2. die Kernforderungen herausarbeiten und diese in den historischen Kontext der Entstehungszeit einordnen.
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- Thilo Haupt
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1 Quelle: Paul A. Pfizer: Politische Freiheit und Nationalität (1832) Fundstelle: Paul A. Pfizer. Politische Freiheit und Nationalität Zit.n.: Zeiten und Menschen. Ausg. Q. Nationalstaat und Nationalismus im 19. Jahrhundert, Paderborn 1981, S , gekürzt Freiheit im Innern und Unabhängigkeit nach außen oder persönliche Freiheit und Nationalität sind die beiden Pole, nach denen alles Leben des Jahrhunderts strömt, und die französische Nation ist die erste Nation der Welt geworden, weil sie diese beiden Grundrichtungen der Gegenwart am reinsten in sich aufgenommen hat, in ihrer Unzertrennlichkeit am kräftigsten und entschiedensten der Welt vor Augen stellt. Nachdem Jahrhunderte lang alle Rechte der Völker in dem Recht und der Persönlichkeit der Fürsten aufgegangen, hat man sich endlich überzeugt, dass nicht die Völker um der Fürsten, sondern die Fürsten um der Völker willen vorhanden sind, und dass die Völker selbst auch Rechte besitzen, welche von den Personen des sie regierenden Monarchen unabhängig bleiben. Nach früheren Begriffen war der Landsherr im eigentlichen Sinne Eigentümer von Land und Leuten, er vertauschte, verkaufte, verpfändetet sein Gebiet, und konnte so mit vollem Rechte von sich sagen: Der Staat bin ich. Seitdem man aber zwischen Rechten der Fürsten und der Völker einen Unterschied macht und einsieht, dass vernünftigerweise das Wohl eines ganzen Landes oder Volkes dem Interesse eines Fürsten oder einer Familie vorgehen muss, ist das Prinzip der Nationalität in der europäischen Staatengeschichte zur Herrschaft gekommen. Die Nationen sind jetzt das geworden, was früher Monarchien oder Dynastien waren. [...] Die Nationalunterschiede werden nicht aufhören; aber Nationalität und persönliche Freiheit müssen forthin Hand in Hand gehen, und man sollte endlich anerkennen, dass die ganze Größe Frankreichs darin besteht, das Prinzip der inneren Freiheit in ihrer wesentlichen Einheit mit der äußeren darzustellen. Es wäre Zeit, dass man sich endlich einmal gestände und klar darüber würde, dass die Franzosen, die Führer und Leiter der Zivilisation, das tonangebende Volk in Europa nicht dadurch geworden, dass sie die Grundsätze der Freiheit bekennen und predigen, sondern dadurch, dass sie dieselben als Nation bekennen und mit dem ganzen Gewicht ihrer Nationalität unterstützen. Will daher Deutschland in die Schule der Franzosen gehen, so darf die Nachahmung nicht auf halbem Wege stehen bleiben. Mit den bloßen Grundsätzen bürgerlicher Freiheit, so verdienstlich und notwendig ihre Verbreitung auch sein mag, ist Deutschland noch lange nicht geholfen. Mit allem Freiheitsdrang der einzelnen werden die Deutschen ewig eine armselige Rolle spielen, und ein mitleidiges Belächeln ihrer schwachen Gutmütigkeit wird im Ausland der ganze Lohn für ihren Enthusiasmus, solange sie nicht als Nation die Freiheit wollen. [...] Es ist freilich eine Torheit zu verlangen, dass die Deutschen die innere Freiheit ganz vergessen sollen, bis sie die äußere Unabhängigkeit gesichert haben; es ist aber ebenso verkehrt oder noch verkehrter, die letztere der ersteren aufopfern zu wollen. Beinahe wider Willen und gezwungen haben sich die Deutschen unter dem Druck der Fremdherrschaft zu dem Gefühl der Nationalität und mit ihr zu dem Ruf nach bürgerlicher Freiheit aufgerafft. Aber auch sie haben, der Ungunst ihrer Verhältnisse zum Trotz, dem Zuge des Jahrhunderts in seiner Doppelrichtung folgen müssen. Auch Deutschland hat, vermöge der ihm eigenen hohen Empfänglichkeit, für alles, was die Brust der Menschheit bewegt, jenes Doppelstreben nach innerer und äußerer Freiheit nicht abwehren können. Nur ist es dem geteilten, zersplitterten und in sich zerfallenen Volke nicht geglückt, einen Führer zu finden, der diese beiden Tendenzen gleichmäßig befriedigt hätte.! P.A. Pfizer ( ): Ein in Deutschland bekannter Politiker und Jurist; er war vorwiegend in Württemberg politisch aktiv. Aufgabenstellung: Interpretieren Sie die Quelle, indem Sie 1. die Quelle nach den Ihnen bekannten Kriterien analysieren. 2. die Kernforderungen herausarbeiten und diese in den historischen Kontext der Entstehungszeit einordnen. 3. die Forderungen des Autors unter dem Aspekt der Realisierungschancen im langen 19. Jahrhundert beurteilen.
2 Vorgesehene Hilfsmittel: (Lexika, math. Tafelwerke, Rechner etc. Bitte Titel und vorgesehene Ausgabe angeben) Hilfen und Erläuterungen für die Schülerin oder den Schüler sowie die nach den Lehrplänen vorgesehenen Materialien (z. B. Texte) sind der jeweiligen Aufgabe beizufügen.
3 Abiturprüfung 2005 (Schulstempel) Fach/Kursbezeichnung: Geschichte/ Grundkurs (ggf. Schülergruppe A, B, C... gem. 33 (4) APO-GOSt und VV 33.41) Vorschlag 2 / Aufgabe A1 Angaben gem. 33 APO-GOSt und VV Ziffer 3 Konkrete Beschreibung der zu erwartenden Schülerleistung (ggf. in Stichworten unter 1) 2) Verweis auf die konkreten unterrichtlichen Voraussetzungen Methodische Voraussetzungen Die Analyse und Interpretation historischer Textquellen sind grundlegende und immer wiederkehrende Arbeitsverfahren des Geschichtsunterrichts der gymnasialen Oberstufe. Das Kennen wesentlicher Quellenarten, das Einordnen der Quellen in historische Kontext, das Herausarbeiten und das Vergleichen unterschiedlicher Positionen vor dem Hintergrund historischer Ereignisse gehört zu den notwendigen wissenschaftspropädeutischen Verfahrensweisen. Insofern sind die Schülerinnen und Schüler dieses Kurses methodisch auf die Lösung solcher Aufgaben vorbereitet. Inhaltliche Voraussetzungen Staatsphilosophie der Aufklärung und Krise des Ancien Regime (12/I) Verlauf und Ergebnisse der Französischen Revolution Aufstieg Napoleons und Sieg der restaurativen europäischen Kräfte (12/I) Mitteleuropa nach dem Wiener Kongress: Restauration der konservativen Kräfte (12/II) Nationalismus und Liberalismus als Ideen im Vormärz (12/II) Wandel des Nationalismusbegriffes im langen 19. Jahrhundert (12/II) Nationalismus als Integrationsideologie des Deutschen Kaiserreiches (12/II) Erwartungshorizont Die Aufgabenstellung Analysieren Sie der ersten Aufgabe erwartet die Darstellung der situativen Bezüge des vorliegenden Quellentextes (Autor, Textart, Adressat, Bezug/ Anlass, Thema, Absicht) und eine Zusammenfassung des Textes. Folgende Informationen können die Schülerinnen und Schüler dazu aus dem Text entnehmen: 1) Angabe gem. den fachspezifischen Regelungen in den Richtlinien und Lehrplänen für die Sekundarstufe II - Gymnasium/Gesamtschule 2) Es muss deutlich werden, dass sich die Prüfungsvorschläge in ihrer Breite insgesamt auf die Ziele, Problemstellungen, Inhalte und Methoden der vier Halbjahre der Qualifikationsphase beziehen und unterschiedliche Sachgebiete umfassen. Der vom Prüfling zu bearbeitende Vorschlag muss sich in der Breite der Ziele, Problemstellungen, Inhalte und Methoden mindestens auf zwei Halbjahre der Qualifikationsphase beziehen. Formular 14
4 - es handelt sich um ein sprachliches Dokument (Primärquelle)- hier einer politischen Denkschrift mit appellativem Charakter. - der Verfasser (Pfizer) ist bekannt. Er war politisch im (liberalen) Württemberg aktiv. - Thema der Quelle ist das Verhältnis zwischen politischer Freiheit Nationalität. Pfizer gibt an in welche Relation diese Leitbegriffe des 19. Jahrhunderts gesetzt werden müssten, um Deutschland auf den zivilisatorischen Stand Frankreichs zu führen. - Der vorliegende Quellentext setzt sich inhaltlich stark mit der Vergangenheit (Ancien Regime; Französische Revolution; Napoleonische Fremdherrschaft, Befreiungskriege) auseinander, wobei Frankreich immer wieder als positive Vergleichsmatrix dargestellt wird. Pfizer nimmt aber auch aktuelle Debatten der Vormärzzeit auf, indem er auf die territoriale Zersplitterung (Deutscher Bund) eingeht und die mangelnden persönlichen Freiheitsrechte beklagt, bzw. das Streben nach diesen in Deutschland thematisiert. Die Aufgabenstellung fordert damit methodenbezogene Kenntnisse des Anforderungsbereichs I ein. Die Einordnung in den historischen Kontext des Vormärz und der unmittelbaren Zeit nach der Revolution von 1830 in Frankreich wird in der Aufgabenstellung 2 eingefordert. Des weiteren sollte hier auf die in Deutschland vorherrschende politische Situation (Stichworte: Restauration, Deutscher Bund, Karlsbader Beschlüsse; politischer Aufbruch des Bürgertums vs. biedermeierlicher Eskapismus; Dualismus von Preußen und Österreich- Ungarn; Weg in die Revolution von 1848) genauer eingegangen werden und die Kernaussagen des Textes vor diesem Hintergrund erläutert werden. Pfizer fordert dabei eindeutig ein Primat des Nationalgedankens vor der politischen Freiheit, erklärt aber auch, dass nur beide Gedanken zusammen ein Volk zu zivilisatorischer Größe führen könnten. Die Aufgabenstellung erfordert Leistungen im Anforderungsbereich I. Für das Übertragen auf die Problematik des vorliegenden Quellentextes ist allerdings besonders der Transfer von gelernten Erkenntnissen erforderlich, so dass Leistungen im Anforderungsbereich II erfordert werden. Die Aufgabenstellung Beurteilen Sie in der dritten Aufgabe fordert von den Schülerinnen und Schülern eine kritisch fundierte Meinungsbildung auf der Basis ihres historischen Wissens ein. Es wäre in diesem Zusammenhang denkbar, dass die Schülerinnen und Schüler Pfizer Thesen mit den Ereignissen in der Revolution von 1848 vergleichen (Uneinigkeit über Staatsgebiet; fehlende Führungspersönlichkeit) und auf die Nationalstaatsgründung von oben 1871 beziehen. In vielen Bereichen entspricht die Reichsgründung von 1871 Pfizers Forderungen, da dabei eindeutig der nationalistische Gedanke vor dem politischen Freiheitsgedanken stand. Kritisch wäre hierbei anzumerken, dass das so entstandene Reich zwar tatsächlich mit anderen Großmächten im Konzert der Großen mitspielen konnte, der übersteigerte Nationalismus, der zu einer Integrationsideologie der Kaiserreichs überhöht wurde, in Deutschland und bei anderen europäischen Großmächten aber zum Wettrüsten und letztlich in die Katastrophe des 1. Weltkriegs führte. Die Aufgabenstellung erfüllt damit alle Anforderungsbereiche, geht aber schwerpunktmäßig auf den Anforderungsbereich III ein.
5 Bewertung Die Prüfungsleistung kann ausreichend genannt werden, wenn die Ausführungen den einzelnen Teilaufgaben richtig zugeordnet werden. wenn die bekannten Bestandteile einer Analyse und Interpretation einer Textquelle angewendet werden. wenn grundlegende Fachbegriffe und methoden korrekt genutzt werden. wenn die Darstellung insgesamt nicht zu viele Fehler gegen die sprachliche Richtigkeit enthält. Zu einer ausreichenden Leistung gehört im inhaltlichen Bereich das richtige Einordnen der Quelle in den historischen Kontext. das Erfassen der Aussagewirkung vor dem historischen Hintergrund und der Bezug zum Problem der nationalen Identität. eine knappe Darstellung der historischen Entwicklung des Begriffes Nationalismus im langen 19. Jahrhundert. die Note gut kann erteilt werden, wenn über die o.g. Leistungen hinaus die Fachsprache richtig eingesetzt wird und die Ausführungen sprachlich angemessen sind. eine ausführliche Darstellung der historischen Entwicklung der Leitbegriffe Nationalismus und Liberalismus im 19. Jahrhundert erfolgt. auf der Basis einer historisch fundierten Analyse ein differenziertes subjektives Sachurteil mit abschließendem historisch begründeten Werturteil erwächst. ein überzeugendes Verhältnis von zur Verfügung stehender Arbeitszeit und Qualität der Klausur besteht.
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