der Mensch ein Wesen ist, das prinzipiell alles überstehen kann. Inzwischen glaube ich, dass ein Mensch die Fähig keit besitzt, seine Vergangenheit

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Martina Waldfogel
vor 7 Jahren
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1 Danksagung Dieses Buch habe ich nicht alleine geschrieben. Ich habe viel wissenschaftliche und weniger wissenschaftliche Literatur über dieses Thema gefunden und festgestellt, dass die Frage der Bewältigung einer schwierigen Kindheit aktueller ist denn je. Das Thema scheint so viele Fachleute zu faszinieren, dass man aus gutem Grund von einer psychologischen Modeströmung sprechen kann. Ich habe mich mit vielen Menschen über das Thema unterhalten und Diskussionen über die Bedeutung der Kindheitserlebnisse sowohl im Internet als auch auf verschiedenen internationalen Diskussionsforen gestartet. Diese Gespräche haben mich ermutigt, mich in meiner Überzeugung gefestigt, und mir auch viele neue Gedanken gegeben. Besonders dankbar bin ich jedoch den zahlreichen Menschen, die mit ihrem eigenen, persönlichen Einsatz dazu beigetragen haben, dass dieses Buch geschrieben werden konnte. In zwei Familienzeitschriften wurde in Zusammenhang mit meinen Interviews im Herbst 1996 eine kleine Anzeige veröffentlicht, in der mitgeteilt wurde, dass ich über dieses Thema ein Buch schreiben würde. In der Anzeige wurden Menschen, die eine schwierige Kindheit gehabt haben, gebeten, mir zu schreiben und über ihre Erlebnisse zu berichten. Sie sollten drei Fragen beantworten: 1. Was hat Ihnen persönlich geholfen, die schwierigen Kindheitserlebnisse zu bewältigen? 2. Was haben Sie aus Ihrer schwierigen Kindheit gelernt? 3. Wie haben Sie später im Leben die Erfahrungen gesammelt, die Ihnen in der Kindheit gefehlt haben? Ich erhielt von den Lesern ungefähr dreihundert bewegende Briefe, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass erst das Lesen dieser Briefe meine Augen geöffnet hat. Ich konnte auch vorher theoretisch erklären, wie eine schwierige Kindheit später im Leben wertvoll erscheinen kann, aber erst nach der Lektüre dieser Briefe wurde ich davon überzeugt, dass 7

2 der Mensch ein Wesen ist, das prinzipiell alles überstehen kann. Inzwischen glaube ich, dass ein Mensch die Fähig keit besitzt, seine Vergangenheit und das darin enthaltene, möglicherweise ungeheuere Leid eher als eine Quelle der Kraft als einen Ursprung des Schlechten zu begreifen. Viele Schreibende bekräftigten mich in meinem Vorhaben und waren der Meinung, dass es gut ist, eine zu einseitige Sicht auf die schicksalhafte Bedeutung einer schwierigen Kindheit in Frage zu stellen. Ich habe oft Rot gesehen, wenn ein Jugendlicher oder ein Erwachsener dazu verdammt wurde, eine bestimmte Art von Zukunft wegen seiner Kindheit zu haben. Ich selber bin überzeugt, dass eine schwierige Kindheit kein schlechteres Erwachsenenalter garantiert als das Aufwachsen in einer sogenannten Normalfamilie. Ich bin trotz allem sehr zufrieden, dass ich immer weitergekommen bin, obwohl ich von Schicksalsschlägen hart getroffen wurde. Ich bin kein Alkoholiker geworden, oder sonst ein Versager, habe Kinder und einen Beruf. Viele wundert es, dass ich und mein Bruder es geschafft haben, obwohl die Eltern Alkoholiker waren. Diesen Zweiflern möchte man den Finger zeigen. Kinder von Alkoholikern werden einfach gleich in eine bestimmte Schublade gesteckt. Ich hoffe, dass Ihr Buch das Positive ans Licht bringt und zeigt, dass das Leben lebenswert ist, egal was man für eine Kindheit gehabt hat. Trotz einer schwierigen Kindheit kann es einem als Erwachsener richtig gut gehen oder auch schlecht. Oft hört man, dass der Apfel nicht weit vom Baum fällt, und Du bist das Ergebnis Deiner Erziehung Du kannst kein harmonischer Erwachsener werden, wenn Dein Urvertrauen in der Kindheit gestört wurde. Es gibt jedoch viele Beispiele dafür, dass dies so nicht stimmt. Man wächst als Mensch durch viele Erfahrungen; in dem Sinne hatte ich besonders viele Chancen zu wachsen. Ich habe sicherlich eine Wunde aus der Kindheit behalten, aber sie hindert mich nicht daran, das Leben zu genießen und alle mir gestellten Herausforderungen zu bewältigen. Es ist gut, dass jemand an dem Kindheitsmythos rüttelt, denn es gibt viele, die noch daran glauben. 8

3 Erfreulich war es auch festzustellen, dass vielen das Schreiben geholfen hatte. Ich fühle mich erleichtert, ausgeglichener und besser durch das Schreiben über diese Dinge. Das Schreiben hatte eine therapeutische Wirkung auf mich, weil ich in Ruhe nachdenken konnte. Danke, ich fühle mich befreit und von Friede erfüllt. Schreiben dieser Art gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, ich meine, das ist das erste Mal, dass ich so etwas auf Papier bringe. Es ist schon nach Mitternacht, aber das Schreiben wirkt so befreiend, ähnlich wie das Malen. Ich kann nur sagen, es hat sich gelohnt. Ich habe wahrscheinlich keine der Fragen beantwortet, aber mir hat das geholfen! Ich bedanke mich herzlich bei allen, die mir geschrieben haben. Ich kann nur hoffen, dass dieses Buch wenigstens in gewissem Umfang die Lebensweisheiten widerspiegelt, die mir die Bücher, Artikel, Kommentare und vor allem die vertraulichen Briefe vermittelt haben. Die benutzten Ausschnitte sind genaue Zitate. Die Namen habe ich zur Wahrung der Anonymität geändert. Zum Schluss bedanke ich mich noch bei meiner Frau Katja für die Ermutigung, über dieses Thema, das mich schon lange beschäftigt, zu schreiben. 9

4 Widmung Ich widme dieses Buch meinen Eltern als Dank für alles, was ich von ihnen bekam. Meiner Mutter danke ich dafür, dass sie mein Bewusstsein für die Relativität der Dinge gefördert und mir beigebracht hat, eher das Gute in Menschen zu sehen als das Schlechte. Meinem Vater danke ich dafür, dass er mir den von seinem Vater vererbten, unverbesserlichen Optimismus und Humor und die Fähigkeit, auch in ernsten Situationen etwas Amüsantes zu sehen, weitergegeben hat. 10

5 Vorwort Warum dieses Buch? Eines Tages fuhr ein großes Motorrad an mir vorbei; der Fahrer hatte eine Lederjacke an, einen zerzausten Bart und langes, aus dem Helm heraushängendes Haar. Das Motorrad hatte eine riesige Windschutzscheibe aus Plexiglas und darauf war mit großen Buchstaben folgender Text geschrieben: It s never too late to have a happy childhood. (Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben). Ich verstand damals nicht gleich die Bedeutung dieser Worte, aber ich fand den Satz in seiner Paradoxie amüsant. Er schien auf den ersten Blick raffiniert wie der Titel des bekannten Filmes Zurück in die Zukunft, aber nach und nach wurde ich davon überzeugt, dass dieser Spruch mit einem Rätsel verbunden war, das ich lösen wollte. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Erfinder dieses Satzes wer immer das war kaum damit sagen wollte, dass wir an der Wahrheit drehen, oder uns selbst etwas vormachen, und unsere unglückliche Vergangenheit in rosaroten Farben sehen sollten. Er wollte uns sicher nicht sagen, dass wir uns eine glückliche Kindheit schaffen sollten, indem wir den Dreck unter den Teppich kehren und uns positive Erlebnisse die wir nicht hatten vorstellen. In mir verhärtete sich der Verdacht, dass sich hinter diesen Worten eine Weisheit verbirgt, die eine tiefere Bedeutung haben sollte. Schon früher hatte ich einen entsprechenden Gedanken von dem amerikanischen Psychiater Milton H. Erickson gelesen. Erickson hatte die Gewohnheit zu sagen Der Mensch kennt die Lösung seines Problems, er weiß nur nicht, dass er sie kennt. Dieser Satz klang zuerst wie eine intelligente Wortspielerei, aber später, als ich mich mehr mit der Kurztherapie und der lösungsorientierten Annäherungsweise befasste, verstand ich, dass Erickson wirklich meinte, was er sagte. Er glaubte, dass Menschen oft irgendwo, in der Tiefe ihrer Seelen wissen, was gut für sie ist, und dass die Aufgabe der Therapeuten darin liegt, Mittel und Wege zu finden, an die inneren Weisheiten heranzukommen. 11

6 Dieses Buch ist ein Bericht über meine Bemühungen, eine befriedigende Antwort auf die Frage zu finden, was mit dem Satz Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben gemeint ist. 12

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