Würdevoll leben würdevoll sterben Dr. Heinz Rüegger
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- Marie Adenauer
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1 Würdevoll leben würdevoll sterben Dr. Heinz Rüegger Öffentliche Veranstaltung in Stans Pro Senectute Nidwalden 14. Oktober 2016
2 Ausgedehntes Alter Wir leben immer länger und immer länger relativ gesund. Unterscheidung - 3. Alter (ca 60-80): gesund, aktiv, ungebunden, selbstständig > höchste Lebenszufriedenheit! - 4. Alter (ca 80+/eigentliches Alter): fragil, mit Belastungen + Einschränkungen, auf Unterstützung angewiesen > echte Herausforderung des Lebens Alle wollen lange leben, niemand will wirklich alt werden/sein! (M. Maron) 2
3 Ängste im Blick auf das hohe Alter Hochaltrigkeit löst Ängste aus: - Verlust kognitiver Fähigkeiten (Demenz!), u.a. der Fähigkeit zur Selbstbestimmung (Autonomie) - Verlust funktionaler Selbstständigkeit Angewiesenheit auf Hilfe anderer - Pflegebedürftigkeit, Verlust der Selbstkontrolle u.u. Heimeintritt Angst vor Würde-Verlust / Entwürdigung 3
4 Strategie gegen angeblichen Würdeverlust Verbreitete Haltung, etwas gegen befürchteten Würde- Verlust tun zu wollen: rechtzeitiges, selbstbestimmtes (= würdiges) Sterben - bevor das Leben statt zur Lust zur Last wird - bevor man schwer pflegebedürftig wird - bevor man anderen zur Last fällt ( sozialverträgliches Frühableben ) - bevor man nicht mehr selber über sein Leben bestimmen kann 4
5 Würdiges Leben Würdig ist Leben demnach, wenn man - einigermassen gesund ist - sich selbst und seine körperlichen Funktionen unter Kontrolle hat (nicht inkontinent! nicht persönlichkeitsverändert!) - geistig noch klar ist (nicht dement!) - seinen Alltag selbstständig bewältigen kann (ohne zu sehr von fremder Hilfe abhängig zu sein!) - anderen nicht zur Last fällt Würdiges Leben als selbstständige Existenz, unab-hängig von anderen, ohne grössere Einschränkungen 5
6 Würdiges Sterben Würdig ist das Sterben demnach, wenn es - rechtzeitig - rasch - ohne lange vorangehende Leidenszeit - schmerzlos - klinisch sauber - selbstbestimmt erfolgt. Sterben als finaler Akt souveräner, autonomer Lebensführung, der den Betroffenen noch einmal würdevoll in Szene setzt und Hochachtung hervorruft. 6
7 Beispiele Bsp. 1: Gunter Sachs Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten. Bsp. 2: Paul B. Baltes Demenzen bedeuten den schleichenden Verlust vieler Grundeigenschaften des Homo sapiens wie etwa Intentionalität, Selbständigkeit, Identität und soziale Eingebundenheit Eigenschaften, die wesentlich die menschliche Würde bestimmen. Darum steht unsere Gesellschaft vor einer neuen und beängstigenden Herausforderung: die Erhaltung der menschlichen Würde in den späten Jahren des Lebens. 7
8 Beispiele Bsp. 3: Victor Ruffy Es gibt unheilbare Krankheiten, welche mit fortschreitender Entwicklung die Würde des Menschen in schwerer Weise beeinträchtigen. Angesichts dieser Tatsache haben in unserer Gesellschaft immer mehr Menschen den Wunsch, selber über ihr Ende mitbestimmen und in Würde sterben zu können. Daher ersuche ich den Bundesrat, einen Entwurf für einen neuen Artikel 115 bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorzulegen. 8
9 Problematik eines empirisch fundierten Würde-Verständnisses Problematik eines solchen Würde-Verständnisses: - Würde wird abhängig von empirischen Voraussetzungen/Bedingungen > bedingte Würde - Würde muss errungen/erhalten werden > Würde als Verdienst/Ehre - Würde kommt nicht allen immer gleichermassen zu > elitäre Würde - Würde ist verlierbar > Angst vor Entwürdigung 9
10 Normatives Würdeverständnis der Menschenrechtstradition Menschen-Würde als normativer Anspruch auf Achtung: - unbedingt, von keinen Voraussetzungen abhängig (= normativ) - ohne Verdienst - allen Menschen gleichermassen zukommend (= egalitär) - unverlierbar, unantastbar 10
11 Rechtsstaatliches Konzept der Menschenwürde Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (1948): Die Präambel spricht von der Anerkennung der angeborenen Würde aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen und nach Art. 1 sind alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren. Schweizerische Bundesverfassung Art. 7: Menschenwürde: Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen. 11
12 Menschen-Würde als Anspruch Menschenwürde als Anspruch auf - Schutz von Leib und Leben - Selbstbestimmung - grundlegende Rechte (Menschenrechte) - Respekt vor der eigenen Person > Würde primär als Anspruch an andere! Diese Würde verliert man nie - auch wenn sie von anderen missachtet wird - auch wenn man sich selber unwürdig verhält - auch wenn man sich selber (z.b. krankheitsbedingt) in einer unwürdigen Situation empfindet 12
13 Was heisst: selber würdevoll leben? Was heisst nun aber würdig/würdevoll leben als Möglichkeit und Anspruch an sich selbst? Würdig leben heisst: so leben, - dass ich im Umgang mit mir selber und mit anderen Menschen meine und deren unverlierbare Würde respektiere, - dass ich meine Verantwortung wahrnehme und - dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten etwas aus meinem Leben mache. 13
14 Würdevoll Leben (1) Das beinhaltet: - das Leben in all seinen Phasen also auch das Alter! als etwas Wertvolles ansehen und behandeln - zum eigenen Leben und der eigenen Gesundheit Sorge tragen, sie schützen und pflegen - Ja sagen zum Alter mit seinen Möglichkeiten / Ressourcen und seinen Herausforderungen / Defiziten (H. Hesse) - 14
15 Würdevoll leben (2) - Selbstverantwortung wahrnehmen (Autonomie- Anspruch):. Nutzen eigener Ressourcen. mit Defiziten konstruktiv umgehen. Angewiesensein auf Hilfe akzeptieren und Unterstützung dankbar annehmen lernen (D. Callahan; M. Martin) > Autonomie als Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ist auch bei eingeschränkter Selbstständigkeit möglich! > Autonomie gibt es immer nur in Abhängigkeiten! 15
16 Würdevoll leben (3) - Für andere erträglich und bedeutsam sein. sich selbst, die eigenen Gebresten und die eigenen früheren Erfahrungen relativieren können. sich für Andere interessieren. nach Möglichkeiten suchen, auf irgendeine Art für andere bedeutsam zu sein (Generativität) - Selbstbestimmung ernst nehmen durch eigenverantwortliche Entscheidungen (z.b. im Blick auf medizinische Behandlungen oder altersgerechtes Wohnen) 16
17 Selbstbestimmung beim Sterben - Das Leben als endliches, als Sein zum Tode ernst nehmen (M. Heidegger) und Fragen des Sterbens soweit möglich klären:. selbstbestimmtes Sterben als Freiheit und Zumutung des modernen Gesundheitswesens BGE vom : Zum Selbstbestimmungsrecht im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK gehört auch das Recht, über Art und Zeitpunkt der Beendigung des eigenen Lebens zu entscheiden. 17
18 . Mehrheitlich geht es um Fragen der passiven Sterbehilfe: Verzicht auf lebensverlängernde Massnahmen.. In seltenen (aber zahlenmässig zunehmenden) Fällen geht es um selbstbestimmtes Sterben durch assistierten Suizid (z.b. Exit). Dieser sollte m.e. ein letzter Ausweg in schwierigen Situationen bleiben; als solcher ist er juristisch zulässig und m.e. moralisch wie theologisch legitim. 18
19 Zum Schluss Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben bis zuletzt: - ein gesellschaftliches Umfeld, das die Würde jedes Menschen, auch des hochbetagten, dementen, pflegebedürftigen, sterbenden Menschen radikal ernst nimmt und seinen Anspruch auf Selbstbestimmung respektiert; - alte Menschen, die bereit sind, ihre Ressourcen und ihre Defizite ernst zu nehmen und so lange wie möglich Verantwortung für ihr Leben wahrzunehmen. 19
20 Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Heinz Rüegger Institut Neumünster Neuweg 16, 8125 Zollikerberg 20
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