Das politische Modell der Gewaltenteilung als Leitbild für politische Systeme. Vergleich zur Gewaltenteilung im politischen System Österreichs
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- Ursula Graf
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1 Das politische Modell der Gewaltenteilung als Leitbild für politische Systeme Vergleich zur Gewaltenteilung im politischen System Österreichs Abstract 1.1 Relevanz des Themas Der zentrale Begriff, um den es sich in dieser Arbeit dreht, ist jener der Gewaltenteilung. Der Grundgedanke der Gewaltenteilung ist es, eine Organisationsstruktur zu schaffen, welche die Ausübung der Staatsgewalt systematisch aufteilt, um die Konzentration staatlicher Macht zu hemmen. Ziel dieser Trennung der Gewalten ist die Vermeidung von Machtmissbrauch und die Gewährleistung eines Höchstmaßes an Freiheit des Einzelnen. Durch die Ausdehnung der Staatsaufgaben im modernen Wohlfahrtsstaat, verbunden mit einem Ausbau der Staatsbürokratie und des Staatshaushaltes, erscheinen Fragen der Kontrolle der staatlichen Institutionen in einem neuen Licht. So sind die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden und somit staatliche Macht beständig angewachsen. Es stellt sich daher die Frage, ob der Staat diese Fülle an Macht noch bewältigen und gerechte, rechtmäßige und von allen akzeptierte Entscheidungen fällen kann. Weiters ist zu fragen, ob das Prinzip der Gewaltenteilung, das im Anschluss an Montesquieu die Trennung der verschiedenen Funktionen (Legislative, Exekutive und Judikative) der Staatsgewalt fordert, noch ausreicht, um eine Balance der Macht im Staat aufrechtzuerhalten. Funktionieren die klassischen Machtkontrollduale, die auch im österreichischen Verfassungsrecht vorgesehen sind, wie z.b. Legislative Exekutive, Opposition Regierung, politische Öffentlichkeit Staat, Gerichtsbarkeit öffentlichen Rechts Verwaltung, ausreichend? Oder: Ist die Gewaltenteilung nichts anderes als ein formalistisches Postulat, durch welches die tatsächlichen Machtverhältnisse im Bereich der staatlichen Institutionen verschleiert werden? Wird man in diesem Gedanken nicht darin bestärkt, wenn im Staat Mitglieder der Regierung gleichzeitig Abgeordnete sein können, wenn das Parlament Gesetze verabschiedet, die die Verwaltung ausgearbeitet und die Regierung eingebracht hat, wenn das Parlament Verwaltungshandeln in Form von Maßnahmegesetzen kleidet und mit all diesen Beispielen die politische Praxis erweist, dass sie die Gewaltenteilung weit hinter sich gelassen
2 hat? Diese Fragen werden im Folgenden zu klären sein. 1.2 Hypothesen und forschungsleitende Fragestellungen Die grundlegende Hypothese dieser Arbeit lautet: Das Gewaltenteilungsmodell von Montesquieu ist im aktuellen politischen Modell Österreichs verwirklicht. Es ist eine ausreichende Gewaltenteilung im politischen System Österreichs vorhanden. Daraus ergeben sich die forschungsleitenden Fragestellungen: Was besagt das politische Modell der Gewaltenteilung nach Montesquieu? Wie ist das Modell der Gewaltenteilung von Montesquieu im politischen System Österreichs verwirklicht? 1.3 Methode Der Forschungsansatz dieser Arbeit ist ein systemtheoretischer Ansatz. Zur Beantwortung der oben genannten Fragestellungen wird die geisteswissenschaftliche Methode verwendet. Basierend auf dieser wird eine Quellenanalyse durchgeführt. Mit dem normativ-ontologischen Theorietyp wird versucht, die forschungsleitenden Fragestellungen hinlänglich zu erläutern und zu beantworten. 1.4 Aufbau der Arbeit Zu Beginn dieser Arbeit wird auf Montesquieu, den Vorreiter der Gewaltenteilungslehre, und sein Modell der Gewaltenteilung eingegangen. Im darauf folgenden Kapitel wird die Gewaltenteilungslehre nach Steffani beschrieben. Diese Ausführungen bilden die theoretische Voraussetzung für einen Vergleich mit dem aktuellen politischen System Österreichs. Im vierten Kapitel, welches den Hauptteil dieser Arbeit darstellt, werden die in den vorhergehenden Kapiteln abgehandelten Modelle der Gewaltenteilung mit dem aktuellen politischen System Österreichs verglichen, sowie Probleme, Unterschiede und die Verwirklichung des Montesquieuschen Gewaltenteilungsmodells in Österreich aufgezeigt. Das fünfte Kapitel befasst sich mit der Frage, ob auch in der Wehrpolitik Aspekte der Gewaltenteilung vorhanden sind. Dieser Exkurs soll die Relevanz und Existenz der Gewaltenteilung im militärischen Bereich beschreiben.
3 Die sich daraus ergebenden Erkenntnisse werden schließlich im Kapitel der Schlussfolgerungen erläutert. Weiters werden zu guter Letzt die forschungsleitenden Fragen noch einmal expizit beantwortet und es wird somit ein kurzer zusammenfassender Überblick über die Arbeit gegeben. 1.5 Resümee Es soll hier zusammenfassend jene Fragen, welche dieser Arbeit zugrunde liegen, beantwortet werden. Ist das Modell der Gewalteneilung von Montesquieu im aktuellen politischen System Österreichs verwirklich? Ist eine ausreichende Gewaltenteilung in Österreich vorhanden, um eine Balance im Staat aufrechtzuerhalten? Hier ist eine Wandlung der sozialen Grundlagen eingetreten ist, auf der Montesquieu seine Lehre aufgebaut hat. So haben sich auch die Verhältnisse zwischen den drei Staatsgewalten grundlegend und in vielfacher Weise geändert. Aufgrund der großen Differenzen zwischen dem heutigen politischen System Österreichs und der damaligen französischen Monarchie in dieser Zeit ist Montesquieus Modell wie bereits oben erwähnt ja entstanden kann das Montesquieusche Gewaltenteilungsmodell auf Österreich nicht angewandt werden. Das Bleibende an den Lehren Montesquieus ist ja ohne Zweifel nicht so sehr die Art und Weise, in der er die Aufteilung der Staatsgewalten und ihre Übertragung auf unterschiedliche Amtswalter vorgenommen hat, sondern vielmehr allein die Erkenntnis, dass eine Aufteilung der Gewalt auf Träger von unterschiedlichen Interessenrichtungen überhaupt erforderlich ist. Dieses Zitat soll als Beispiel dafür dienen, dass Montesquieus Modell zwar nicht mehr zeitgemäß ist, aber trotzdem viele Grundgedanken auch heute von Bedeutung und deshalb in vielen Verfassungen verankert sind. So entspricht in formeller Hinsicht die organisatorische Trennung der Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative in der österreichischen Bundesverfassung der Montesquieuschen Teilungslehre. Allerdings wird den drei Gewalten, wie es bei Montesquieu der Fall ist, keine soziale Schicht zugeordnet. Heute bestimmt die aktuelle Form der Gewaltenteilung in Legislative und Exekutive die Mechanismen der modernen Parteiendemokratie. Es entstand eine Gewaltenverschränkung zwischen Regierung und Regierungfraktion(en) im Parlament, denen die parlamentarische
4 Opposition gegenübersteht. Das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Parlament schafft somit gleichzeitig eine trennende als auch verbindende Funktion. Die trennende Funktion der Opposition sichert dem Einzelnen Freiheit vom Staat und Kontrolle der Macht. Die Verbindung Regierung/Regierungsfraktion(en) sichert die Effizienz staatlichen Handelns in den realpolitischen Gegebenheiten. In der Verfassung erzeugt dies nun ein Spannungsverhältnis zwischen Verfassungswirklichkeit und Verfassungstheorie, da, wie im vorhergehenden Absatz beschrieben, Montesquieus klassische Gewaltentrennungsvorstellungen noch lange in der Verfassung nachwirken Der Gesetzgebungsprozess ist zusammenfassend gesagt einer politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Kontrolle unterworfen. Die politische Kontrolle ist in der Hand der Opposition, wobei die Ausstattung der Opposition mit ausreichenden und effizienten Kontrollrechten entscheidend für die bestehende Form der Gewalteneilung ist; mit den Ausweitungen der Minderheitsrechte durch die Geschäftsordnungsreformen der vergangenen Jahre ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt getan worden. Die rechtliche Kontrolle obliegt der Judikative mit VfGH und VwGH. Die Kompetenz aller Behörden, beim VfGH Gesetze anfechten zu können, und die verfassungskonforme Interpretation haben die Kontrolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber Verwaltung und Verfassungsgerichtsbarkeit sowie gegenüber Verwaltung und Gesetzgebung zur Folge. Im Gegensatz zur sanktionierenden Kontrolle der möglichen Aufhebung von Gesetzen durch den VfGH verläuft die wirtschaftliche Kontrolle durch den Rechnungshof ohne unmittelbare Sanktionen. Allerdings wird die Kritik des Rechnungshofs in der Öffentlichkeit sehr ernst genommen und kann der Regierung im politischen Wettbewerb schaden. Womit wir nun in den Bereich der sozialen Gewaltenteilung kommen. Hier wären vor allem die Sozialpartnerschaft und die Medien zu nennen, die einen gewissen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess haben. Die Sozialpartnerschaft tut dies zumindest in den sozial- und wirtschaftspolitischen Bereichen. Es kann auch von einem ausgeglichenen Interessensausgleich in der Gesellschaft gesprochen werden, da jede einzelne Organisation der Interessensverbände über jene Macht verfügt, die nötig ist, um ihre Interessen verteidigen zu können. Die Medien spielen eine fundamentale Rolle bei der Gestaltung und Beeinflussung der
5 öffentlichen Meinung. Ihre kritische Informationsübermittlung und die Aufklärung von Missständen stehen in engem Zusammenhang mit der Kontrolltätigkeit staatlicher Instanzen, z.b. als Übermittler der Kritik des Rechnungshofes an die Öffentlichkeit. Schlussendlich stellt auch der Föderalismus eine Aufteilung von Macht im Staat dar, obwohl seit Ende der 1990er Jahre eine grundsätzlich antiföderalistische Strömung wahrzunehmen ist. Die Kompetenzen des Bundesrates im Rahmen der Bundesgesetzgebung sind beschränkt, deshalb wurde eine Reihe von inoffiziellen Länderkonferenzen eingerichtet. Deren Aufgabe besteht in der Geltendmachung von Länderinteressen gegenüber Bundesorganen. Die vertikale Gewaltenteilung ist zwar geschwächt, aber die Länder besitzen noch immer Potenziale durch ihre bürgernahe Politik auf regionaler Ebene. Abschließend kann gesagt werden, dass Montesquieus Modell der Gewaltenteilung als nicht mehr ganz zeitgemäß angesehen werden kann; das Ziel der Gewaltenteilung, die Freiheit des Einzelnen zu schützen, ist hingegen sehr wohl aufrecht geblieben. Nun kann im politischen System Österreichs in den fünf Diskussions- und Entscheidungsebenen (Regierung, Parlament, Parteien, Interessensgruppen, öffentliche Meinung) eine Vielzahl autonomer Willensbildungs-, Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten nachgewiesen werden, womit einer freiheitsgefährdenden Monopolbildung begegnet werden kann. Weiters gibt es wirksame Machtkontrollduale wie z.b. Opposition Regierung, politische Öffentlichkeit Staat, Gerichtsbarkeit Verwaltung, Gerichtsbarkeit Gesetzgebung und Land Bund, was aus der Sicht des Verfassers dieser Arbeit den Schluss zulässt, dass eine ausreichende Gewaltenteilung in Österreich herrscht, welche durchaus in der Lage ist, die Balance im Staat aufrechtzuerhalten. Wir müssen uns bemühen, den Grundgedanken aller Gewaltenteilung freizulegen. Und dieser Grundgedanke ist es, [ ] eine staatliche Organisationsstruktur zu schaffen, die durch ein System der Aufteilung der Ausübung der Staatsgewalt zum einen die Konzentration staatlicher Macht hemmt und damit zum anderen die Freiheit des einzelnen und der Gesellschaft im Staat sichert. 1 1 Korinek, Karl (1995): Von der Aktualität der Gewaltenteilungslehre. Journal für Rechtspolitik 3. Wien. S.152
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