Zur Nennung der Herkunft von Tatverdächtigen durch die Polizei
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- Susanne Franke
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1 Vortrag Zur Nennung der Herkunft von Tatverdächtigen durch die Polizei gehalten am 10. März 2016 bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes beim Fachgespräch Zwischen Maulkorb und Menschenrecht zur Nennung der Herkunft von Tatverdächtigen durch die Polizei Dr. Hendrik Cremer
2 DEUT S CHE S I NSTI T UT F ÜR M E NSCHENRECHTE V o r t r a g M ä r z Sehr geehrte Frau Lüders, sehr geehrte Damen und Herren, zunächst möchte ich mich für die Einladung bedanken, hier heute 1 sprechen zu dürfen. 1 In Vorbereitung auf diesen Input habe ich mir die Frage gestellt, welche Gesetze ich wohl brechen müsste, damit daraus eine polizeiliche Meldung wird. Und ich habe mir die Frage gestellt, wie diese Meldung wohl lauten würde. Wer würde da als Verdächtigter einer Straftat beschrieben? Was wäre da wohl zu lesen? Wäre von einem weißen Deutschen die Rede? Mitnichten. Wäre von einem Deutschen die Rede? Auch nicht. Von einem Berliner? Vielleicht. Und wäre das zutreffend? Seit den Ereignissen der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof wird noch lauter als ohnehin darüber diskutiert, ob man die Herkunft von Tatverdächtigen in Polizei und Medienberichten nennen sollte. Unabhängig davon, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, stellt sich hier zunächst die Frage, was denn mit Herkunft gemeint ist. Um ein klares, objektives Kriterium handelt es sich sicherlich nicht. Hierbei stellt sich auch die Frage, wer die Herkunft von Verdächtigen definiert. Und wie? Und um diese Fragen noch weiter zu führen: Wann stimmt es denn noch, dass ein Mensch in erster Linie aus einem anderen Land kommt? Wie viele Jahre muss ein Mensch in Deutschland leben, damit er aus Deutschland kommt? Wie lange in einer Gemeinde, damit er aus der Gemeinde kommt? Ist möglicherweise der aktuelle Lebensmittelpunkt entscheidend oder die Meldeadresse? Oder ist allein die Staatsangehörigkeit ausschlaggebend? Oder etwa auch sie nicht? Auf der praktischen Ebene ist im Übrigen zu bedenken, dass zu dem Zeitpunkt, in dem polizeiliche Meldungen über Straftaten erfolgen, noch Fragen ungeklärt sein können, die die Herkunft eines Tatverdächtigen betreffen, unabhängig davon, wie man den Begriff der Herkunft versteht. Gleiches kann bei Fahndungsaufrufen der Fall sein. 2 In der Einladung zu dieser Veranstaltung wird folgende Frage wiedergegeben, die immer wieder zu hören ist, wenn es um das Thema dieser Veranstaltung geht: Warum solle eine Tätergruppe nicht auch benannt werden, wenn sie nun mal auffällig wurde? Ich möchte auf diese Frage eingehen indem ich sie in Frage stelle. Denn in der Frage selbst lassen sich bereits Antworten zum Thema der Veranstaltung finden. Die Frage geht nämlich davon aus, dass es Tätergruppen gibt, die auffällig werden können. In der Frage selbst wird also deutlich, dass es demnach nicht darum geht, einzelne Täter zu nennen, sondern Täter als Stellvertreter oder Stellvertreterin einer Gruppe. Solche Konstruktionen, bei denen Menschen pauschal als homogene 1 antidiskriminierungsstelle.de/shareddocs/aktuelles/de/2016/ _fachegspraech_herkunftsnennung.html
3 DEUT S CHE S I NSTI T UT F ÜR M E NSCHENRECHTE V o r t r a g M ä r z Gruppen zusammengefasst werden, bilden die Grundlage für Rassismus und rassistische Diskriminierung. Der Täter ist verantwortlich für seine Tat, nicht für die Zugehörigkeit zu einer konstruierten Gruppe. Im Rechtsstaat gilt der Grundsatz der persönlichen Verantwortung des Einzelnen für sein Fehlverhalten. Und insbesondere gibt es keinen Tätertypus, der per se verdächtig ist. Solche Vermutungen basieren auf rassistischen Stereotypen, die etwa in der Polizeiarbeit auch zu einseitigen Ermittlungen führen können, so wie sie beispielsweise im Abschlussbericht des NSU- Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages beschrieben worden sind. 3 Informations-, Presse- und Meinungsfreiheit sind zentrale Menschenrechte; sie bilden die Grundlage einer freien, demokratischen und pluralen Gesellschaft. Diese Rechte sind indes nicht dafür da, Menschen zu diskriminieren oder Rassismus Vorschub zu leisten. Das Verbot rassistischer Diskriminierung durch den Staat wie auch die Verpflichtung des Staates, vor rassistischer Diskriminierung zu schützen, ist nicht nur im Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 3 GG) verankert, es ist fester Bestandteil des europäischen und internationalen Menschenrechtsschutzsystems. Rassistische Diskriminierung verbieten etwa die Europäische Menschenrechtskonvention oder das Internationale Übereinkommen gegen rassistische Diskriminierung als spezielle Konvention zur Bekämpfung von Rassismus. Die Verträge sind von Deutschland ratifiziert worden und damit innerstaatlich geltendes Recht, an das staatliche Institutionen wie die Polizei unmittelbar gebunden sind. Unter rassistischer Diskriminierung sind demzufolge Diskriminierungen zu verstehen, bei denen Menschen aufgrund ihres Erscheinungsbildes nach physischen Merkmalen wie Hautfarbe, ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Religionszugehörigkeit, Abstammung, nationalen oder ethnischen Herkunft diskriminiert werden. Das grund- und menschenrechtliche Verbot rassistischer Diskriminierung untersagt nicht nur offensichtliche oder beabsichtigte Ungleichbehandlungen, sondern auch faktische Diskriminierungen. Der Schutz vor Diskriminierung würde weitgehend wirkungslos bleiben, wenn er nicht auch vor diskriminierenden Praktiken schützen würde. Aus der Perspektive der Betroffenen auf diese kommt es beim Grund- und Menschenrechtsschutz an ist schließlich nicht entscheidend, ob Diskriminierungen gezielt oder unbewusst erfolgen. Bei Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft ist es nicht üblich, dass die Staatsangehörigkeit oder äußerliche Merkmale wie Hautfarbe ( weiß ) in polizeilichen Meldungen genannt werden. Ein Anreiz dazu lässt sich in der Regel nur beobachten, wenn Menschen einer Minderheit zugeordnet werden. Hier kann schon der bloße Hinweis auf die tatsächliche oder vermeintliche Herkunft eines Tatverdächtigen als Ausgrenzung und als Mittel zur Diskriminierung ausreichen, da dies erfahrungsgemäß den Eindruck suggeriert, das Fehlverhalten des einzelnen Beschuldigten sei auch bei
4 DEUT S CHE S I NSTI T UT F ÜR M E NSCHENRECHTE V o r t r a g M ä r z anderen Menschen zu befürchten, denen pauschal das gleiche Fehlverhalten zugeschrieben wird. Angesichts dieser besonderen Gefährdungslagen ist der Staat dazu verpflichtet, durch geeignete Schutzvorkehrungen Diskriminierungen entgegenzuwirken. Kraft dieser Schutzpflicht ist der Gesetzgeber berechtigt und auch verpflichtet, der Meinungs- und Pressefreiheit Grenzen zu setzen, wie es etwa durch Normen im Zivilrecht oder Strafrecht geschieht. Und aus den grund- und menschenrechtlichen Vorgaben zum Schutz vor rassistischer Diskriminierung ergibt sich eben auch die staatliche Verpflichtung, Standards zu schaffen, die vor Diskriminierung durch polizeiliche Meldungen schützen. Internationale und europäische Menschenrechtsgremien weisen immer wieder darauf hin, dass staatlichen Institutionen wie die Polizei eine wesentliche Rolle bei der Bekämpfung von Rassismus haben. Nach den Empfehlungen der Kommission gegen Rassismus des Europarats (ECRI) haben die Staaten sicherzustellen, dass sich die Polizei gegenüber den Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit nicht in einer Weise äußert, die feindseliger Haltung und Stereotypen Vorschub leistet. Die Polizei darf weder den Medien noch der Öffentlichkeit Informationen über Hautfarbe, Religion, Staatsangehörigkeit, nationale oder ethnische Herkunft eines Tatverdächtigen zukommen lassen. Nur wenn dies unbedingt erforderlich ist und damit ein rechtmäßiger Zweck verfolgt wird, darf der Polizei gestattet werden, entsprechende Angaben zu Tatverdächtigen zu machen, was etwa bei einem Fahndungsaufruf der Fall sei. 4 Die Vorsitzende der Neuen Deutschen Medienmacher hat in einem aktuellen bei der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen Beitrag darauf hingewiesen, dass es in Zeiten eines hochkochenden rassistischen Diskurses für den sozialen Frieden umso wichtiger ist, sorgsam mit Sprache und Begriffen umzugehen, um bestehende Stereotype und Diskriminierungen nicht fortzuführen und zu zementieren. Hierbei gibt sie auch praktische Hilfestellungen: Wenn man sich bei Bezeichnungen unsicher sei, könne es helfen, sich zu überlegen, ob derselbe Satz oder dieselbe Bezeichnung auch noch verwendet würde, wenn man die verwendeten Attribute durch andere ersetzen würde. Bei dieser Übung könnte dann beispielsweise von christlichdeutschen Diebesbanden die Rede sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
5 DEUT S CHE S I NSTI T UT F ÜR M E NSCHENRECHTE V o r t r a g M ä r z Kontakt Deutsches Institut für Menschenrechte Zimmerstraße 26/27, Berlin Tel.: Fax: info@institut-fuer-menschenrechte.de AUTOR_IN: Dr. Hendrik Cremer cremer@institut-fuer-menschenrechte.de Deutsches Institut für Menschenrechte, 2016 Alle Rechte vorbehalten Das Institut Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist die unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Es ist gemäß den Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen akkreditiert (A- Status). Zu den Aufgaben des Instituts gehören Politikberatung, Menschenrechtsbildung, Information und Dokumentation, anwendungsorientierte Forschung zu menschenrechtlichen Themen sowie die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Es wird vom Deutschen Bundestag finanziert. Das Institut ist zudem mit dem Monitoring der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention und der UN-Kinderrechtskonvention betraut worden und hat hierfür entsprechende Monitoring-Stellen eingerichtet.
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