KLEE MARC NOLDE. Expressionistische Graphik aus der Sammlung Dr. Hans Lühdorf. Herausgegeben von Gunda Luyken und Beat Wismer

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1 KLEE MARC NOLDE Expressionistische Graphik aus der Sammlung Dr. Hans Lühdorf Herausgegeben von Gunda Luyken und Beat Wismer Museum Kunstpalast, Düsseldorf Wienand

2 INHALT 6 EINFÜHRUNG Beat Wismer und Gunda Luyken 8 DAS FÜRSTLICHE GESCHENK EINES BÜRGERS Günther Rehbein 10 BILDNIS 26 HANS LÜHDORF ALS ECKERMANN DER MODERNE Gunda Luyken 36 AM MEER 48 ARCHITEKTUR 56 ANSPRACHE ZUR ERÖFFNUNG DER NAY-AUSSTELLUNG im Städelschen Institut, Frankfurt am Main, 8. August 1969 Hans Lühdorf 60 LANDLEBEN 70 PAARE UND GRUPPEN 82 ALLTAG 88 BRIEFWECHSEL ZWISCHEN HANS LÜHDORF UND EMIL NOLDE 98 RELIGIÖSE VARIATIONEN 108 WEGE IN DIE ABSTRAKTION 114 KÖRPER UND TANZ 124 AUF DEN SPUREN DES DÜSSELDORFER SAMMLERS HANS LÜHDORF Erforschung der Provenienzen eines Konvoluts expressionistischer Graphik Hedda Finke und Nicole Roth 130 Verzeichnis der Werke 158 Verwendete Literatur

3 HANS LÜHDORF ALS ECKERMANN DER MODERNE Gunda Luyken Der promovierte Jurist Hans Lühdorf ( ) leistete Beachtliches für die Kunst der Moderne, doch er mied das Rampenlicht und blieb daher als Sammler fast unbekannt. Als er dem Kunstmuseum Düsseldorf dem heutigen Museum Kunstpalast im Jahr 1964 eine hochkarätige, knapp 70 Blätter umfassende Sammlung expressionistischer Graphik sowie ein kleines Gemälde von Alexej von Jawlensky schenkte, geschah dies verbunden mit zwei Aulagen, die viel über sein komplexes Wesen aussagen: Einerseits erfolgte die Schenkung anonym, sodass der Oberbürgermeister im Vorwort des damals erschienenen Ausstellungskatalogs lediglich einem Bürger der Stadt danken konnte, andererseits bestand er auf einer Publikation, die seine Zuwendung minutiös für die Nachwelt dokumentierte (Abb. 1). 1 Ernst Wilhelm Nays zweite Ehefrau Elisabeth, die Lühdorf über vierzig Jahre lang kannte, stellte kurz nach dessen Tod 1984 fest: Er lässt sich nicht klassiizieren unter dem Begrif des Sammlers etwa, des Kunstexperten oder des universell gebildeten Intellektuellen. In seinem Charakter, in seinen Anlagen und Talenten war ein solches Spektrum von Vielseitigkeit, wie auch scheinbar unvereinbar Gegensätzliches, dass es mir schwer fällt, ein Bild von ihm zu entwerfen, das ihm wirklich entspricht. 2 In Düsseldorf in eine gutbürgerliche Kaufmannsfamilie geboren, nahm er während der Gymnasialzeit an einer Arbeitsgemeinschaft für Kunstbetrachtung teil, die ihn immer wieder in das Städtische Kunstmuseum führte, welches heute bedeutende Teile seiner Sammlung expressionistischer Kunst bewahrt. 3 Damals tat der Schüler moderne Kunst als Quitsch ab, als eine Mischung aus Quatsch und Kitsch, und setzte angeblich auch nie einen Fuß in die Düsseldorfer Galerie Flechtheim. 4 Noch 1937 hegte er eine heftige Abneigung gegen Künstler wie Carl Hofer, Oskar Kokoschka und Otto Dix, empfand die Bilder von Paul Klee als Kindergekritzel und konnte sich nicht erklären, weshalb George Grosz einen Namen hatte. 5 Die Nachricht von der Reinigung der Museen von entarteter Kunst nahm er beiläuig auf. 6 Dennoch besuchte Lühdorf er hatte mittlerweile Abb. 1 Umschlag des Ausst. Kat. Graphik des Expressionismus, Kunstmuseum der Stadt Düsseldorf, 1964 lange Zeit die letzte Gelegenheit sein würde, sich mit Kunst der Moderne aus öfentlichem Besitz auseinanderzusetzen. Er besuchte die Schau wiederholt und resümierte: Ich gewann Verständnis für die Werke von Nolde, Rohlfs und Morgner, einige Arbeiten von Kirchner und Otto Mueller zogen mich an, Heckel, Schmidt- Rottluf blieben mir fremd. Pechstein geiel mir wenig... während ich Feininger und Kandinsky Irrwegen verfallen glaubte... Die Krassheiten der Dix, Grosz und Beckmann stießen mich im Verlauf dieser 14 Besuche immer heftiger ab. 9 Was es bedeutete, sich für Kunst der Schmutzausstellung zu interessieren, hielt Jimmy Ernst, der Sohn von Max Ernst, anschaulich in seinen Erinnerungen fest. 10 Am Beispiel der Präsentation in Hamburg 11 beschrieb er, wie schwierig es war, länger als vielleicht eine Minute vor einem einzelnen Werk stehen zu bleiben. 12 Dem amtlichen Befehl strategisch postierter Aufseher: Weiter durchgehen! gehorchte man mit zögernder Fügsamkeit. Niemand wollte das Risiko eingehen, ein Liebhaber dieses Kulturbolschewismus genannt zu werden.... Ich wartete draußen ein Weilchen und stellte mich dann wieder an, um noch einmal durchzugehen. Etwa beim fünften oder sechsten Mal sah ich bekannte Gesichter. Andere machten es wie ich. Ein paar rasche, nervöse Blicke, dann fast unvermittelt der erlernte Rück- zug in die Teilnahmslosigkeit. Weiß der Himmel, was für Motive wir einander für unser ungewöhnliches Betragen unterstellten. Jedes dieser Gesichter konnte zur Gestapo gehören. Als der Kartenabreißer und ein paar der Aufseher mich mit gewissen Zeichen des Wiedererkennens ansahen, hielt ich es für besser, nicht noch ein elftes Mal hineinzugehen. 13 Hans Lühdorf muss relativ furchtlos gewesen sein, denn in seinem Bericht über die Ausstellung in München 1937 heißt es: So erhielt meine Überzeugung von dem Unwert der Moderne einen argen Stoss, und ich liess dem für die Entgegennahme von Publikumsäußerungen zuständigen Herren darüber keinen Zweifel. 14 Zur Station in Düsseldorf vermerkte er: Ich nahm wieder Fühlung mit der Ausstellungsleitung und besuchte die Ausstellung 14 mal. 15 Dabei fertigte er aus privatem Interesse eine Liste mit den gezeigten Werken, die heute eine wichtige Quelle darstellt Vgl. Hans Lühdorf, Wege zum Verständnis, Rechtswissenschaft in Lausanne, München, Berlin und Köln studiert und 1935 die 1 Vgl. Düsseldorf NL HL, S. 8. Günther Rehbein war 1938 im Düsseldorfer Kunstmuseum Volontär. 2 Elisabeth Nay-Scheibler, Gedenkstunde für 10 Vgl. Ernst 1991, S erste juristische Staatsprüfung abgelegt die Wanderausstellung Entartete Kunst Er erinnerte sich, dass Lühdorf dort wiederholt in der Bibliothek erschien und Hans Lühdorf im Atelier Nay, , Typo- 11 Dort war die Ausstellung Entartete Kunst vom bereits 1937 an ihrer ersten Station in München und musste feststellen, dass die skript, Nachlass Dr. Hans Lühdorf (NL HL), S November bis 31. Dezember 1938 zu sehen. vorsichtig nach Literatur zu verfemten Künstlern fragte. 17 Bald hatte ich heraus, Bilder ihn mehr beeindruckten, als er vermutet hatte. 7 Damals interessierte er 3 Hans Lühdorf, Mein Weg zur Kunst, Typo- 12 Vgl. Ernst 1991, S worum es dem jungen Bibliotheksbesucher ging. Er hatte sich entschlossen, skript, 1941, durchgesehen 1943, NL HL. 13 Ebd., S sich hauptsächlich für altdeutsche Malerei und fuhr im Herbst 1938 erneut nach 4 Ebd. 14 Vgl. Lühdorf 1941/43 (wie Anm. 3). moderne Graphik zu sammeln (Gemälde waren ihm nur im Ausnahmefall erschwinglich). 18 Lühdorf war zwischenzeitlich Referendar am Landgericht in München, um dort die Präsentation der Gemälde Albrecht Altdorfers zu genießen. 8 6 Ebd. 16 Vgl. Zuschlag 1995, S Ebd. 15 Ebd. Zuvor, im Sommer desselben Jahres, war die Entartete Kunst-Ausstellung in Düsseldorf und verdiente erstes eigenes Geld. Als sachlich abwägender Jurist, 7 Ebd. 17 Vgl. Rehbein 1965, hier S. 8f. 26 Düsseldorf gezeigt worden. Dem kunstbegeisterten Juristen war klar, dass dies für 8 Ebd. 18 Ebd., S. 9. der 1938 über den Ehrenschutz des Angeklagten im Strafverfahren und Strafurteil 27

4 Karl Schmidt-rottluf Heimkehr der Fischer II Karl Schmidt-rottluf Nach dem Fang

5 Emil Nolde Paulikirche in Soest 1906 Lyonel Feininger Lehnstedt Lyonel Feininger Kirche (mit Turm und Apsis)

6 Heinrich Campendonk Bauerngang 1918 Franz Marc Reitschule nach Ridinger

7 PAARE UND GRUPPEN Wilhelm Morgner Paar auf dem Acker 1911 Carl Hofer Liebespaar (Umarmung) um

8 Paul Klee Kleinwelt 1914 Paul Klee Gestrüpp 1928 Paul Klee Nicht endend

9 Emil Nolde Waldkinder Emil Nolde Tänzerin