Rede des Staatssekretärs für Kultur, André Schmitz, anlässlich der Verleihung der Otto-Hahn- Friedensmedaille an Daniel Barenboim am 22.

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1 Rede des Staatssekretärs für Kultur, André Schmitz, anlässlich der Verleihung der Otto-Hahn- Friedensmedaille an Daniel Barenboim am 22. März 2011 Verehrter Maestro und Frau, Exzellenzen, sehr geehrter Herr Botschafter des Staates Israel, sehr geehrte Frau Dr. Kalb, verehrter Herr Hahn, sehr geehrter Herr Professor Verleger, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, meine Damen und Herren, Wir ehren heute einen außergewöhnlichen Musiker. Und einen außergewöhnlichen Menschen. Bei Daniel Barenboim verbinden sich Überzeugung und Beruf zu einer Berufung. Er ist ein Meister seines Faches, einer der bedeutendsten Musiker unserer Zeit. Und er ist zugleich ein Künstler, der weit über sein Metier hinaus denkt. Der sein internationales Renommee nutzt, um sich gegen Krieg, Gewalt und Hass zu engagieren. Und der dabei viel bewirkt. Seit 1988 wird die Otto-Hahn-Friedensmedaille an Persönlichkeiten verliehen, die sich herausragende Verdienste um Frieden, Humanität und Völkerverständigung erworben haben. Einen würdigeren Preisträger als Daniel Barenboim ließe sich dafür kaum finden. Ein Kompliment deshalb an das Preis-Kuratorium sowie an den Landesverband Berlin-Brandenburg der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Sie haben schon in der Vergangenheit stets eine gute Hand bei der Auswahl der Preisträgerinnen bzw. Preisträger bewiesen. Und sie haben erneut eine hervorragende Wahl getroffen. Herzlichen Dank! Daniel Barenboim ist ohne Zweifel ein Weltbürger: In Buenos Aires wurde er geboren und ging mit seinen Eltern nach Israel. Seine musikalische Ausbildung brachte ihn nach Europa und bereits mit 15 Jahren konzertierte überall auf der Welt.

2 2 Er besitzt einen israelischen, argentinischen und spanischen Pass, zudem und dies alles andere als unumstritten auch die palästinensische Ehrenstaatsbürgerschaft. Trotz dieser Weltläufigkeit ist Berlin eine Konstante im Leben des Daniel Barenboim: 1964 also vor bald 50 Jahren gab er hier anlässlich des 10. Todestages seines großen Vorbilds Wilhelm Furtwängler sein erstes Klavierkonzert. Seither zog es ihn immer wieder in die Stadt, immer wieder arbeitete er eng mit den Berliner Philharmonikern zusammen. Zwei Marksteine dieser Verbindung beweisen seine enge Emotionale Bindung an unsere Stadt: Nur drei Tage nach Mauerfall führte er die Philharmoniker durch ein mittlerweile legendäres Beethoven-Konzert für Zuhörer aus Ost- Berlin begleitete er das Orchester auf dessen erster Konzertreise nach Israel. Seit nun schon fast zwei Jahrzehnten (1992) ist Daniel Barenboim Generalmusikdirektor der Staatsoper Unter den Linden. Im Jahr 2000 wählte ihn die Staatskapelle Berlin zudem zum Chefdirigenten auf Lebenszeit. Wie man hört, wird im Moment über eine Verlängerung verhandelt. Unter Barenboim erlangte die Staatsoper binnen weniger Jahre ihre Weltgeltung zurück. Sie gehört heute zu den Leuchttürmen der Hauptstadtkultur. Und auch die Staatskapelle hat sich unter seiner Leitung zu einem der wichtigsten musikalischen Botschafter Berlins und Deutschlands entwickelt. Schon allein dafür gelten ihm unser aller Anerkennung und unser Respekt. Daniel Barenboim ist aber nicht nur eine der ganz großen Persönlichkeiten des Berliner Kulturlebens. Er ist auch ein leidenschaftlicher Brückenbauer, der sich wie wohl kein anderer Künstler von Weltruhm für Dialog und Versöhnung im Nahen Osten einsetzt. Daniel Barenboim bedient sich dabei eines Mittels, das bei ihm naheliegt. Das aber auch zu den wirksamsten gehört, um Gräben zwischen Menschen zu überwinden:

3 3 Daniel Barenboim setzt auf die versöhnende Kraft der Musik. Prominentestes Beispiel ist das West-Eastern Divan Orchestra, das jeden Sommer junge israelische und arabische Musiker zu einem gemeinsamen Workshop und anschließenden Tourneen zusammenführt hatte es Daniel Barenboim gemeinsam mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said ins Leben gerufen. Daniel Barenboim betont zwar immer wieder, dass ein Orchester keinen Frieden bringen kann. Und dass Musik allein den Nahostkonflikt nicht beilegen wird. Und doch hat das West-Eastern Divan Orchestra Erstaunliches bewirkt: Es hat Augen und Herzen geöffnet die der jungen Musikerinnen und Musiker ebenso wie die ihrer weltweiten Zuhörerschaft. Es hat gezeigt, dass sich Feindbilder überwinden lassen, wenn sich Menschen als Menschen respektieren, wenn sie sich aufeinander einlassen, einander zuhören, voneinander lernen. Und es hat auf seinen viel umjubelten Tourneen die Botschaft in die Welt getragen, dass Dialog und Verständigung möglich sind und dass Menschen unterschiedlicher Herkunft friedlich miteinander leben können. Das ist eine Botschaft, die auch in einer von Vielfalt so stark geprägten Stadt wie Berlin auf fruchtbaren Boden trifft. Ich will dem Laudator nicht vorgreifen, erlaube mir aber auch die folgende Bemerkung: o Wer Brücken bauen, Hass überwinden und Menschen zu friedlichem Zusammenleben ermutigen will, der muss seine Stimme nicht nur gegen Gewalt, gegen Land-Raub, Terror und Mord erheben. Der muss auch selbst und bei seinen Partnern darauf dringen, dass Diffamierungen unterbleiben. Der muss dafür streiten, dass der Hass aus den Köpfen gerade der jungen Generation verschwindet und nicht zum Beispiel über Schulbücher neue Wege findet. o Und der sollte auf irreführende und diffamierende Vergleiche wie zum Beispiel den zwischen Israel und dem früheren Südafrika einfach verzichten. Mann kann und darf natürlich auch die israelische Politik kritisieren. Aber für mich ist es beispielsweise völlig abwegig, die Schutzmauer in Jerusalem und der Westbank mit der Berliner Mauer in einen solchen Vergleich zu bringen. Gegen ein solches Kunstprojekt habe ich mich seiner Zeit scharf und öffentlich gewandt. Und ich werde dies auch an anderer Stelle und jeder Zeit wieder tun.

4 4 Für mich persönlich und für Gott sei Dank viele Deutsche gilt der Grundsatz der Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, den sie in ihrer Rede vor der Knesset in Jerusalem formuliert hat. Die Shoa ist Teil der deutschen Identität. Und aus dieser Überzeugung heraus leitet sich für unser Land eine ganz besondere Verantwortung gegenüber dem israelischen Staat und dessen Existenzrecht ab. Das West-Eastern Divan Orchestra ist für mich das beeindruckendste friedensstiftende kulturelle Projekt das ich kenne. Und bewundernswert ist es, mit welchem Elan Daniel Barenboim sich dafür einsetzt, die Welt mit Hilfe der Musik zu einem besseren Ort zu machen. Wer noch Beweise braucht, dass Musik als Mittel der interkulturellen Verständigung funktioniert, der sei an Daniel Barenboim und sein Orchester verwiesen. Das West-Eastern Divan Orchestra ist jedoch bei Weitem nicht das einzige Beispiel. Seit vielen Jahren fördert Daniel Barenboim zahlreiche weitere Musik- und Bildungsprojekte im Nahen Osten. Dank seiner Initiative und seinem Engagement konnten in Israel und der West Bank inzwischen Projekte für alle Altersstufen realisiert werden vom Kindergarten bis zum Konservatorium. Vor drei Jahren hat Daniel Barenboim in Berlin eine Stiftung gegründet, die diese Projekte vorantreibt und neue Initiativen entwickelt. Und nach wie vor hat Daniel Barenboim Großes vor auch mit Berlin: Unsere Stadt soll Heimstätte seines neuen West-Eastern Divan Institutes werden. Dieses Institut bedeutet in gewisser Weise eine Weiterentwicklung seines West-Eastern Divan Orchestras: Es soll dem Orchester eine zusätzliche Bodenhaftung geben, soll ihm als zentrale Ausbildungsstätte dienen und den friedensstiftenden Dialog in einem institutionellen Rahmen voranbringen. Es soll israelischen, arabischen und deutschen Jugendlichen in Berlin einen gemeinsamen Ort für ihre musikalische Fortbildung schenken. Die historische Dimension dieses Vorhabens in Berlin, der Stadt, in der die Shoa geplant wurde, muss ich Ihnen nicht erläutern. Ich selber bin ein großer Befürworter dieses Projektes.

5 5 Mit dem im Zuge der Sanierung der Staatsoper frei werdenden Magazingebäude der Oper ist bereits ein exzellenter Standort gefunden; mit Frank Gehry steht ein nicht minder exzellenter Architekt bereit. Am 3. Oktober 2013 wollen wir die Staatsoper wiedereröffnen. Auch wenn das jetzt sehr nach Zukunftsmusik klingt: Ich fände es wundervoll, wenn wir dann auch den Startschuss für das West-Eastern Divan Institute geben könnten. Verehrter, lieber Daniel Barenboim, es gäbe noch so viel mehr, was ich an dieser Stelle erwähnen könnte. Und eigentlich auch müsste: Vom Musikkindergarten Berlin bis hin zu Ihrer enormen Großzügigkeit, von der auch Berlin immer wieder profitiert. Es ist für uns keineswegs selbstverständlich, dass Sie die Preisgelder Ihrer vielen Auszeichnungen nicht nur in Ihre Projekte fließen lassen, sondern immer wieder auch für die Sanierung der Staatsoper zur Verfügung gestellt haben. Auch dafür: Herzlichen Dank. In diesem Sinne darf ich Ihnen, Maestro, sehr herzlich zur Otto-Hahn- Friedensmedaille 2011 gratulieren. Zugleich wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg als Musiker ebenso wie als Versöhner und Brückenbauer. Berlin ist stolz darauf, in Ihnen einen Freund dieser Stadt zu wissen. Nochmals: Von Herzen vielen Dank. Und: Ich fände es wundervoll, wenn wir eines nicht zu fernen Tages hier in Berlin auch den Startschuss für Ihr neues Institut geben könnten.