (direkte) Leistungspflicht der L, da zuerst gegen KollG geklagt werden muss. (Vertragliche Beschränkung der Vertretungsbefugnis hat keine Wirkung aufgrund fehlender HR-Eintragung, vgl. OR 564 II) wenn verneint: keine Kollektivgesellschaft, sondern einfache Gesellschaft. (dazu sogleich) HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 7
8 A.I. Anspruch R gegen L auf Bezahlung der Reparaturkosten Sofern Kollektivgesellschaft verneint wird: b) «stille» (einfache) Gesellschaft gem. OR 530 ff.? i) Personenmehrheit ii) Vertragsmässige Bindung iii) Gemeinsamer Zweck & gemeinsame Zweckverfolgung insb: Einigkeit der Gesellschafter, dass Gesellschaft nur interne Wirkung. - Beitrag des stillen Gesellschafters geht in das Vermögen des Hauptgesellschafters über - Mitwirkungsrecht des stillen Gesellschafters (ansonsten liegt partiarisches Darlehen vor) - Gesellschaft tritt nach aussen nicht als solche in Erscheinung - Nur Hauptgesellschafter tritt (als Einzelunternehmer) auf Stille Gesellschaft wird (gegenüber dem R) zur einfachen Gesellschaft. Umstand, dass L die Gesellschaft nicht vertreten dürfte, hat keine Auswirkung auf ihre Haftung. Der Handelnde (ohne Vertretungsmacht) haftet immer. (M-H/F, 12 N 70) [Frage, ob auch H «haftet», d.h. L auf diesen Regress nehmen kann, ist umstritten, vgl. KuKo-Sethe, OR 543 N 1 & 14 Anwendung der Regeln der GoA] Ergebnis: R kann direkt die Reparaturkosten bei L einklagen HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 8
9 3. Auswirkung der Befristung in 3 Satz 1 des «Kollektivgesellschaftsvertrags»? Befristeter Gesellschaftsvertrag ohne weiteres zulässig (OR 545 I Ziff. 5) A.I. Anspruch R gegen L auf Bezahlung der Reparaturkosten Grundsätzlich wird Gesellschaft «erneuert», wenn sie stillschweigend fortgesetzt wird (OR 546 III) 3 Satz 2 des Vertrags sieht vor, dass für das Fortbestehen der Zusammenarbeit «ein weiterer Vertrag aufgesetzt wird» Fraglich, ob hier die Form der einfachen Schriftlichkeit vertraglich vorbehalten wurde (OR 16) Strittig. «Aufsetzten» lässt aber eher nicht auf einen Formvorbehalt schliessen. Fraglich immerhin, ob Weitergeltung der vertraglichen Vereinbarungen. wenn Formvorbehalt bejaht: evtl. Haftung der L (und des H) aus Rechtsschein einer Gesellschafterstellung «Das Vertrauen eines Dritten in den Bestand einer einfachen Gesellschaft ist insoweit geschützt, als der Vertrag zwischen ihm und der einfachen Gesellschaft auch dann wirksam ist, wenn der Gesellschaftsvertrag infolge eines Mangels ungültig ist. In diesen Fällen beurteilt sich das Aussenverhältnis trotz des Mangels nach Gesellschaftsrecht.» (BGE 116 II 707, E. 1.b) HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 9
10 Falllösung Frage A.II.: Muss Lisa L 40% des Verlusts (CHF ) in bar ausgleichen? Titel der Präsentation, Autor Seite 10
11 A.II. Anspruch des H auf Bezahlung von Zunächst fraglich, ob stille Gesellschaft (reguläre) einfache Gesellschaft wurde Auftreten der L als Gesellschaftern führt nach Teil der Lehre zu Umqualifikation «erga omnes» (BK- OR 530 N 345; M-H/F, 15 N 39). Nach einem andern Teil werden Beziehungen zwischen Gesellschaftern und zu andern Aussenstehenden nicht berührt. (ZK-OR 552 N 30 m.m.n.) Verlusttragung in der einfachen Gesellschaft (und auch der stillen Gesellschaft) regelt sich nach OR 533. Dispositive Bestimmung der gleichmässigen Anteilnahme am Gewinn von OR 533 I wurde in casu in eine 2:3 Regelung abgeändert ( 2 des Vertrags). Vereinbarungen über die Anteilnahme am Gewinn gelten gleichermassen für eingetretene Verluste (OR 533 II). CHF stellen einen Verlust dar Zeitpunkt der Verlustausgleichung? - Grds. erst im Rahmen der Liquidation (OR 549 II) - Da Einlage bereits «verbraucht», würde die Bezahlung eine Nachschusspflicht von L bedeutet, was eine vertragliche Vereinbarung voraussetzt, insb. bei stillen Gesellschaft - In casu - Analoge Anwendung von OR 533 II auf Nachschusspflicht von h.l. abgelehnt Ergebnis: L muss den Verlust nicht bar ausgleichen (ebenso wenn KollG, vgl. OR 560 II) HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 11
12 Falllösung Frage B.I.: Kann Lisa L i) die Auflösung der «Fitness Herbert H.» erwirken; ii) ihre Einlage von CHF zurückverlangen und iii) den Verkauf der Geräte erwirken? Titel der Präsentation, Autor Seite 12
13 B.I. Erwirkung der Liquidation der Gesellschaft Auflösung der einfachen (nicht-stillen) Gesellschaft hat deren Liquidation zur Folge (ebenso KollG gem. OR 582, 585 I) Auflösung der einfachen Gesellschaft bedingt Auflösungsgrund nach OR 545 (ebenso KollG, OR 578 I) Kündigung des Mietvertrages und sofortige Räumung der Liegenschaft durch H (und wohl auch unüberwindbare Differenzen zwischen Gesellschaftern) verunmöglichen Gesellschaftszweck der «Fitness Herbert H.». Auflösung der Gesellschaft «eo ipso» (OR 545 I Ziff. 1) Subsidiär: Ordentliche Kündigung gem. I Ziff. 6 und OR 546 durch H (Notiz «Und tschüss!») Fortsetzung durch einen Gesellschafter bedürfte der Zustimmung von L (OR 579 analog) Folgen der Liquidation: 1.Zweckänderung zu Abwicklung der Gesellschaft i.c. primär Verkauf der Geräte (Realteilung nur sofern vertraglich vorgesehen, OR 548; ebenso bei KollG) 2.Bei einfacher Gesellschaft: anteilsmässige Verteilung des Liquidationserlöses (OR 549 I) i.c. Verhältnis 2:3 (sofern noch geltend). Liquidationserlös muss folglich mind. CHF betragen, damit L ihre ursprüngliche Einlage «zurückerhält». Bei KollG: 1. Rückzahlung der Einlagen (OR 588 I); 2. Anteilsmässige Verteilung des Überschusses (OR 588 II) Auch hier muss Liquidationsergebnis CHF betragen HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 13
14 Rechtswissenschaftliche Fakultät B.I. Erwirkung der Liquidation der Gesellschaft Die Abwicklung einer stillen Gesellschaft erfolgt ohne Auflösung/Liquidation (sofern vertraglich nicht anders vereinbart). Die Auflösung begründet keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage, sondern lediglich einen Abfindungsanspruch des stillen Gesellschafters. Die Berechnung der Abfindung erfolgt nach Massgabe der Beteiligung (i.c. 40%); Grundlage bildet der Fortführungswert der Gesellschaft. Ein Verkauf der Geräte des H kann hingegen nicht erwirkt werden HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 14
15 Falllösung Frage B.II.: Kann Lisa L eine Entschädigungsforderung geltend machen, da sie nicht an der künftig erwarteten «guten Entwicklung» des Fitnessstudios partizipieren kann? Titel der Präsentation, Autor Seite 15
16 B.II. Beteiligung an «guter Entwicklung» Sofern mit «guter Entwicklung» der «gute Ruf» des Fitnesscenters gemeint ist, handelt es sich um sog. «Goodwill». Dessen Einbezug in den Liquidationserlös ist strittig. Gemeint sein könnte aber auch der Gewinn, welchen die Gesellschaft erzielen könnte, wenn sie nicht aufgelöst würde. In Frage kommt Anspruch der L auf Schadenersatz gegen H auf entgangenen Gewinn nach OR 538 II HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 16
17 Rechtswissenschaftliche Fakultät B.II. Schadenersatz gem. OR 538 II Anspruch der übrigen Gesellschafter (L) auf Ersatz des entstandenen Schadens durch schädigenden Gesellschafter (H) (OR 538 II) 1. Schaden: «(ungewollte) Verminderung des Reinvermögens», insb. auch entgangener Gewinn in casu, (Gewinn, der bis zur Liquidation im Falle der ordentlichen Kündigung durch H hätte erwirtschaftet werden können, d.h. 6 Monate) 2. Widerrechtliche Verletzung des Gesellschaftsvertrags i.c.: Kündigung des Mietvertrages und sofortige Räumung der Liegenschaft Verlust des einzigen Unternehmenslokals als «wichtige Angelegenheit» = Verstoss gegen 1 Satz 3 des Vertrags und OR 535 III Verunmöglichung der Zweckverfolgung und damit Auflösung der Gesellschaft = Verstoss gegen 1 Satz 3 des Vertrags und OR 535 III und Treuepflicht (OR 538 I) 1. Kausalzusammenhang 2. Verschulden Forderung wird in Liquidationsverfahren einbezogen (BK-OR 538 N 140) HaWi Tutorate FS 16 Fall 1, MLaw Carlo Egle Seite 17
18 Ende Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Fragen zum Fall dürfen jederzeit an gestellt werden Titel der Präsentation, Autor Seite 18
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