Vertiefung Lineare Algebra 1. Schriftliche Unterlagen zur Vorlesung im Wintersemester 2013/14. Franz Pauer
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1 Vertiefung Lineare Algebra 1 Schriftliche Unterlagen zur Vorlesung im Wintersemester 2013/14 Franz Pauer c 2013 INSTITUT FÜR MATHEMATIK, UNIVERSITÄT INNSBRUCK
2 KAPITEL 1 Vertiefung zu Kap 2, 3 In diesem Kapitel sei K ein Körper 1 Erzeugendensysteme, lineare Unabhängigkeit und Basen In der Vorlesung Lineare Algebra 1 wurde der Begriff Linearkombination eines n-tupels von Vektoren eingeführt Wir erweitern diesen Begriff nun auf beliebige (auch unendliche) Familien (v i ) von Vektoren Die Definition im Skriptum Lineare Algebra 1 entspricht dann dem Spezialfall I := {1,,n} Definition 1 : Sei V ein Vektorraum über K und I eine (beliebige) Menge Eine Familie (c i ) von Elementen in K heißt Koeffizientenfamilie, wenn c i 0 für nur endlich viele i I ist Sei (v i ) eine Familie von Vektoren in V Ein Vektor w V heißt eine Linearkombination von (v i ), wenn es eine Koeffizientenfamilie (c i ) gibt, sodass w = c i v i,c i 0 ist Wir schreiben im weiteren einfach c i v i anstatt c i v i,c i 0 Die Menge aller Linearkombinationen von (v i ) ist ein Untervektorraum von V und enthält alle Vektoren v i, i I Er heißt der von v i, i I, erzeugte Untervektorraum von V und wird mit K v i i I oder Kv i bezeichnet Definition 2 : Sei V {0} ein Vektorraum über K Eine Familie (v i ) von Vektoren in V heißt genau dann ein Erzeugendensystem von V bzw linear unabhängig in V bzw eine Basis von V, wenn jeder Vektor in V auf mindestens eine bzw höchstens eine bzw genau eine Weise als Linearkombination von (v i ) geschrieben werden kann Wir schreiben linear abhängig anstatt nicht linear unabhängig Die leere Menge ist eine Basis von {0} 1
3 2 1 VERTIEFUNG ZU KAP 2, 3 Satz 3 : Sei V {0} ein Vektorraum über K und (v i ) eine Familie von Vektoren in V (1) Eine Basis von V ist ein linear unabhängiges Erzeugendensystem (2) Die Familie (v i ) von Vektoren ist genau dann ein Erzeugendensystem von V, wenn K v i i I = V ist (3) Die Familie (v i ) von Vektoren ist genau dann linear unabhängig, wenn für jede Koeffizientenfamilie (c i ) aus folgt, dass ist c i = 0 c i v i = 0 für alle i I Beweis: (1) und (2) folgen aus der Definition der Begriffe Erzeugendensystem, linear unabhängig und Basis (3) Wenn sich jeder Vektor aus V auf höchstens eine Weise als Linearkombination von (v i ) schreiben lässt, dann folgt aus c i v i = 0 V = 0 K v i auf Grund der Eindeutigkeit c i = 0 K für 1 i n Sei umgekehrt (v i ) linear unabhängig in V und w V so, dass es eine Koeffizientenfamilie (c i ) mit w = c i v i gibt Falls (d i ) eine weitere Koeffizientenfamilie mit ist, erhält man 0 V = w w = w = d i v i c i v i d i v i = (c i d i )v i Nach Annahme folgt c i d i = 0 K für alle i I, also c i = d i für alle i I Beispiel 4 : Die Familie (E kl ) 1 k m = (E kl ) (k,l) {1,,m} {1,,n} 1 l n
4 3 1 VERTIEFUNG ZU KAP 2, 3 der Standard-Matrizen ist eine Basis von K m n und heißt die Standardbasis von K m n Für A K m n ist A = 1 k m 1 l n A kl E kl, also ist A die Koordinatenfamilie von A bezüglich der Standardbasis (E kl ) 1 k m (und A kl die Koordinate von A bei E kl ) 1 l n Beispiel 5 : Es seien I eine endliche Menge und V die Menge aller Funktionen von I in einen Körper K Für i I sei δ i die durch δ i ( j) := δ i j, j I, definierte Funktion von I nach K Dann ist die Familie eine K-Basis von V Für f V ist (δ i ) f = f (i)δ i Beispiel 6 : Es sei K ein Körper und F := {(a i ) i N a i K,i N} die Menge aller Folgen in K Mit den durch (a i ) i N + (b i ) i N := (a i + b i ) i N und c (a i ) i N := (ca i ) i N definierten Rechenoperationen wird F zu einem Vektorraum Mit e i (i N) bezeichnen wir die Folge (0,,0,1,0,,0,), wobei 1 an der i-ten Stelle steht Die Familie (e i ) i N ist linear unabhängig, aber kein Erzeugendensystem von F Zum Beispiel kann die Folge (1,1,1,,1,) nicht als Linearkombination der Familie (e i ) i N geschrieben werden Der von der Familie (e i ) i N erzeugte Untervektorraum ist die Menge aller Folgen, von denen nur endlich viele Folgenglieder nicht 0 sind Er heißt Vektorraum der endlichen Folgen in K Die Familie (e i ) i N ist eine Basis dieses Vektorraums, daher ist er unendlich-dimensional 2 Rechnen mit Koordinaten In diesem Abschnitt seien V und W endlich-dimensionale Vektorräume über K, n N die Dimension von V und v := (v 1,,v n ) eine Basis von V Definition 7 : Seien p und q positive ganze Zahlen und u := (u 1,,u p ) V p
5 4 1 VERTIEFUNG ZU KAP 2, 3 ein p-tupel von Vektoren in V Für T K p q sei ut := ( (ut ) 1,,(uT ) q ) := ( p T i1 u i,, p T iq u i ) V q Die Bezeichnung ut ist eine Merkhilfe, weil man analog zur Matrizenrechnung über K den Vektor (ut ) j V nach der Regel berechnet Zeile u mal Spalte T j Satz 8 : Seien p, q, r positive ganze Zahlen und u := (u 1,,u p ) V p Dann gilt: (1) ui p = u (2) Für T K p q und U K q r ist u(tu) = (ut )U (3) Für T GL p (K) und u := ut gilt u = u T 1 Beweis: (1) gilt nach Definition, (2) rechnet man nach und (3) folgt aus u = ui p = u(t T 1 ) = (ut )T 1 = u T 1 Definition 9 : Seien w V und c 1,,c n K die Koordinaten von w bezüglich v, also Dann heißt die Spalte w = n c i v i = vc V, K n 1 c n die Koordinatenspalte von w bezüglich v c 1 Satz 10 : Sei u := (u 1,,u q ) V q Dann gilt: (1) Es gibt genau eine Matrix T K n q mit u = vt Diese Matrix T heißt die Transformationsmatrix von v zu u, und die Spalten von T sind die Koordinatenspalten von u 1,,u q bezüglich v (2) Die Familie u ist genau dann eine Basis von V, wenn T invertierbar ist Beweis:
6 5 1 VERTIEFUNG ZU KAP 2, 3 (1) Sei T K n k jene Matrix, die sich durch Nebeneinanderschreiben der Koordinatenspalten von u 1,,u k bezüglich v ergibt Dann ist u j = vt j für 1 j k, also u = vt Wenn umgekehrt u = vs mit S K n k ist, dh u j = vs j für 1 j k, dann ist S j die Koordinatenspalte von u j bezüglich v für 1 j k (2) Wenn T GL n (K) ist, dann ist v = ut 1 nach Satz 8, also sind die Vektoren v 1,,v n Linearkombinationen von u 1,,u n, somit ist K u 1,,u n = V und, weil V n-dimensional ist, (u 1,,u n ) eine Basis von V Wenn umgekehrt u eine Basis von V ist, dann gibt es eine Matrix U K n n mit v = uu Weil u eine Basis ist, folgt aus ui n = vt = u(ut ), dass UT = I n ist und analog TU = I n, also ist T GL n (K) Satz 11 : Sei u eine Basis von V und T GL n (K) die Transformationsmatrix von v zu u Ist c die Koordinatenspalte von w V bezüglich v, dann ist T 1 c die Koordinatenspalte von w bezüglich u, dh bei Basiswechsel mit der Matrix T transformieren sich die Koordinaten mit der Matrix T 1 Beweis: Es ist w = vc = (ut 1 )c = u(t 1 c) Beispiel 12 : Wir betrachten die Ebene E nach Wahl eines Nullpunktes als Vektorraum Wir wählen Punkte P 1,P 2 so, dass P := (P 1,P 2 ) eine Basis von E ist Es sei Q := (Q 1,Q 2 ) := ( 3 2 P 1 + 2P 2, 1 2 P P 2) Dann ist Q = PT, wobei T := ist Man prüft leicht nach, dass T invertierbar ist und dass ( ) T = 8 6 ist Daher ist P = QT 1 = ( 2Q 1 + 8Q 2,2Q 1 6Q 2 ) Der Punkt P 1 + 2P 2 hat bezüglich P die Koordinatenspalte ( ) ( bezüglich Q die Koordinatenspalte T = 2 4) Somit ist P 1 + 2P 2 = 2Q 1 4Q 2 ( 1 2) und
7 KAPITEL 2 Vertiefung zu Kap 3, 2 1 Strahlensatz Satz 13 : ( Strahlensatz ) Es seien Z 1, Z 2 zwei verschiedene, einander im Punkt 0 schneidende Geraden in V, v 1, v 2 Punkte auf Z 1 \{0} und w 1, w 2 Punkte auf Z 2 \{0} Dann gibt es c, d K \ {0} so, dass v 2 = cv 1 und w 2 = dw 1 ist Mit L 1 bzw L 2 bezeichnen wir die Geraden durch die Punkte v 1 und w 1 bzw v 2 und w 2 Dann gilt: (1) L 1 und L 2 sind genau dann parallel, wenn c = d ist (2) Wenn L 1 und L 2 parallel sind, dann ist v 2 w 2 = c(v 1 w 1 ) Z 1 v 2 v 1 0 w 1 L 1 w 2 L 2 Z 2 ABBILDUNG 1 Strahlensatz Beweis: (1) Der zu L 1 bzw L 2 parallele Untervektorraum ist K(v 1 w 1 ) bzw K(cv 1 dw 1 ) Weil die Geraden Z 1 und Z 2 verschieden sind, sind die Vektoren v 1 und w 1 linear unabhängig Daher ist K(v 1 w 1 ) genau dann gleich K(cv 1 dw 1 ), wenn c = d ist 6
8 7 2 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 2 (2) Wenn L 1 und L 2 parallel sind, ist c = d und v 2 w 2 = cv 1 cw 1 = c(v 1 w 1 ) Satz 14 : Es seien V ein Vektorraum über einem Körper K und Z 1 = p 1 + U 1, Z 2 = p 2 +U 2 affine Unterräume von V mit Aufpunkten p 1, p 2 und parallelen Untervektorräumen U 1, U 2 Wenn Z 1 und Z 2 parallel sind, dann ist Z 1 Z 2 oder Z 2 Z 1 oder Z 1 Z 2 = /0 Beweis: Wir nehmen oeda an, dass U 1 U 2 ist Wenn Z 1 Z 2 nicht leer ist, dann gibt es ein p Z 1 Z 2 Daher ist Z 1 = p +U 1 p +U 2 = Z 2 2 Affine Hülle Es sei K ein Körper und V ein Vektorraum über K Definition 15 : Es seien I eine endliche Menge und (v i ) eine Familie in V Eine Linearkombination c i v i von (v i ) heißt affine Kombination von (v i ), wenn c i = 1 ist Die Menge aller affinen Linearkombinationen von (v i ) heißt affine Hülle von (v i ) Beispiel 16 : Die affine Hülle von zwei Vektoren v 1 und v 2 ist ein Punkt, wenn v 1 = v 2 ist, bzw die Gerade {c 1 v 1 + c 2 v 2 c 1, c 2 K, c 1 + c 2 = 1} = {v 1 + c(v 2 v 1 ) c K}, wenn v 1 v 2 ist Satz 17 : (1) Es seien M ein affiner Unterraum von V und (v i ) eine endliche Familie in M Dann ist die affine Hülle von (v i ) in M enthalten (2) Die affine Hülle einer Familie (v i ) in V ist ein affiner Unterraum von V Der dazu parallele Untervektorraum wird von (v i v j ), i j erzeugt, wobei j I beliebig gewählt werden kann (3) Die affine Hülle von (v i ) ist der (bezüglich Inklusion) kleinste affine Unterraum, der alle v i, i I, enthält Beweis:
9 8 2 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 2 (1) Sei p M, U der zu M parallele Untervektorraum und (c i ) eine Familie in K mit c i = 1 Dann ist ( ) ( ) c i v i = c i p c i p +c i v i = = p +c i (v i p) p +U = M (2) Sei j I und M := v j + K v i v j ; i I, i j Dann ist (v i ) eine Familie in M und nach (1) ist ihre affine Hülle in M enthalten Sei umgekehrt (d i ) eine Familie in K Dann ist v j + d i (v i v j ) = i j i j d i v i + 1 i j d i v j eine affine Linearkombination von (v i ) Daher ist jedes Element von M in der affinen Hülle von (v i ) enthalten (3) Folgt aus (1) und (2) Definition 18 : Affine Unterräume von V heißen kollinear bzw koplanar, wenn sie alle in einer Geraden bzw Ebene in V enthalten sind Satz 19 : (1) Drei Punkte v 1, v 2, v 3 V sind genau dann kollinear, wenn die Vektoren v 2 v 1 und v 3 v 1 linear abhängig sind (2) Vier Punkte v 1, v 2, v 3, v 4 V sind genau dann koplanar, wenn die Vektoren v 2 v 1, v 3 v 1 und v 4 v 1 linear abhängig sind (3) Zwei Geraden p 1 + Kv 1 und p 2 + Kv 2 sind genau dann koplanar, wenn die Vektoren p 1 p 2, v 1 und v 2 linear abhängig sind Beweis: Die ersten zwei Aussagen folgen aus Satz 17, (2) Der zur affinen Hülle von (p 1, p 2, p 1 +v 1, p 2 +v 2 ) parallele Untervektorraum wird von p 1 p 2, v 1 und v 2 erzeugt Satz 20 : Zwei verschiedene koplanare Geraden schneiden einander in genau einem Punkt oder sie sind parallel
10 9 2 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 2 Beweis: Seien M 1 und M 2 verschiedene koplanare Geraden und E die Ebene, die beide enthält Wenn M 1 und M 2 nicht parallel sind, dann ist U 1 U 2 = {0} und U 1 +U 2 = U 1 U 2 ist der zu E parallele Untervektorraum Wegen p 1, p 2 E ist p 1 p 2 U 1 U 2, daher gibt es eindeutig bestimmte Vektoren u 1 U 1, u 2 U 2 so, dass p 1 p 2 = u 1 + u 2 ist Somit ist M 1 M 2 = {p 1 u 1 } = {p 2 + u 2 } 3 Polytope und Schwerpunkte Es seien K = Q oder R und V ein Vektorraum über K Definition 21 : Es seien I eine endliche Menge und (v i ) eine Familie in V Eine Linearkombination c i v i von (v i ) heißt konvexe Linearkombination von (v i ), wenn c i = 1 und c i 0 für alle i I ist Die Menge der konvexen Linearkombinationen von (v i ) heißt konvexe Hülle von (v i ) Die konvexe Hülle zweier Vektoren v 1,v 2 heißt Strecke zwischen v 1 und v 2 Die konvexe Hülle dreier nicht kollinearer Punkte v 1,v 2,v 3 heißt Dreieck mit Eckpunkten v 1,v 2,v 3 Eine Teilmenge von V heißt Polytop, wenn sie die konvexe Hülle einer endlichen Familie in V ist Es sei I := {1,,n} und c 1,,c n R 0 Für c n 1 ist n ( ) n 1 c i c i v i = (1 c n ) v i + c n v n = (1 c n )w + c n v n, 1 c n wobei w := n 1 c i 1 c n v i in der konvexen Hülle H von (v 1,,v n 1 ) liegt Daraus folgt: Für n 3 ist die konvexe Hülle von (v 1,,v n ) die Vereinigung aller Strecken zwischen v n und den Elementen von H Beispiel 22 : Eine Teilmenge von R ist genau dann ein Polytop, wenn sie ein abgeschlossenes Intervall ist Satz 23 : Es seien P die konvexe Hülle einer Familie ( ) w j in V und j J (v i ) eine Familie in P Dann ist die konvexe Hülle von (v i ) in P enthalten
11 10 2 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 2 Beweis: Für alle i I ist der Vektor v i eine konvexe Linearkombination c ji w j von ( ) w j j J Sei j J d i v i eine konvexe Linearkombination von (v i ) Dann ist d i v i = j J mit d i c ji 0, für alle j J, und ( j J Daher ist d i v i P d i c ji ) = ( d i c ji w j = j J d i ( j J d i c ji )w j ) c ji = d i = 1 Definition 24 : Es sei (v i ) eine endliche Familie in V Der Schwerpunkt von (v i ) ist 1 #(I) v i Der Schwerpunkt von (v 1,v 2 ) heißt Mittelpunkt der Strecke zwischen v 1 und v 2 Satz 25 : Es seien u,v,w drei nicht kollineare Punkte in V Die Gerade durch u bzw v bzw w und den Mittelpunkt der Strecke zwischen den anderen zwei Punkten heißt Schwerlinie des Dreiecks mit Eckpunkten u, v, w durch u bzw v bzw w Die drei Schwerlinien sind paarweise verschieden und schneiden einander im Schwerpunkt 3 1 (u + v + w) von (u,v,w) Beweis: Da u,v,w nicht kollinear sind, sind nach Satz 19 die Vektoren v u und w u linear unabhängig Also sind auch v u und 1 2 (v u) (w u) = 1 (v + w) u 2 linear unabhängig, nach Satz 19 sind daher u,v, 1 2 (v + w) nicht kollinear Somit liegt v nicht auf der Schwerlinie durch u Daher sind die Schwerlinien durch u und durch v verschieden und die drei Schwerlinien haben
12 11 2 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 2 höchstens einen Schnittpunkt Wegen 1 3 (u + v + w) = 1 3 u + 2 ( ) 1 (v + w) = v = 1 3 w + 2 ( ) 1 (u + v) 3 2 liegt der Schwerpunkt auf allen Schwerlinien ( ) 1 (u + w) = 2 4 Affine Räume Definition 26 : Es seien (G, ) eine Gruppe mit neutralem Element e und M eine Menge Eine Funktion G M M, (s,m) s m, ist eine Operation der Gruppe G auf der Menge M, wenn gilt: für alle m M ist e m = m und für alle s,t G und alle m M ist (s t) m = s (t m) Beispiel 27 : Die Funktion S n {1,2,,n} {1,2,,n}, (σ,i) σ(i), ist eine Operation der Permutationsgruppe S n auf der Menge {1,2,,n} Definition 28 : Sei V ein Vektorraum über einem Körper K, A eine Menge und V A A, (v,a) v a, eine Operation der Gruppe (V,+) auf A (Also: Für alle a A, v,w V ist 0 a = a und (v + w) a = v (w a) A zusammen mit dieser Operation ist ein affiner Raum über V, wenn es für alle Elemente a,b A genau einen Vektor v V gibt mit v a = b Die Elemente von A heißen dann Punkte, die Elemente von V Vektoren des affinen Raums Satz 29 : Sei A ein affiner Raum über V und a A Die Funktion V A, v v a, ist bijektiv (Nach Wahl eines Nullpunktes kann ein affiner Raum als Vektorraum betrachtet werden) Beweis: Folgt aus der Definition
13 12 2 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 2 Beispiel 30 : Sei V ein Vektorraum, p V und U ein Untervektorraum von V Dann ist der affine Unterraum p +U mit U (p +U) p +U (v, p + u) p + (u + v), ein affiner Raum über U Insbesondere ist jeder Vektorraum ein affiner Raum (über sich selbst) Beispiel 31 : Sie E die Zeichenebene oder der Anschauungsraum und T (E) der Vektorraum der Translationen von E Dann ist E mit T (E) E E, (t,x) t(x), ein affiner Raum über T (E) Möchte man in der Zeichenebene keinen Nullpunkt wählen, kann man sie als affinen Raum betrachten Dann muss man zwischen Punkten ( E) und Vektoren ( T (E)) unterscheiden Punkte können dann nicht addiert werden, aber Vektoren können addiert werden und auf Punkten wirken Sind P und Q Punkte von E und P Q, dann gibt es genau eine Translation in T (E), die P auf Q abbildet Sie wird häufig mit PQ bezeichnet Die Menge {t PQ t R} T (E) ist die Gerade durch 0 T (E) = id E und PQ in T (E) Die Gerade durch P und Q in E ist dann als {(t PQ)(P) t R} E definiert Wegen ( PQ)(P) = Q und (0 PQ)(P) = id E (P) = P sind P und Q Punkte dieser Geraden Die Translation PQ wird als Richtungsvektor dieser Geraden bezeichnet
14 KAPITEL 3 Vertiefung zu Kap 3, Mehr über Skalarprodukte In diesem Abschnitt sei V ein reeller Vektorraum und, ein Skalarprodukt auf V Definition 32 : Ein reeller Vektorraum mit einem Skalarprodukt heißt reeller Prähilbertraum Ein endlich-dimensionaler reeller Prähilbertraum heißt euklidischer Raum Beispiel 33 : (Für Studierende mit Kenntnissen aus Analysis) Es seien a, b reelle Zahlen mit a < b und V der Vektorraum aller stetigen Funktionen vom Intervall [a,b] nach R Die Funktion, : V V R, ( f,g) b ist ein Skalarprodukt auf V Die Norm von f V ist b a f (x) g(x)dx, f = a f (x) 2 dx Satz 34 : (Parallelogrammgleichung) Für alle Vektoren v und w in einem reellen Prähilbertraum ist v + w 2 + v w 2 = 2 v w 2 Beweis: Nachrechnen Definition 35 : Eine Norm auf V ist eine Funktion N : V R 0 := {t R t 0}, v N(v), mit den Eigenschaften: (1) Es ist N(v) = 0 genau dann, wenn v = 0 ist (2) Für alle c R, v V ist N(cv) = c N(v) (3) Für alle v,w V ist N(v + w) N(v) + N(w) V zusammen mit einer Norm heißt normierter Raum 13
15 14 3 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 3-5 Beispiel 36 : Ist, ein Skalarprodukt auf V, dann ist eine Norm : V R, v v := v,v, Beispiel 37 : Die Funktion N : R n R 0, (c 1,c 2,,c n ) n c i, ist eine Norm (die Summennorm ) auf R n Die Parallelogrammgleichung gilt für diese Norm nicht, zum Beispiel ist für n = 2, v := (2,1) und w := (1,2): N(v + w) 2 + N(v w) 2 = = 40, aber 2 N(v) N(w) 2 = = 36 Satz 38 : N sei eine Norm auf V Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: (1) Die Parallelogrammgleichung gilt für N, dh: Für alle v,w V ist N(v + w) 2 + N(v w) 2 = 2 N(v) N(w) 2 (2) Es gibt ein Skalarprodukt,, das die Norm N induziert, dh: für alle v V ist N(v) = v,v In diesem Fall ist dieses Skalarprodukt von v,w V durch definiert v,w := 1 4 (N(v + w)2 N(v w) 2 ) Beweis: Wenn (2) gilt, dann folgt (1) aus Satz 34 Wenn (1) gilt, dann kann damit nachgeprüft werden, dass die oben definierte Funktion, die Eigenschaften eines Skalarproduktes hat Definition 39 : Eine Familie (v i ) in V heißt orthonormal bezüglich,, wenn für alle i, j I gilt: v i,v j = δ i j Eine Familie (v i ) in V heißt Orthonormalbasis (kurz: ON-Basis) von V bezüglich,, wenn sie eine Basis von V und orthonormal bezüglich, ist Beispiel 40 : Es sei V der Vektorraum der endlichen Folgen in R Für i N bezeichnen wir mit e i die Folge (0,,0,1,0,,0,), wobei 1 an der
16 15 3 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 3-5 i-ten Stelle steht Die Familie (e i ) i N ist eine Basis von V Durch a,b := a i b i,für alle Folgen a,b in N i N wird ein Skalarprodukt auf V definiert Die Familie (e i ) i N ist eine ON- Basis bezüglich dieses Skalarproduktes Satz 41 : Eine orthonormale Familie ist linear unabhängig Insbesondere: Wenn V endlich-dimensional ist, dann ist jede orthonormale Familie mit dim K (V ) Elementen eine ON-Basis von V Beweis: Sei (v i ) eine orthonormale Familie und (c i ) eine Koeffizienten-Familie in K Wenn c i v i = 0 ist, dann ist für alle j I auch 0 = v j,c i v i = c i v j,v i = c j Satz 42 : Sei w V und (v i ) eine ON-Basis von V Dann ist w = v i,w v i ( Die Koordinate von w bei v i ist das Skalarprodukt von v i mit w ) Beweis: Sei w = c i v i Dann ist v j,w = v j,c i v i = c i v j,v i = c i δ ji = c j 2 Interpolationsaufgaben Wir betrachten die folgenden Interpolationsaufgaben: Gegeben sind Funktionen f 1,, f k von R nach R, paarweise verschiedene reelle Zahlen x 1,,x n R und reelle Zahlen y 1,,y n R Gesucht sind reelle Zahlen c 1,,c k so, dass die Funktion f := k c i f i die Bedingungen erfüllt f (x 1 ) = y 1, f (x 2 ) = y 2,, f (x n ) = y n y 1 y 4 y 2 y 3 x 1 x 2 x 3 x 4
17 16 3 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 3-5 Durch die Funktionen f 1,, f k wird der Typ der Interpolationsaufgabe vorgegeben Die reellen Zahlen x 1,,x n heißen Stützstellen, die reellen Zahlen y 1,,y n (Funktions-)Werte der Interpolationsaufgabe Die gesuchte Funktion f heißt interpolierende Funktion Wir suchen also eine Funktion f des vorgegebenen Typs so, dass die Funktionswerte von f in den Stützstellen die vorgegebenen Werte der Interpolationsaufgabe sind Anders formuliert: Wir suchen Zahlen c 1,,c k so, dass f 1 (x 1 )c 1 + f 2 (x 1 )c f k (x 1 )c k = y 1 f 1 (x 2 )c 1 + f 2 (x 2 )c f k (x 2 )c k = y 2 f 1 (x n )c 1 + f 2 (x n )c f k (x n )c k = y n ist Das ist ein System von n linearen Gleichungen mit k Unbekannten c 1,,c k In Matrizenform: f 1 (x 1 ) f k (x 1 ) c 1 y 1 f 1 (x 2 ) f k (x 2 ) c 2 = y 2 f 1 (x n ) f k (x n ) c k y n Beispiel 43 : ( Lineare Interpolation ) Wenn f 1 die konstante Funktion 1 (also die Funktion, die jeder Zahl die Zahl 1 zuordnet) und f 2 die Identität (also die Funktion, die jeder Zahl sich selbst zuordnet) ist, dann suchen wir eine Funktion f := c 1 f 1 + c 2 f 2 mit ( f (x i ) =) c 1 + c 2 x i = y i, 1 i n Die Aufgabe, Zahlen c 1 und c 2 mit den Eigenschaften c 1 + c 2 x 1 = y 1 c 1 + c 2 x n = y n zu finden, ist ein System von n linearen Gleichungen mit zwei Unbekannten In Matrizenform 1 x 1 y ( ) 1 1 x 2 c1 y = 2 c 2 1 x n y n Beispiel 44 : (Interpolation durch Polynomfunktionen) Für 1 i k sei f i : R R, z z i 1, die i 1-te Potenzfunktion Dann ist die gesuchte Funktion f eine Polynomfunktion vom Grad k 1, also f : R R, z c 1 + c 2 z + + c k z k 1
18 17 3 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 3-5 Wir suchen reelle Zahlen c 1,c 2,,c k mit der Eigenschaft, dass c 1 + x 1 c x1 k 1 c k = y 1 c 1 + x n c xn k 1 c k = y n ist, müssen also ein System von n Gleichungen mit k Unbekannten lösen In Matrizenform: 1 x 1 x k 1 1 c 1 y 1 1 x 2 x2 k 1 c 2 = y 2 1 x n xn k 1 c k y n 3 Systeme linearer Gleichungen (mit und ohne Lösung) Das System f 1 (x 1 )c 1 + f 2 (x 1 )c f k (x 1 )c k = y 1 f 1 (x 2 )c 1 + f 2 (x 2 )c f k (x 2 )c k = y 2 f 1 (x n )c 1 + f 2 (x n )c f k (x n )c k = y n von k linearen Gleichungen mit den Unbekannten c 1,,c k kann auch in der Form c 1 f 1 (x 1 ) f k (x 1 ) y c k =, f 1 (x n ) f k (x n ) y n oder, mit den Abkürzungen y 1 f i (x 1 ) y := und f i (x) :=, 1 i k, y n f i (x n ) kurz als k c i f i (x) = y angeschrieben werden Wir können also das System linearer Gleichungen als die folgende Aufgabe interpretieren: Schreibe die Spalte y als Linearkombination k c if i (x) der Spalten f i (x), 1 i k Das ist aber nur dann möglich, wenn y in dem von den Spalten f i (x), 1 i k, erzeugten Untervektorraum U von R n 1 enthalten ist Wenn das nicht der Fall ist, ist dieses System linearer Gleichungen nicht lösbar
19 18 3 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 3-5 Im Fall von Beispiel Lineare Interpolation ist U die von x 1 1 := 1 und x := 1 x n erzeugte Ebene in R n 1 Im Fall von Beispiel Interpolation durch Polynomfunktionen vom Grad k ist U der von x 1 1,,, 1 1 x n x k 1 x k 1 n erzeugte Untervektorraum von R n 1 Wenn die Interpolationsaufgabe einerseits eine Situation beschreibt, von der man weiß, dass es eine Lösung gibt, andererseits die Aufgabe aber nicht lösbar ist, weil y mit Mess- oder Rundungsfehlern behaftet ist, liegt es nahe, dass y eigentlich ein Element von U sein sollte Wir erzwingen die Lösbarkeit der Aufgabe, indem wir y durch eine Spalte y in U ersetzen! Wie sollen wir diese Spalte y aber wählen? Am einfachsten ist es, y in U so zu wählen, dass der Abstand zwischen y und y möglichst klein ist Wir suchen also ein Element des Vektorraums U so, dass der Abstand y y zwischen y und y so klein wie möglich ist Wir müssen nun festlegen, welchen Abstand wir meinen: Wenn wir den (durch das Standardskalarprodukt auf dem R n induzierten) euklidischen Abstand im R n wählen, dann ist y y := n (y i y i) 2 Für positive reelle Zahlen a und b ist a b genau dann, wenn a 2 b 2 ist Daher ist der y y genau dann minimal, wenn die Summe n (y i y i) 2 der Fehlerquadrate minimal ist Die Spalte y ist der Fußpunkt des Lotes von y auf U 4 Lineare Regression Genau dann ist der Abstand zwischen y und y kleiner oder gleich dem Abstand zwischen y und jedem anderen Element z von U, wenn die Gerade durch y und y normal zum Untervektorraum U steht Das folgt leicht aus dem Satz von Pythagoras:
20 19 3 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 3-5 y U z y Das Dreieck mit den Eckpunkten y, y und z hat bei y einen rechten Winkel Der Abstand zwischen y und z ist die Länge der Hypotenuse, also größer oder gleich der Länge einer Kathete, also dem Abstand zwischen y und y Die Gerade durch y und y steht genau dann normal zu U, wenn alle Skalarprodukte von y y mit den erzeugenden Spalten von U gleich 0 sind Für y = k c if i (x) U muss also gelten: Anders geschrieben: k y y,f j (x) = 0, 1 j k c i f i (x),f j (x) = y,f j (x), 1 j k Wenn wir dieses System von k linearen Gleichungen mit k Unbekannten c 1,,c k lösen, dann erhalten wir die annähernd interpolierende Funktion f = k c i f i Bei linearer Interpolation ist Also ist y = c 2 x + c 1 1 U und die Gerade durch y und y steht normal auf der von x und 1 erzeugten Ebene U c 2 x + c 1 1 y,x = 0 und c 2 x + c 1 1 y,1 = 0 Daraus erhalten wir das folgende System von zwei linearen Gleichungen mit zwei Unbekannten c 1 und c 2 : c 2 x,x + c 1 1,x = x,y c 2 x,1 + c 1 1,1 = 1,y Als Lösung erhalten wir c 2 = 1,1 x,y 1,x 1,y x,x 1,y 1,x x,y 1,1 x,x 1,x 2 und c 1 = 1,1 x,x 1,x 2
21 20 3 VERTIEFUNG ZU KAP 3, 3-5 Wenn, das Standard-Skalarprodukt ist, dann ist x,y = n x iy i, 1,x = n x i, 1,y = n y i, 1,1 = n, x,x = n x2 i und y,y = n y2 i, daher und c 2 = nn x iy i ( n x i)( n y i) n n x2 i (n x i) 2 c 1 = (n x2 i )(n y i) ( n x i)( n x iy i ) n n x2 i (n x i) 2 Wir haben damit die Funktion f : R R, z c 2 z+c 1, so bestimmt, dass der (euklidische) Abstand vom n-tupel der gegebenen (gemessenen oder gerundeten) ungenauen Funktionswerte (y 1,,y n ) zum n-tupel der berechneten Funktionswerte ( f (x 1 ),, f (x n )) möglichst klein ist, also n (y i (c 2 x i +c 1 )) 2 möglichst klein ist Der Graph dieser Funktion heißt Regressionsgerade oder Trendlinie der Punkte (x 1,y 1 ),(x 2,y 2 ),,(x n,y n ) Man rechnet leicht nach, dass f ( 1 n n x i ) = 1 n n ist Das Paar der arithmetischen Mittel von (x 1,,x n ) und (y 1,,y n ) liegt also immer auf der Regressionsgeraden y i
22 KAPITEL 4 Mehr über lineare Funktionen In diesem Kapitel sei K ein Körper 1 Der Graph einer linearen Funktion Satz 45 : Seien V 1,,V l Vektorräume über K Dann wird das kartesische Produkt V 1 V l = {(x 1,,x l ) x 1 V 1,,x l V l } mit der komponentenweisen Addition (x 1,,x l ) + (y 1,,y l ) := (x 1 + y 1,,x l + y l ) und der komponentenweisen Skalarmultiplikation c(x 1,,x l ) := (cx 1,,cx l ) mit c K ein Vektorraum und heißt der Produktraum von V 1,,V l Wenn (v 11,,v 1n1 ),,(v l1,,v lnl ) Basen von V 1,,V l sind, dann ist ((v 11,0,,0),,(v 1n1,0,,0),,((0,,0,v l1 ),,(0,,0,v lnl )) eine Basis von V 1 V l, insbesondere gilt dim K (V 1 V l ) = dim K (V 1 ) + + dim K (V l ) Beweis: Es ist leicht zu zeigen, dass V 1 V l mit der komponentenweisen Addition und Skalarmultiplikation ein Vektorraum Wir beweisen daher nur, dass ((v 11,0,,0),,(0,,0,v lnl )) eine Basis von V 1 V l ist Wir schreiben x 1 V 1,,x l V l als Linearkombinationen der Basen (v 11,,v 1n1 ),,(v l1,,v lnl ): Dann ist x 1 = n 1 d 1i v 1i,,x l = n l d li v li (x 1,,x l ) = (x 1,0,,0) + + (0,,0,x l ) = n 1 d 1i (v 1i,0,,0) n l d li (0,,0,v li )
23 22 4 MEHR ÜBER LINEARE FUNKTIONEN und ((v 11,0,,0),,(0,,0,v lnl )) ein Erzeugendensystem von V 1 V l Um die lineare Unabhängigkeit zu zeigen, seien c 11,,c lnl K mit Dann ist also n 1 c 1i (v 1i,0,,0) + + ( n 1 n 1 c 1i v 1i,, n l n l c 1i v 1i = 0,, c li (0,,0,v li ) = (0,,0) c li v li ) = (0,,0), n l c li v li = 0 Da (v 11,,v 1nl ),,(v l1,,v lnl ) Basen von V 1,,V l sind, folgt c 11 = = c lnl = 0, was zu zeigen war Definition 46 : Seien V und W Vektorräume über K Eine Funktion f : V W heißt K-linear, wenn die folgenden zwei Bedingungen erfüllt sind: (1) Für alle v,w V ist f (v + w) = f (v) + f (w) ( Das Bild der Summe ist die Summe der Bilder ) (2) Für alle c K und für alle v V ist f (cv) = c f (v) ( Das Bild des c-fachen ist das c-fache des Bildes ) Beispiel 47 : Ein Kaufhaus bietet n Waren an Kauft jemand a i Einheiten der i-ten Ware, 1 i n, so muss er p(a 1,,a n ) Euro zahlen Die Funktion p : Q n Q, (a 1,,a n ) p(a 1,,a n ) ist genau dann linear, wenn es keinen Mengenrabatt, keine Sonderaktionen ( nimm drei, zahl zwei ) oder ähnliches gibt, also: (1) Nimmt man bei einem Einkauf a i und bei einem anderen Einkauf b i Einheiten der i-ten Ware, 1 i n, dann bezahlt man in Summe dasselbe, wie wenn man alles bei einem Einkauf genommen hätte (p(a 1,,a n ) + p(b 1,,b n ) = p(a 1 + b 1,,a n + b n )) (2) Kauft man von jeder Ware das c-fache, dann muss man c-mal soviel zahlen (p(ca 1,,ca n ) = c p(a 1,,a n )) Beispiel 48 : V sei ein Untervektorraum des K-Vektorraums F(K, K) aller Funktionen von K nach K und t 0,,t n seien paarweise verschiedene Elemente von K Dann ist die Auswertungsfunktion linear a : V K n+1, f ( f (t 0 ), f (t 1 ),, f (t n )),
24 23 4 MEHR ÜBER LINEARE FUNKTIONEN Beispiel 49 : Für jede Matrix A K m n ist die Funktion K n 1 K m 1, x Ax, K-linear Später werden wir sehen, dass jede lineare Funktion vom Vektorraum aller m-spalten in den Vektorraum aller n-spalten durch Multiplikation mit einer Matrix gegeben ist Satz 50 : Es seien V und W Vektorräume über K und (v i ) eine (beliebige) Basis von V Eine Funktion f : V W ist genau dann linear, wenn der Graph von f ein Untervektorraum des Produktraums V W ist In diesem Fall hat der Graph von f die Basis ((v i, f (v i ))) Insbesondere gilt dim K (Graph( f )) = dim K (V ) Beweis: Nach Definition ist Graph( f ) = {(v, f (v)) v V } V W Seien u,w V und c K Wenn f linear ist, dann ist 0 V W = (0 V,0 W ) = (0 V, f (0 V )) Graph( f ), (u, f (u))+(w, f (w)) = (u+w, f (u)+ f (w)) = (u+w, f (u+w)) Graph( f ) und c(w, f (w)) = (cw,c f (w)) = (cw, f (cw)) Graph( f ), also Graph( f ) ein Untervektorraum von V W Wenn umgekehrt Graph( f ) ein Untervektorraum von V W ist, dann sind (u, f (u)) + (w, f (w)) = (u + w, f (u) + f (w)) Graph( f ) und c(w, f (w)) = (cw,c f (w)) Graph( f ), somit f (u + w) = f (u) + f (w) und f (cw) = c f (w), also f linear Wenn f linear ist, dann ist auch die Funktion F : V Graph( f ), x (x, f (x)), linear und hat die Umkehrfunktion Graph( f ) V, (x, f (x)) x Daher ist F ein Isomorphismus und (F(v i )) eine Basis von Graph( f ) Beispiel 51 : Es sei k eine reelle Zahl und f die lineare Funktion f : R R, z kz Dann ist Graph(f) = {(z,kz) z R} = {z(1,k) z R} = R(1,k) R R die Gerade durch (0,0) und (1,k) Beispiel 52 : Es seien a,b reelle Zahlen und g die lineare Funktion g : R 2 R, (x,y) ax + by Dann ist Graph(g) = {(x,y,ax+by) x,y R} = {x (1,0,a)+y (0,1,b) x,y R} = = R(1,0,a) + R(0,1,b) R 2 R
25 24 4 MEHR ÜBER LINEARE FUNKTIONEN die Ebene durch (0,0,0), (1,0,a) und (0,1,b) 2 Bild und Kern einer linearen Funktion In diesem Abschnitt seien V und W Vektorräume über K und f : V W eine lineare Funktion Definition 53 : Die Menge Bild( f ) := { f (v) v V } W heißt Bild von f und die Menge Kern( f ) := {v V f (v) = 0 W } V heißt Kern von f Satz 54 : Bild( f ) ist ein Untervektorraum von W, Kern( f ) ist ein Untervektorraum von V Die Dimension des Bildes von f heißt Rang von f (Schreibweise rg( f )) Beweis: Da f linear ist, ist 0 V Kern( f ) Für u,v Kern( f ) und c K folgt aus f (u + v) = f (u) + f (v) = 0 W auch u + v Kern( f ), sowie aus f (cu) = c f (u) = 0 W auch cu Kern( f ) Daher ist Kern( f ) ein Untervektorraum von V Analog zeigt man, dass Bild( f ) ein Untervektorraum von W ist Satz 55 : Sei A K m n und L(A,0) := {x K n 1 Ax = 0} der Lösungsraum des durch A definierten Systems homogener linearer Gleichungen Fasst man die Matrix A als lineare Funktion A : K n 1 K m 1, x Ax, auf, dann ist Kern(A) = L(A,0) und Bild(A) = K A 1,,A n Beweis: Es ist Kern(A) = {x K n 1 Ax = 0} = L(A,0) und Bild(A) = = {Ax x K n 1 } = { n x ia i x 1,x n K } = K A 1,,A n Satz 56 : Seien V,W endlich-dimensionale Vektorräume über K, f : V W eine K-lineare Funktion und r := rg( f ) Dann gibt es eine Basis (v 1,,v n ) von V so, dass (1) ( f (v 1 ),, f (v r )) eine Basis von Bild( f ) und (2) (v r+1,,v n ) eine Basis von Kern( f ) ist Insbesondere gilt dim K (V ) = dim K (Bild( f )) + dim K (Kern( f ))
26 25 4 MEHR ÜBER LINEARE FUNKTIONEN Ergänzt man die Basis ( f (v 1 ),, f (v r )) von Bild( f ) zu einer Basis (w 1,,w m ) von W, dann ist D r := 1 K m n 0 (nur an den Stellen (1,1),,(r,r) stehen Einsen und sonst Nullen) die Matrix von f bezüglich der Basen (v 1,,v n ) und (w 1,,w m ) Beweis: Sei (w 1,,w r ) eine Basis von Bild( f ) Dann kann man Urbilder v 1,,v r V von w 1,,w r unter f wählen Sei (u 1,,u s ) eine Basis von Kern( f ) Dann ist (v 1,,v r,u 1,,u s ) ein Erzeugendensystem von V, weil für y V aus f (y) = r a i w i = r a i f (v i ) = f ( r a i v i ) folgt, dass z := y r a iv i Kern( f ) ist Daher ist y = z + r a iv i eine Linearkombination von (v 1,,v r,u 1,,u s ) Wir zeigen noch, dass (v 1,,v r,u 1,,u s ) linear unabhängig ist Seien dazu c 1,,c r,d 1,,d s K mit r c i v i + s d j u j = 0 j=1 Dann ist 0 = f ( r c iv i + s j=1 d ju j ) = r c i f (v i ) = r c iw i Da (w 1,,w r ) linear unabhängig ist, sind alle c i gleich 0 Dann ist s j=1 d ju j = 0, und aus der linearen Unabhängigkeit von u 1,,u s folgt d 1 = = d s = 0 Also ist (v 1,,v r,u 1,,u s ) die gesuchte Basis von V Insbesondere ist r + s = n 3 Systeme linearer Gleichungen in koordinatenfreier Form Definition 57 : Ein System linearer Gleichungen in koordinatenfreier Form ist eine Aufgabe: Gegeben sind eine lineare Funktion f : V W und ein Vektor y W Gesucht ist eine gute Beschreibung der Menge L( f,y) := f 1 ({y}) = {x V f (x) = y} aller Vektoren x V, für die f (x) = y ist
27 26 4 MEHR ÜBER LINEARE FUNKTIONEN Die Menge L( f,y) heißt Lösungsmenge des durch f und y gegebenen Systems linearer Gleichungen Ihre Elemente heißen Lösungen dieses Systems Das durch f und y gegebene System linearer Gleichungen heißt homogen, wenn y = 0 W ist, ansonsten inhomogen Die Lösungsmenge eines homogenen Systems linearer Gleichungen ist L( f,0) = Kern( f ) Satz 58 : Sei f : V W K-linear, y W und z L( f,y) (also ist L( f,y) insbesondere nicht leer) Dann ist L( f,y) = z + Kern( f ) ein affiner Unterraum von V mit Aufpunkt z und parallelem Untervektorraum Kern( f ) Das durch f und y gegebene System lösen bedeutet daher: finde (irgend)ein Urbild z von y unter f und (irgend)eine Basis von Kern( f ) Falls V endlichdimensional ist, gilt weiters dim K (L( f,y)) = dim K (V ) rg( f ) Beweis: Sei v Kern( f ) Dann ist f (z +v) = f (z)+ f (v) = y +0 = y, also z + v L( f,y) Sei x L( f,y) Dann ist f (x z) = f (x) f (z) = y y = 0, also x z Kern( f ) und x = z + (x z) {z + v v Kern( f )} Nach Satz 56 ist dim K (Kern( f )) = dim K (V ) rg( f ) Beispiel 59 : Fasst man eine Matrix A K m n als eine lineare Funktion auf, dann ist L( f,y) = L(A,y) f : K n 1 K m 1, x Ax, Beispiel 60 : Sei C(R, R) := { f f : R R stetig}, C 1 (R, R) := { f f : R R stetig differenzierbar} und D : C 1 (R, R) C(R, R), f f, wobei f die Ableitung der Funktion f bezeichnet Dann sind C(R, R) und C 1 (R, R) mit der punktweisen Addition und Skalarmultiplikation Vektorräume über R, und die Funktion D ist R-linear Der Unterraum Kern(D) besteht aus allen konstanten Funktionen Eine Funktion f C 1 (R, R) heißt Stammfunktion von g C(R, R), wenn D f = g ist Die Menge aller Stammfunktionen von g ist L(D,g) = f + Kern(D)
28 27 4 MEHR ÜBER LINEARE FUNKTIONEN Satz 61 : Seien V,W Vektorräume über K der Dimensionen n,m mit Basen v,w, sei f : V W K-linear mit Matrix A := M( f,v,w) K m n und y = wb W Dann bildet der Koordinaten-Isomorphismus V K n 1, vc c, L( f,y) auf L(A,b) ab und Kern( f ) auf L(A,0) Beweis: Es ist vc L( f,y) genau dann wenn w(ac) = wb, also c L(A,b) ist Nach Satz 61 kann für f : V W und y W das System linearer Gleichungen ( f,y) wie folgt gelöst werden: (1) Wähle Basen v,w von V,W (2) Berechne die Matrix A := M( f,v,w) und die Koordinatenspalte b von y bezüglich w (3) Berechne die Lösungsmenge L(A,b) Wenn L(A,b) leer ist, dann ist auch L( f,y) leer Wenn z L(A,b) und (u 1,,u s ) eine Basis von L(A,0) ist, dann ist vz L( f,y) und (vu 1,,vu s ) eine Basis von Kern( f ) Im Schulunterricht entsprechen Systeme linearer Gleichungen in koordinatenfreier Form gewissen Textaufgaben, und die Umwandlung in die Form Ax = b nennt man den Ansatz finden Beispiel 62 : Wir suchen alle Polynomfunktionen p R[x] mit p( 1) = 2, p(1) = 1, p(2) = 1 und gr(p) < 5 Sei V := {q R[x] gr(q) < 5}, W := R 3, f : V W, q (q( 1),q(1),q(2)), und y := (2,1,1) W Die Funktion f ist linear Wir wählen die Basis v := (1,x,x 2,x 3,x 4 ) von V und die Standardbasis w := (e 1,e 2,e 3 ) von W = R 3 Dann ist A := M( f,v,w) := und b := Man berechnet mit dem Gauß-Verfahren L(A,b) = R R
29 28 4 MEHR ÜBER LINEARE FUNKTIONEN Daher ist L( f,y) = { x x2 + +c( 2 + x + 2x 2 x 3 ) + d( 4 + 5x 2 x 4 ) c,d R} Satz 63 : Sei V ein endlich-dimensionaler Vektorraum über K und Z ein affiner Unterraum von V Dann ist Z die Lösungsmenge eines Systems linearer Gleichungen, dh es gibt eine lineare Funktion f : V W und einen Vektor y W mit Z = L( f,y) (Dann ist Z durch f und y in impliziter Form gegeben) Wenn der affine Unterraum Z durch einen Aufpunkt p und eine Basis (u 1,,u k ) des parallelen Untervektorraums gegeben ist, dann kann ein solches System linearer Gleichungen auf die folgende Weise berechnet werden: Ergänze (u 1,,u k ) zu einer Basis (u 1,,u k,u k+1,,u n ) von V Setze und y := f (p) f : V K n k, n c i u i (c k+1,c k+2,,c n ) Beweis: Seien f und y wie im Satz definiert Dann ist Kern( f ) = = K < u 1,,u k > und p L( f,y) Nach Satz 58 ist Z = L( f,y)
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