Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag dazu
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- Lucas Adler
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1 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag dazu Einführung in die Nachhaltigkeit und Darstellung von Möglichkeiten, wie eine Forschungseinrichtung dazu beitragen kann
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3 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag dazu Die folgende Darstellung basiert auf einem Vortrag, der anlässlich der Jahrestagung der European Association of Research and Technology Organisations (EARTO) am 20. Mai 2010 in Göteborg gehalten wurde. Impressum Autor und Redaktion: Dr. Lothar Behlau, Fraunhofer-Gesellschaft, München Zeichnungen: Heyko Stöber, München Layout: Johanna Angermeier, München Nachdruck nur mit Zustimmung des Autors. Dr. Lothar Behlau Fraunhofer-Gesellschaft Abteilung Strategie und Programme Hansastraße 27c München Telefon: +49(0)89/ Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 3
4 Warum gibt es derzeit einen Nachhaltigkeits-Hype? Das Wachstumsdilemma vorhandener, endlicher Ressourcen und auch die Standards für Produktion und Konsum sich als gefährdend zeigen im Hinblick auf ein langfristiges Weiterleben der Menschheit auf der Erde. Auch aus der Evolution könnte man lernen, dass ein beliebiges Wachstum (was schon physikalisch unmöglich ist) bisher auch immer zu einem Zusammenbruch von Systemen geführt hat, ob dieses Sterne, Tier- oder Pflanzenarten waren. Wachstum als permanenter Prozess überfordert uns. Das ökonomische Wachstum, d.h. der zunehmende Ressourcenverbrauch pro Mensch bei steigender Weltbevölkerung war und ist bis heute der politische Imperativ. In der Vergangenheit wurde das Wachstum angetrieben durch: technologische Entwicklungen intensive Nutzung von Naturressourcen arbeitsteilige und globalisierte Produktionsprozesse stark ausgebaute Kommunikationsinfrastrukturen eine schnell wachsende Erdbevölkerung Nun scheint dieser Prozess bedroht, denn es gibt Einschränkungen dieses Wachstumsprozesses von zwei Seiten: zum einen gehen die endlichen Ressourcen der Erde zur Neige (z.b. Oil-Peak) und zum anderen verändern die Emissionen als Konsequenz der Nutzung dieser Ressourcen signifikant die Bedingungen auf der Erde, z.b. durch erhöhte Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre und Wandel des Klimas. Trotz einer intensiven Nachhaltigkeitsdebatte wird politisch derzeit vom Prinzip des Wachstums nicht abgegangen, obwohl die aktuellen Standards für die Ausbeute Die heutige Nachhaltigkeitsdebatte ist v.a. der globalen Dimension geschuldet und dieser Sachverhalt ist grundsätzlich neu gegenüber Verhältnissen von vor rd. 40 Jahren. Auch damals produzierte man sehr ressourcenintensiv und lokal entstanden sogar weitaus höhere Emissionen (man denke an die qualmenden Schornsteine) als heute. Aber aufgrund der lokal begrenzten Produktion und der quantitativ noch niedrigen Produktionsrate bedurfte es noch keiner weltweiten Koordination. 4 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
5 Die globale Dimension ist neu Aufgrund der stark vernetzten globalen Infrastrukturen ist heute ein ungehinderter Austausch von Menschen, Waren, Geld etc. ohne Barrieren wie Entfernungen, Verständigung (verschiedene Sprachen) o.ä. möglich. Verkürzung des Raumes durch mo derne Transportmittel: durch Flugzeuge erreichen Menschen jeden Ort der Welt innerhalb von Stunden. Dieses ermöglicht Geschäftsreisenden und Touristen schnelle Zugänge in andere Regionen der Welt. Ebenso schnell verbreiten sich allerdings auch Terrorismus oder Epidemien. Produktion und Konsum von Waren sind unabhängig vom Ort: die Produktion der Einzelteile, die Montage und der Konsum des Endprodukts findet an unterschiedlichen Teilen der Welt statt. Im Automobilbau sind die Autofirmen fast nur noch Zusammenbauer. Durch Flugzeuge und Containerschiffe werden Waren in beliebigen Mengen und über längste Strecken transportiert, z.b. Rosen aus Südafrika nach Europa oder annähernd alle Textilien aus China/Taiwan nach Europa und USA. Krabben werden nur zum Entfernen der Schale von Norddeutschland bis nach Algerien und zurück befördert. Geldströme ohne Mehrwerterzeugung: mit hoher globaler Transparenz werden in Das Prinzip des 21. Jahrhunderts: Alles, für jeden, immer und überall... Sekundenschnelle täglich Transaktionen demokratische Strukturen, andererseits im Billionenmaßstab durchgeführt. Hierbei kann es auch missbraucht werden für Desinformation, Angriffe auf die Privatsphäre gibt es auch Spekulationen gegen Unternehmen, Währungen oder ganze Länder. oder verbrecherische Netzwerke. Informationen: Das weltweite Internet nimmt stetig zu und hat derzeit über 1 Milliarde Nutzer. Damit werden Informationen weltweit ohne Zeitverzug für jedermann verfügbar. Dies festigt einerseits Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 5
6 Die Komplexität für jeden Einzelnen und die technische Komplexität nimmt zu anfälliger gegen Störungen. Dies beginnt bei den alltäglichen Staus aufgrund von Unfällen (pro Jahr gibt es in Deutschland 4,7 Mrd. Staustunden) und geht bis zu einer 5tägigen Einstellung des Flugverkehrs über Europa in 2010 aufgrund eines Vulkanausbruchs mit dramatischen Einschränkungen bei der Produktion und den Geschäftsabläufen im weltweiten Business. Die aufgebauten Netzwerke müssen robust und verlässlich sein, denn sie sind mittlerweile ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Volkswirtschaften, dies gilt für die Informations- und Kommunikationsnetzwerke genauso wie für die Verkehrsnetze. Ein globaler Ausfall des Internets käme einem Stillstand der Welt gleich. Die Wirtschaft mit ihren vernetzten IuK-Abläufen würde kollabieren mit drastischen Auswirkungen für das gesamte Treiben auf der Welt. Auch die Verkehrsnetze werden aufgrund ihrer zunehmenden Komplexität immer Eine neue globale Dimension wird auch durch die neuen ökologischen Risiken erreicht. Während verheerende Katastrophen wie das Chemieunglück in Bhopal trotz der großen Anzahl von Toten regional begrenzt waren, erreichen Unglücke wie der Reaktorunfall von Tschernobyl oder die Havarie großer Tanker schon Auswirkungen weit über die Landesgrenzen hinaus. Und der Untergang der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zeigt, dass der Mensch die Geister, die er rief teilweise nicht mehr beherrscht. 6 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
7 Der Klimawandel veranschaulicht die globale Dimension perfekt Das Klima bleibt nicht an Ländergrenzen stehen. Deshalb ist auch dessen mögliche Beeinflussung eine globale Herausforderung, was auch mittlerweile erkannt wurde. Dazu haben die Regierungen der Welt bereits in zwei Punkten Einigkeit erzielt: Die Steigerung der CO 2 -Konzentration ist durch Menschen induziert und muss aufgehalten werden. Die Steigerung der Lufttemperatur sollte nicht über 2 C steigen. Aus diesen Vorgaben konnte errechnet werden, dass auf der gesamten Welt bis zum Jahr 2050 noch rund 750 Mrd. t CO 2 ausgestoßen werden dürfen. Dieses ist ein Vielfaches der Menge, die bei unseren heutigen Emissionen freigesetzt werden würde. So dürfte ein Europäer, der der - zeit pro Jahr rund 11 t CO 2 freisetzt, unter Anerkennung der gleichen Verschmutzungsrate für alle Menschen in kürzester Zeit nur noch rund 2,5 t CO 2 pro Jahr emittieren. Hier setzt nun das Dilemma ein, dass es innerhalb der 197 Staaten der Erde keinen Konsens gibt, wie die Emissionen reduziert werden sollten. Dies ist nicht verwunderlich, weil bisher ein solcher Kompromiss in dieser Breite nicht erforderlich war. Bisher gab es kaum Anlässe, dass sich alle Staaten der Erde auf ein Vorgehen einigen mussten (außer in großen Konflikten zwischen Staaten). Die wichtigsten Aufgaben der UN, der derzeitig einzigen globalen Institution, sind die Sicherung des Weltfriedens und die Einhaltung des Völkerrechts. Sie ist mithin für die neue Art globaler Herausforderungen (noch) kein geeignetes Gremium. Gleichwohl kann auch der Weltfrieden bei zunehmenden Spannungen und Konflikten um Rohstoffe oder Wasser bedroht werden. Deshalb haben z.b. das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und Al Gore für ihren Einsatz beim Klimawandel den Friedensnobelpreis bekommen. Mittlerweile wird auch zunehmend über Maßnahmen nachgedacht, sich auf den bevorstehenden Klimawandel einzustellen. Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 7
8 Warum sind globale Abstimmungen so schwierig? den Staaten der Welt insofern schwierig, weil das wirtschaftliche Niveau unterschiedlich ist und gerade im Bereich des Klimaschutzes Staaten mit hohen CO 2 -Emissionen (z.b. Europa, USA) diese reduzieren müssten, während Staaten mit derzeit geringen Emissionen (Indien, Brasilien) auf ein weiteres Wachstum und steigende Emissionen drängen. Fazit: Kaum eine Entscheidung bleibt in ihren Folgen auf das Lokale beschränkt, aber umgekehrt gibt es keine transnationale Institution, die das Problem in globaler Perspektive angehen könnte und der Weg zu einer Weltgesellschaft ist noch weit. Bei globalen Problemen kann sich die Weltgemeinschaft nur schwer auf gemeinsame Instrumente einigen. Das liegt an zwei Gründen: Zum einen gibt es kein verbindliches Gremium, das alle 197 Staaten der Welt zusammenführt und dessen Beschlüsse (ggf. über eine Abstimmung) von allen als verbindlich angesehen werden. Zur Erinnerung: Das 1997 beschlossene Kyoto- Protokoll, das verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen in den Industrieländern festgelegt hat, wurde von den USA nie ratifiziert. Es trat erst 2005 in Kraft, nachdem mindestens 55 Staaten das Abkommen ratifiziert hatten. Verfahren, die auf gemeinsame, abgestimmte Aktionen zielen, um globale Herausforderungen gemeinsam zu lösen, sind äußerst schwierig (s. jüngstes Treffen in Kopenhagen zum Klimaschutzabkommen 2009). Die Notwendigkeit der globalen Absprache war bisher nicht gegeben und muss erst noch gelernt werden. Ebenso fehlen dazu auch geeignete Instrumente. Zum anderen ist eine Einigung zwischen Bei den künftigen Vereinbarungen zur CO2-Reduktion müssten die Industrieländer wie USA, Europa oder Japan ihre Emissionen deutlich drosseln, während Staaten wie Brasilien oder Indien noch wachsende Emissionen erlaubt werden. 8 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
9 Die Konsequenz: Wir müssen umdenken Wir leben heute in einer neuen Welt, wenden allerdings noch alte Verhaltensmuster an. Ressourcenintensives Wachstum ist immer noch das allgemeine Leitmotiv. Unmittelbar merken wir noch keine signifikante Veränderung, aber wir spielen mit der Zukunftsfähigkeit der Welt und damit dem Erbe für die nächsten Generationen. Der französische Schriftstelle Antoine St. Exupéry formulierte bereits 1940: Wir erben nicht die Welt von unseren Eltern, sondern wir haben sie von unseren Kinder nur geliehen. Es sind nur geringe Anzeichen, die auf eine Veränderung der Umweltbedingungen hinweisen. So nehmen Starkwetterereignisse zu und auch die Frequenz von großen Unfällen mit starken ökologischen Schäden steigt. Allerdings wird dieses bewusst verdrängt. Versicherungsunternehmen haben hierzu deutliche Zahlen vorgelegt und schlagen Alarm. Auch das Artensterben von Pflanzen und Tieren registrieren wir nicht in unserem täglichen Umfeld nicht. Es ist offensichtlich schwierig für einen Menschen, sein Verhalten zu verändern, wenn einerseits die Bedrohung noch nicht konkret spürbar ist und wenn andererseits der Einfluss des eigenen Verhaltens als maginal beurteilt wird. Meist sehen wir zunächst Andere in der Pflicht ( Was nützt es schon, wenn ich jetzt auf mein Auto verzichte? ). Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 9
10 Nachhaltiges Verhalten: Nur das ernten, was man gesät hat Das Prinzip des nachhaltigen Verhaltens hat seinen Ursprung in der Forstwirtschaft: Man kann nur so viele Bäume fällen, wie man auch pflanzt. Übertragen auf eine zukunftsfähige Welt werden zwei Ausprägungen gefordert: Zum einen eine intragenerationelle Gerechtigkeit, also ein lebenswertes Leben für alle heute auf der Welt lebenden Menschen, zum anderen eine intergenerationelle Verantwortung, also das Überlassen der Welt an die nächsten Generationen auf einem qualitativ gleichen bzw. nicht schlechteren Niveau. Die Brundtland-Definition: Entwicklung zukunftsfähig zu machen heißt, dass die gegenwärtige Generation ihre Bedürfnisse befriedigt, ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generation zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können. 10 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
11 Wie kann man Nachhaltigkeit operationalisieren? Varaktighet: Nachhaltigkeit (schwedisch) Heutzutage wird der Begriff der Nachhaltigkeit inflationär in allen möglichen Zusammenhängen und oft missbräuchlich verwendet. Der Begriff ist rhetorisch mächtig, aber teilweise inhaltsleer. Oft wird das Wort anstatt von langfristig, ausreichend, intensiv, stark,... gebraucht. So forderte unlängst ein Gewerkschafter eine nachhaltige Lohnerhöhung für die Beschäftigten. Ebenso wird oft von einem nachhaltigen Unternehmen gesprochen. Auch diese Bezeichnung ist nicht sinnhaft, vielmehr könnte man von einem Unternehmen sprechen, das zu einer nachhaltigen Entwicklung der Welt beiträgt. Somit sollten die Attribute nachhaltig oder nicht nachhaltig nur globalen Entwicklungen im Ganzen zugeschrieben werden, nicht einzelnen Regionen, gesellschaftlichen Bereichen, Branchen, Techniklinien etc. Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 11
12 Modelle zum praktischen Handeln Wie kann man nun eine praktisch anwendbare Definition finden beziehungsweise Anleitungen zu einem nachhaltigen Verhalten? Das Dreisäulenmodell geht davon aus, dass eine nachhaltige Entwicklung durch das gleichzeitige und gleichgewichtige Berücksichtigen von ökologischen, sozialen und ökonomischen Zielen zu erreichen ist. Diese drei Säulen stehen miteinander in Wechselbeziehungen und je nach Anwendungen müssen diese drei Aspekte untereinander ausgelotet werden. Suboptimale Entwicklungen gibt es, wenn nur ein oder zwei dieser Optimierungsziele angestrebt werden. Als Kritik am Dreisäulenmodell wird angeführt, dass die ökologische Komponente Vorrang genießen muss, da der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen die Voraussetzung für die ökonomische und soziale Entwicklung ist. Teilweise wird das Dreisäulenmodell als Weichspüler der Nachhaltigkeitsidee kritisiert. Die ökonomische und soziale Säule ist offen für nahezu sämtliche wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen (Arbeitsmarkt, Steueraufkommen, Sicherung des Industriestandorts, Exportüberschuss, Ausbau der Verkehrswege), so dass sich die unterschiedlichen Akteure oftmals aus den drei Zielen des Modells dasjenige herauspicken, das ihre unmittelbaren Interessen widerspiegelt: Unternehmen konzentrieren sich auf die ökonomische Optimierung und reklamieren über die Erhaltung von Arbeitsplätzen auch noch soziale Aspekte. Parteien und Gewerkschaften setzen auf soziale Themen. Hingegen gibt es für die ökologische Komponente nur wenig Advokaten; dazu gehören Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace. Insofern ist eine notwendige Forderung bei der nachhaltigen Entwicklung, dass diese nicht in Einzelziele zerlegt werden darf, indem sich jeder sein Stückchen aus dem Kuchen herausschneidet, sondern ausschließlich integrativ betrachtet werden muss. Ökologie Eine gerechte Welte Gesellschaft Nachhaltige Entwicklung Eine lebenswerte Welt Eine lebensfähige Welt Ökonomie Nachhaltigkeit muss integrativ betrachtet werden: Man darf sich nicht nur sein Stückchen aus dem Kuchen nehmen. 12 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
13 Nachhaltige Entwicklung ist ein offener Prozess Nachhaltigkeit ist kein wissenschaftlich bestimmter Begriff, sondern ein gesellschaftlich-politisches und damit normatives Leitbild. Der Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung stellt einen ethisch orientierten Such-, Lern- und Erfahrungsprozess dar. Dieser Prozess muss für die verschiedenen Akteure und Aktionen jeweils immer wieder neu in Form von Diskussionen über das gemeinsam angestrebte Ziel durchlaufen werden. Nachhaltige Entwicklung ist mithin ein permanenter Suchprozess in den sich viele Akteure einbringen um die umwelt-, sozial- und wirtschafts - politischen Ziele auszuhandeln. Der Weg (die Brücke) zu einer nachhaltigen Welt muss intensiv zwischen den Akteuren verhandelt werden. Es stellt sich generell die Frage, ob Gesellschaften überhaupt in der Lage sind, eine solch weitreichende Veränderung, wie sie das Modell einer nachhaltigen Entwicklung fordert, umzusetzen. Ein tiefgreifender Wandel in der Lebensweise des Menschen mit den dazugehörigen dominanten Produktionsprozessen und Konsumverhalten müsste stattfinden. Ohne starken äußeren Druck (der durch zunehmende Naturkatastrophen ausgelöst werden könnte), nur durch eigene Erkenntnis, ist ein solcher Wandel schwer vorstellbar. Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 13
14 Vorsicht vor Greenwashing für die Natur leistet. Dabei werden nur 2% des von RWE produzierten Stromes aus erneuerbaren Energien hergestellt, was im Strommix deutlich unter dem deutschen Durchschnitt liegt. Ebenso sind die im Werbevideo gezeigten Gezeitenkraftwerke noch lange nicht im Großeinsatz. Vielmehr blockiert der Energieversorger die Einspeisung von erneuerbarer Energie, da dazu weitere Investitionen in die Stromnetze notwendig wären. Mit Greenwashing bezeichnet man das Verhalten von Unternehmen oder Organisationen, bei denen einzelne umweltfreundliche Leistungen, Aktivitäten oder Ergebnisse mit erhöhtem PR-Aufwand öffentlich dargestellt werden, z.b. in Presseaktionen oder Werbeanzeigen. Häufig sind die dabei getroffenen Einzelaussagen zum Beispiel über ein neues, umweltfreundliches Produkt oder Verfahren des Unternehmens für sich genommen korrekt, betreffen aber nur einen geringen Teil der Unternehmensaktivitäten, während das Kerngeschäft ökologisch bedenklich bleibt. Oftmals bleibt es auch bei den Ankündigungen von Projekten. Beispiel: Europas größter Kohlendioxiderzeuger RWE zeigt sich in einem TV-Werbespot (ARD-Mittagsmagazin ) als grüner Energieriese, der mittels Windund Wasserstrom einen positiven Beitrag Auch Forschungseinrichtungen neigen zum Greenwashing, indem sie sich für nachhaltig halten, weil sie Themen wie regenerative Energien oder ressourcenschonende Produktion in ihr Forschungsportfolio aufnehmen. Dieses ist aber oftmals nicht der eigenen strategischen Entscheidung geschuldet, sondern vielmehr dem Reagieren auf ökonomisch begründete Effizienzsteigerungen in der Wirtschaft oder dem öffentlichen Forschungsbudget für regenerative Energien. 14 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
15 Strategien für eine nachhaltige Entwicklung Ökonomie - Effizienz Im Wesentlichen unterscheidet man drei verschiedene Ansätze, die zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen: Suffizienz (... weniger) Effizienz (... besser) Konsistenz (... anders) Diese Strategien können auch direkt den Bereichen des Dreisäulenmodells, nämlich der Ökonomie, der Ökologie und der Sozialen Komponente zugeordnet werden. Effizienz Das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand (an Personalressourcen, Material, Energie), der gebraucht wird, um diesen Nutzen zu erzielen, soll - insbesondere durch technische Innovationen - verbessert werden. Eine solche Effizienzsteigerung wird von den Unternehmen seit jeher permanent angestrebt, da dadurch auch unmittelbar ökonomische Vorteile entstehen, denn Material- und Energieeinsparungen verringern die Kosten. Dieses ist mithin kein neues Prinzip. Effizienzsteigerungen können allerdings nicht beliebig weit getrieben werden; sie sind bei bereits hoher Effizienzstufe nur noch wenig steigerbar (Beispiel: den Verbrauch von Verbrennungsmotoren in PKW unter 5 l/100 km zu drücken erfordert sehr aufwändige technische Innovationen, z.b. im Bereich des Leichtbaus; und irgendwo ist dann Schluss...). Ebenso muss angemerkt werden, dass selbst bei effizienten Produktionsverfahren oder dem effizienten Einsatz von fossilen Energieträgern zwar weniger Ressourcen verbraucht werden, dieser Verbrauch allerdings nach wie vor nicht nachhaltig ist, weil die Ressourcen nicht regenerierbar sind. Ebenso ist bei Effizienzsteigerungen der Rebound-Effekt als gegenteiliger Effekt zu berücksichtigen. Er besagt, dass Einsparungen durch effizientere Technologien durch vermehrte Nutzung und Konsum überkompensiert werden. Wenn ein Auto weniger Kraftstoff verbraucht, wird es öfter eingesetzt. Technologische Fortschritte steigern die Effizienz von Prozessen. Irgendwann ist allerdings eine Grenze erreicht.
16 Soziales - Suffizienz (das 95% des Tages ungenutzt in der kostenpflichtigen Garage steht) kaufe ich die Mobilität von A nach B durch kurzfristige Carsharing-Nutzung. Suffizienz als qualitative statt quantitative Optimierung: Einem schlanken Mann, der weniger Ressourcen verbraucht hat, geht es besser als einem fettleibigen Mann. Suffizienz hat es vor allem dann schwer und befindet sich in einer defensiven Position, wenn sie auf das individuelle Konsumverhalten reduziert wird. Eine konviviale Suffizienz ist eine Lebensstilveränderung (einhergehend mit weniger Ressourcenverbrauch), ohne dass die Lebensqualität dabei signifikant leidet. Hier geht es um ein neues Wohlfahrtverständnis. So werden in diesem Zusammenhang z.b. der Zeitwohlstand beschworen oder neue Arbeitsformen eingeführt. Hierzu passt auch der Trend, dass man in Zukunft Leistungen kauft und nicht physische Geräte, z.b. statt eines eigenen Autos Die Suffizienzstrategie hat es insofern schwer, als direkt der Verbraucher und Konsument zu einer Verhaltensänderung aufgerufen wird - Effizienz und Konvergenz erledigen Andere für einen. Ebenso wird die Suffizienz von der Wirtschaft und auch der Politik angefochten, da ressourcenschonendes Verhalten ist zur Proklamation einer Wachstumsgesellschaft mit ihrer intrinsischen Notwendigkeit des steigenden Ressourcenverbrauchs. Um das ungezügelte Streben nach Mehr zu begrenzen, müsste auch der öffentliche Raum entsprechend angepasst werden. Es wäre widersinnig, größere Flughäfen und höhere Einkaufszentren zu bauen, und dann dem Konsumenten dazu aufzufordern, diese möglichst nicht in Anspruch zu nehmen.
17 Konsistenz - Ökologie Von den Prozessen der Natur lernen: Industrielle Produktionsprozesse sollen Prinzipien der Ökologie folgen. Das mathematische Unendlichkeitszeichen verbindet die beiden derzeit noch getrennten Ansätze symbolisch. Den Konsistenzansätzen hin zu einem ökologischen Strukturwandel kommen eine zentrale Rolle zu, weil sie umfassender sind als Effizienz- und Suffizienzsteigerungen und auch organisatorische Innovationen einschließen. Das menschliche Wirtschaften wird angepasst an natürliche Prozesse. Dazu gehört das bekannte Prinzip des Rezyklierensheute wird in diesem Zusammenhang etwas breiter von Kreislaufwirtschaft gesprochen. Ähnlich wie in der Natur soll es auch in den Produktions- und Nutzungsprozessen keine Abfallprodukte und keinen Müll mehr geben, sondern Materialien aus der Produktion oder nach der Nutzung werden wiederverwendet (und nicht nur in Form der thermischen Verwertung, also der Verbrennung). Die Energie ist regenerierbar aufgrund der Energiezufuhr durch die Sonne (woraus sich auch Wasser- und Windkraft ableiten). Es geht also nicht um weniger Materialnutzung (wie bei der Effizienz), sondern um eine andere Art des Materialeinsatzes. In diesem Zusammenhang wird auch von einem industriellen Stoffwechsel gesprochen. Bei der Gegenüberstellung von Suffizienz/Effizienz auf der einen Seite und Konsistenz auf der anderen kann auch von einem quantitativen oder qualitativen Wachstum gesprochen werden.
18 Fraunhofer und Nachhaltigkeit Forschungseinrichtungen können in unterschiedlicher Form zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen: Qualifizierung der Mitarbeiter/innen im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem Nachhaltigkeitsbegriff und einem entsprechenden Handeln Ressourcenschonender Betrieb der Gebäude und Anpassung der Geschäftsprozesse Nachhaltige Produktion, d.h. für FuE-Einrichtungen die Erstellung von FuE-Resultaten, im Hinblick auf Ressourcenschonung und Sicherheit ( Nachhaltige Forschung ) Systemforschung für eine nachhaltige Entwicklung Neue Technologien für eine nachhaltige Entwicklung 18 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
19 Jeder einzelne Bürger muss überzeugt werden Fraunhofer hat rd Mitarbeiter/ innen. Dies entspricht rd. 0,0023 Promille der Weltbevölkerung, die rund 7 Mrd. beträgt und jede Sekunde um 2,8 Menschen zunimmt. Einerseits machen die Fraunhoferianer nur einen kleinen Teil der Weltbevölkerung aus, andererseits ist es wichtig, dass jeder Mensch zur nachhaltigen Entwicklung der Erde beiträgt. Deshalb muss auch jeder überzeugt werden, so dass er ggf. seine Einstellungen und sein Verhalten ändert. Jedes Unternehmen und jede Organisation sollten deshalb intern einen Diskurs über die Möglichkeiten des Beitrags jedes einzelnen Mitarbeiters bzw. des gesamten Unternehmens für eine nachhaltige Entwicklung führen. Wie oben angedeutet: Nachhaltige Entwicklung ist ein Prozess zwischen den Akteuren hinsichtlich des besten Verhaltens unter Abwägung verschiedener Ziele. Fraunhofer will diesen internen Diskurs intensiv vorantreiben. Jeder einzelne Mensch muss überzeugt werden, damit er den Weg einschlägt vom ressourcenintensiven quantitativ wachsenden Wirtschaftens hin zu einem Wirtschaften, das sich an natürliche Kreisläufe anlehnt. Der Weg geht zunächst bergauf, gegen den Trend... Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 19
20 Fraunhofer qualifiziert seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu verantwortlichen Weltbürgern Bisher hat die Fraunhofer-Gesellschaft ihre wissenschaftlichen Mitarbeiter/innen in Anlehnung an den Namenspatron Joseph von Fraunhofer hinsichtlich drei unterschiedlicher Qualifikationen ausgebildet, der wissenschaftlichen Exzellenz, der erfinderischen Kreativität und des unternehmerischen Handelns. Diese Qualitäten hat auch schon Joseph von Fraunhofer vor über 200 Jahren besessen. Eine neue Qualität, die aufgrund der globalen Herausforderungen zunehmend von den Forschern verlangt wird (und die Joseph von Fraunhofer damals nicht brauchte), ist die Bewertung der Technologien hinsichtlich ihres Beitrags zu einer nachhaltigen oder weniger nachhaltigen Entwicklung. Diese Kompetenz der Technologiefolgenabschätzung, d.h. was wird aus meiner Entwicklung und wie verändert sie die Welt (was sie mit einer bestimmten Ausprägung immer macht), ist für einen Forscher schwer zu beurteilen. Dazu bedarf es auch begleitender Forschung v.a. im sozioökonomischen Bereich, um ihm die richtigen Instrumente an die Hand zu geben. Es bleibt abzuwarten, ob in Zukunft jeder Forscher die Konsequenz seines Wirkens ausreichend präzise abschätzen kann. So wie Ameisen auch manchmal vom vorgezeichneten Pfad abweichen und somit noch kürzere Wege zur Beute finden, sind auch die Qualifizierung und die Kreativität von Mitarbeitern wichtig für eine erfolgreiche Forschungseinrichtung. Dies gilt v.a. in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung: Wir brauchen neue Wege. 20 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
21 Nachhaltigkeitsberichte dienen der internen Diskussion und der externen Kommunikation Nachhaltigkeitsberichte stellen v.a. für Unternehmen neben den üblichen Geschäftsberichten die Tätigkeiten und Leistungen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung dar. Für Forschungseinrichtungen sind diese Art von Berichten bisher selten erstellt worden. Ein Fraunhofer-Institut hat derzeit bereits zum 2. Mal einen solchen Bericht veröffentlicht. Darin werden über die Ressourcenverbräuche pro Mitarbeiter genauso berichtet wie über die Familienorientierung des Institutes und natürlich über die FuE-Projekte, deren Ergebnisse zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Weitere Institute der Fraunhofer- Gesellschaft beabsichtigen eine solche Berichterstattung in der Zukunft. Die Global Reporting Initiative (GRI) mit Sitz in Amsterdam entwickelt Richtlinien für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen. An diese können sich FuE-Einrichtungen anlehnen. Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 21
22 Transdisziplinäre Forschung als neues Element der Forschung für die Nachhaltigkeit Transdisziplinarität ist ein methodisches Vorgehen, das wissenschaftliches Wissen mit praktischem Wissen verbindet. Dabei geht transdisziplinäre Forschung von gesellschaftlichen Problemstellungen aus und nicht von wissenschaftsgetriebenen Fragestellungen. Es erfordert somit bereits eine entsprechende Kompetenz, um globale Herausforderungen in die entsprechenden wissenschaftlich-technologischen Fragestellungen zu überführen. Dabei ist es üblich, eng mit den Nutzern und Anwendern zusammenzuarbeiten. Diese sollten direkt in das Projektteam integriert werden. Notwendig ist dabei oftmals die Koordination unterschiedlicher Disziplinen innerhalb eines Projekts. Der transdisziplinäre Forschungsprozess wird zumeist in drei Phasen untergliedert, wobei er sich v.a. bei den Phasen 1 und 3 von üblichen Forschungsprojekten unterscheidet: 1. Problemidentifikation und -strukturierung 2. Problemb earbeitung 3. Umsetzung des Ergebnisses in die Anwendung Die Gesellschaft und die Forschung definieren gemeinsam den Bedarf und entwickeln die Projekte in Kooperation 22 Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag
23 Umsetzung von globalen Herausforderungen in technologische Lösungen: Der Fraunhofer-Ansatz Fraunhofer hat für seinen neuen Strategieprozess zur Identifizierung von Zukunftsthemen im Jahr 2010 einen problemorientierten Ansatz gewählt. Während in früheren Prozessen eher technologieorientierte Themen wie Biofunktionale Oberflächen oder Energieautarke Sensornetze als strategische Themen identifiziert wurden, so werden nunmehr globale Herausforderungen als Basis genommen, um Fraunhofers technologische Lösungsbeitrage zu optimieren. Beschrieben werden diese Herausforderungen umfassend in State of the Future, eine von der World Federation of UN Associations herausgegebene jährlich modifizierte Studie. Daraus konnten Themen wie Erkennen und Beherrschen von Katastrophen oder Produzieren in Kreisläufen für Fraunhofer als relevant identifiziert werden. Diese Themen sind die Grundlage für interne thematische Programmausschreibungen, bei denen die Institute aufgerufen sind, im Wettbewerb Anträge mit den besten Lösungsansätzen zu stellen. Innerhalb dieses Prozesses werden auch abgestimmte Roadmaps innerhalb Fraunhofers zu dem Thema erstellt. Und natürlich sollten die Anwender und Nutzer mit einbezogen werden. Nachhaltige Entwicklung und Fraunhofers Beitrag 23
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