Vorlesung. Komplexe Zahlen
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- Waldemar Beck
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1 Vorlesung Komplexe Zahlen Motivation Am Anfang der Entwicklung der komplexen Zahlen stand ein algebraisches Problem: die Bestimmung der Lösung der Gleichung x = 0. 1 Mit der Lösung dieses Problems eröffneten sich neue Perspektiven in der Analysis wie beispielsweise die Reihenentwicklung trigonometrischer Funktionen oder der Exponentialfunktion, und ein neuartiger Blick auf viele innermathematische Probleme. So gilt die Eulersche Identität e iπ = 1 bei vielen als das schönste mathematische Gesetz, da es einen Zusammenhang zwischen vier der wichtigsten Konstanten herstellt. Aber auch außerhalb der Mathematik sind die komplexen Zahlen von entscheidender Bedeutung, beispielsweise in der Physik (Wechselstromrechnung). Da die komplexen Zahlen in der Schule häufig nicht behandelt werden, wollen wir hier einen kleinen Einstieg geben. Vorbetrachtung Zahlbereiche Bevor wir nun direkt mit der Einführung der Komplexen Zahlen beginnen, schadet es nicht einen Blick auf die schon bekannten Zahlenbereiche zu werfen und warum deren Einführung Notwendig war. N Z Q R C Am Anfang stehen immer die Natürlichen Zahlen 2 N = {1, 2, 3,... }, welche eigens eingeführt wurden um zählen zu können. Darauf aufbauend wurden die Ganzen Zahlen Z = {..., 2, 1, 0, 1, 2,... } entwickelt. Ursächlich hierfür, dass sich Gleichungen der Form a + x = b in den Natürlichen Zahlen a, b N für a b nicht lösen lassen. Wir wollen also Rechnungen der Form x = b a vornehmen, selbst wenn a größer als b ist, wie dies zum Beispiel bei 2 4 der Fall ist. 1 Allgemein die Lsg der Gleichungen x 2 + c = 0 für c > 0. Diese lässt sich aber auf den Fall c = 1 reduzieren 2 Der Grundlagenstreit ob 0 eine natürliche Zahl ist oder nicht, spielt für unsere Betrachtung keine Rolle. 1
2 Die Lösung des Problems ist eine sehr mathematische. Denn statt sich darüber Gedanken zu machen, dass wir solche Zahlen nicht haben, erklären wir das Problem zur Lösung, indem wir für jede Rechnung b a eine Zahl einführen und unter diesen dann jene als gleich betrachten, bei denen a und b den selben Abstand haben und in der selben Größenreihenfolge vorkommen. So sind 1 3 und 2 4 das gleiche, aber sind verschieden zu 3 1. Schreibt man für Zahlen b a mit b = a auch 0 für b > a einfach die Lösung b a N und für b < a auch (a b). Nach den Ganzen Zahlen kommen die Rationalen Zahlen Q die alle Brüche enthalten. Auch hier stand wieder die Lösung einer bestimmten Art der Gleichung, nämlich bx = a, im Vordergrund und die Lösung bestand darin, wieder neue Zahlen a b zu erdenken, von denen erneut einige als gleich betrachtet werden. So ist 1 2 das Gleiche wie 3 6. Auf die Rationalen Zahlen bauen nun noch die Reellen Zahlen auf, die notwendig wurden, da es irrationale Zahlen und damit Zahlen gibt, deren Dezimaldarstellung weder endlich noch periodisch ist. Beispiele wären 2, π und e. Eingeführt hat man diese dann, in dem man (potenziell) unendliche Dezimaldarstellung zugelassen hat. Alle diesen Zahlenbereichen sind zwei Dinge gemein: Zum einen ist jeder eine Erweiterung des Vorhergehenden. Zum anderen wird jeweils das Problems zur Lösung erklärt und gegebenenfalls gleichwertige Lösungen zu einer zusammengefasst. 1 Grundlagen Betrachtet man nun das Ausgangsproblem x = 0, so scheint es nur das natürlichste ein x einzuführen, dass die Gleichung erfüllt. Dies führt zu folgender Definition 1. Die imaginäre Einheit i ist eine Lösung der Gleichung x = 0 i := 1 = i 2 = 1. Rechnet man mit i nun wie mit einer Variable und nimmt die bisherigen Reellen Zahlen hinzu, so kann man Zahlen der Form a + b i mit a, b R erzeugen und außerdem feststellen, dass durch die Grundrechenarten +,,, keine weiteren Zahlen erhält. Die so neu gewonnen Zahlen definieren wir daher wie folgt: Definition 2 (komplexe Zahl). Die Menge der komplexen Zahlen 3 ist definiert als C := {(a, b) a, b R} = R 2 3 Die Isomorphie zu R 2 sollte als alternative Schreibweise veranschaulicht werden. 2
3 Hierbei heißt a = Re(z) Realteil und b = Im(z) Imaginärteil der komplexen Zahl z C. Wenn man nun z = (a, b) im zwei dimensionalen karthesischen Koordinatensystem mit dem dazugehörigen Richtungsvektor identifizert, begründet das auch die äquivalente Schreibweise z = a + ib = a 1 C + b i wobei 1 C = (1, 0) und i = (0, 1). Bemerkung 1. Die reellen Zahlen lassen sich nunmehr als Teilmenge der komplexen Zahlen auffassen, nämlich als Menge aller Tupel (a, b) C mit b = 0. Wegen der Isomorphie zwischen C und R 2 lassen sich die Rechenregeln von R 2 sehr leicht auf C übertragen: Definition 3 (Rechenregeln). Für w, z C mit z = a + ib und w = c + id gilt: z + w = (a + b) + (c + d)i z w = (a + ib)(c + id) = (ac bd) + i(ad + bc) Weiterhin übertragen sich direkt das Assoziativ-, Kommutativ- und Distributivgesetz. Definition 4 (Betrag). Der Betrag einer komplexen Zahl z = a + ib ist definiert als z := z z = Re(z) 2 + Im(z) 2 = a 2 + b 2. Hierbei bezeichnet z := a ib die zu z konjugiert-komplexe Zahl. Auch für den komplexen Betrag gilt die Dreiecksungleichung z 1 + z 2 z 1 + z 2. Bemerkung 2. Für die Komplexe Konjugation z von z gelten folgende Rechenregeln: Es seien z, w C z = z z + w = z + w z w = z w z w = z w z/w = z/w Daher macht es keinen Unterschied, ob man erst rechnet und dann konjugiert oder umgekehrt. 3
4 Geometrische Interpretation z = a + ib z = a ib z = a ib z = z = a + ib Addition und Subtraktion von komplexen Zahlen 2 Polarkoordinaten Wir haben gerade gesehen, wie sich komplexe Zahlen geometrisch interpretieren lassen. Aufgrund dieser geometrischen Interpretation lassen sich komplexe Zahlen auch mit zwei anderen Variablen darstellen, nämlich Radius r und Winkel ϕ. Es ist nämlich z = a 2 + b 2 = r. 4
5 Darstellung einer komplexen Zahl in Polarkoordinaten Damit lassen sich die Winkelfunktionen für komplexe Zahlen beschreiben: cos ϕ = a z sin ϕ = b z tan ϕ = b a, wobei z = a + ib und ϕ [0, 2π). Damit folgt: z = z (cos ϕ + i sin ϕ) Bemerkung 3. Der Tangens ist für komplexe Zahlen mit Re(z) = 0 offenbar nicht definiert. 3 Exponentialform komplexer Zahlen Für Sinus und Cosinus und die Exponentialfunktion gibt es auch eine Darstellung in Reihenform: sin x = ( 1) n x2n+1 (2n + 1)! i=0 cos x = i=0 ( 1) n x2n (2n)! exp(x) = i=0 x n n! Daraus folgt, dass e iϕ = exp(iϕ) = cos ϕ + i sin ϕ und daraus ergibt sich für komplexe Zahlen, dass z = z e iϕ. (Exponentialform) Bemerkung 4. Aus obigem Zusammenhang wird auch direkt die Eulersche Identität e iπ = cos π + i sin π = 1 5
6 ersichtlich. Außerdem erleichtert die Exponentialform (auch: Normalform) das Rechnen mit komplexen Zahlen. Es ist nämlich für z 1 = z 1 e iϕ 1, z 2 = z 2 e iϕ 2 : z 1 z 2 = z 1 z 2 e i(ϕ 1+ϕ 2 ) z 1 z 2 = z 1 z 2 ei(ϕ 1 ϕ 2 ) e iϕ = e iϕ cos ϕ = 1 2 ( e iϕ + e iϕ) sin ϕ = 1 2i ( e iϕ e iϕ) 4 Potenzen und Wurzeln in C 4.1 Potenzen z 2 = z 2 e 2iϕ i 2 = Wurzeln Beispiele für Quadratwurzeln x 2 = i = e i π 2 = x = e i π 4 x = e i π 4 = e i 5π 4 = x = cos π 4 + i sin π 4 = i x = 2 i n-te Einheitswurzel Die Gleichung z n = 1 hat in C die n Lösungen Beispiel: z 12 = 1 z 0 = 1 z 1 = e i 2π n z 2 = e i 2 2π n z k = e i k 2π n für k = 0,..., n 1 6
7 z 0 = 1 z 1 = e i 2π 12 = e i π 6 2π 8i z 1 = e 12 = e i 4π 3 Bemerkung 5. Alle Lösungen haben denselben Betrag, denn sie liegen auf dem komplexen Einheitskreis. Außerdem unterteilen die Lösungen den Kreis in n gleichgroße Kreisstücke die Winkelabstände der Lösungen sind gleich. Deshalb folgt: Wer eine Lösung kennt, kennt alle n-te Wurzel einer komplexen Zahl Aus dem Fundamentalsatz der Algebra folgt, dass jedes Polynom vom Grad k 1 mindestens eine komplexe Nullstelle besitzt. Es folgt sogar, dass jedes komplexe Polynom vollständig in Linearfaktoren zerlegbar ist, sprich für das Polynom P (z) gilt: P (z) = n m a k z k = (z λ j ) σ j mit i=0 j=0 m σ j = n, j=0 wobei λ j die Nullstellen des Polynoms sind und σ j deren Vielfachheit. Somit hat also ein Polynom n-ten Grades inklusive Vielfachheiten n Nullstellen. p hat n Nullstel- Daraus wiederum folgt, dass für das Polynom p(z) = z n q für q C folgt: len. Überlegungen zur Berechnung der Lösungen Seien q, z C mit 0 q = q e iϕ und z n = q. 7
8 1. z ergibt n Mal mit sich selbst multipliziert q : z = n q. Da dies für alle Lösungen gilt, liegen diese auf einem Kreis (um den Ursprung) mir Radius z. 2. Sei z 0 := n q = z e iϕ 0. Dann muss n ϕ 0 ϕ mod 2π sein, da bei der Multiplikation komplexer Zahlen die Winkel der Faktoren addiert werden. Also folgt: z 0 = z e i ϕ n. 3. Alle Lösungen unterscheiden sich nur im Winkel ϕ j. Da für alle Lösungen 1. gilt, folgt: n ϕ j ϕ mod 2π für alle j. 4. Somit gilt: ϕ 0 = ϕ n + 0 2π n ϕ 1 = ϕ n + 1 2π n... ϕ j = ϕ n + j 2π n = z 0 = n q e i n (ϕ+0 2π) z 0 = n q e i n (ϕ+1 2π)... z j = n q e i n (ϕ+j 2π) 5 Punktmengen in der Gaußschen Zahlenebene A := {z z = 1} = Einheitskreis B := { z z 1 = 3 } 2 C := { z z + 2 2i = 1 } 2 D := {z 2 Re(z) Im(z) = 0} E := {z Re(z) = 3} 8
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