Helmut Lörscher. Workshop : Improvisation
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- Renate Falk
- vor 7 Jahren
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Transkript
1 Helmut Lörscher Workshop : Improvisation Dieser Workshop richtet sich an alle MusikerInnen und MusikpädagogInnen, die auf ihrem Instrument improvisatorische Grundlagen erlernen oder sich darin weiterbilden wollen. Da sich die Improvisationskunst in der Musik des 20. Jahrhunderts hauptsächlich in den Bereichen Jazz und jazzverwandte Musik (Fusion, Latin, Pop/Rock etc...) entfaltet hat, bilden sie auch in unserem Workshop den Schwerpunkt. Unser Thema zum Einstieg ist der Blues, der als eine bedeutende Wurzel des Jazz die Jazzgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart durchzieht. Ungeachtet der daraus resultierenden Stilfülle geht es uns zunächst um die Vermittlung von harmonischen, rhythmischen und formalen Grundlagen. Daher geht die 1. Unterrichtseinheit hauptsächlich vom Klavier aus. Die folgenden Einheiten, in denen melodische Improvisation im engeren Sinne erarbeitet wird, enthalten Übungen sowohl für Klavier als auch für Melodieinstrumente. Praktische Übungen, unterstützt durch Hörbeispiele und speziell eingespielte Übungsplaybacks, stehen im Vordergrund dieses Workshops. An einigen Stellen werden Optionen für Fortgeschrittene eingefügt. Herkunft, Wesen und Form des Blues Der Blues ist Ende des 19.Jahrhunderts vorwiegend in den Südstaaten der USA aus den Worksongs und Fieldholler Gesängen der unterdrückten Schwarzen bei ihrer Arbeitentstanden. Die häufig desillusionierenden Beschreibungen der Lebensumstände drücken Melancholie, mitunter aber auch ein gewisses Selbstbewusstsein bis zum Protest aus. Formal ist eine traditionelle Bluesstrophe in 3 Zeilen gegliedert: Statement - Wiederholung des Statements - Schlusssatz (Kommentar) Nehmen wir zum Beispiel die 1. Strophe des St. Louis Blues (W.C.Handy,1914) I hate to see de ev nin sun go down Hate to see de ev nin sun go down 'cause my baby, he done left dis town Daraus ergibt sich die zwölftaktige Bluesform, untergliedert in drei Viertaktgruppen. Im traditionellen Blues kommt man meist mit drei harmonischen Stufen aus: I IV (I) I I Statement IV IV I I Wiederholung, Spannungsmoment beim Eintritt der IV.Stufe in Takt 5; V IV (V) I V(I) Schlusssatz, der Eintritt der V.Stufe in Takt 9 markiert den Höhepunkt der Spannung. Hören Sie dazu einen Ausschnitt aus dem St. Louis Blues (Intro und 1.Strophe) Hörbeispiel 1: Billie Holiday: St. Louis Blues 1 Das sichere Hören der harmonischen Fortschreitung in der zwölftaktigen Form ist eine Grundvoraussetzung, um das Spielen eines Blues zu erlernen.
2 Auf den oben genannten drei Stufen bauen sich Durdreiklänge mit kleiner Septime auf. Die kleine Septime ergibt sich aus der Bluesskala, auf die wir später eingehen werden. Die wichtigsten Töne in einem Bluesakkord sind Grundton (1),Terz (3) und Septime (7). Das folgende Hörbeispiel entspricht einer Bluesbegleitung in C, also: C7 F7 C7 C7 F7 F7 C7 C7 G7 F7 C7 G7 (C7) Es dient als Playback für die folgende Übung 1 Spielen Sie zum laufenden Playback auf Zählzeit 1 in jedem (4/4-)Takt die entsprechende Harmonie, dabei in der linken Hand: den Grundton in der rechten Hand: (grosse) Terz und (kleine) Septime (Der entstehende Tritonusklang wird auch simple voicing genannt) Das Playback umfasst zwei komplette Durchgänge (Chorus), beim 2.Mal erklingt im letzten Takt C7 (Schlussakkord). Playback 1 Aus dem Notenausdruck des Playbacks lassen sich einige Aspekte ableiten, die wir im Folgenden erlernen werden: Notenbeispiel 2 Harmonik, typische Akkorde (Voicings); Prinzipien des Walking-Bass als Basis des Swing-Feelings; Rhythmisierung der Begleitvoicings; typische melodische Wendungen, sogenannte "Licks" (in der nächsten Unterrichtseinheit thematisiert). Harmonik, typische Voicings Zum Kernbestand der Voicings aus Terz und Septime können None (gr.9) und Tredezime (gr.13, entspricht der gr.6) zur Klangerweiterungen hinzugefügt werden. Daraus ergeben sich folgende Voicings: Notenbeispiel 3 Tipp: Die Voicings klingen am besten, wenn Terz und Septime in dem folgendem Registerbereich liegen: Notenbeispiel 4 Die Quinte ist in diesem Register ungünstig, sie klingt nur als höchster Ton eines Akkordes gut.
3 Übung 2 Üben Sie nun die Voicings als ganze Noten auf Zählzeit 1 mit dem erweiterten Tonmaterial. Wichtig ist, auf eine gute Stimmführung von Akkord zu Akkord zu achten, also: Notenbeispiel 5 Wenn Sie die Akkorde sicher genug handhaben können, üben Sie wieder zum laufenden Playback 1. Der Walking-Bass Der Walking-Bass (durchgängig pulsierende Viertel als harmonische Stütze und "Groove-Macher" zugleich) ist in einer Band Aufgabe des Bassisten. Aber auch Pianisten müssen mit der linken Hand solche Basslinien spielen können, um ein swingendes Feeling zu unterstützen. Beim Walking-Bass in Playback 1 lassen sich folgende Grundprinzipien erkennen: Notenbeispiel 6 Auf Zählzeit 1 einer jeden neuen Harmonie spielt man den Grundton derselben, auf den übrigen Zählzeiten: a) Akkordtöne (Grundton, Terz, Quinte, Septime) b) Durchgangstöne c) einfache chromatische Annäherung (chromatic approach) an den Zielton. d) mehrfache diatonische/chromatische Annäherung (chromatic/diatonic approach) an den Zielton. Vorübung 3.1 Spielen Sie mit der linken Hand eine Basslinie aus Akkordtönen in halben Noten (Halftime-Bass); spielen Sie dabei auf Zählzeit 1 den Grundton. Nach einigen "Trockenversuchen" können Sie es zusammen mit dem Playback versuchen. Playback 2 Übung 3.2 Versuchen Sie nun, einen Walking-Bass in durchlaufenden Vierteln zu spielen, zunächst nur mit Akkordtönen (!), dann wahlweise unter Einbeziehung von - einfachen chromatischen Hinführungen - mehrfachen Hinführungen - Durchgangstönen Dauert eine Harmonie nur einen Takt lang, gibt es nur eine Möglichkeit für einen Durchgangston, nämlich auf Zählzeit 2 Notenbeispiel 7 Dauert eine Harmonie länger, gibt es mehrere Möglichkeiten Notenbeispiel 8 Alle Übungen lassen sich auf dreierlei Arten durchführen: zur ersten Orientierung: linke Hand alleine, ohne Playback
4 linke Hand alleine, mit Playback 2 ohne Playback, die linke Hand improvisiert den Walking-Bass, die rechte Hand spielt dazu die Voicings auf Zählzeit 1. Im Normalfall vermischen sich die oben aufgeführten Strukturen. Das Lernziel ist erreicht, wenn man einen Walking-Bass beiläufig spielen kann, ohne rauszufliessen. Dabei kommt es auf den einen oder anderen kleinen Fehler nicht an, solange man in der Form bleibt. Option für Fortgeschrittene: Einbeziehen von akzentuierten Achtelnoten, triolischen "Drops" etc. Notenbeispiel 9 Hörbeispiel 2 Rhythmisierung der Voicings Wenn es uns jetzt noch gelingt, die Voicings jazztypisch zu rhythmisieren, sind wir unserem ersten Ziel, einen Blues am Klavier begleiten zu können, sehr nah. Zunächst einige rhythmische Modelle: Notenbeispiel 10 Wichtig: Swing-Feeling ist durch ternäre Spielweise geprägt, d.h.: Notenbeispiel 11 Vorübung 4.1 Wir sprechen gemeinsamen die oben notierten Rhythmen mit Hilfe des folgenden Hörbeispiel Hörbeispiel 3 Übung 4.2 Nun spielen wir in diesen Rhythmen unsere Voicings, dabei üben wir auf dreierlei Arten: 1) ohne Playback, die linke Hand spielt dazu den Grundton der Harmonie auf Zählzeit 1 2) Die rechte Hand spielt allein zum Playback 3 3) Die linke Hand improvisiert einen Walking-Bass, die recht Hand rhythmisierte Akkorde Damit haben wir unser 1. Ziel erreicht! Wie geht es weiter? Wenn Sie die Übungen weitgehend beherrschen, ist es sinnvoll, die Übungen nach und nach - soweit möglich - auch in anderen Tonarten, zunächst in den für Blues gängigen Tonarten Bb, F, Eb und G durchzuführen. Die entsprechenden Playbacks lassen sich mit der entsprechenden MIDI-Einstellung auch transponiert wiedergeben! Tipp: Die Playback für Eb, F, G sollten nach oben transponiert werden, sonst erklingen sie zu mulmig.
5 Das folgende Playback 4 ist für alle gedacht, die schon einmal versuchen wollen, melodisch zu improvisieren. Dies wird das Thema der nächsten Unterrichtseinheit sein. Tipp: Als Einstieg bewegt man sich improvisatorisch am besten erst einmal im Rahmen der Bluesskala; so kann man zunächst einmal nicht viel falsch machen. Notenbeispiel 1 Das Tonmaterial der Bluesskala ist über alle harmonische Stufen der Bluesform anwendbar.... und nun : viel Spass beim Üben! Unter: loerscher@music-journal.com können Sie mit Herrn Lörscher in Kontakt treten, zum Workshop fragen stellen und bezüglich der Weiterführung des Workshops Wünsche äussern. 1 Billy Holiday: Greatest Hits, COL
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